Beiträge von Finja

    "Uff!", stöhnte Finja, als Rhodesia sie mit ihrer Umarmung fast wieder umwarf. "Ich bin mir sicher, dass ihr gute Arbeit geleistet habt.", sagte die Almanin sicher und lächelte Rhodesia zu.
    "Nicolai!", platzte es schließlich aus Finja heraus und etwas taumelnd stand sie auf. Die kleine Frau war etwas zittrig auf den Beinen, fing sich jedoch relativ schnell. "Verdammt, ich dachte schon dir wäre was passiert!". Finja wirkte etwas unbeholfen, als sie versuchte ihren um einiges größeren Reisegefährten ebenfalls zu umarmen. Bei Rhodesia war es wirklich einfacher gewesen. Jedoch war Finja sich sicher, dass Nicolai diese Geste verstehen würde.
    "Ich kann helfen!", meinte Finja und war tatsächlich davon überzeugt, dass sie bei den Reparaturen des Schiffes helfen könnte. Kurz gab ihr linkes Knie nach, was die Almanin eines besseren belehrte. "Gut...", brummelte sie unzufrieden, bevor Nicolai etwas sagen konnte. "Ich werde mir noch etwas die Ruhe antun.". Sie trat missmutig gegen einen kleinen Stein, der leise klickend davonkullerte. "Ich seh schon an deinem Gesicht, dass du sowas sagen wolltest, Nicolai.". Rhodesia kicherte, dann bemerkte sie das Amulett.


    Die Blicke der kleinen Gruppe schossen in die Richtung, aus der die Rufe kamen. Mehrere Seeleute kamen aus einem kleinen Waldstück gerannt, deuteten in Richtung Waldrand. Die Soldaten, die um das improvisierte Lager Posten bezogen hatten, umklammerten ihre Waffen fester und eilten den Seeleuten entgegen. Sie hielten an einem zusammengezimmerten Zaun um, welcher (da war sich Finja sicher) niemanden wirklich aufhalten könnte. "Nicolai? Rhodesia? Wo sind meine Waffen?". Finja wirkte angespannt. Nicolai schien es nicht für die beste Idee zu halten, dass Finja sich bewaffnen wollte, auch das konnte sie an seinem Gesicht erkennen. Rhodesia deutete auf eine große Kiste, wollte gerade etwas sagen, doch da war Finja schon unterwegs. <Puh, ich war wirklich schon mal besser unterwegs.>, dachte die kleine Almanin, als sie schon losgespurtet war. <Aber irgendwer muss den Haufen hier ja verteidigen. Hoffentlich gehen wir hier nicht alle drauf.>. An der Kiste angekommen hatte Finja schnell ihre Waffen gefunden. Sie waren komplett, ihr sonstiges Gepäck würde sie bestimmt später noch finden. Anschließend raste Finja, so gut es ging, zurück zu Rhodesia und Nicolai. "Nimm deinen Bogen.", meinte sie und fügte hinzu:"Wer auch immer da kommt soll sehen, dass wir nicht wehrlos sind. Rhodesia, hier, nimm dieses Messer.".


    Die Soldaten bildeten eine dünne Schlachtreihe, Finja drängte sich grimmig dazwischen. "Was haben die Seeleute gesehen?", fragte sie den Kerl neben sich. "Centauren.", gab dieser knapp zurück, umklammerte seinen Speer fester und schaute sich unsicher um. "Hey.", grinste Finja den Mann an. "Brauchst keine Angst zu haben, ich bin ja jetzt da.". Ihr Kopf pochte. Dann traten Gestalten aus dem Waldstück hervor. Tatsächlich näherte sich eine kleine Gruppe Centauren. Schon aus der Ferne hoben sie ihre Hände, zeigten, dass sie nicht auf einen Kampf aus waren. Die Verteidiger wurden etwas entspannter, jedoch nicht weniger wachsam. "Willkommen, Reisende!", rief der eine Centaure aus der Ferne. "Wie wir sehen seid ihr in Schwierigkeiten. Keine Sorge, wir sind gekommen um Euch zu helfen!". Finja zog sich aus der Linie zurück, brummte dem Kerl neben sich noch ein "Nicht weggehen." zu.
    Dann huschte sie zu Nicolai hinüber. "Nicolai?", fragte sie mit gedämpfter Stimme, was eigentlich nicht nötig war. Die Neuankömmlinge würden sie so oder so nicht aus der Entfernung hören können. "Weisst du, was das für Personen sind? Tragen sie eine Art Wappen? Erkennungszeichen?". Dann fiel ihr Blick auf das Amulett, welches Nicolai noch immer umgehängt hatte. "Vielleicht solltest du versuchen das Teil erst einmal zu verstecken?", schlug sie vor. Die Almanin wurde das Gefühl nicht los, als könnte dieses Ding noch einmal wichtig werden und...nicht jeder, schon gar nicht diese unbekannten Centauren sollten wissen, dass sie in Besitz davon waren.

    Die Schreie auf dem Deck wurden lauter. Die Seeleute versuchten über den Lärm des Unwetters hinweg zu kommunizieren, was ihnen eher mittelprächtig gelang. Unsanft wurde das Schiff durch die Naturgewalten hin und her geschleudert und sowohl Finja als auch Nicolai hatten Probleme sich auf den Beinen zu halten. Irgendwann trafen sich die Blicke der beiden Gefährten. Finjas Gesicht war wie erstarrt. "Ich muss hier raus.", sagte sie knapp und raste wieder in Richtung Deck. Sie wollte nur noch weg, fühlte sich schutz- und hilflos im Bauch des Schiffes. Nicolai hatte sie nicht aufhalten können, anscheinend rief er ihr noch etwas nach, doch es war bereits zu spät. Die kleine Almanin kam an Deck an, klammerte sich an dem Rahmen der Tür fest. Wind und Regen peitschten ihr ins Gesicht und es dauerte nicht lang, da prustete Finja bereits und versuchte sich das kalte Salzwasser aus dem Gesicht zu wischen. Die Matrosen, die nicht gerade dabei waren das Schiff auf so etwas wie einem Kurs zu halten, beteten verzweifelt sämtliche Gottheiten an, die ihnen in den Sinn kamen. Finja sah den Steuermann, der unter großen Anstrengungen das Steuerrad gepackt hatte. Die Wucht einer Welle war jedoch zu enorm, der Mann verlor den Halt und polterte in Richtung Planke. Dort kam er unsanft zu liegen, wurde zum Glück nicht über Bord gespült. Er fluchte, biss die Zähne zusammen und robbte wieder in Richtung Steuerrad, welches unkontrolliert rotierte. "Du da!", schrie er über das Tosen des Sturmes hinweg und zeigte auf Finja. "Besorg ein Seil! Rasch!". Finja nickte und ihr Körper schien fast selbstständig zu reagieren. Tatsächlich bekam die Almanin ein Tau in die Hände, stolperte damit zum Steuermann hinüber. "Binde mich hier fest und bei allen Göttern, mach die Knoten so fest du kannst!". Finja verstand. Ohne den Mann am Steuer würden sie wahrscheinlich sonstwo landen...doch würde er definitiv mit dem Schiff untergehen sollten sie kentern. Finja funktionierte einfach. Wie in Trance wickelte sie das Seil um den Seemann und das Steuerrad, zog die Knoten so fest sie nur konnte. Schließlich hatte sie ihre Aufgabe erfüllt und der Mann sah zu ihr hinunter. "Fürchte dich nicht. Ich bring uns hier raus.". Einen Moment lang erhellten sich die Gesichtszüge des Mannes, waren freundlich, nur um dann wieder zu erstarren. "Und jetzt sieh zu, dass du nicht von Bord gespült wirst, Kurze!!". Dann drehte er das Steuerrad hart nach Backbord und mit einem festen Ruck gehorchte das Schiff. Beinahe hätte es Finja von den Füßen gerissen, doch hielt sich die Almanin tapfer. "Ich gehe hier nicht drauf, ich habe noch zu viel zu erledigen.", sprach sich Finja selbst Mut zu. Diese Zuversicht wurde, wie so vieles was auf Deck gestanden hatte, hinfortgefegt, als sich eine gigantische Welle vor dem kleinen Schiff aufbaute und es in Schlagseite versetzte. Finja schluckte, ihre Hände wanderten zitternd zu der Brüstung des Oberdecks. Weiterhin die wachsende Welle fixierend umklammerte die Almanin die Planke so gut es ging. Dann kniff sie die Augen zusammen und bereitete sich auf den Einschlag der Welle vor...


    Der Sturm lichtete sich. Welch ein Glück. "Wir hams geschafft, Kurze.", keuchte der Steuermann, sichtlich am Ende seiner Kräfte. Wie durch ein Wunder war der Einschlag der Welle ausgeblieben. Bald wurde der Anker geworfen und das Schiff kam vor einer Küstenlinie zum Stehen, immer noch mit einer zusammengekauert dasitzenden Finja am Oberdeck. Eine schon fast gespenstische Ruhe breitete sich auf dem Schiff aus. Jeder war froh mit dem Leben davongekommen zu sein. Nach und nach wurden Rufe nach Kameraden laut, wie durch ein Wunder war niemand über Bord gegangen. Leider gab es jedoch dafür viele Verletzte und Finja meinte irgendetwas von einem Loch im Rumpf zu hören. Sie saßen wohl mehr als eine kurze Zeit lang fest. Noch immer zitternd richtete sie sich auf. "Ni....Nicolai?", stammelte sie leise und taumelte in Richtung Treppenabgang, wo sie den Raktauren vermutete. "Nicolai!!?", schrie sie dann und beschleunigte ihre unsicheren Schritte. Dann plötzlich drehte sich alles. "Nein...", hauchte Finja noch und schlug wie ein gefällter Baum auf dem hölzernen Boden des Schiffs auf.


    Langsam öffnete Finja die Augen. Es war noch Tag, so viel war sicher. Langsam drehte sie den Kopf. Es fühlte sich seltsam an...dann stellte die Almanin fest, dass sie nicht mehr auf dem Schiff war. Sie lag am Strand, weiter weg vom Meer, doch trotzdem noch im Sand. Jemand hatte Decken um sie gewickelt, in der Nähe standen mehrere Gefäße. Was war passiert? Langsam richtete Finja sich auf. Sie fühlte sich schwach. Ihr Blick wanderte umher. Das Schiff lag immer noch in den seichten Gewässern vor Anker, jedoch hatten die Matrosen große Teile der Ladung ausgeladen und am Strand ein kleines Lager errichtet. Provisorische Schlafstätten, Kochfeuer, ein Lazarett und Posten waren improvisiert worden, es herrschte reges Treiben. Niemand der Seeleute schien die wieder erwachte Almanin zu bemerken, die nun unsicher ihre Knie umfasste und nach bekannten Gesichtern suchte. Finja hatte schon das ein oder andere erlebt...aber das mit dem Sturm war eine ganz neue Erfahrung für sie, die sie auch so schnell nicht noch einmal machen wollte. Wo waren nur Nicolai und ihre anderen Gefährten? Hatten sie es geschafft? Waren sie wohlauf?

    Finja war froh, dass sie mit Nicolai über ihren Fund reden konnte. Anscheinend war diese Kette mehr als sie auf den ersten Blick zu sein schien. "Natürlich, behalt das Teil erst mal.", stimmte die Almanin zu, auch wenn sie sicher war, dass Nicolai ihr gar keine andere Möglichkeit ließ. "Meinst du, das ist etwas Wichtiges?", fragte sie schließlich und war von einer gewissen Neugier gepackt. "Ich glaube, wenn hier jemand was darüber rausfinden kann oder weiss, dann du!.", fügte sie munter hinzu. Plötzlich schrie der Kapitän irgendwas von einem Sturm und ihr Blick blieb auf Nicolai hängen. "Oh nein, auch das noch.", kommentierte dieser die Situation. "Was? Das kann doch nicht sein? Gerade war doch noch gutes Wetter?". Finja sah sich unsicher um. "Warte kurz.", sagte sie knapp und huschte hinaus. Auf Deck machte sie sich selbst ein Bild von der Situation. Tatsächlich schien ein Unwetter heranzurollen. In der Ferne konnte man bereits dicke und überaus dunkle Wolken erkennen, die sich wahnsinnig schnell näherten. Finja schluckte. Eigentlich machte ihr Unwetter nichts aus, aber auf einem Schiff? Die Seeleute um sie herum rannten teilweise wild durcheinander, kamen den knappen Anweisungen ihres Kapitäns nach. "Sagt, wird uns das da hinten stark treffen?", rief Finja dem Kapitän entgegen und deutete in Richtung der herannahenden Wolken. Der Mann setzte ein schwaches Grinsen auf. "Wär doch gelacht, wenn wir damit nicht klar kommen würden meine Teuerste.". Es war ein schwacher Trost, fand Finja. Der Wind frischte weiter merklich auf und skeptisch schaute die Almanin umher. Dann dachte sie wieder an Nicolai und machte sich wieder auf den Weg zu ihrem Reisegefährten. Dieser stand immer noch da, wo sie ihn vorgefunden hatte und untersuchte die Kette. "Da kommt richtig was auf uns zu, Nicolai.", berichtete sie und bemerkte natürlich direkt seine besorgte Miene. "Nicolai...". Unsicher trat sie auf der Stelle umher. "Wir kommen doch bestimmt gut aus der ganzen Sache raus, oder? Bitte sag mir, dass die Leute hier wissen, was sie tun.". Finja fühlte sich wehrlos. Gegen normale Feinde konnte sie wenigstens kämpfen, aber gegen das Wetter war das nicht wirklich möglich. Außerdem waren sie auf einem Schiff. "Wir sinken doch nicht, oder?", brummelte sie und verzog das Gesicht. Eigentlich war sie es, die in dieser Situation einen kühlen Kopf bewahren musste, das wusste sie, doch war ihr genau das gerade nicht möglich.
    Plötzlich rumpelte es laut über den beiden Gefährten und erschrocken sah Finja nach oben. "Ich gehe gucken, was passiert ist.", entschied sie und rauschte wieder von dannen.
    Wieder auf Deck peitschte der Almanin bereits der Regen scharf ins Gesicht. "Das kann doch wohl nicht wahr sein.", fluchte sie und sah daraufhin, was passiert war. Einer der Seeleute war von der Treppe des Oberdecks gefallen, wandte sich hin und her und hielt sich das Knie. "Wartet, ich helfe euch!", rief Finja über den Krach des Unwetters hinweg und stampfte in Richtung des Mannes. Sie zog ihn hoch, bekam Hilfe von einem der Soldaten. Gemeinsam schleppten die beiden den verletzten Seemann in Richtung Planke. "Viniera!", schrie Finja. "Viniera, komm schnell her!". Die Fee konnte dem vor Schmerz fluchenden Mann bestimmt helfen. Finja wischte sich die nassen Haare aus dem Gesicht und tatsächlich meinte sie in der Ferne Viniera ausmachen zu können. Mittlerweile war die Almanin nass bis auf die Knochen, das Unwetter hatte das Boot und die Besatzung wirklich hart getroffen. "Viniera, sieh zu, was du tun kannst!". Mit einer gehörigen Portion Verzweiflung winkte Finja der Fee wild zu. Zu allem Überfluss hatte der Seegang auch noch ordentlich Fahrt aufgenommen. Einmal schlug eine Welle gegen die Seite des Schiffes und Finja wurde durch die Wucht von den Füßen gerissen. Sie kullerte ein kleines Stück über das glitschige Deck, einer der Soldaten stoppte sie. "Wartet, ich helfe euch.", schrie der Mann und zog die kleine Almanin mühelos hoch. "Danke.", antwortete Finja, was aufgrund des tosenden Unwetters fast unterging. Dann taumelte sie fast in Richtung des verletzten Seemanns, Viniera war bereits dort. "Er ist schwer gestürzt.", meinte Finja und Viniera nickte. "Ich krieg das schon hin.". Finja hörte den Satz der Fee fast gar nicht. Sie blickte nur in Richtung der sich immer weiter aufbrausenden Wellen, wurde langsam bleich im Gesicht. "Das war es dann wohl...", murmelte sie traurig.


    Polternd flog die Tür auf und eine völlig durchnässte Finja stolperte zu Nicolai hinüber. In den unteren Decks war es fast noch unerträglicher als draußen. Das Boot knarzte laut und schwankte gefühlt noch stärker hin und her. "Jemand hat sich verletzt, Viniera kümmert sich drum!", rief Finja Nicolai zu. Dann donnerte es plötzlich. "Nicolai...ich hab Angst.".

    Während Nicolai Viniera seine Meinung mitteilte stand Finja nur daneben. Gerade noch hatte sie der Fee zugejubelt, jetzt schien die gute Stimmung einen deutlichen Dämpfer bekommen zu haben. Einen Moment lang schwankte Finja zwischen "Mach nicht so einen Wind, Nicolai." und "Viniera, das hätte wirklich ins Auge gehen können.". Sie konnte sich nicht wirklich entscheiden und hielt daher lieber den Mund.
    Schließlich geriet die Almanin in den Fokus der Fee. "Oberlehrer?", Finja musste schmunzeln. Tatsächlich hatte Nicolai manchmal gewisse Ähnlichkeiten mit solcherlei Personen, zumindest so, wie Finja sich diese vorstellte. Viniera war allerdings noch nicht fertig. „Was hält dich eigentlich in der Gesellschaft dieses seltsamen Herren? Er scheint mir etwas prüde zu sein. Ich ahne, dass ich mit dir weitaus mehr Spass haben kann!“. Finja war sich nicht so ganz sicher, ob das nun gut oder schlecht war. "Wir sind gemeinsam auf Reisen, haben Ziele in der selben Richtung und...". Die Fee hingegen war schon wieder einen Schritt weiter. „Wie wärs… lass uns zusammen etwas Abenteuer auf diesen Kutter bringen! Viel zu viele griesgrämige Gesichter“. Ihr Blick blieb merklich an Nicolai hängen. Anschließend plapperte sie etwas von Farbe und das Schiff anmalen, wuselte dann, ohne auf Finjas Antwort zu warten, davon.
    Mehrere Sekunden lang schwiegen die beiden Reisegefährten. "Was ist hier gerade passiert?", murmelte Finja mit einer Mischung aus Skepsis und Amüsement. "Wirklich ein lebhaftes Persönchen.", fügte sie hinzu und sah zu Nicolai auf. Dieser schien nicht ganz so zufrieden mit der Situation zu sein. "Hey, nimm dir das nicht so an.", sagte Finja und erhaschte so Nicolais Aufmerksamkeit. "Du könntest bestimmt ein guter Lehrer sein.". Die Almanin grinste. "Ich werde mal zusehen, dass sie keinen allzugroßen Unfug treibt. Wer weiß, vielleicht sind wir ja dann bald sowas wie Oberlehrerkollegen? Gibt es sowas?".


    Es dauerte nicht lang, da hatte Finja Viniera auch schon eingeholt. Diese kramte bereits in einem Stapel aus Gerümpel im Laderaum herum und schließlich fiel ein Eimer polternd zu Boden. "Viniera.", sagte Finja mit gedämpfter Stimme. "Wir können hier doch nicht einfach mit Farbe oder dergleichen herumspielen. Außerdem sollten wir wohl besser gar nicht erst hier sein.". Viniera streckte den Kopf aus dem Gerümpel hervor. "Wie? Nicht? Fängst du nun auch schon so an?". "Ich meine doch nur...". "Aaach, alles in Ordnung. Ich will mich doch nur ein bisschen umsehen.". Schon verschwand sie wieder. Finja sah sich um. Womöglich war es keine wirklich gute Idee gewesen Viniera zu folgen.
    Trotz aller Skepsis untersuchte Finja schließlich auch Teile des Laderaums. Zwischen Vorräten, diversen Ausrüstungsgegenständen und sonstigem Plunder waren auch Waffen und Werkzeuge eingelagert. "Viniera, lass gut sein.", meinte Finja schließlich. Die Fee ließ sich nicht beirren, zog sich gerade an der Kante eines kleinen Holzkästchens hoch, das nicht gerade standfest auf einer massiven Truhe stand. Darin lagen mehrere Blätter unbeschriebenes Pergament. "Schmeiß das nicht runter...". Plötzlich hörte Finja Schritte. Jemand kam die hölzerne Treppe, die in den Laderaum führte, hinunter. "Viniera!", zischte Finja zwischen den Zähnen hindurch und schlich schnellen Schrittes in Richtung der Fee. Tatsächlich waren die zwei Soldaten schneller unten angekommen, als Finja es sich erhofft hatte. Glücklicherweise hatten sie die Almanin nicht gesehen, Viniera sowieso nicht. Finja blieb hinter einer großen Kiste stehen und wartete, bis sich die Soldaten wieder auf den Weg in Richtung Treppen machten. Da polterte es schräg hinter der sich versteckenden Almanin. Das kleine Kästchen lag am Boden, überall flogen Zettel herum und eine erschrocken dreinschauende Viniera saß mittendrin. "Was warn das grad'?", grunzte einer der Soldaten und blieb stehen. Finja reagierte sofort, griff nach dem Kästchen und sammelte die Blätter so schnell sie konnte zusammen. Zwischendrin verschwand auch Viniera leise fiepend, sowie irgendetwas anderes in dem Kästchen. "Alles gut, nichts passiert!", rief Finja und trat mit dem Kästchen unterm Arm hinter den Kisten hervor. "Mir ist nur diese Kiste runtergefallen. Ich brauchte neue Zettel für meine Arbeit.", fügte Finja hinzu, hielt das Kästchen mit dem Pergament und der Fee hoch und machte sich auf den Weg in Richtung Treppenaufgang. Die Soldaten hielten inne, einer wollte noch etwas sagen, verkniff es sich jedoch in weiser Voraussicht. Er wollte sich nicht mit der kleinen Almanin anlegen und hatte sonst auch keinen Grund die Arbeit von Finja in Frage zu stellen. "Bitte, nach Euch.", sagte Finja bestimmend und mit einer ausladenden Handbewegung. Ohne Worte griffen die Soldaten nach der schweren Kiste, die sie anscheinend holen sollten und stapften leicht stöhnend aufgrund des Gewichts voran.


    Die kleine Gruppe kam wieder an Deck an. Die Soldaten trotteten von dannen und Finja wartete einen Moment, bis sie unbemerkt war. Dann öffnete sie das Kästchen und eine leicht zerknautscht wirkende Viniera kam zum Vorschein. Finja setzte sie auf die Planke. "Gerade noch einmal gut gegangen, was?". Die Fee brummelte etwas, fing sich dann aber langsam wieder. "Eigentlich war das alles gar nicht so schlimm, aber dieses Teil da drin hat echt wehgetan...". Der Blick zu Finja war leicht anklagend, diese wusste jedoch nicht auf Anhieb, was genau gemeint war. Finja kramte etwas in der kleinen Box herum und tatsächlich... Erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass sie in ihrer Eile noch etwas aufgesammelt hatte, was sich nun zwischen den leicht geknickten Zetteln befinden musste. Es handelte sich dabei um eine Art Plakette, auf der ein Symbol eingeprägt war und an der ein Lederband baumelte. Finja überlegte. Irgendwo hatte sie dieses Symbol schon mal gesehen, sie kam jedoch nicht drauf. Die beiden untersuchten die Plakette an dem Lederband noch etwas, sinnierten über die Bedeutung des Symbols, allerdings ohne wirklich nennenswerten Erfolg. "Vielleicht weiß Nicolai ja, was das ist oder wo das herkommt.", murmelte Finja schließlich und ließ die "Kette" in ihrem Gürtel verschwinden. Viniera verdrehte die Augen. "Wirklich? Müssen wir jetzt wirklich wieder zu ihm?". Finjas Mundwinkel zuckte sanft nach oben. "Musst ja nicht mitkommen. Ich kann dir ja später erzählen, was wir rausgefunden haben falls etwas bei rumkommt.". Viniera nickte. Bevor Finja Nicolai aufsuchte, drehte sie sich noch einmal zu der Fee um. Leicht übertrieben hob sie mahnend den Finger und sagte "Und stell nichts an.". Dann zwinkerte sie Viniera noch einmal zu und ging.


    Etwas später sah Finja Nicolai bereits von weitem. War er gerade im Gespräch? Genau konnte sie es nicht sagen, wollte auch nicht stören. Sie näherte sich dem Raktauren mit gemächlichem Schritt, blieb dann jedoch abrubt stehen. Da war es wieder, dieses Gefühl beobachtet zu werden. Finjas Blick flog über die Schulter, doch da war niemand. Vorsichtig schaute sie sich um, prüfte dabei so unauffällig wie möglich, ob die Kette noch da war. War sie. "Hm.". Dann ging die Almanin weiter in Richtung Nicolai. Sicherlich wäre ein Gespräch unter vier Augen das beste...

    Nicolai hatte irgendwas unter dem Bett verstaut als er Finja bemerkte. Was es genau war konnte Finja nicht mit Sicherheit sagen, aber es war ja auch schließlich seine Sache was er wo an Gepäck verstaute. "Hätte schlimmer sein können würde ich mal sagen.", grinste Finja im Bezug auf Nicolais "interessanten Mitbewohner". Als Nicolai die Zeichnungen sehen wollte hielt die kleine Almanin einen Moment lang inne. Sie dachte kurz nach, dabei tanzte der leicht abgenutzte Hornlöffel zwischen ihren Fingern umher. "Nagut.", sagte sie schließlich und betrat die Kajüte. "Bisher sind es nur ein paar Skizzen, aber man kann schon ganz gut erkennen was es am Ende werden soll...hoffe ich zumindest.". Finja stellte ihre Schale ab, kramte ein paar säuberlich gefaltete Zettel aus ihrer Gürteltasche hervor und warf sich auf die große Matratze. "Gemütlich habt ihrs hier ja auch!", stellte sie fest und hielt Nicolai dann den kleinen Stapel hin. "Das erste ist das Schiff, wie es gerade ablegt. Dann arbeite ich an einem Gruppenbild von uns allen. Ich dachte dann noch an eine weitere Zeichnung von unserem Zielhafen...oder von dem Ort, wo wir auch immer ankommen. Vielleicht noch etwas von dem Alltag auf dem Schiff hier?". Während der Raktaure die Skizzen in Augenschein nahm kniete Finja erwartungsvoll auf dem Bett. Dann bemerkte sie, dass sie mit ihren Stiefeln auf Nicolais Bett war und so wie sie ihn einschätzte würde er es ihr nicht böse nehmen...aber es würde ihm bestimmt auffallen. So leise sie konnte schlängelte sich die Almanin von der Matratze herunter, griff wieder nach ihrer Schale mit dem Essen und musterte prüfend den Bezug. <Alles scheint sauber geblieben zu sein...puh.>. Erleichtert ob der Sauberkeit aß sie weiter und wartete auf Kritik, Anregung und dergleichen.


    Etwas später gingen die beiden in Richtung Deck. Finja hatte ihre Schale weggebracht und sie und Nicolai beobachteten nun die Wellen. Dieser Frieden wurde gestört, als plötzlich ein Vogel umherschoss. Jemand schrie begeistert. "Das...was....was war das?!". Finja wirbelte herum und konnte gerade noch die Möwe sehen, die zwischen den Masten umherkreiste. "Nicolai...Vögel machen doch niemals solche Geräusche?", fragte Finja leise und kam sich dabei im Anschluss irgendwie dumm vor. "Rhodesia, hast du....". Die Frage hatte sich direkt erübrigt, da Rhodesia gerade aus einem dösigen Halbschlaf erwachte. Sie war tatsächlich noch genau da, wo Finja sie verlassen hatte. "Was für ein Spaaaß!", ertönte erneut die Stimme als die Möwe eine weitere Runde drehte. "Wenn das nicht die Fee ist...wie hieß sie noch...". Finja brauchte einen kurzen Moment um sich zu erinnern. "Viniera!", rief die kurze schließlich und winkte in Richtung Möwe. "Fall nicht runter!". Irgendwie war es dann doch interessant. Mit großen Augen verfolgte Finja die Flugbahnen der beiden. Was für ein Gefühl es wohl sein mochte zu fliegen?

    Die Gruppe hatte unterschiedlich auf Nicolais "Ansage" in Richtung Akorr reagiert. Finja versicherte Nicolai zwar, dass es nicht nötig gewesen war sich mit dem Söldnerhauptmann erneut anzulegen, jedoch sah Nicolai dies anders. So oder so, Finja bedankte sich trotzdem noch einmal und fand die Geste als solche durchaus nett. Schließlich betrat die kleine Forschergruppe das Schiff.


    Die Kajüten wurden zugeteilt und Finja bekam noch Rhodesia als Mitbewohnerin zugewiesen. Dies stimmte sie friedlich, denn hätte sie im Mannschaftsraum oder bei diesen ominösen Soldaten übernachten sollen, so hätte sie definitiv Alarm gemacht.
    Schließlich war das Gepäck verstaut und die beiden Zimmergenossinnen plauderten derweil über dies und das. Das Schiff hatte bereits abgelegt, als sie auf ihrer kleinen Schiffserkundungstour das Oberdeck betraten.
    Finjas Augen brauchten einen Moment, bis sie sich wieder an das Sonnenlicht gewöhnt hatten. Schließlich war es unter Deck weitaus dunkler. "Hier ist auch eindeutig bessere Luft.", stellte Finja heftig blinzelnd fest und hielt die Hand in Richtung Sonne. Rhodesia stimmte zu und so genossen sie eine Zeit lang die frische, salzige Seeluft.
    Als man sich mit dem Schiff, welches die nächste Zeit ihre Heimat sein sollte, vertraut gemacht hatte, nahm Finja am Bug Platz. Rhodesia wuselte kurze Zeit später mit einem Buch heran. "Sieh mal.", begann sie und blätterte eine Seite mit diversen Zeichnungen von Pflanzen auf. Im Anschluss erhielt Finja einen "kleinen Vortrag" über das Vorkommen, den Aufbau und die Verwendung der gezeigten Pflanze. Wirklich folgen konnte sie Rhodesias Ausführungen allerdings nicht, sodass Finja am Ende nur zustimmend nickte. "Ja, schmeckt bestimmt gut.", bestätigte sie abschließend, noch nicht wirklich wissend worauf sie sich dabei eingelassen hatte...


    Die Tag plätscherte vor sich hin und Rhodesia döste in der Sonne, das Buch aufgeschlagen auf ihren Bauch gelegt. Finja nutzte die Zeit um eine weitere Zeichnung für Nicolais Dokumentation anzufertigen. Sie hatte dafür mehrere Ideen. Ein grober Entwurf für eine Art Gruppenbild war schnell skizziert, auch wenn sie den Söldnerhauptmann eher ungern auf Papier bannte. Trotzdem gehörte er ja auch irgendwie dazu. Das Schiff wurde natürlich auch gezeichnet. Nebenbei fertigte sie, einfach nur zum Spaß, noch ein kleines Bild von der herumdösenden Rhodesia an.
    Es wurde Mittagszeit und Finjas Magen meldete sich. "Ich suche mir mal 'nen Happen zu Essen.", informierte sie die Albin, welche im Halbschlaf als Antwort nur etwas unverständliches vor sich hin murmelte.


    Kurze Zeit später fand sich Finja in der kleinen Kombüse wieder. Als sie eintrat verstummten die Soldaten, die ihre Mahlzeit an einem Tisch verdrückten. <Gut so.>, dachte sie und grinste in sich hinein. Die Kerle gingen ihr im Allgemeinen aus dem Weg und auch die Kommentare blieben aus. Mit dem Mittagessen in ihrer Tonschale schlenderte Finja noch etwas umher und machte sich dann auf den Weg zu der Kajüte, wo sie Nicolai vermutete. Unterwegs traf sie noch auf Thalon, der ihr als Begrüßung ein ruhiges lächeln schenkte.
    Die Tür zu Nicolais Kajüte stand offen, sodass Finja sich lässig mit der Schulter an den Türrahmen lehnte. "Und?", fragte sie Nicolai, dessen Blick hastig zu ihr herumfuhr. Er hatte ihr Eintreffen kaum bemerkt. "Läuft doch bisher ganz gut, oder? Hat man dir Thalon zugeteilt?". Sie sah sich in dem Raum um. "Ich werde übrigens bald mit den nächsten Zeichnungen fertig.", fügte sie stolz hinzu und schmatzte leise beim Kauen.

    "Guten Morgen wünsche ich." Finja fühlte erneut nach ihrer Beule. "Tut weh, wenn ich draufdrücke. Aber das wird mich nicht einschränken, ich lass einfach die Finger davon.", antwortete sie optimistisch und ignorierte das leichte Stechen der Nachwirkungen des Alkohols. "Ansonsten war es eine eher traumlose Nacht. Bei dir auch soweit alles gut gegangen?". Nicolai schien ebenfalls guter Dinge, daher beantwortete sich die Frage fast von selbst.


    Finja seufzte, legte den Kopf schief schaute Nicolai einen Augenblick lang an. "Mach dir keine Sorgen. Alles schon vergessen.", meinte sie schließlich. "Der Kerl hat mich in einer schlechten Verfassung erwischt. Gut, ich gebe zu, er war eben auch größer als ich. Aber sonst hätte ich den geschafft!", verwegen schoss einer von Finjas Mundwinkeln nach oben. "Nein, aber mal ernsthaft Nicolai, alles gut. Und wenn er DAS auch nur versucht hätte, glaub mir, dann wäre die Sache noch mal ganz anders ausgegangen.". Die Frage machte auch Finja anschließend in gewisser Weise verlegen und so löste sie ihren Blick von dem Raktauren.
    Als Nicolai Thalon erwähnte erinnerte sich Finja auch wieder an Rhodesia. "Wenn da mehr hinter steckt, dann finden wirs bestimmt raus.", antwortete Finja selbstsicher und ergriff Nicolais Hand.


    Aus der Ferne war bereits die Expeditionstruppe zu sehen und Nicolai schien mehr als zufrieden. Je näher Finja und Nicolai der Gruppe kamen, desto unruhiger wurde die Almanin. Sie meinte bereits von weitem ein paar Gesichter von dem Vorband zu erkennen...und damit waren weder Thalon noch Rhodesia gemeint. Von dem Raktauren war zwar noch nichts zu sehen, doch war es wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit bis dieser auftauchen würde.
    Die beiden Neuankömmlinge wurden recht herzlich begrüßt und man stellte sich einander vor. Finja bekam mit, wie die Soldaten ab und an in ihre Richtung schauten, sie musterten und tuschelten. "Hey, Rhodesia, schön dich zu sehen. So wie es aussieht geht es uns beiden heute wahrlich besser, hm?", fragte Finja dann die kleine Albin, welche sie nickend anstrahlte. "Verzeiht mein Auftreten am Vorabend.", gab Finja mit gedämpfter Stimme in Richtung Thalon. Tatsächlich schämte sie sich etwas, versuchte jedoch sich nichts anmerken zu lassen.


    Finja hatte ihren Rucksack etwas abseits auf den Boden gestellt und kontrollierte erneut die Vollständigkeit ihrer Ausrüstung, als sich einer der Soldaten von der Gruppe löste. Er stolzierte zu Finja hinüber und blieb ein paar Augenblicke wortlos vor ihr stehen. Als sie den Mann schließlich bemerkte grinste dieser und entblößte dabei zwei Zahnlücken. "Pass auf Kurze...wollen doch nicht, dass du wieder so unglücklich am Boden liegst.". Finja drehte sich verächtlich von dem Kerl weg und kramte weiter. "So oder so, sei auf der Reise nicht wieder so frech, hörst du?". Zorn flammte in der kleinen Almanin auf, doch sie versuchte sich weiterhin zusammenzureißen. "Falls ihr unseren...meinen Geleitschutz oder körperliche Wärme sucht, sagt einfach bescheid.", schleimte der Kerl übermütig weiter. Finja musste nicht wirklich aufmerksam sein um die Blicke seiner Kameraden zu bemerken., zischte sie zwischen den Zähnen hervor. "Es gibt da wirklich etwas, was ihr für mich tun könnt. Helft mir doch bitte auf, ich fürchte nämlich, dass mit meinem Knie etwas nicht in Ordnung ist seit letzter Nacht.". Mit funkelndem Blick hielt sie dem Soldaten die Hand hin. In einer überschwänglichen Bewegung griff dieser danach und heulte auf, als Finja pfeilschnell sein Handgelenk packte und es nach hinten knickte. "AAAaaaargghhh was zum?!", rief der Mann und ging in die Knie. Finja wirbelte um den Kerl herum, sodass sie den Arm verdrehte und hinter dem Soldaten zum Stehen kam. Mit der anderen Hand hatte sie das Schwert mehrere Finger breit gezogen. "Mit euch Gesindel werde ich jederzeit fertig. Das kannst du auch deinen Freunden sagen. Ich glaube, wir sind mit der Sache durch und es wäre für alle Beteiligten besser, wenn ihr einfach nur eure Aufgabe erfüllt, Soldat.", hauchte Finja dem Mann eiskalt ins Ohr. "Was ist hier los?", polterte plötzlich eine Stimme von der Seite. Finja ließ den Mann los, wollte ihn eigentlich noch anrempeln und entschied sich letztendlich jedoch dagegen. Als sie sich wieder aufrichtete sah sie ein ihr durchaus bekanntes Gesicht. Einen Moment erstarrte sie, als sie den Raktauren wiedererkannte. "Nichts. Wir sind hier fertig.", sagte sie trocken und zuckte mit den Schultern. Mit schnellen Handgriffen packte Finja ihre Ausrüstung zusammen und gesellte sich wieder zu Nicolai, Thalon und Rhodesia. Der Soldat verzog sich grummelnd zu seinen Kameraden, von denen der ein oder andere mittlerweile anerkennend in Finjas Richtung nickte. "Ich muss mich noch einmal entschuldigen.", sagte Finja in die Gruppe. "Ich musste da nur kurz noch etwas klarstellen.". Anschließend lehnte sie sich zu Nicolai. "Das sind ein paar der Männer, die der Kerl gestern im Schlepptau hatte.", klärte sie ihn auf. "Der andere da ist sowas wie ihr Hauptmann. Der, der mich geworfen hat. Aber mit dem spreche ich ein anderes Mal noch ein ernstes Wörtchen. Ich wäre dann soweit.". Erwartungsvoll schaute Finja zu dem Schiff hinüber, mit welchem sie schon bald ablegen würden.

    Erneut fasste Finja sich an die Stirn und spürte das mittlerweile matschige Blut an ihren Fingerspitzen. "Keine Sorge.", meinte sie in Richtung Priester und Waldalbin. "Morgen sieht das schon wieder ganz anders aus.".


    Als der Priester die Almanin über den Angreifer ausfragte, bereitete ihr dies etwas Unbehagen, doch sie beantwortete die Fragen so gut wie sie es in ihrer momentanen Lage konnte. Der Mann schien zu wissen, um wen es sich handelte. Doch bevor Finja selbst nachfragen konnte war der Priester auch schon mit der kleinen Albin im Schlepptau gegangen. Das ging für Finja alles etwas zu schnell.
    Im Anschluss gab es dann auch noch in gewisser Weise Ärger von Nicolai. Finja wurde noch kleiner als sie ohnehin schon war. Unglücklich hockte sie da, brummelig und leicht angefressen. Schließlich hatte der Grobian sie durch die Gegend geworfen?! <Eskapade...>. Finja passte das alles ganz und gar nicht.


    Nicolai gab Finja einen Schlüssel und ein Stück Verband. Mit leicht zittriger Hand nahm sie beides dankend entgegen und legte die Sachen ruhig vor sich auf den Tisch. Nicolai sagte noch etwas, doch Finja war gerade gedanklich woanders. Sie hob erst wieder den Kopf in Richtung Nicolai, als dieser sich schließlich zum Gehen abwandte.
    "Ni...Nicolai.", stammelte sie leise und erhaschte noch einmal seine Aufmerksamkeit. "Ich hab doch gar nichts gemacht.", flüsterte sie schon fast, hob den Kopf und schaute mit großen Augen zwischen ihren herunterhängenden Haarsträhnen hervor. Leicht unbeholfen wischte sie sich die Haare aus dem mit Dreck und etwas Blut beschmierten Gesicht. "Ich wollte doch nur kurz für mich sein. Ja, ich gebe zu ich habe etwas übertrieben. Nicolai der Kerl hat mich hochgehoben und weggeworfen als ich mich gewehrt habe! Einfach so, als wäre ich ein Sack Mehl.". Vielleicht täuschte sich Nicolai auch, aber es war durchaus möglich, dass die Augen der sonst so taffen Söldnerin leicht glitzerten. "Geworfen!", sagte sie etwas lauter um der ganzen Sache noch einmal Nachdruck zu verleihen. "Ich hab' doch nur nen Säufer aus der Gosse gezogen und bin dann mit dem Kerl und seinen Leuten zusammengestoßen und dann haben die Sprüche losgelassen...", sie wandte den Blick wieder ab und fühlte sich missverstanden. Ihre Wut war abgeflaut und erst jetzt wurde Finja so richtig bewusst, was alles passiert war...und was noch hätte passieren können.
    Langsam stand die Almanin auf, nahm noch einen großen Schluck aus ihrem Wasserbecher und ging mit tapsigen Schritten in Nicolais Richtung. Nun wurde mehr als offensichtlich, dass die Kurze mit ihrer Fassung rang. Im Vorbeigehen schluckte sie schon fast das "Gute Nacht" hinunter und verkrümelte sich in Richtung Zimmer.


    <Endlich.>. Das Zimmer war schnell gefunden und Finja machte sich bettfertig. Beim halbherzigen Zusammenlegen der Kleidung bemerkte sie das kleine Loch in ihrer Hose und das aufgeschürfte Knie. "Das kann doch alles nicht wahr sein.", grummelte Finja und warf zornig die Hose in die Ecke. Erst jetzt lief eine Träne ihre Wange hinunter. Eine Zeit lang hockte sie einfach so in der Dunkelheit unglücklich auf der Bettkante. Die unangenehme Begegnung mit dem Raktauren, dann dieses seltsame Verhör des Priesters und schließlich noch Nicolais Vorwürfe. <Hoffentlich wird das morgen anders.>, dachte Finja irgendwann, wuselte ins Bett und zog die Decke bis fast über den Kopf...der schief sitzende Verband juckte bereits jetzt schon.


    Finja war bereits früh wieder wach. Sie hatte zwar gebechert, fühlte sich aber dafür recht frisch. <War schon mal schlimmer.>, stellte sie erleichtert fest und rödelte sich an. Als sie das Wasser aus der kleinen Waschschüssel in ihrem Gesicht verteilte spürte sie das bereits verkrustete Blut. Zwar wollte sich Finja in nächster Zeit nicht noch einmal mit diesem Raktauren direkt anlegen, aber das letzte Wort war hier definitiv noch nicht gesprochen...schließlich sieht man sich immer zwei mal im Leben.
    Kurze Zeit später hatte die Almanin am Eingang des Gasthauses Platz genommen. Sie knabberte an einem Kanten Brot herum und biss immer mal wieder von einem Stück Schinken ab. Die Morgenluft tat gut und so wartete sie schon fast brav auf Nicolai, der kurze Zeit später zu ihr stieß.

    Arcadia hatte einen Stallplatz bekommen und das Gepäck war verstaut. Finja verabschiedete sich knapp von Nicolai und schritt schnellen Schrittes davon. <Einfach mal kurz weg...>.
    Im Gegensatz zu Nicolai hatte Finja in diesem Moment wenig übrig für die Schönheit der See.


    Auf der Suche nach einem Ort, an dem man etwas zu trinken bekommen konnte, zog Finja durch die kleinen Gassen und wurde schgließlich fündig. Sie betrat eine kleine Hütte, vor der ein runder Tisch und zwei Hocker standen. "Zum Salzhering" prangerte über dem Eingang. Drinnen war es düster und man konnte den Staub in den wenigen einfallenden Sonnenstrahlen sehen. Als Finja die Tür hinter sich zufallen ließ genoss sie für einen Moment die Stille in dem Schankraum, der Platz für vielleicht 30 Gäste bot. Eine Handvoll Gestalten schenkten ihr kurz Beachtung, wandten sich dann aber wieder grummelnd ihren Krügen zu. Hier ging man anscheinend nicht hin um zu feiern, sondern einfach nur um zu trinken. <Perfekt.>.
    Wenige Augenblicke später hatte Finja am Tresen Platz genommen und wies den Wirt an den leeren Becher ohne Nachfrage immer wieder zu füllen. So gab sie sich dem Suff hin, sortierte dabei halbherzig ihre Gedanken.


    Es wurde bereits langsam dunkel und Finja hatte einen zufriedenstellenden Pegel erreicht als sich die Tür öffnete und mehrere Seeleute den Schankraum betraten. Finja warf ihnen einen kurzen Blick über die Schulter zu und bekam ein paar Gesprächsfetzen der Männer mit. Sie hatten zwei Tage Landgang bevor ihr Schiff wieder ablegte. <Schiff...jah...mit sowas fahre ich auch bald.>, dachte sich Finja und überlegte, ob sie nicht wieder zurück zu Nicolai und Rhodesia gehen sollte. <Ja. Ich sollte los.>. Etwas unbeholfen kletterte Finja von dem Hocker, bezahlte ihre Zeche und ging, ab und zu nach links stolpernd, hinaus.
    Vor der Hütte atmete Finja einmal tief durch. "Jetz...ganz langsam.", brummelte die Almanin und trat ihren Heimweg an. An einer Straßenecke konnte sie plötzlich eine Gestalt regungslos liegen sehen. "Wasn mit dir los?", fragte sie leise, ging zu der Person hinüber und tippte sie mehrmals mit der Fußspitze an. Der Kerl lag auf dem Bauch und atmete noch. Finja musste nicht wirklich nah an ihn heran um zu merken, dass er unfassbar nach Alkohol stank. "Hats dich aufm Heimweg niedergestreckt, hm?", fragte Finja und bekam natürlich keine Antwort. "Du soll...solltest nicht einfach hier so rumliegen.", stellte sie fest und packte den Kerl bei den Schultern. Er hatte sogar noch einen halbvollen Becher neben sich stehen! Einige Zeit später hatte Finja den Mann irgendwie an die nahegelegene Hauswand gesetzt. "So. Ich glaub das is besser.", fand sie, nickte dem schlafenden Säufer einmal zu und ging wieder los. "Ich nehm das mal als Dank mit, ja?". Sie griff schwankend nach dem Becher des Kerls und nahm einen Schluck des schon leicht abgestandenen Biers.
    Als Finja um die Ecke und wieder auf die Hauptstraße einbog stieß sie hart mit jemandem zusammen. "Ey! Kannsu nicht aufpassn?", fragte sie den Unbekannten und sah zu ihm auf. Ein Raktaure stand vor ihr und seine Blicke funkelten auf sie hinunter. "Du...du bist nich Nicolai.", stellte Finja fest und schüttelte den Kopf. "Niedlich. Da hat wohl jemand einiges gebechert. Was meint ihr, Männer, ob die Kurze ein ganzes Bier geschafft hat?". Finja lugte an dem Raktauren vorbei und konnte trotz des Alkohols erkennen, dass er mehrere Leute im Schlepptau hatte. "Ich kann mehr trinken als du groß bist.", meinte Finja empört und tippte den Raktauren dabei an. "Falls du deinen Weg nicht mehr findest, so kann ich dich auch begleiten, meine Liebe.", schleimte der Raktaure während sich seine Leute gut zu amüsieren schienen. "Fass mich bloß nich an, dich schaff ich noch.". Schwankend ballte Finja die Faust, die Gruppe ihr gegenüber lachte. Das Lachen des Raktauren endete abrupt, als Finja versuchte ihn zu schlagen. Er packte die kleine Almanin einfach und hob sie hoch. "Lass mich sofort wieder runter.", zeterte Finja und strampelte. Stille trat ein, als Finja wütend den Inhalt des Bechers in ihrer Hand über dem Raktauren ausleerte. Einen kurzen Moment lang schien die Zeit still zu stehen und die Anspannung war deutlich zu spüren. "Miststück.", zischte der Raktaure und warf Finja zur Seite. Sie landete unsanft auf der dreckigen Straße. "Kommt, Männer, wir gehen da hinten noch einen trinken. Sollen sich doch andere um das Mädel kümmern.".
    Während der Raktaure und seine Leute sich entfernten, lachten und noch ein paar Sprüche kloppten stand Finja mit Mühe wieder auf. "Saubande.", fluchte sie. <Es war so ein guter Abend und dann das.>


    Die Tür des Gasthauses wurde aufgestoßen und Nicolai konnte Finja im Türrahmen stehen sehen. Sie hatte anscheinend gut getrunken und hielt einen leeren Becher in der Hand. Allerdings schien etwas mit ihr nicht in Ordnung zu sein. Die Kleidung war dreckig, ihre Stirn leicht aufgeschlagen und die Haare zerzaust. "Diesmal bist dus aber? Ja du bists.", sagte Finja erleichtert und ging schweren Schrittes zu Nicolai und seinen Tischgästen. "Du glaubst gar nicht, was mir passiert ist.". Sie lallte ein wenig und tastete ihren Kopf ab. "Klasse. Wird wohl ne Beule gebn.". Dann erst fiel ihr der Priester am Tisch auf. "Hallo. Ich bin...verzeihung....ich bin Finja.". Während des Satzes musste Finja aufstoßen, was etwas zur allgemeinen Erheiterung beitrug. "Nicolai, da warn Kerl wie du und der war nicht besonders nett...". erschöpft sackte Finja auf dem Platz neben Nicolai zusammen und bestellte, zu seiner Verwunderung, einen großen Krug Wasser.

    "Oh...nichts. Gar nichts.", meinte Finja rasch auf Nicolais Frage. Nicolai schaute sie skeptisch an. Finja schaffte es nicht wirklich ihre Unsicherheit zu verbergen. <Ah. War bestimmt nur Einbildung. Reiss dich mal zusammen, Mädel.>, sprach sie sich selbst Mut zu. "Ich dachte ich hätte da...keine Ahnung...Irgendwas gesehen. War wahrscheinlich nur ein aufgeschrecktes Tier oder so.".


    Auf den nächsten Metern der Reise konnten Finjas Worte Nicolai kaum beruhigen, doch die Anspannung legte sich, als sie über Training sprachen.
    "Blaue Flecken und Beulen.", bestätigte Finja und nickte. "Naja, es soll ja auch keinen Spaß machen. Weißt du...mir ist es lieber beim Training einen drüber zu kriegen. Dann lernt man draus und wenn es hart auf hart kommt macht man diesen Fehler nicht noch mal. Kann dich sonst den Kopf kosten.", sagte sie trocken und zuckte mit den Schultern. Auf die Frage hin wer sich um die Kinder kümmerte musste Finja schmunzeln. "Es hat sich gezeigt, dass es vorteilhaft ist wenn sich jeder im Heerlager zumindest zur Wehr setzen kann. Pöbeliges Bauernvolk oder dreckige Banditen sind dann bei weitem nicht mehr so bedrohlich. Außerdem unterschätzen die die Frauen oft, was sich dann als böser Fehler rausstellt.". Finja schaute Nicolai verwegen mit hochgezogener Augenbraue an, sie war wohl der beste Beweis für ihre Aussage. "Um die Kinder kümmern sich eben die Eltern, wobei die Söhne mehr Zeit mit ihrem Vater verbringen, Töchter mit den Müttern. Die Eltern geben ihr Handwerk an die Kinder weiter, aber das Kämpferische hat bei uns irgendwann jeder zumindest grundlegend gelernt.".


    "Stimmt. Gibt bestimmt Ärger wenn wir da die Pfeile fliegen lassen. Aber du kannst ja trotzdem üben, wie man den Bogen richtig spannt. Weisst schon, gut für die Arme.". Grinsend knuffte Finja Nicolai auf den Oberarm, musste dann allerdings Arcadia wieder etwas von dem Raktauren weglenken. "Klar, ich denke ich werde sowieso das ein oder andere einfach so zeichnen. Falls dir etwas besonders ins Auge springt sag einfach bescheid.". <Dein Training vergesse ich trotzdem nicht, mein Lieber.>


    Auf der weiteren Reise versuchte Finja die Tipps von Nicolai Arcadia betreffend umzusetzen. Dabei war sie aber bei weitem nicht so erfolgreich, wie sie sich das vorgestellt hatte. Auch die weiteren Trainingseinlagen waren ähnlich. Die kleine Almanin hatte sogar einmal Mühe ihre Wut über die Gesamtsituation zu unterdrücken. <Das kann doch alles nicht so schwer sein!!>. Sie zweifelte sogar an sich selbst, konnte sich aber gerade noch so zusammenreißen. Immerhin gab es zwischen den beiden Reisenden keinen Streit.


    Endlich kam die kleine Hafenstadt in Sichtweite. Finja war erleichtert. Vielleicht blieb noch genug Zeit, sodass sie einfach mal einen Moment lang für sich sein konnte.
    "Da ist die See!", rief Nicolai und starrte in die Ferne. Finja bemerkte, wie gebannt er von dem Meer war, welches ihr ein mulmiges Gefühl in der Magengegend verschaffte. Viel Zeit zum Träumen blieb nicht, denn plötzlich ertönte eine helle Stimme in der Nähe. Auch Finja schaute sich irritiert um und schließlich fiel ihr Blick auf eine kleine, junge Albin. Finja hatte sie zuerst nur für ein Kind gehalten. "Was für ein Grundst...", Finja konnte ihre Frage nicht zuende stellen, wurde als Schwester bezeichnet und schon steuerte das kleine Wesen auf die Almanin zu. Finja schaute zu Nicolai hinüber, der von der Albin nicht wirklich beachtet wurde. "Was...was passiert hier?!".


    "Ehm...Rhodesia...", begann Finja unsicher und legte den Kopf leicht schief. "Wieso "Schwester"? Ich weiss nicht, aber vielleicht verwechselst du mich?". Einen kurzen Moment schien Rhodesia abwesend und starrte nur vor sich hin. Finja beugte sich von dem Pferd aus etwas in ihre Richtung. "Geht es dir gut? Ich meine hast du irgendwas? Sag doch was?!".
    Dann kehrte zum Glück Nicolai mit dem Korb zurück. "Nicht ganz sie selbst?", fragte Finja und musterte Rhodesia. "Was meinst du mit nicht alle sind ungefährlich? Ist sie irgendwie vergiftet oder hat sie nur falsche Kräuter genascht?". Finja erinnerte sich. Manche Söldner hatten Kräuter in langen Pfeifen geraucht. Als Kind mochte sie die verschiedenen Düfte, aber oftmals holte ihre Mutter sie von den Qualmwolken weg. <Hatte wohl einen guten Grund.>. "Gut, nehmen wir sie mit.", schmunzelte Finja und schaute wieder zu der Albin, die mittlerweile wieder zu plappern begonnen hatte. "Ist doch guuut.", meinte sie beruhigend und hob die Hand. "Du kannst mir unterwegs in die Stadt noch mal in Ruhe erklären wo du herkommst.". Finja machte sich keine wirklichen Hoffnungen, dass da etwas Sinnvolles bei rumkam, aber sie hoffte Rhodesia dadurch zumindest abzulenken.
    Nicolai lud Rhodesia zu einer Tasse Tee ein, was diese komplett aus dem Konzept zu bringen schien. Dann lachte sie los, während sie auf Nicolai zeigte und diesen nachäffte. Er wirkte pikiert, schien aber nichts weiter zu unternehmen. Selbst als Finja ihn abwartend ansah passierte nichts. Finja seufzte, verdrehte die Augen und stieg flink vom Pferd. "Ja, ich habe es gehört. Tatasse. Wirklich witzig.", antwortete Finja trocken und schritt auf Rhodesia zu. <Mal gucken, ob das hinhaut...>, spekulierte Finja und blieb vor der (selbst für ihre Verhältnisse) kleinen Albin stehen. "Hör mal, Schwester.", begann Finja zuckersüß mit einem Lächeln und ging etwas in die Hocke. "Du darfst nicht so frech zu Nicolai sein. Du weisst doch, das ist nicht besonders nett." sachte schüttelte sie mit großen Augen den Kopf um ihre Aussage zu unterstreichen. Rhodesia hatte aufgehört zu gackern und versuchte mit unruhigen Blicken Finja zu fixieren. "Weisst du, meine liebe Schwester, wir haben uns alle schon Sorgen gemacht. Du warst nämlich schon recht lange weg, nicht wahr?", fragte Finja und nickte. Langsam schloss sich Rhodesia dem Nicken an. "Und wir haben uns gedacht, wir holen dich einfach ab. Ist doch nett von uns, oder?". "Wirklich sehr nett, Schwester.", bestätigte Rhodesia. "Und es ist niemand besser geeignet um dich wieder in die Stadt zu bringen als eine große Schwester und dein guter Freund Nicolai, oder?". "Richtig. Schwester, gut, dass du da bist. Hallo Nicolas. Schön dich zu sehen.", sie winkte Nicolai halbherzig zu. Finja wusste, dass er bestimmt etwas dazu sagen wollen würde und hob einfach nur den Finger in seine Richtung. Er schien verstanden zu haben. Währenddessen schaute Finja Rhodesia weiter an. "Gut, Schwester, dann lass uns mal losziehen.".


    Die Stadt war zwar nicht mehr weit entfernt, aber mit der taumelnden Albin schien sich der Weg zu verdreifachen. Doch gemeinsam schafften es Nicolai und Finja Rhodesia heile bis an den Stadtrand zu bringen. Mittlerweile war Finja wirklich genervt. Am Anfang war es zwar noch recht witzig mit der plappernden Albin gewesen...aber jetzt...
    Nicolai konnte sehen, dass Finja die Kiefer aufeinanderpresste. Sie hatte sogar die Zügel so fest gepackt, dass ihre Fingerknöchel hell hervorschienen.
    "In welcher Richtung liegt das verdammte Gasthaus?", zischte Finja gestresst und schaute dann erschöpft zu Nicolai hinüber. "Hoffentlich ists nicht mehr weit.", brummelte sie und hielt Rhodesia erneut davon ab, sich auf den Boden zu setzen. Die Diskussion, dass Rhodesia doch weitergehen müsse, wollte Finja nicht noch einmal führen. Stumm stapfte Finja neben Nicolai her, bis sie schließlich das von ihm angekündigte Gasthaus erreicht hatten.

    Der Zuspruch schien Finja zu beruhigen. Als Nicolai ihr dann noch seine Portion braten versprach erhellte sich ihr Gesicht zusehends. "Echt nett von dir, danke.". Trotzdem hatte Finja noch ein eher mulmiges Gefühl im Bauch, was die Seefahrt anging.


    "Getroffen?", fragte Finja und sah abwechselnd zum Waldrand und dann zu Nicolai herüber. "Ja, du hast tatsächlich irgendwas getroffen. Zwar nicht das eigentliche Ziel, aber der Pfeil ist irgendwo da hinten eingeschlagen.". Sie deutete in die ungefähre Richtung. "Komm, lass uns nachsehen!".
    Auf dem Weg zum Waldrand beantwortete sie auch schließlich Nicolais Frage. "Das hat lange gedauert. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass man immer wieder was lernen kann. Irgendwer wird immer besser sein als man selbst.". Dann musste Finja grinsen. "Also keine Sorge, selbst mir kann man noch was beibrigen.", lachte sie und versuchte Nicolai dadurch etwas optimistischer zu stimmen. Sie sammelten den Pfeil wieder ein, der in dem Stamm einer Weide gelandet war. "Treffer ist Treffer, was?". Finja reichte Nicolai den Pfeil und sie machten sich wieder auf den Rückweg zu Arcadia. Während Nicolai vorging blieb Finja plötzlich abrupt stehen. Sie sah sich um. <Da war doch was?>. Einen Moment lang stand sie angespannt und reglos einfach nur so da. Nicolai sah sich nach der Almanin um. "Ich dachte, da wäre...ach...schon gut, da ist nichts. Gehen wir.". Sie gingen zurück zu Arcadia und Finja verengte noch einmal die Augen in Richtung Waldrand. "Lass uns erst mal weiterziehen.", murmelte sie leise und band das Pferd wieder los.


    Zurück auf der Straße schaute Finja zu Nicolai, der nicht so ganz zufrieden mit seiner ersten Schießübung zu sein schien. "Als ich den Umgang mit dem Schwert oder dem Speer gelernt habe, da war ich alles andere als erfolgreich. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele blaue Flecken und Beulen ich von diesen verdammten hölzernen Übungswaffen hatte. Von meiner ersten Schießübung möchte ich gar nicht erst reden. Es hat eine gefühlte Ewigkeit gedauert, bis ich überhaupt mal irgendwas getroffen habe.". Sie schaute nach vorne. "Glaub mal, wir kriegen das schon hin. Müssen uns dann sowieso mal überlegen, wie wir das auf dem Schiff machen. Das Üben meine ich.". Aber auch da würde es bestimmt eine Lösung für geben. "Das nächste Mal können wir uns auch vorher noch aufwärmen.", schlug Finja vor und kraulte Arcadia hinter dem Ohr.
    "Du sag mal, warum zickt die gute hier eigentlich manchmal so rum? Meinst du sie sieht in dir sowas wie eine Konkurrenz oder so? Ich habe da nicht wirklich eine Ahnung."

    Zuerst bekam Finja gar nicht mit, wie Nicolai auf dem Boden nach seiner Brille suchte. Sie packte ihre Sachen zusammen und warf einen flüchtigen Blick zu ihrem Begleiter. Als sie ihn dort so knien sah wollte sie sich erheben und dem Raktauren zur Hilfe kommen, entschied sich dann aber dagegen. <Ist ihm bestimmt wieder unangenehm.>, dachte Finja und packte still weiter, so tuend als hätte sie nichts bemerkt.


    Finja hatte ein paar Probleme Arcadia unter Kontrolle zu bringen. Aus irgendeinem Grund schien das Pferd mit Nicolai nicht sooo gut klarzukommen. <Ich frag' ihn bald mal, was man da machen kann. Vielleicht mach' ich ja auch was falsch?>.


    "M..mit dem Schiff?", murmelte Finja leise und versuchte ihre Unsicherheit zu verstecken. Sie hatte schon mal kleine Boote gesehen, einmal sogar ein etwas größeres Handelsschiff...aber selbst auf einem gereist war sie noch nie. "Ist das erste Mal, dass ich auf See bin.", gab sie etwas verlegen zu und verzog skeptisch das Gesicht. "Aber gut, wenn wir dadurch schneller voran kommen. Vielleicht ist das für mich dann ja auch so ein Erlebnis.". Sie redete sich selbst Mut zu. "Wird schon werden.". <Hoffentlich.>


    <Scheint ja doch eine größere Gruppe zu werden, als ich dachte.>, überlegte Finja, als Nicolai von dem Zusammentreffen berichtete. "Ja, ich bin auch gespannt, was das für 'ne Truppe ist. Aber eins kann ich dir jetzt schon versprechen. Du brauchst dir keine Sorgen um mich machen. Also, wenn mir einer von denen quer kommt meine ich. Dann erziehe ich mir den schon.", grinsend nickte sich Nicolai zu und trotz ihrer scherzenden Stimmlage schwang eine Spur Ernsthaftigkeit mit. "Lassen wir uns einfach mal überraschen."

    Eine Zeit lang schwiegen die beiden Reisenden und trotteten gemächlich den Weg entlang. Die Sonne erhellte den Tag, ab und zu schloss Finja die Augen und genoss einfach die angenehme Wärme in ihrem Gesicht. Nicolai brach bald dieses Schweigen. "Jagen? Naja, sagen wir es mal so: Ich komme in der Wildnis zurecht. Ich würde mich jetzt nicht als ausgezeichnete Jägerin bezeichnen...aber es reicht.". Nicolai erklärte die Ernährung der Raktauren. "Nur pflanzliche Nahrung.", wiederholte Finja und überlegte einen Moment. Dann schüttelte sie knapp den Kopf. "Also für mich ist das glaube ich nichts. Aber hey, falls unser Koch einen Braten zubereitet, kann ich dann deine Portion haben?", fragte sie und lachte. "Keine Sorge, natürlich wirst du zuerst auf ein Übungsziel schießen.", fügte sie schließlich zu Nicolais Erleichterung hinzu.


    Der Tag ging ins Land und das Duo kam an einer kleinen Lichtung vorbei. "Hey, guck mal da!", rief Finja plötzlich und lenkte Arcadia in Richtung eines knorrigen Baumes. Dort angekommen stieg Finja ab und band das Pferd an. Das Tier bockte kurz, doch beruhigte sich rasch als sich Finja mit erhobenem Zeigefinger aufbaute. Sie winkte Nicolai zu sich. "Siehst du den großen, umgestürzten Baum da vorne?", fragte sie Nicolai mit großen Augen und zeigte in Richtung Waldrand. Dort hatte anscheinend ein Sturm den Baum entwurzelt. "Komm, wir ziehen deine Schießübung vor! Man kann sich nicht immer aussuchen, wann man den Bogen zieht.", meinte Finja, zwinkerte Nicolai zu und spurtete in Richtung Baum. Sie begutachtete die "Zielscheibe" und eilte dann zurück zu dem raktauren. "Komm schon, los. Bogen in die Hand. Legen wir los!". Sie schien ebenfalls etwas aufgeregt. "Versuch mal folgendes. Nimm den Bogen in die rechte Hand und leg dann den Pfeil auf. Am besten du...Sekunde mal.". Finja unterbrach sich und nahm den Bogen selbst in die Hand. Er war natürlich zu groß für die kleine Almanin, doch sie versuchte trotzdem mit dieser Waffe zurechtzukommen. "Wenn du den Bogen so hälst, dann musst du den Pfeil so auflegen.", erklärte sie und spannte etwas unbeholfen einen Pfeil. Anschließend ließ sie den Bogen sinken und gab Nicolai beides zurück. "Du greifst die Sehne und den Pfeil so wie ich es gemacht habe, mit zwei oder drei Fingern und ziehst dann aus der Schulter heraus bis neben das Kinn.". Ohne den Bogen machte Finja die Bewegung vor. "Pass auf deine Brille auf.", merkte sie an. "Dann lässt du die Sehne einfach los - und zwar immer die Sehne, niemals den Bogen.". Nicolai versuchte den Anweisungen nachzukommen und Finja nahm sich die Zeit um den Raktauren richtig zu positionieren. "So. Und jetzt konzentrier dich. Am besten du...sieh nicht mich an, fixiere dein Ziel!". Sie winkte mit einer Hand in Richtung Baum. "Aufrecht stehen, atme ruhig, lass dir Zeit.". Aufgeregt und abwartend zugleich stand sie da, streng und doch euphorisch. Noch bevor Nicolai reagieren konnte stand sie wieder neben ihm. "Warte mal einen Moment!". Sie stapfte davon und kramte ein Tuch aus ihrem Reiserucksack hervor. "Hier, wickel dir das mal so um die Hand, mit der du die Sehne hälst.", schlug sie vor, griff Nicolais Hand und knotete das Tuch darum. "Das sollte für den Anfang helfen.". Sie stemmte anschließend die Arme in die Hüfte, atmete tief durch und nickte dem Raktauren zu. "Jetzt noch mal ganz in Ruhe. Pfeil auflegen, gut so. Jetzt...aaaaaus der Schulter ziehen. Aus der Schulter! Ziel fixieren....atme ruhig....geeeeenau so...UND SCHUSS!"

    Finja hatte gerade mal die Hälfte der Fachbegriffe verstanden, die Nicolai bei seinen Erklärungen benutzte. Doch sie schien zu verstehen, was am Ende wo und wie sitzen musste und darauf kam es an. <Ich werde ihn bestimmt noch das ein oder andere Mal fragen müssen...>, dachte Finja mit einer Mischung aus Erleichterung und Verlegenheit, während sie erneut ihr Pferd streichelte.


    "Eine Kutsche?", fragte Finja leicht irritiert. Sie war bisher nie in einer Kutsche gereist und hoffte, dass Nicolai ihr nicht auch das noch irgendwann "ermöglichte". Er erzählte von seinem Meister und seinen überaus guten finanziellen Mitteln und Finja versuchte sich ein Bild von dem Herren zu machen. "Gut, machen wirs so!", sagte Finja selbstsicher und die Abmachung mit den Zeichnungen und dem Training wurde noch einmal bestätigt.


    "Ganz passabel?!" brummelte Finja leise und bemühte sich dann, den Anweisungen Nicolais Folge zu leisten. Am Anfang war es noch etwas wackelig und sie musste sich selbst immer wieder dazu ermahnen die Schultern zurückzudrücken, aber nach und nach bekam sie den Dreh raus. Das Lob, welches sie von Nicolai erhielt, bestätigte Finja mit einem stolzen Lächeln.


    „Was für ein Tag. Ich denke, wir waren sehr erfolgreich und sind nun gugut vorbereitet. Meinst Du nicht auch, junge Lady?“ Finja nickte, den Blick weiter gen Himmel gerichtet. Jetzt sah die Sache schon etwas anders aus und Finja war optimistischer, was die Zukunft der Expedition anging.
    "Du, um die Übungen kommst du nicht herum, das kann ich dir versprechen.", grinste sie Nicolai an, während sie eine Saite nachstimmte. "Aber du hast recht, jetzt ist es zu dunkel für die Grundlagen."


    "Oh die Lieder habe ich nach und nach gelernt, während ich mit meiner Familie und dem Heerlager auf Reisen war. Eine Zeit lang hat uns ein Barde begleitet und ich wollte danach unbedingt auch ein Instrument spielen können. Leider war nicht genug Geld dafür da, so musste ich mir das selbst zusammensparen.". Finja legte die Laute auf ihren Schoß. "Seweryn hat immer gesungen. Das Spielen hat mir einer der Kämpfer aus dem Heerlager beigebracht...der alte "Einauge".". Es war deutlich sichtbar, wie sich hinter ihren Augen diverse Erinnerungen abspielten. "Der hatte ein Auge beim Kämpfen verloren, sich dann aber als Bogenschütze versucht. Er meinte, dass er jetzt besser zielen könne.", murmelte Finja, schaute dann wieder zu ihrer Laute. "Ich habe mir dieses gute Stück kaufen können, nachdem ich mich in die Dienste des Feldkoches gestellt habe. Er hat wenig gezahlt, aber es war wenigstens etwas. Seweryn hat mir einen Großteil des Geldes irgendwann heimlich zugesteckt, da bin ich mir sicher.". Diesen Gedanken ließ Finja so stehen und überlegte, welches Lied sie als nächstes spielen könnte.


    "Wölfe...kann schon sein.", überlegte sie kurz und sah sich um. "Das mit der Wache ist eine gute Idee. Wir werden auf unserer weiteren Reise bestimmt immer mal wieder Nachtwachen aufstellen müssen.". Finja streckte die Arme aus, drehte die Hände und ihr linkes Handgelenk knackte leise. "Dann können wir ja anstatt Bogenschießen heute mal Nachtwache üben!", meinte sie und nickte Nicolai optimistisch zu.


    Die Zeit verging und die erste Wachschicht stand bevor. Nicolai sollte sie übernehmen. "Wenn was ist, dann weck mich einfach.", sagte Finja müde und rollte sich wie eine Katze unter ihrem Umhang zusammen. Neben ihr lag der Speer, die Umrisse ihrer Klinge waren deutlich unter dem Umhang zu erkennen. Es dauerte nicht lange, da war die kleine Almanin auch schon eingeschlafen...


    Während der eigenen Wachschicht passte Finja eher halbherzig auf. Was sollte auch schon passieren, hier bei dem Streckenposten? Schließlich entschied sie sich die Beine etwas zu vertreten und stand leise auf. Zwischen all den Geräuschen der Nacht meinte Finja jedoch plötzlich noch etwas anderes zu hören. <Was...war das?>. Langsam wanderte ihre Hand zum Griff ihres Schwertes. Wie erstarrt stand Finja so da, konzentrierte sich auf die Geräusche um sie herum. Dann passierte einen Moment lang gar nichts. <Mh. Hab' mich wohl geirrt.>. Skeptisch sah sich Finja noch einmal um, ging dann aber doch zurück zum Nachtlager. Kurzzeitig fühlte sie sich beobachtet.


    Am nächsten Morgen war Finja früh wach. <Möchte gar nicht wissen, wie ich wieder aussehe...>, dachte sie genervt und wischte sich durch das Gesicht. Nicolai begrüßte sie. "Wooah. Nicolai. Du siehst echt nicht gut aus.", blubberte es aus ihr heraus. "Hast du so schlecht geschlafen?". Die knappe Antwort des sonst so freundlichen Raktauren sagte alles. Immerhin wurde seine Laune besser, als die Sonne weiter gen Himmel stieg.
    "Der Treffpunkt, naja, was ist das für einer? Eine Taverne? Eine Brücke? Eine Kreuzung?", fragte Finja schließlich. Je weiter die Reise voran ging, desto aufgeregter wurde sie. <Wie wohl die anderen Expeditionsteilnehmer so sind?>. Finjas Blick flog über ihre Schulter. Da war es wieder, das Gefühl beobachtet zu werden.

    Ein Grinsen umspielte Finjas Lippen, als sie Nicolai und den Mönch bei ihren Verhandlungen beobachtete. <Oh man.>, sie schüttelte amüsiert den Kopf.


    Finja bemerkte das schiefe Grinsen des Händlers. Sie hob herausfordernd den Kopf, sagte jedoch nichts weiter. Schließlich wollte sie sich nicht während eines Verkaufgesprächs aufregen, das kam nie sonderlich gut an wie sie wusste. Trotzdem brodelte es für einen kurzen Moment in ihr auf.
    Der Händler preiste verschiedene Tiere an und Finja war froh, dass Nicolai so viel Fachwissen hatte.


    Da war Damascus, doch Nicolais Blick entgingen die Details nicht. Finja verschränkte nach Nicolais Zweifeln die Arme und legte den Kopf schief. <Nein, über den Tisch werden wir wohl definitiv nicht gezogen.>
    Dann ging es um einen Eduardo, doch Finjas Blicke wichen ab, wieder zurück auf das Pferd, welches sie schon vorher gesehen hatte. Entgegen ihrem Vorsatz genau bei den Verhandlungen aufzupassen beschäftigte sie sich lieber mit Arcadia. Sie schaffte es tatsächlich, das Tier zu sich zu locken und hielt diesem einen kleinen Büschel Klee hin, den sie bei dem Zaun gefunden hatte. Das Pferd stubste die Almanin sanft mit dem Kopf an. "Na du?", kicherte Finja leise vor sich hin und streichelte Arcadia. Dann hörte Finja, wie Nicolai nach dem Preis für Tier, Zaumzeug und Sattel fragte. Schlagartig schoss ihr Blick abwechselnd von dem Raktauren zu dem Händler.
    Als es darum ging das Tier einzufangen stand Finja aufgeregt neben Nicolai. Sie stellte sich sogar ab und an auf ihre Zehenspitzen um genau mitzubekommen, was dort vorging. Sie schien ein wenig mitzufiebern und hätte am liebsten eingegriffen, als das Pferd sich gegen Helfer behaupten wollte. "Hauptsache, die tun ihr nicht weh, dann ist hier was los.", brummelte Finja kaum hörbar in sich hinein.
    Endlich wurde ihr das Pferd übergeben. Finja wuschelte durch die Mähne des Tieres, lächelte glücklich und mit großen Augen.


    Nicolai half Finja beim Satteln von Arcadia und schließlich hatte das Mädel sich auf das Pferd geschwungen. Schlagartig schoss das Tier los, preschte über eine alte Steinbrücke und machte einen großen Bogen über eine Wiese. In langsamen Schritt kehrte Arcadia mitsamt etwas blasser Finja zu der Steinbrücke zurück und blieb dort abwartend stehen. "Alles unter Kontrolle!", meinte Finja und winkte Nicolai zu. "Mach sowas doch nicht mit mir!", hauchte sie dem Pferd zu. So machte sich die kleine Reisegruppe schließlich auf den Weg gen Norden.


    Die Zeit verging und Finja saß mehr als stolz im Sattel. Jetzt konnte sie sich mit Nicolai sogar fast auf Augenhöhe unterhalten! Allerdings sprach sie die ersten Minuten ihrer Weiterreise nicht...doch bald platzte es aus ihr heraus. "Du...mir hat noch nie jemand etwas von so großem Wert gekauft. Ich meine...ein Pferd! Manche Leute sind froh, dass sie einen Esel oder ein anderes Packtier haben...und du schüttelst einfach so ein Pferd aus dem Ärmel und dann sogar noch so ein wunderbares Tier!". Finjas große, grüne Augen glitzerten im Licht der langsam untergehenden Sonne. "Ich...keine Ahnung. Du hast jetzt so viel Geld für mich ausgegeben, ich weiss gar nicht, wie ich das mit den Zeichnungen wieder wett machen soll. Da werde ich doppelte, ach, was sag ich, dreifache Mühe reinstecken! Mindestens!". Sie machte eine kurze Pause. "Ich habe dir ja in der Taverne noch gesagt, dass meine Aufträge normalerweise anders ablaufen. Aber...das hier...das läuft auf jeden Fall noch mal GANZ anders ab. Andere Auftraggeber hätten mich einfach laufen lassen.". Sie wirkte für einen Moment nachdenklich, schien dann einen dunklen Gedanken abzuschütteln. "Hey!", meinte sie schließlich und drehte sich zu Nicolai. "Was meinst du? Mache ich mich wirklich gut auf einem Pferd?".



    Schließlich rasteten die beiden bei einem "Gasthaus". Gasthaus war sogar noch übertrieben. Eigentlich handelte es sich um einen abgelegenen Streckenposten von Botenreitern. Dieser bestand aus einem Wachhaus, einem Stall und einer Feuerstelle. Ein kleiner Bach plätscherte in der Nähe vor sich hin. Ein alter Knecht hatte ihnen einen Schlafplatz überlassen, da momentan an dieser Station nichts los war. Er hatte sogar noch ein paar Bissen Auflauf übrig, die er Finja und Nicolai überließ.
    Arcadia kam im Stall unter und war bereits versorgt, als sich die beiden Reisenden an der Feuerstelle niederließen. Finja hatte sich an einen Baumstamm gelehnt und beobachtete die Sterne. Nicolai kritzelte irgendwas in ein Buch. "Was machst du da eigentlich?", unterbrach Finja schließlich die Stille, die vorher nur von dem Knistern des Feuers untermalt wurde. Eigentlich hätte sie direkt wissen müssen, dass Nicolai seinen Bericht schrieb. "Stört es dich wenn ich...?". Sie tippte mit der Spitze ihres Stiefels an die Laute, die sie mit zur Feuerstelle gebracht hatte.


    Kurze Zeit später hockten sie schweigend am Feuer, Nicolai schrieb und Finja spielte. Sogar der alte Knecht gesellte sich noch einmal dazu und lauschte zufrieden den Melodien.

    <Na also, geht doch.>, dachte Finja zufrieden, nachdem die beiden angestoßen hatten.


    "Ach, mach dir keine Sorgen. Du meintest, wir müssen nach Norden und da scheint mir das der beste und auch sicherste Weg hier zu sein. Was die anderen Leute hier angeht...", sie überlegte einen Moment. "Vielleicht finden wir ja jemanden, der zufällig den gleichen Weg hat.". Sie wirkte nicht wirklich überzeugt davon jemanden mitzunehmen. "Warten wirs einfach mal ab, kann ja sonst auch sein, dass wir unterwegs noch auf andere Reisende treffen.". In Gedanken überschlug sie den ungefähren Weg zum Treffpunkt. "Je nachdem, wie gut wir voran kommen sollten wir unsere Zeiten der Rast anpassen. Oh wir müssen dann ja auch das Bogenschießen üben...aber das kriegen wir hin.".
    Nicolai sprach von dem Verzug, den er durch seine Unkenntnisse zu verschulden hatte. "Putz dich nicht selbst so runter.", meinte Finja aufbauend, jedoch mit einer Spur Ernsthaftigkeit und leicht verständnislosem Blick. "Nicht jeder kann von sich behaupten auf so eine Reise zu gehen, geschweige denn sie bis zum Ende durchgezogen zu haben. Dein Meister war auch nicht von Anfang an ein Meister. Jeder fängt schließlich mal klein an.". Sie nahm einen tiefen Schluck, musste danach einmal leicht aufstoßen. "Verzeihung.".


    "Ich weiss nicht, ob er das Rezept verkauft. Könnte mir vorstellen, dass man nicht überall an die Zutaten rankommt...aber weisst du was? Versuch es doch einfach, warum nicht? Mehr als "Nein" sagen kann er nicht. Und sollte man die Sachen nicht bekommen, so kannst du es immer noch in deinen Expeditionsbericht mit aufnehmen.". Finja war davon überzeugt, dass Nicolai noch einige Eindrücke seiner Reise niederschreiben würde.


    "Ein...Reittier?", fragte Finja unsicher. Nicolai ließ sie stehen und schlenderte wieder zurück zu dem Stand. "Ich auf einem Pferd...", brummelte sie vor sich hin und sah sich schon auf einem viel zu großen Tier hängen. Auf der anderen Seite durfte sie bei dem Heerlager damals auch ab und an reiten und das hatte ihr schon Spaß gemacht. Irgendwie hatte sie plötzlich ein schlechtes Gewissen, so ein Pferd war sicherlich nicht gerade günstig und schließlich hatten sie gerade auch noch ein kleines Zelt für sie gekauft. Auf der anderen Seite machte es durchaus Sinn zu reiten. So wie Nicolai erklärt hatte sind die Centauren immer in Bewegung und laufen kam dann natürlich nicht in Frage...


    Kurze Zeit später kam Nicolai zurück und sie machten sich auf zu einem Verkäufer für Reittiere. "Und?", fragte Finja schließlich, "Hast du es bekommen? Das Rezept meine ich?". Irgendwie hatte sie auch Interesse daran und wollte wissen, was genau da eigentlich drin war. Sie schaute den Raktauren gespannt an.


    Sie kamen bei dem Händler und seinem "Stand" an. Es handelte sich um eine hölzerne Scheune mit Strohdach, dahinter eine Koppel. Der Händler sah die beiden potentiellen Kunden schon von weitem und kam ihnen ein Stück entgegen. "Oooh, Nicolai, sieh mal!", platzte es plötzlich aus Finja heraus und sie lief schnellen Schrittes zu dem hölzernen Zaun, der die Koppel umspannte. Mit einem Satz stand sie auch schon auf einer der Querstreben und hielt sich an dem nahestehenden Zaunpfahl fest. Mit großen Augen schaute sie die Pferde an, die dort umherliefen. Das eine Tier schien sogar die richtige Größe zu haben! <Ohhh...dieses Grau...und diese schwarze Mähne!>. Sie drehte den Kopf in Nicolais Richtung und sah, wie dieser bereits bei dem Händler angekommen war. Mit einem leisen "Hepp." sprang sie wieder von dem Zaun herunter und eilte zurück zu dem Raktauren und dem Händler. "Verzeiht...Guten Tag erst einmal.", begrüßte Finja den Händler etwas verlegen und wischte die Strähnen aus ihrem Gesicht. "Das sind wirklich schöne Tiere.", nuschelte sie. <Dass mir sowas immer wieder passiert.>, dachte Finja und musste dann aber wieder grinsen. Sie hatte zwar schon einiges erlebt, gekämpft und auch die ein oder andere Verletzung überstanden, aber bei Tieren kam immer mal wieder das kleine Mädchen in ihr durch. <Hoffentlich zieht der uns jetzt nicht wegen mir über den Tisch.>, dachte sie plötzlich und versuchte den Händler einzuschätzen. So oder so, sie würde sicherlich gut bei dem Verkaufsgespräch zuhören.

    Endlich hatten sie sich geeinigt. Nicolai schien durchaus erschöpft, Finja rempelte ihn freundschaftlich an, nickte ihm dann lächelnd zu.


    "Also ich habe bereits das hier zusammengesammelt.", sagte Finja und zeigte auf das Bündel auf der Ladentheke. "Ansonsten...ich weiss nicht, was haben wir noch dabei? Wir werden bestimmt ein größeres Lager aufschlagen, oder?", sie dachte an die anderen Expeditionsteilnehmer, die ihr angekündigt worden sind. "Die Frage ist, ob wir irgendwas in Richtung...weiss nicht...Zelt oder so brauchen? Wie läuft das bei den Centauren, wie leben die? Meinst du wir kommen da unter?".
    Schließlich gesellten sich noch ein paar weitere Einkäufe dazu, den Rest könnten sie sicherlich noch rechtzeitig unterwegs besorgen.
    "Das wärs dann?", fragte Luna und die beiden nickten. "Dann wollen wir doch mal sehen...", murmelte sie und ging in Gedanken die Preise für die Einkäufe durch. "Natürlich bekommt ihr einen Freundschaftspreis!", fügte sie hinzu und die Bezahlung wurde vorgenommen. Tatsächlich kamen sie weitaus günstiger weg als gedacht. "Danke dir!", sagte Finja fröhlich zu Luna und Nicolai und nahm das Bündel an sich. Es passte sogar noch in ihren großen Rucksack. "War mir wie immer eine Freude und Ehre.", antwortete Luna mit einem zufriedenen Blick auf die Münzen. "Und dir wünsche ich viel Erfolg.", sagte sie mit Blick zu Nicolai. "Ich denke du bist bei Finja in guten Händen. Kannst auf jeden Fall noch was von ihr lernen, Großer.", fügte sie grinsend hinzu. Als Finja und Nicolai schon fast draußen waren rief Luna noch "Hey, Finja, bring mir dieses mal was mit! Keine Ahnung...was Schönes oder so!". Finja grinste und gab ein "Sicher, du sollst ein Andenken bekommen!" über die Schulter zurück.


    Als die beiden draußen waren steuerte Finja den Wagen mit dem Krautwasser an. "Wirklich...ein großes Dankeschön noch mal an dich.", sagte sie zu Nicolai und schwebte schon fast optimistisch neben dem Raktauren her. "Ich würde vorschlagen, wir üben das mit dem Bogen während unserer nächsten Rast. Am besten jeden Abend, wenn es die Zeit erlaubt. Keine Sorge, du wirst das schon hinkriegen.". Finja merkte durchaus, dass Nicolai zwar stolz, aber auch etwas skeptisch war.


    Sie kamen bei dem Wagen an. Der dürre Kerl, der die Laufkundschaft bedient hatte, war nicht zu sehen. Finja musste sich auf die Zehenspitzen stellen und schon fast etwas an dem "Tresen" hochziehen um überhaupt drübergucken zu können. "Hey, Meister! Kundschaft!", rief sie und klopfte so gut sie konnte auf die Theke. Ein Vorhang wurde zur Seite geschoben und der Mann mit Hakennase und Mönchskranz trat hervor. "'s darfsn sein?", fragte er mit kratziger Stimme und schaute die beiden Kunden an. "Was wohl? Zwei mal bitte!", antwortete Finja bestimmend, mittlerweile an der Theke hängend. Der Mann nickte, holte zwei abgenutzte Krüge hervor und ging damit zu einem der großen Fässer, die weiter hinten in einem Regal lagen. Das Krautwasser plätscherte in die Krüge und schließlich hatten Finja und Nicolai ihre Getränke. "Geht auf mich!", meinte Finja, patschte mit dem Handrücken an Nicolais Brust und ließ den Tresen los. Mit einem Satz landete sie sicher auf dem staubigen Boden, kramte etwas Geld aus ihrer Güteltasche und bezahlte.
    Dann stand sie abwartend vor Nicolai. "Ich würde sagen...auf uns und unsere Reise, hm?", sie hob den Becher zum Anstoßen.


    "Lass uns mal etwas da rüber gehen.", meinte Finja schließlich und sie stellten sich ein Stück abseits des Wagens, damit weitere Kunden bedient werden konnten. Finja lehnte sich mit dem Rücken an eine Hauswand und stellte einen Fuß dagegen. "Mh!", meinte sie während des Trinkens und sah Nicolai an. "Wir müssen gleich die Straße da weiter hoch.", mit einer knappen Handbewegung zeigte sie in die entsprechende Richtung. "Ich würde aber vorschlagen, dass wir uns nicht irgendwem hier anschließen, oder? Manchmal tun sich hier "Reisegruppen" zusammen, keine Ahnung wieso.". Sie schwieg einen Moment. "Ich meine hey, wir brauchen keinen von denen und wollen ja schließlich voran kommen. Oder siehst du das anders? Wenn ja, sags ruhig.". Sie nahm einen weiteren Schluck. "Aaah. Ich finde es so erfrischend. Wie schmeckt es dir eigentlich?".

    <Immer wieder schön hier.>, dachte Finja und schlenderte durch die Gassen aus Regalen. <Was muss ich noch mitnehmen?>. Sie überlegte einen Moment und ging ihr Inventar im Kopf einmal durch. Anschließend begann sie mit dem Einkauf, meinte dann aber plötzlich in der Ferne ihren Namen gehört zu haben. "Öhm...ja?", fragte sie leise und ging in die entsprechende Richtung. Dann schien etwas runterzufallen und jemand polterte schon fast aus der Hütte.


    Schließlich traf Finja Luna in der Nähe der Waffenregale. Von Nicolai war nichts zu sehen. Fragend schaute Finja ihre Bekannte an. "Ist einfach rausgestürmt? Was war da denn auf einmal los?", fragte Luna etwas irritiert und Finja zuckte nur gelassen mit den Schultern. "Er ist...naja...sagen wir, er ist kein wirklich geübter Kämpfer und...neu auf dem Gebiet.". <Das kann ja noch heiter werden.>. Luna schaute sie skeptisch an. "Ich weeeeiss, was du sagen willst.", stellte Finja fest, verdrehte die Augen und stemmte die Arme in die Hüfte. "Finja, was ist das nur wieder für eine Mission? Finja, mit was für einer Gesellschaft bist du denn wieder unterwegs? Finja, wie soll das nur gutgehen?". Das kenne ich alles schon von dir. Außerdem, hey, es wäre doch langweilig sonst.". Dann mussten beide kurz lachen und Luna knuffte Finja kumpelhaft gegen die Schulter. "Ein Frischling war schon länger nicht mehr hier.", dann fiel ihr Blick auf die Sachen, die Finja sich bereits zusammengesucht hatte. Aus einer Decke hatte Finja ein kleines Bündel improvisiert, darin mehrere Kohlestifte, Pergamentbögen verschiedener Größe, einen Satz Wechselkleidung, sowie eine Tonschüssel und ein Essmesser. "Soll ich das schon mal nach hinten bringen?". Finja nickte und übergab das Bündel Luna. "Ich rede mal mit ihm.", meinte Finja schließlich und ging in Richtung Ausgang. "Er ist halt etwas...anders als meine bisherigen Reisegefährten, das stimmt schon. Aber sieh es doch auch mal als eine Herausforderung für dich als Verkäuferin.". Sie grinste schelmisch und verließ dann ebenfalls die Hütte.


    Draußen fand sie einen unruhigen und etwa blass um die Nase wirkenden Nicolai. Langsam ging Finja zu ihm herüber. "Während den Verhandlungen abhauen ist nicht besonders nett.", sagte sie und musste dann aber grinsen. "Spaß beiseite, sag, was war los? Und bevor du anfängst zu reden...alles ist gut, niemand hier ist irgendwie beleidigt oder so.". Nicolai hatte wohl noch nie eine Waffe besessen, geschweige denn eine benutzt.
    "Ich glaube, dass ein Bogen zu dir passen könnte.", dachte Finja laut, sah zu Nicolai auf und nickte dann. "Es wird natürlich dauern, bis du damit vernünftig umgehen kannst, aber ich denke, das können wir üben. Schießen lernt man sowieso schneller als das richtige Kämpfen mit einem Schwert.". Dann ging sie ein paar Schritte um Nicolai herum und stellte sich neben ihn. "Ich glaube, dir wird ein Bogen gut stehen. Wie sieht's aus, wollen wir wieder reingehen? Keine Sorge, ich gucke mir das Teil dann auch mal an.". Sie setzte sich in Bewegung, blieb dann aber noch einmal stehen. "Falls du noch ein paar Minuten brauchst, auch in Ordnung."

    "Was wir alles brauchen? Ich habe das ein oder andere bereits dabei...keine Sorge, ich werde dir nicht zu sehr auf der Tasche liegen.", Finja zwinkerte Nicolai zu. Sie war positiv überrascht, als Nicolai dem Krautwasser zustimmte. "Du wirst es nicht bereuen!".


    Als Nicolai auch noch zusagte, sie zu begleiten steigerte dies noch ihre Laune. "Kein Problem, falls du etwas brauchst, sag es einfach Luna."


    So kamen die beiden in dem Dorf an. Das Dorf selbst bestand aus vielen großen und kleinen Hütten, die ohne wirkliche Struktur in der Gegend aufgebaut waren. Es herrschte geschäftliches Treiben, Händler boten ihre Waren an und an den Straßenecken gab es kleine Kochfeuer, an denen Mahlzeiten zu fairen Preisen erworben werden konnten. Viele Reisende strömten über die Kreuzung und das Stimmengewirr wurde immer lauter. "Wir müssen da drüben hin.", meinte Finja schließlich und zeigte auf ein Gehöft, welches aus einem kleinen Steinhaus und einer Scheune bestand. Sie war zwar etwas erstaunt, dass Nicolai unbewaffnet war...aber irgendwie wunderte sie dies auch nicht wirklich. "Wenn wir bei Luna eingekauft haben, dann holen wir uns da vorne das Krautwasser.", Finja deutete auf einen kleinen Wagen, der abgespannt in einer Gasse stand. Ein dürrer Kerl mit Mönchskranz und Hakennase bediente Laufkundschaft aus dem Karren heraus.


    Wenige Augenblicke später betraten die beiden das Steingebäude. Im Inneren war es recht düster und es duftete nach Räucherkerzen. Überall standen Regale und Schränke mit den verschiedensten Waren, Teppiche lagen herum und gaben die Wege durch diese schon fast labyrinthartige Inneneinrichtung vor. "Komme gleich!", ertönte plötzlich eine Frauenstimme von weiter hinten. Wenige Momente später erschien eine Frau hinter einem der Regale. "Ich muss noch kurz das hier wegbringen und dann...", die Frau sah zu den beiden Kunden hinüber. "Das kann doch nicht wahr sein?!", fragte sie etwas ungläubig und kam auf sie zu. Die Frau war größer und muskulöser als Finja und ihre kurzen, dunklen Haare standen leicht in alle Richtungen ab. Mehrere geflochtene Zöpfe flossen aus dem struppigen Haar heraus und gingen ihr bis über den Rücken. Luna trug eine maßgeschneiderte Leinentunika, hatte außerdem viele Ringe und Ketten. Unter der Tunika schauten mehrere Tattoos hervor und eine lange Narbe zog sich über ihre rechte Wange. "Finja, die Wespe.", stellte sie fest und setzte einen abschätzenden Gesichtsausdruck auf. "Dachte wirklich, ich würd dich nach der Sache in Stahlbach nicht noch mal sehen.". Finja verdrehte mit hochgezogenem Mundwinkel die Augen und zuckte nur mit den Schultern. "Und doch stehe ich jetzt hier.", stellte sie fest. "Was soll ich sagen? Die anderen waren einfach nicht schnell genug.". Ein paar Sekunden vergingen, da kam Luna auf Finja zu und begrüßte sie mit einer überaus festen Umarmung. "Uff...". "Und jetzt bist du zu deiner guten Luna gekommen, weil du wieder etwas ausheckst, hm? Machen wirs wie immer, du weisst, ich kann alles besorgen und so.". Dann fiel ihr Blick auf Nicolai. "Wer ist dein gutaussehender Begleiter?". Ohne auf eine Antwort zu warten stand sie auch schon vor Nicolai. "Hallo. Ich bin Luna. Finjas Freunde sind auch meine Freunde musst du wissen. Ich rüste die gute hier immer mal wieder aus, denke mal du könntest bestimmt auch irgendwas brauchen? Seht euch einfach um.". Finja musste grinsen, als Luna Nicolai etwas zu überfallen schien.


    "Wir gehen auf eine Expedition.", erklärte sie Luna. "Ich brauche ein paar Dinge, nichts großartiges. Ich denke mal, ich werde das hier alles finden.". Sie verschwand für einen Moment im dem Wirrwarr aus Regalen, kam dann aber noch einmal zurück. "Luna, mein Gefährte hier benötigt auf jeden Fall eine Waffe. Ich bin mir sicher, dass du da was passendes da hast.". Wieder verschwand sie. "Eine Waffe, hm?", Luna drehte sich wieder zu Nicolai. "Irgendwelche Vorlieben? Natürlich kannst du alles ausprobieren, aber bitte...wenn, dann draußen. Die Waffen sind da vorne, dritter Gang links, hinteres Regal. Bei Fragen, ruf mich einfach. Ach, weisst du was? Ich komme einfach kurz mit, Finja weiß sowieso wo alles steht.". Dann ging Luna in Richtung Waffenregal.

    Zwei Tage waren vergangen seit Finja und Nicolai von der Taverne "Zum Schluckspecht" aus aufgebrochen waren. Sie nutzten die Zeit und lernten sich etwas besser kennen. Finja hatte Nicolai ein Bild von ihrem Bruder gezeigt. "Seweryn" stand dort in krakeliger Schrift in einer Ecke geschrieben. Nicolai fiel auf, dass Finja dieses Bild nicht bei den anderen aufbewahrte, sondern in einer kleinen Tasche unter ihrer Lederrüstung trug. An den Faltkanten war das Pergament bereits leicht porös und hier und da eingerissen. Das Bild schien etwas Besonderes für sie zu sein.


    Finja hätte bereits zu diesem Zeitpunkt ihrer Reise im Freien übernachtet, doch sie kamen unterwegs in der Scheune eines kleinen Bauerngehöfts unter, was Nicolai durchaus besser zu gefallen schien. Von der Bauernfamilie hatten sie sogar ein kleines Frühstück mit auf den Weg bekommen!
    Es war fast Mittag und Finja knabberte an den Resten des frisch gebackenen Brötchens, welches sie von der Bäuerin geschenkt bekommen hatte. Schon bald würden die beiden das Dorf "Felsensenke" erreichen. "Einige nennen das Dorf auch "Rattenkuhle". Es ist auf kaum einer Karte verzeichnet und wie ich hörte gefällt auch genau das den Einwohnern sehr.", erklärte Finja dem Raktauren. "Der Spitzname kommt daher, weil bei einem Rudel Ratten auch alles drunter und drüber geht.". Grinsend schaute sie zu Nicolai hinüber. "Mach dir nicht ins Hemd, es klingt tatsächlich schlimmer als es ist. Halt dich einfach an mich, dann wird dir nichts passieren.". Finja zwinkerte ihm zu. "Die Leute dort sind wirklich friedlich, solange man ihnen nichts tut.". Ihr Gang hatte mittlerweile etwas leicht federndes und der Speer, den sie locker geschultert hatte, wippte bei jedem Schritt sanft auf und ab. "Wir werden ja eine alte Bekannte von mir besuchen, sie nennt sich "Luna". Ist ein Spitzname. Sie hat in ihrem Warenlager so ziemlich alles, was wir brauchen oder kann es ohne großen Aufwand besorgen. Natürlich bekommen wir einen Freundschaftspreis.". Finja freute sich schon auf das Wiedersehen mit Luna. Nicht selten hatte sie sich bei ihr für ihre Aufträge mit diversen Ausrüstungsgegenständen eingedeckt. Luna war einfach immer die beste Ansprechpartnerin für sowas, fand Finja. "Oh und wenn wir dort sind sollten wir auf jeden Fall ein Glas "Krautwasser" zusammen trinken! Das ist eine Art Tee, doch er wird fast eiskalt getrunken. Sehr erfrischend und gleichzeitig würzig, das MUSST du einfach probieren! Das gibt es nur da!". Finja hielt kurz inne. "Keine Sorge, da ist kein Alkohol drin...ehm...trinkst du eigentlich?". Sie war, wie Nicolai mittlerweile wusste, "dem ein oder anderen Getränk" nicht abgeneigt.
    "Ein weiterer Vorteil: Von der Rattenkuhle aus gibt es eine alte und fast vergessene, befestigte Händlerstraße, die uns näher zu deinem...nein...unserem Treffpunkt bringen wird. Da werden wir angenehmer reisen als auf diesen dreckigen Waldwegen hier. Unterwegs gibt es auch gute Übernachtungsmöglichkeiten.".
    Finja hatte das Brötchen aufgegessen, fummelte den Trinkschlauch von ihrem Gürtel ab und nahm einen tiefen Schluck. Dann schaute sie den Raktauren ernst an. "Nicolai...verzeih mir bitte wenn ich dich falsch einschätze, aber falls du nicht mitkommen möchtest, dann geh ich allein dahin und wir treffen uns einfach später hinter der Rattenkuhle wieder. Manchmal bin ich vielleicht etwas zu...übereifrig?". Sie machte eine kurze Pause. "Aber...ich würde mich freuen, wenn du mich begleiten würdest, verstehst du?". Finja ging ein paar Schritte schweigend neben Nicolai her. "Solche Idioten wie vor dem Gasthaus gibt es da auf jeden Fall nicht. Jeder ist dort willkommen, die Leute wollen nur ihren Geschäften nachgehen. Und wer weiss? Vielleicht findest du da ja auch etwas, was dir gefällt oder was dir nützlich sein kann?". Finja hoffte so an Nicolais Neugier und Forschergeist zu appelieren. "Vertrau mir einfach.". Sie lächelte.

    Finja schien zufrieden. Zum einen freute sie sich, dass Nicolai ihr künstlerisch so viel zutraute und zum anderen musste sie nicht alleine weiterreisen. <In Gesellschaft ist es wenigstens nicht langweilig.>. Und schließlich versprach für die Expedition ja auch eine gute Summe für sie herauszuspringen.



    "Keine Waffen füh...?". <Ich glaub es ja nicht.>. "Kein Knecht muss auf mich aufpassen.", presste sie selbstsicher zwischen ihren Zähnen hindurch und in ihren Augen flackerte für einen kurzen Moment ein Funke auf. Warum war Nicolai so erstaunt darüber? Finja hätte sich fast wieder hineingesteigert, atmete dann jedoch tief durch. <Schon gut, er meint es nicht so.>, sagte sie zu sich selbst und setzte wieder ein freundlicheres Gesicht auf.


    "Du, ich brauche nicht viel um zufrieden zu sein. Wir sollten aber tatsächlich noch ein paar Dinge besorgen. Hier in der Nähe ist ein kleines Dorf, da war ich schon mal. Viele Händler sind da auf der Durchreise, Söldner suchen Anstellung. Es ist ein etwas unruhiger Ort aufgrund der Reisenden, aber niemand interessiert sich da wirklich für jemanden. Eine Bekannte von mir hat dort ein kleines Warenlager und kann uns sicherlich weiterhelfen." <So angenehm wie möglich? Ich hoffe er erwartet mich nicht mit riesigen Gepäckstücken...>. Insgeheim traute sie Nicolai jedoch auch das zu.


    "Ich habe eine Zeichnung, ja. Aber lass uns das wenn dann morgen in Ruhe besprechen, da haben wir genug Zeit.". Finja war etwas erstaunt, dass Nicolai ihre Bedingungen einfach so akzeptierte. Sie hatte zwar mit recht leichten Verhandlungen gerechnet, aber dass es sooo einfach war? <Um so besser.>


    "10Uhr klingt gut. Ich werde noch ein wenig hier sitzen bleiben und ein paar Dinge durchdenken."


    Es wurde später und Finja bemerkte langsam den Wein in ihrem Kopf. <Zeit fürs Bett.>. So nahm sie etwas unbeholfen ihre Sachen und machte sich auf den Weg in das ihr vorher zugeteilte Zimmer. Dort angekommen schloss sie mit der Verse die Tür, ließ ihren Kram mitten in den Raum und sich selbst aufs Bett fallen. <Verrückt.>, dachte sie. <Gerade noch auf einer Reise quer durchs Land, jetzt auf dem Weg zu einer Expedition.>. Sie musste etwas lachen. <Wie das Leben manchmal so spielt...>. Dann fing die Dunkelheit an sie zu umarmen und so driftete Finja in einen tiefen, ruhigen Schlaf weg.