Beiträge von Alaryah Schattenwind

    Jaro Ballivòr
    Der Wind im Schilf und das Plätschern des Wassers waren einen Moment lang die einzigen Geräusche am Ufer des Sees. Verdattert starrte Jaro Alaryah an und rührte sich nicht.
    "Komm, schlag mich", wiederholte sie ihre Worte, ohne sich von der Stelle zu rühren.
    "Aber ich kann doch nicht...", stammelte Jaro und wurde von einer erneuten Aufforderung unterbrochen. Zögerlich machte er einen Schritt auf sie zu. "Ich dachte, du könntest mir vielleicht ein paar Bewegungen zeigen, o-oder wie man eine Waffe führt..." - "Jaro", unterbrach Alaryah ihn abermals mit strengem Blick. "So schwer ist die Aufgabe wirklich nicht. Los jetzt! Wenn du etwas lernen willst, musst du schon tun, was ich dir sage."
    Jaro schluckte schwer und nickte. Mehrfach öffnete und schloss er die Hände zu Fäusten und als er meinte, nah genug zu sein, setzte er einen halbherzigen Fauststoß in Richtung von Alaryahs Gesicht an. Mit hoch gezogenen Brauen lugte die Waldalbin neben Jaros ausgestrecktem Arm hervor. "Das sollte mich treffen?", fragte sie belustigt. Sie hatte sich keinen Schritt bewegt. "Du kriegst eine zweite Chance." Noch immer höchst unwohl in seiner Haut trat Jaro noch ein kleines Stück näher heran und probierte es erneut. Dieses Mal nahm Alaryah nur ganz leicht den Kopf zur Seite, sodass Jaros Hand ihre Wange beinahe strich. "Du greifst nicht an. Ich habe gesagt "Schlag mich", und nicht "streck deinen Arm in meine Richtung"." Beschämt nahm Jaro die Faust zurück. Na gut. Wenn sie darauf bestand, dann würde er eben richtig hinhauen. Alaryah nicht aus den Augen lassend, ging Jaro etwas in die Knie und nahm beide Fäuste hoch. Er zögerte einen Moment und ließ dann die Rechte nach vorne schnellen. Dieses Mal würde er treffen, er spürte es... und wieder sauste seine Hand knapp an Alaryahs Gesicht vorbei. Das Ausbleiben des erwarteten Aufpralls ließ Jaro beinahe das Gleichgewicht verlieren. "Schon besser. Und jetzt streng dich an dabei." "Ich strenge mich..." Ein Kopfschütteln Alaryahs ließ Jaro verstummen und er begab sich stattdessen wieder in Position. So ging es Schlag auf Schlag und stets wich Alaryah gerade so weit aus, dass Jaro kurz dachte, er hätte Erfolg, bevor seine Hand abermals ins Leere schoß. Schnell war er außer Atem und so sehr er sich auch anstrengte, so oft er sein Ziel auch änderte, vom Gesicht, zum Bauch, zu den Schultern, gelang es ihm einfach nicht, Alaryah auch nur zu streifen. "Das gibt's doch nicht", keuchte er und stützte sich auf seinen Oberschenkeln ab. Während er seinen Atem beruhigte, vernahm er plötzlich fröhliches Vogelgezwitscher, gefolgt von Flügelschlagen und dem Rascheln aus einem nahen Baum. "Du!", stieß er aus, als er den kleinen Sperling erkannte, der ihnen von Nativus' Heim bis vor die Tore Eichenhains gefolgt war. "Ja, lach du nur!" Jaro hatte aufgegeben, sich über die scheinbaren Gefühlsregungen des Vogels zu wundern, der wie zur Antwort noch lauter und fröhlicher trällerte. Bei Orils ewigem Licht - nun wurde er schon von einem Vogel ausgelacht! Die Erkenntnis stachelte Jaro an. "Dir werde ich es zeigen!", rief er dem Zaungast zu und hob die Arme. Er versuchte es mit Finten und verzögert, von der Seite, mit einem weiten Schwinger und mit Doppelschlägen. Wenn er auch noch immer nicht traf, hatte er nach einer Weile wenigstens den Eindruck, dass auch Alaryahs Atem schneller ging und schließlich nahm sie erstmals einen Arm zur Hilfe, um Jaros Schlag abzulenken. "Ha!", triumphierte er, als hätte er einen vollen Treffer gelandet und grinste Alaryah stolz an. Der Sperling hatte indes nur eine amüsierte Trällerfolge für ihn übrig.


    Alaryah Schattenwind
    Alaryah musste ein Kichern unterdrücken, als sich der Sperling an ihrem Vorhaben lauthals beteiligte. Sie freute sich, dass der kleine Vogel wieder da war. Jaros Schläge nahmen nun nach und nach Fahrt auf. Wieder war eine Parade mit dem Unterarm nötig, dann noch eine. Dies schien für einen Motivationsschub bei Jaro zu sorgen, dem Alaryah nun erst einmal einen Dämpfer verpassen wollte. Sie biss die Zähne aufeinander und ließ die von links heranfliegende Faust durch. "Uff!". Wärend der kleine Vogel wild mit den Flügelchen flatterte machte die Albin einen Satz zur Seite, wandte den Blick ab und beugte sich nach vorn über. Jaro schrie erschrocken und ungläubig zugleich auf. "Alaryah, verzeih, das wollte ich nicht!". Gerade, als er zu der Albin gehen und prüfen wollte ob es ihr gut ging, sprang sie nach vorn. Von unten kommend prallte Alaryah mit der Schulter in Jaros Magengegend, bekam irgendwie sein rechts Bein zu packen und brachte den Alb aus dem Gleichgewicht. Er strauchelte und fiel dumpf auf den Rücken, Alaryah landete neben ihm. "Was zum...?". Alaryah wirbelte herum und drückte Jaros Schulter nun mit aller Kraft auf den Boden. Dann presste sie ihre rechte Handkante an seinen Hals. "Siehst du?", fragte sie und grinste triumphierend. "Jetzt wärst du tot gewesen.". "Aber wa...". "Du darfst dich nicht ablenken lassen oder zögern. Unsere Gegner werden mit allen Mitteln versuchen zu überleben.". Jaro nickte. "Du hast ganz schön zugelangt.", sagte Alaryah dann gespielt empört und nahm die Hand von Jaros Hals. "Bewegungsabläufe oder der bessere Umgang mit einer Waffe, das machen wir aber nicht mehr heute.". Sie klopfte Jaro aufmunternd auf die Brust, erhob sich und reichte ihm die Hand. Er zögerte. "Komm schon, dieses Mal ist es kein Trick, versprochen.". Jaro ergriff Alaryahs Hand und schon bald stand er wieder.
    "Los, noch einmal.". Dieses Mal verzichtete Alaryah auf weitere Täuschungsmanöver. Ab und an unterbrach sie ihre "Training" und erklärte Jaro, wie er Kräfte sparen oder seine Atmung regulieren konnte. Es würde sicherlich helfen. Ausdauer war im Kampf immer wichtig, egal ob mit oder ohne Waffe. Jaro versuchte die Anweisungen umzusetzen, doch schien es etwas zu viel für den Anfang. Alaryah schien zwischendurch zu vergessen, dass es Jaro und kein Waldläuferanwärter war mit dem sie es hier zu tun hatte...Jedoch erkannte sie wieder und wieder die Bemühungen und sprach das ein oder andere Lob aus.
    "Gut so! Und dann trainieren wir als nächstes mit Übungswaffen.", verkündete Alaryah über den "Schlagabtausch" hinweg. "Gar kein Problem.", gab Jaro konzentriert zurück. Langsam drängte Alaryah Jaro nun zurück, fing an Druck aufzubauen. "Immer mit einem Fuß am Boden bleiben, sicherer Stand, Beine beim Schritt nicht überkreuzen.", rief sie Jaro in Erinnerung. Er schaute nun grimmiger drein. "Schon viel besser!".


    Jaro Ballivòr
    Es machte... Spaß! Eifer packte Jaro und er vergaß die Anstrengung, vergaß den Schmerz im Rücken von dem harten Aufprall, vergaß sogar das schadenfrohe Gezwitscher des kleinen Sperlings. Längst zitterten seine Beine vom tiefen Stand und den schnellen, kurzen Schritten, seine Arme schienen das Doppelte zu wiegen und Schweiß rann ihm den Rücken hinab. Trotzdem machte er immer weiter, folgte Alaryahs Anweisungen und probierte das ein oder andere selbst - wenn auch mit weniger Erfolg. Instinktiv tappte er in jede Falle, die ihm Alaryah stellte, die ihrerseits all seine Bewegungen vorauszuahnen schien. Zudem war Jaro einfach deutlich langsamer. Er merkte schnell, dass dies nicht allein an seinen bereits ermüdenden Gliedern lag. Während er über jeden Schritt und jede Armkombination nachdenken musste, schien bei Alaryah alles von selbst zu gehen. Erneut ging er ihr ins Netz und dieses Mal schlug er nur deshalb nicht auf dem Boden auf, weil Alaryah ihn vorher auffing und wieder auf die Beine schob. Jaro erinnerte sich an ihren Rat, nicht zu zögern, und setzte sofort einen Konter an. Alaryah fing ihn ab. "Das war... fies!", stellte sie fest. "Gut!", sie grinste und schon wieder fand Jaro sich in Rückwärtsbewegung vor. Wasser platschte und Jaro stoppte abrupt, blickte über die Schulter. Alaryah hatte ihn bis an den Rand des Sees gedrängt. "Hab deine Umgebung stets im Blick. Lass dich niemals in eine Sackgasse drängen." Jaro knirschte mit den Zähnen. <Zu Spät!>, dachte er und versuchte seitlich davon zu schlüpfen, doch es gelang ihm nicht. Schon drang Wasser in seine Stiefel ein und wenn es auch nicht eiskalt war, so hatte Jaro doch wenig Interesse an einem unfreiwilligen Bad. Er parierte einen Schlag in Richtung Schulter, verlor dabei aber das das Gleichgewicht. Wild mit den Armen rudernd kämpfte er gegen das Unvermeidliche an, während Alaryah ihn amüsiert betrachtete, die Hände keck in die Hüfte gestemmt. Im letzten Moment schoß Jaros Hand vor und er packte die Albin in der Armbeuge, um sie wenigstens mit sich zu reißen.


    Alaryah Schattenwind
    Es mochte der Albin nicht sonderlich gefallen, doch sie hatte Jaro unterschätzt. Zwar wollte sie ihn niemals in den See schubsen, doch hatte die ganze Sache eine gewisse Eigendynamik angenommen. Jaro versuchte sein Gleichgewicht zu halten, doch gelang es ihm nicht. Dafür schaffte er etwas anderes, nämlich Alaryah am Arm zu packen. "Neeein!", rief sie gerade noch mit überraschter Stimme - doch es war bereits zu spät. Ein lautes Platschen zerriss die umliegende, friedliche Stille und es war als hätte der halbe Wald den Lärm mitbekommen. Diese Stelle vom See war alles andere als tief, doch war es hier tief genug damit das Wasser die beiden verschlingen konnte. Unter Wasser riss sich Alaryah von Jaros Griff los und tauchte so schnell wie möglich wieder auf. Sie wischte sich Wasser und Haare aus dem Gesicht, prustete dabei und musste sich neu orientieren. Jaro tauchte ebenfalls wieder auf, etwas weiter links von ihr. "Das kriegst du wieder, das merke ich mir!", versprach Alaryah. Jaro lachte, während auch er das Wasser aus seinen Augen wischte. "Lach nicht, jetzt bin ich wegen dir patschnass!". Alaryah, die etwas weiter als knietief im kühlen Wasser stand, schlug gegen die Wasseroberfläche und schleuderte somit viele Tropfen in Richtung Jaro. "Warte ab, wenn ich dich zu fassen kriege!". Alaryah watete fest entschlossen durch das Wasser, direkt auf Jaro zu. Der kleine Vogel war am Ufer zurückgeblieben und hüpfte aufgeregt hin und her. Irgendwie schaffte es Jaro Alaryahs Griffen auszuweichen und schien auch schneller im Wasser voranzukommen. Er hatte fast das Ufer erreicht, da platschte es erneut. Alaryah war umgeknickt und daher erneut unfreiwillig abgetaucht. Sie rappelte sich wieder auf und schaffte es mit Jaros Hilfe problemlos aus dem See. "Alles gut, alles gut.", sagte sie dann und tatsächlich war das Laufen nach ein paar abgehackten Schritten wieder möglich. "Ich glaube das war genug Training für heute.", befand Alaryah und auch Jaro stimmte zu. Wie hätte es auch sonst weitergehen sollen, schließlich waren sie völlig durchnässt. "Lass uns erst einmal zurückgehen und etwas trockenes anziehen.", schlug Alaryah vor und so machten sie sich auf den Rückweg. "Gut gekämpft.", sagte sie beim gehen und gab Jaro einen sportlichen Schlag auf den Oberarm.


    Jaro Ballivòr
    Ein Grinsen breitete sich auf Jaros Gesicht aus. "Danke, du auch", feixte er und wrang beim Gehen sein Haar aus. "Tut mir leid wegen dem Bad. Ich konnte dem Vogel den Triumph nicht gönnen, nur mich baden gehen zu sehen." Ein letzter Ruf des Sperlings war die Antwort, dann verschwand er zwischen den Bäumen und kurz darauf kam Eichenhain in Sicht. "Oh, sieh nur, sie schließen schon das Tor!", rief Jaro aus und so rannten sie platschend und tropfend die letzten Meter den Weg entlang. Die Alben am Tor musterten sie skeptisch von Kopf bis Fuß, ließen sie dann aber ohne weitere Kommentare passieren. "So viel Zeit ist vergangen?" Es kam Jaro vor wie nichts. Seinen Beinen hingegen wie ein Tagesmarsch. Spätestens nach dem kurzen Lauf wollten sie ihm nicht mehr recht gehorchen und fühlten sich seltsam wackelig an. Auch musste er feststellen, dass er sehr durstig war. Und... war da sogar schon wieder ein Hungergefühl in seinem Bauch? "Du, Alaryah, was hältst du von einem kleinen Nachttrunk, wenn wir uns umgezogen haben?" ... und einem kleinen Happen, fügte er in Gedanken hinzu. Alaryah hielt sehr viel von der Idee, im Gegenteil: sie rügte Jaro sogar, dass er das nicht als selbstverständlichen Trainingsinhalt erkannt hatte.
    Mit trockener Kleidung auf der Haut und der Euphorie aus der Übungseinheit im Blut, war Jaros Laune ausgezeichnet, als sie erneut die kleine Hütte verließen. "Ich muss kurz etwas erledigen, in Ordnung? In der Gespaltenen Eiche." Alaryahs Gesichtsausdruck sprach Bände. "Geht ganz schnell, versprochen! Und dann können wir woanders hin gehen oder uns etwas zu Trinken für Zuhause besorgen." Dieses Mal war es Jaro, der durch die Menge eilte und Alaryah, die ihm zu folgen versuchte. Mittlerweile kannte Jaro den Weg zu der alten Taverne sehr gut. Bevor er eintrat, lächelte er Alaryah, wie er meinte, vielsagend zu und schritt dann entschlossen an den Tresen. Der Schenker erkannte ihn und grinste abschätzig. "Sie bedient die Balkone", sagte er gewichtig, "was darf es denn sein?" Jaro schob zwei Münzen über den Tisch. "Eine Edelkastanie für die Dame. Ich kann leider nicht bleiben, ich habe schon Gesellschaft." Sichtlich irritiert griff der Alb nach den Münzen. "Alles... klar. Dann richte ich es ihr aus.." Jaro grinste Alaryah an, die ihm zögerlich in den Gastraum gefolgt war. "Danke! Bis zum nächsten Mal dann." Er hakte sich bei Alaryah ein und führte sie wieder zurück auf die Straße.


    Alaryah Schattenwind
    Jaro ging selbstsicher voran und gab dabei das Tempo vor. Alaryah hielt eingehakt mit einer Mischung aus Skepsis und Verwirrung Schritt. Was war da gerade genau passiert? Sie hatte erst das Schlimmste erwartet als Jaro das Gasthaus erwähnte, doch dann...ja, was war dann? Alaryah beschloss für sich, dass jetzt einfach nicht die Zeit für solche Gedanken war. Sie würde Jaro irgendwann darauf ansprechen, vielleicht morgen, vielleicht übermorgen...
    Viele der Küchen hatten bereits geschlossen und auch die Tavernen leerten sich zusehends. Doch sollte Jaro sein Mahl noch bekommen. Ein Wirt brachte gerade die letzten Portionen aus einem großen Suppentopf unter die Passanten und lehnte sogar die von Jaro angebotene Bezahlung ab. Die Suppe war schon fast kalt, aber trotzdem lecker. Während Jaro dabei war die Schüssel zu leeren wechselten zwei Flaschen Wein den Besitzer. Alaryah verstaute die Ware in ihrem Beutel und zwinkerte Jaro zu, als dieser beim Klang von Glas auf Glas kurz von seiner Schüssel aufsah.
    Nach der kleinen Mahlzeit schlenderten die beiden wieder zurück zu ihrer Behausung. Alaryah hatte wieder Jaros Arm gegriffen und so genossen sie die Ruhe und den Frieden in Eichenhain. Zwischendurch deutete Alaryah auf dieses und jenes und erklärte Jaro, der aufmerksam lauschte, etwas dazu. Tatsächlich verbanden mehr Erinnerungen die Albin mit diesem Ort als es zuvor den Anschein hatte.
    "Ich habe eine Idee.", platzte es plötzlich aus der Albin heraus. Noch bevor Jaro wirklich reagieren konnte zog Alaryah ihn auch schon mit sich. Sie eilten zu ihrer Bleibe zurück, wo Alaryah Jaro ihr Bündel in die Hand drückte. Die Flaschen klimperten leise. "Hier, hol du schon mal Krüge. Ich bin mir sicher, dass da hinten noch irgendwo...". Die Albin führte ihre Gedanken noch etwas weiter aus, doch waren sie für Jaro nicht mehr wirklich nachvollziehbar, geschweige denn zu hörbar. "Was bitte?", fragte er noch, doch Alaryah war bereits verschwunden. So stand er da, mit ihrem Beutel in der Hand und wusste nicht so recht wohin. "Krüge.", erinnerte er sich und verschwand im Inneren.
    Das Geräusch von krächzendem Stahl ertönte, als Jaro wieder ins Freie trat. Er hatte Alaryahs Bündel über die Schulter gelegt und zwei Krüge in der Hand. Die Albin erschien und die Quelle des Lärms wurde ersichtlich. Alaryah zog eine große Feuerschale hinter sich her, die für sie allein viel zu groß zum transportieren war. Schnell ging Jaro ihr zur Hand. Bald schon hatten die beiden etwas Holz aufgeschichtet und ein Feuer auf der dafür vorgesehenen Feuerstelle entfacht. Von dem Platz vor ihrer Hütte konnten sie sehen, dass andere Familien, Wachtposten und sonstige Bewohner es ihnen bereits gleichgetan hatten. Ruhe kehrte ein. "Setz dich zu mir.", sagte Alaryah und deutete auf den Platz neben sich. Sie hatte ein großes Fell ausgelegt, auf dem sie gemütlich Platz fanden. "Das war ein guter Tag.", fand Alaryah und ließ den Kopf auf Jaros Schulter fallen. Dann hielt sie ihm den Becher zum Anstoßen hin, während das Feuer laut knackte.


    Jaro Ballivòr
    zum ersten Mal verkrampfte Jaro sich nicht völlig, als Alaryah sich bei ihm anlehnte. Stattdessen schob sich ein Lächeln auf seine Lippen und er stieß seinen Krug gegen ihren. "Das war er... ist er noch immer." Den Blick unfokussiert auf die Flammen gerichtet, nippte er an dem Wein. Er war herber als die Fruchtweine, ohne aber bitter oder schwer zu sein. Eine sanfte Holznote begleitete seinen Geschmack, etwas, das Jaro bislang nur als Geruch gekannt hatte. "Das schmeckt...", einen Moment lang suchte Jaro nach Worten, "teuer", sagte er dann lachend, denn genau das traf zu. Vorsorglich stellte er den Krug neben sich, um nicht zu schnell zu trinken. Einen Wein wie diesen, sagte ihm sein Gefühl, trank man gemächlich. Sein Blick glitt über die Lichtpunkte der umliegenden Hütten und Verandas. Der Anblick war unwahrscheinlich beruhigend. "Stell dir einmal vor, wir wären hier zu Hause", sprach er ein plötzliches Gedankenspiel aus. "Bei gutem Wetter könnten wir immer hier außen sitzen, ein Feuer entzünden und die Beine ausstrecken..." Auch jetzt löste er den Schneidersitz und drückte die Knie durch. "Uh... ich glaube, das gibt einen furchtbaren Muskelkater. Aber ich will micht nicht beschweren!", fügte er schnell an. "Ich finde es toll, dass du dir die Zeit nimmst und mit mir trainierst." Wie von Zauberhand fand der Krug den Weg in seine Hand. Alaryah legte einen Scheit nach und das Feuer knisterte zustimmend, verströmte von Neuem den aromatischen Duft brennenden Nadelholzes. "So sehr ich mich freue, sie wieder zu sehen, hoffe ich doch, dass Kirona noch ein wenig zu tun hat", gab Jaro zu. "Dann können wir noch ein paar Tage hier bleiben. Wir können gemeinsam trainieren und einfach ein wenig ausspannen." Plötzlich wünschte Jaro sich nichts sehnlicher, als an Ort und Stelle sitzen zu bleiben. Ihre Aufgabe war erfüllt, vielleicht hatten sie das Grauen endgültig hinter sich gelassen. An einem Abend wie diesem, mit angenehmer Erschöpfung in den Gliedern, einem vollen Magen und einem vom Wein gelösten Geist, traute Jaro sich daran zu glauben.

    Jaro Ballivòr
    Kurz hatte auch Jaro wieder mit dem köstlichen Fruchtwein geliebäugelt, sich dann aber entschieden, das selbst gebraute Honigbier der Taverne zu kosten. Sogar der Honig kam laut Karte aus einer hauseigenen Imkerei. Kurz darauf fand sich ein großer Krug mit üppiger Schaumkrone vor Jaro. Sie prosteten einander zu und tranken. Cremig weich und kühl war das Bier und hatte eine angenehme würzige Süße. Zufrieden wischte Jaro sich den Schaum von der Oberlippe und linste zum Tresen hinüber. Nun, da sie hier waren, hatte die hübsche Bedienung wieder seine geistige Aufmerksamkeit erobert, wobei es eigentlich eher ihre Abwesenheit war, die Jaro beschäftigte. Hatte sie heute frei? Würde sie später noch kommen? Er spürte Alaryahs Blick. "Entschuldige, was hast du gesagt?" Mit hochgezogenen Brauen wiederholte die Albin ihre Worte und Jaro schluckte verlegen. Er versuchte sich daraufhin wieder reger an ihrem Gespräch zu beteiligen, denn keineswegs wollte er Alaryah das Gefühl geben, er langweile sich mit ihr. So war es ja nicht! Nur... zu gerne hätte er die junge Frau noch einmal gesehen und getestet, ob er sich traute, ihr ein Getränk auszugeben. Da! Es war wieder passiert! Da Alaryah ihn weiter fragend ansah, kam Jaro zu dem Schluss, dass sein Nicken keine adequate Reaktion war, auf was auch immer sie zu ihm gesagt hatte. Da es ihm peinlich war, den Grund seiner Abgelenktheit zu erklären, zeigte er stattdessen auf eine kleine Tafel am Rande des Tresen. "Kannst du lesen, was da steht? Wildblumenbrand?" Er sah Alaryah an. "Wollen wir das mal probieren?" Als er den Kopf wieder in Richtung Theke drehte, trafen sich ihre Blicke. Offenbar war sie erst angekommen, denn sie schlüpfte gerade aus einem lockeren Mantel. Der Ausdruck des Erkennens huschte über ihr Gesicht, dann etwas anderes: Wut.


    Alaryah Schattenwind
    "Wildblumenbrand?". Alaryah schaute Jaro mit hochgezogener Augenbraue an. "Du weisst aber schon, dass das...". Sie hörte schließlich wieder einfach auf zu reden. Es war zwecklos, Jaro war schon wieder gedanklich woanders, das war nun mehr als deutlich. Alaryah folgte seinem Blick und erkannte die Schankmaid, die gerade ihren Dienst anzutreten schien. Es war, als würde sich eine Schlange in ihrem Magen winden. Was war das nur für eine Gefühlsduselei, die da in ihr aufkeimte? <Jetzt reiss dich aber mal zusammen.>, sagte sich die Albin selbst und machte gute Miene zu bösem Spiel. Sie fühlte sich nun nicht mehr so wohl und hoffte in einem großen Schluck Fruchtwein Linderung zu finden. Das wärmende Gefühl des Alkohols machte sich in Alaryahs Magen breit, doch wollte es nicht helfen. Schließlich hatte sie Jaro Aufmerksamkeit wieder. "Ja. Wildblumenbrand. Lass uns einen bestellen. Geht auf mich.". Dann erhob sich die Albin. "Bestell doch schon mal, ich muss kurz wohin.". Ohne auf eine Antwort zu warten verschwand Alaryah.


    "Was soll das?!". Alaryah lehnte sich an die Wand des schmalen Flurs, der zu dem Abort führte. Sie kam sich albern vor. Jaro war doch ein freier Alb, er konnte tun und lassen was er wollte? Warum ärgerte sie sich überhaupt darüber, dass er sie nicht beachtet hatte? Schließlich war er doch an der Schankmaid interessiert! Als gute Freundin sollte sie für ihn da sein, ihm irgendwie helfen!? Und doch wehrte sich etwas in Alaryah dagegen. <Warten wir erst einmal ab.>. Leise ging Alaryah den Flur zurück in Richtung Schankraum. An der Ecke stand eine große Topfpflanze, an der sie ungesehen vorbeilugen konnte. Jaro saß dort und starrte in Richtung Tresen. Alaryah verfluchte sich für dieses Verhalten, doch wollte sie nun einfach wissen, was als nächstes passierte...


    Jaro Ballivòr
    Erleichtert, dass Alaryah auf das Angebot, einen Schnaps zu trinken ansprang, lächelte Jaro. <Vielleicht hat sie meine Blicke nicht gemerkt!>, dachte er bei sich, obwohl er nicht wusste, warum ihm das wichtig war. Der Gesichtsausdruck der Bedienung verursachte ihm allerdings ein ungutes Gefühl. Seit sie ihn erkannt und wütend angestarrt hatte, mied sie seinen Blick, obwohl er verzweifelt versuchte den ihren zu fangen. Er wollte unbedingt bei ihr bestellen, bevor ihre eigentliche Tischbedienung zurückkehrte. Bei der Gelegenheit konnte er ihr gleich etwas anbieten, ohne dass Alaryah sein Gestammel hören und ihn später damit aufziehen konnte. In aller Seelenruhe band die Maid sich eine mit Rüschen verzierte Schürze und ihre Geldbörse um, sprach mit dem Schenker und lachte über etwas, dass er sagte. Dabei blickte sie nicht einmal in Jaros Richtung. Sie hatte ihn doch erkannt... und bei ihrem letzten Besuch hatten sie sich doch zu späterer Stunde schon unterhalten. Und dann... ja, was war dann eigentlich passiert? Jaro musste feststellen, dass der den Abend nicht mehr recht rekonstruieren konnte. "Kriegt ihr noch was?", riss ihn die andere Kellnerin aus seinen Gedanken. "Wir.. ähm. Ja, ja gerne. Zwei mal den Wildblumenbrand, bitte." Jaro versuchte seine Enttäuschung hinunterzuschlucken. Dann, bevor er es sich anders überlegen konnte, fügte er an: "Und einen für deine Kollegin dort... ich kenne sie und muss mich noch revanchieren." Er schwindelte ein wenig, doch etwas Besseres fiel ihm nicht ein. "Für Lilith?" Sie grinste. "Ich kann es versuchen." Was auch immer das bedeuten mochte... Jaro rutschte nervös auf seinem Hocker herum und blickte in die Richtung, in der Alaryah verschwunden war, dann wieder zum Tresen. Aus einer kunstvoll geschwungenen Flasche füllte die Kellnerin drei kleine Tonkrüglein und ging mit dem Tablett zu Lilith. Sie sagte etwas und nickte in Jaros Richtung. Reflexartig sah er weg, ärgerte sich sofort darüber und setzte zurückblickend ein gequältes Lächeln auf. Mit dem kleinen Krug in der Hand starrte sie ihn an, eine Augenbraue erhoben, beinahe spöttisch, dann trank sie den Brand in einem Zug leer, griff nach der Flasche und schenkte sich nach, trank erneut. Sie schüttelte den Kopf und nahm ihr volles Tablett, um es unter die Leute zu bringen.


    Alaryah Schattenwind
    Jaro hatte zwar die Bestellung aufgegeben, doch war dies bei der ihnen zugeteilten Schankmaid geschehen. So ganz zufrieden schien der Alb mit dieser Situation nicht zu sein, so schätzte Alaryah zumindest. Die entsprechende Reaktion der anderen Albin war nicht zu erkennen, zumindest nicht von Alaryahs "Versteck" aus. Irgendwann machte sie sich dann schließlich auf den Rückweg. Warum sollte sie auch noch weiterhin neben der Topfpflanze herumstehen? Fast zeitgleich mit der anderen Albin erreichte Alaryah den Tisch. Während die Frau zwei kleine Tonkrüge mit dem Wildblumenbrand servierte sagte sie etwas zu Jaro, was Alaryah jedoch nicht verstand. Direkt im Anschluss huschte die Frau mit dem leeren Tablett hinfort. "Das ging schnell.", meinte Alaryah trocken und griff nach dem Krüglein vor sich. "Weisst du nun wenigstens ihren Namen?". Alaryah leerte das Gefäß. Es war, als wanderte flüssiges Gold ihre Kehle hinab. Ein dumpfes "Batsch!" ertönte, als Alaryah mit beiden Händen flach auf den Tisch schlug. Sie hatte die Augen weit aufgerissen, ihr Kiefer mahlte deutlich. Dann atmete die Albin schwer aus. "Was für ein...Brand.". Hastig kippte sie nun einen Schluck Wein hinterher. Der Wildblumenbrand war einfach etwas zu viel für sie. Warum hatte sie sich noch einmal dazu überreden lassen einen Wildblumenbrand zu trinken? <Achja...>. Irgendwie fühlte sich die Albin nun unwohl. Auf der einen Seite kam sie sich fehl am Platz vor, auf der anderen Seite war es ein Ding der Unmöglichkeit nun einfach zu gehen...oder? So saßen sie für ein paar Augenblicke einfach nur da. Jaro, abgelenkt durch Lilith und irgendwie ihren Blick suchend und Alaryah, mit sich selbst und der Welt nicht ganz im Einklang. "Was hast du jetzt vor?", fragte sie schließlich über den Rand ihres Weinkelches hinweg.


    Jaro Ballivòr
    Auch Jaro hob das kleine Gefäß, doch hielt inne. "Namen? Wer?", fragte er dämlich und zuckte von Alaryahs Schlag auf den Tisch zusammen. Schnell kippte auch er sich den Schnaps hinunter, um der Frage zu entkommen. Es schüttelte ihn und er konnte ein Husten nicht unterdrücken. In der Tat... das war nichts für schwache Seelen. In Jaros Bauch brannte es, doch unter den gegebenen Umständen war es nicht die angenehme Hitze, die er beispielsweise durch die Edelkastanie verspürt hatte, sondern fühlte sie sich eher wie ein großes Loch an, das seine Unsicherheit und Beschämung nur noch verstärkte. Warum war die Schankmaid - Lilith, er rief sich ihren Namen ins Gedächtnis - so merkwürdig? Und war mit Alaryah alles in Ordnung? Wurde etwas von ihm erwartet oder hatte er etwas falsch gemacht? Woher wollte man denn aus diesen Albinnen schlau werden?! Betreten senkte Jaro den Blick auf die Tischplatte und strich mit den Fingern darüber. Schon einmal hatte es so eine merkwürdige Situation gegeben und das war ebenfalls in dieser Taverne gewesen. Und dann noch einmal, am Morgen danach. Was war nur der Grund? Jaro ertappte sich dabei, wie er Kirona herbei wünschte, die mit ihren direkten Aussagen die Runde auflockerte.
    Als Alaryah ihn ansprach, sah er auf und hoffte, dass er nicht so miserabel aussah, wie er sich fühlte. "Ich", er musste sich räuspern, "eigentlich habe ich keinen Plan." Unbeholfen zuckte er mit den Schultern. "Ich dachte, wir könnten wieder ein bisschen trinken und Spaß haben, vielleicht doch ein wenig quatschen... aber irgendwie schmeckt es heute nicht so, oder?" Er kaute auf seiner Lippe herum. "Also... wir können gerne auch weiter ziehen. Vielleicht noch ein bisschen raus?"


    Alaryah Schattenwind
    Mit dieser Antwort hatte Alaryah nicht gerechnet. Ein Teil von ihr schrie sofort innerlich und triumphal auf, hätte natürlich gern direkt mit Jaro das Gasthaus verlassen. Irgendwie schien Alaryah das jedoch nicht ganz richtig. "Was ist genau das Problem mit ihr?", fragte sie dann gerade heraus. Jaro fuhr mit den Fingern eine Schnitzerei in der Tischplatte entlang. "Jaro?", hakte Alaryah nach. "Ich rede mit dir.". Es war nun deutlich zu sehen, dass er sich unwohl fühlte. Tatsächlich wagte er erst kaum ihrem Blick zu begegnen, geschweige denn konnte er diesem dann lange standhalten. "Ich...ich glaube ich habe irgendwie einen Fehler gemacht?", fragte er und suchte bei Alaryah nach Antworten. Natürlich konnte sie nicht helfen. Mühsam brachte Jaro ein paar erklärende Worte hervor und endete mit seinem Versuch ein Getränk als kleine und durchaus lieb gemeinte Aufmerksamkeit auszugeben. Schließlich wollte Jaro doch nichts Böses! Während Jaro von Lilith erzählte wanderte Alaryahs Blick langsam zu der Schankmaid hinüber. Die Waldläuferin beobachtete die Albin mit dem Tablett einen Moment lang und es schien, als seien Jaro und Alaryah für sie nichts weiter als Luft. "Weisst du was?". Alaryah unterbrach Jaro, der abrupt schwieg und plötzlich leicht eingeschüchtert schien. "Wir sollten vielleicht wirklich gehen. Ein bisschen raus...das klingt gut.". Es war nicht schwer zu erkennen, dass Jaro nervös wurde, während Alaryah den Rest ihres Kruges leerte. Er erkannte deutlich die Ernsthaftigkeit in Alaryahs Stimme, die keine Wiederworte zu dulden schien. "Ist gut.", sagte er leise und erhob sich. Geknickt schlurfte er in Richtung Tür und fühlte sich etwas verloren. Dann wurde er am Oberarm gepackt. "Wir sind hier noch nicht fertig.", hörte er Alaryah sagen und wurde von der Albin mitgezogen. "Alaryah, was...?". Sie bahnten sich ihren Weg in Richtung Tresen, dabei mehr oder weniger auf ihre Umgebung und andere Gäste achtend. Während Alaryah schnurstracks vorneweg marschierte hörte man Jaro hier und da eine leise Entschuldigung aussprechen wenn ein Krug verschüttet oder ein Gast angerempelt wurde. Schließlich kamen sie am Tresen an. Sie mussten ja auch noch bezahlen! Dann erkannte Jaro Lilith, die gerade eine neue Ladung Getränke auf das hölzerne Tablett stellte. "Jetzt hör mir mal genau zu.", begann Alaryah, ließ Jaro los und lehnte sich zu der Schankmaid hinüber. "Was auch immer zwischen euch vorgefallen ist...oder was auch nicht...und was auch immer Jaro falsch gemacht haben könnte...", sie er hob mahnend den Finger, "Er ist kein schlechter Alb. Du magst es vielleicht gerade nicht erkennen, aber vor dir steht eine wunderbare Person, die für andere da ist. Eine Person, mit der ich Dinge gesehen habe, die du dir nicht einmal ansatzweise vorstellen kannst. Ja, wir sind sogar das ein oder andere Mal fast umgekommen, doch wünschte ich mir niemand anderen an meiner Seite als ihn.". Alaryahs Stimme wurde etwas lauter. "Du solltest nicht über ihn urteilen, solange du nicht einmal genau weisst wer er ist.". "Alaryah, bitte, wir sollten vielleicht...", Jaro unterbrach sich, als Alaryah die Hand hob, dabei immer noch die Schankmaid fixierend. "Du kannst mit anderen Gästen so umspringen, sie verurteilen oder dir deinen Teil über sie denken. Aber eins verspreche ich dir: Du hast ein völlig falsches Bild von ihm!". Lilith wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Sie schien fassungslos und rang nach Worten. "Und wenn ich es mir recht überlege, so denke ich, dass du seine Gesellschaft nicht verdienst.". Anschließend kramte Alaryah eine Handvoll Münzen hervor und legte sie auf den Tresen. "Das sollte genügen.". Alaryah wandte sich Jaro zu. "Es tut mir Leid.", flüsterte sie und ging in Richtung Tür.
    Allein draußen angekommen ging die Albin noch ein paar Schritte und musste dann erst einmal tief durchatmen. Was für ein Gewitter war da gerade über sie hereingebrochen?! Was es auch ausgelöst hatte, es fühlte sich irgendwie richtig an. Was nahm sich diese einfache Schankmaid überhaupt heraus? Wieder einmal entdeckte Alaryah eine neue Seite an sich. Dann hörte die Albin, wie die Tür vom Gasthaus geöffnet wurde.

    Jaro Ballivòr
    War es der Wildblumenbrand oder warum war ihm plötzlich so mulmig im Bauch? Jaro wäre am liebsten im Boden versunken und wagte weder Alaryah noch Lilith anzusehen. Gleichzeitig fühlte er aber auch etwas anderes, etwas Warmes. War es Dankbarkeit? Oder Zuneigung? Und überhaupt, wie hatte Alaryah bemerken können, was in ihm vorging? Konnte sie etwa Gedanken lesen oder hatte er Lilith so offensichtlich angestarrt? Falls ja, dann war das ja furchtbar! Kein Wunder, dass sie sich von ihm distanziert hatte... andererseits hatte Alaryah doch recht, er hatte es nur gut gemeint, hatte vielleicht auf ein Gespräch gehofft oder ein freundliches Lächeln. Das war doch nicht zu viel verlangt. Dass Lilith von anderen Kunden vermutlich ganz andere Angebote bekam, kam Jaro dabei nicht in den Sinn. Betröpelt und mit schwitzigen Händen stand er neben Alaryah, die die ebenfalls vollkommen perplexe Schankmaid klein machte, und wusste nicht, was er tun oder sagen sollte. Einerseits wollte er Alaryah bremsen, aber zeitgleich rührten ihre Worte ihn sehr und er musste zugeben, dass sie ihm gut taten. Schließlich endete Alaryahs Tirade von selbst, sie zahlte und stürmte hinaus. Mit klopfendem Herzen stand Jaro da. Was nun? Alaryah hatte eine unangenehme Stille hinterlassen. Obwohl der Schenker und die am nächsten platzierten Gäste so taten, als wären sie beschäftigt, war deutlich zu sehen, dass sie die Szene verfolgten. Zeit zu gehen... Leise räusperte sich Jaro und wollte ein Wort des Abschieds loswerden, da lachte Lilith plötzlich. "Na, da hast du aber jemandes Herz erobert! Kein Wunder, dass du neulich so plötzlich abgehauen bist. Hattest du Angst vor Ärger?" Sie zwinkerte und nahm ihren Worten damit die Härte. "Wir sind gute Freunde", bestätigte Jaro leise und rieb nervös die Hände in einander. "Ich gehe dann jetzt auch mal." "Tu das, Kleiner!" Lilith legte ihm eine Hand auf die Schulter und auch, wenn ihn das "Kleiner" kränkte, klopfte sein Herz schneller. "Aber vergiss nicht: jetzt hast du mir schon zwei Mal ein Getränk versprochen und bist es schuldig geblieben. Deine Freundin hat dir eins voraus!". Jaro grinste schwach und wandte sich schließlich zum Gehen. Er verstand nicht ganz, was Lilith mit den zwei Getränken meinte, doch er brauchte nun dringend frische Luft und wollte auch nicht nachfragen. Er hörte den Schenker lachen und beschleunigte seine Schritte. Alaryah wartete bestimmt schon.
    Er fand sie mit dem Rücken zur Tür. Vorsichtig trat Jaro näher. "Alaryah?", setzte er schüchtern an, "das, also. Danke. Noch nie hat jemand so liebe Dinge über mich gesagt. Und, ähm. Ich bin auch froh, dass du an meiner Seite bist; bei all den Abenteuern, die wir durchstehen, von Bäume fressenden Monstern bis zu gefährlichen Schenken." Unbeholfen berührte er ihre Schulter und verstummte, bevor er noch mehr peinliches Zeug von sich gab.

    Alaryah Schattenwind
    "Ich würde sagen wir...". Alaryah hielt inne, als sie den kleinen Spatz auf ihrer Schulter bemerkte. Dieser legte den Kopf schief und zwitscherte, für seine geringe Körpergröße zugegeben recht laut, direkt drauf los. "Jah ist doch gut, du.", sagte Alaryah leise und fuhr dem Tier behutsam mit dem Zeigefinger über die Brust. Dann hüpfte der kleine Vogel ein paar Mal auf und ab, flog um Alaryah herum und steuerte dann Jaro an. Dieser hielt dem Tier einfach die Hand hin und dort landete der Sperling dann auch. "Ich glaube da möchte uns jemand ein Stück begleiten?". Alaryah sah erst den Vogel und dann Jaro an. "Ich habe da natürlich nichts gegen, du bestimmt auch nicht, oder Jaro?". Natürlich nicht!


    "Meinst du, wir sollten einfach so gehen?", fragte Jaro schließlich, als sich Alaryah schon fast zum Gehen abgewandt hatte. Die Albin überlegte kurz. "Nativus ist fort und unsere Aufgabe erfüllt.". Natürlich erwarteten sie keine wirkliche Belohnung und von ihren Taten würde wahrscheinlich niemand je hören, geschweige denn ihnen glauben. Es war vielleicht auch besser so? Wahrscheinlich würde die Zeit es zeigen. "Wir können hier jetzt nichts mehr tun.", sagte Alaryah und schien dabei etwas geknickt. Sie würden den Ort, an dem Nativus so lang im Verborgenen gelebt hatte, einfach sich selbst überlassen und die Natur würde sich holen, was ihr ohnehin gehörte. So hätte Nativus es auch gewollt...oder wollte es immer noch? "Wir können ein paar Worte sprechen.", schlug Alaryah vor. Sie legte Bogen und Köcher ab, ihr Bündel stellte sie daneben. Dann ging die Albin zum Eingang der Hütte zurück, kniete nieder und schloss die Augen. Erst passierte gar nichts, dann begann sie ihre Lippen zu bewegen und sprach dann immer lauter und deutlicher mit ruhiger und gelassener Stimme Worte in der Sprache der Waldalben. Es handelte sich um einen Segensspruch, ein Gebet, Verse. Als sie geendet hatte öffnete Alaryah langsam die Augen. Sie atmete noch einmal tief durch, erhob sich und nickte dann Jaro zu, der nicht weit von ihr stand. "Wenn du möchtest kannst du jetzt.". Andächtig machte sie zwei Schritte zurück und schwieg.


    Jaro Ballivòr
    Jaro konnte die Worte Alaryahs nicht verstehen, doch er bildete sich ein, ihre Wirkung zu spüren. Hatten sich dort nicht eben die Halme des hohen Grases bewegt, obwohl kein Wind ging? Raschelten Blätter immer auf diese Weise, wie ein Flüstern, wie ein Seufzen? Und bildete er es sich ein oder war es wärmer geworden? Als er an der Reihe war, kamen Jaro die Worte, die er sich zurecht gelegt hatte, plötzlich unpassend vor, doch während er zögerte, meldete sich der Sperling zu Wort. Nachdem auch er Alaryahs Worten gelauscht zu haben schien, begann er nun wieder fröhlich zu zwitschern und sah Jaro aufmunternd an. <Er ist ein Vogel! Wie kann er aufmunternd gucken!>, schoss es Jaro durch den Kopf und doch... "In Ordnung", hörte er sich sagen, trat vor und kniete ebenfalls nieder. Der Sperling flog auf seine Schulter und Jaro legte beide Hände auf das weiche Gras. "Ich bin nicht von hier", begann er und nachdem ihm die Worte zunächst schwer fielen, sprudelte es bald nur so aus ihm heraus. Er wünschte sich Frieden für diesen Ort und bat Oril, sein Licht Tag und Nacht auch hierher zu lenken. Wenn er etwas geben konnte, so dachte Jaro, dann sollte es ein Stück seiner eigenen Heimat sein, seines eigenen Selbst. Nachdem er geendet hatte zwitscherte der Sperling erneut und Jaro fand, dass es nach Zustimmung klang. Fröhlich flatterte das kleine Geschöpf zu Alaryah hinüber, die Jaro anlächelte. Der Abschied war getan.


    Kurz darauf kehrten sie nach Eichenhain zurück. Jaro kam es vor, als wären sie eine Ewigkeit fort gewesen und es erschien ihm falsch, dass alles noch genauso aussah, wie bei ihrem Aufbruch. So viel war passiert, doch das Leben in dem kleinen Ort war unberührt weiter gegangen. Sie suchten auf direktem Wege das Lager der Waldläufer auf, fanden es aber relativ verwaist vor. "Kalthair ist mit eurer Freundin und einem Trupp unterwegs. Ich weiß nicht, wann sie wiederkommen", erklärte ein junger Posten. Jaro sah zu Alaryah. "Dann warten wir eben, oder?" Er versuchte dabei nicht an das Gasthaus und seine Bedienung zu denken.


    Alaryah Schattenwind
    "Natürlich warten wir, ich lasse mich nicht noch einmal wegschicken.". Alaryah sprach die Worte scheinbar absichtlich etwas lauter aus, sodass der Posten sie deutlich mitbekommen konnte. Er schient etwas verwirrt, wusste nicht genau wie er sie zuordnen sollte. "Da seid ihr ja!", hörten Jaro und Alaryah plötzlich eine Stimme von der Seite. Es handelte sich um einen durchschnittlichen Alben, keinen Waldläufer oder gar ein Träger von Amt und Würden, der winkend auf sie zugeeilt kam. "Ihr...seid doch die beiden Reisenden, oder?", keuchte er und musste erst einmal Luft schnappen als er die Gefährten erreicht hatte. "Möglich?", fragte Alaryah und schaute schulterzuckend zu Jaro hinüber. "Die, die mit der Frau reisen?". Damit konnte eindeutig nur Kirona gemeint sein. Der Alb musterte Jaro und Alaryah und nickte dann. "Ihr seid es. Die Beschreibung passt.". "Ja...und nun? Sag, wer schickt dich?". Alaryah klang härter als sie es eigentlich wollte. "Man hat eure Rückkehr bereits erwartet. Euch wurde eine Bleibe bereitgestellt wo ihr euch ausruhen und speisen könnt. Man sagte mir, dass ihr möglicherweise erschöpft seid. Soll ich euch vielleicht etwas abnehmen während ich euch zu euren Gemächern begleite?". Er streckte seine Hand nach dem Trageriemen von Alaryahs Köcher aus, diese jedoch fuhr zurück. Der Bote zuckte erschrocken zusammen. "Ve..verzeiht. Ich wollte nicht...". "Schon gut.", gab die Albin knapp zurück. "Bringt uns erst einmal hin. Wir haben unsere Sachen die letzten Tage getragen, da kommt es auf ein paar Meter mehr auch nicht an.", mischte sich Jaro beschwichtigend ein. Erfolgreich.
    Schließlich kamen sie bei ihrer Behausung für die nächste Zeit an. Es handelte sich um eine kleine Hütte, die in die Reste eines Baumstumpfes eingearbeitet worden war. Hier ging es nicht um pompöse Hallen, zig Schlafzimmer oder königliche Gemächer. Hier ging es um Gemütlichkeit und praktischen Komfort. Das Häuschen lag etwas abseits der Straßen von Eichenhain und man hatte einfach seine Ruhe. "Bevor ich euch nun verlasse...", begann der Bote, während er den Gefährten einen groben Schlüssel überreichte. "...ein Besucher ist noch zu euch unterwegs. Er ist ein Heiler. Kalthair bestand darauf, dass man euch auf Verletzungen oder sonstige Leiden untersucht.". Bevor Alaryah etwas sagen konnte hatte der Alb auch schon auf dem Absatz kehrt gemacht und rauschte von dannen. "Ein Heiler also...hm.". Alaryah sah dem Burschen nach und verzog das Gesicht. "Nungut...lass uns reingehen."


    Jaro Ballivòr
    Neugierig inspizierte Jaro die kleine Bleibe. Sie war schlicht und gemütlich und bot alle Notwendigkeiten. Der Duft warmen Holzes lag in der Luft und es gab genügend Tageslicht, das durch viele kleine Fenster einströmte. Kleine Schlafnischen waren vom Wohnraum abgetrennt, der den Rest der Hütte einnahm. Die meisten Möbel waren direkt aus dem Baumstamm gehauen und rot-weiß karierte Decken und Polster zierten Tisch und Bänke. Seufzend ließ sich Jaro auf eine kleine Erkerbank sinken und blickte aus einem der Fenster. "Ziemlich aufdringlich für so einen jungen Alb, oder?" Sein Blick verlor sich in der Umgebung, während er über den Boten nachdachte. "Aber nett, dass sie uns diese Unterkunft organisiert haben." "Kalthair lässt nichts anbrennen", stimmte Alaryah zu und begann, ihren Beutel auszupacken. "Allerdings... mir gefällt nicht, wie er nach unseren Sachen gegriffen hat." Sie schüttelte den Kopf, wie um den Gedanken abzuschütteln. "Ich sehe mittlerweile auch immer und überall potentielle Gefahren", gab Jaro zu. "Ob das irgendwann wieder weggeht? Es ist ganz schön anstrengend." Er lachte schwach und strich Gedanken verloren über das polierte Holz des Fenstersims', als der Klang einer Glocke ertönte, gefolgt von einem Pochen an der Tür. "Das wird der Heiler sein", schloss Jaro, während Alaryah schon dabei war, die Tür zu öffnen. Ein freundlich drein blickender, älterer Alb schob sich in die Hütte. In einer Hand trug er einen ledernen Koffer. Seine Augen strahlten in hellem Blau und er hatte sich einen kleinen Ziegenbart stehen lassen, der bereits ergraut war. "Guten Tag", grüßte er mit tiefer Stimme. "Kalthair schickt mich. Ich bin Gwendir." Er schüttelte erst Alaryah und dann Jaro die Hand, der aufgestanden war, um den Neuankömmling zu begrüßen. Warum nicht gleich damit beginnen, etwas gegen das eigene Misstrauen zu tun? "Ihr wisst warum ich hier bin?" Gwendir legte seinen Koffer auf den Esstisch und klipste ihn auf. "Wer möchte denn anfangen?"


    Alaryah Schattenwind
    Unsicher schaute Alaryah zu Jaro hinüber. Plötzlich war ihr gar nicht mehr so sehr nach Heilung zumute. "Mh?", fragte Gwendir mit einem sanften Lächeln nach, welches jedoch auch keinen Widerspruch zuließ. Langsam hob Alaryah die Hand. "Ah, ihr also. Nun gut, dann nehmt doch bitte hier Platz.". Alaryah folgte den Anweisungen und setzte sich. Zuerst stellte ihr Gwendir einige Fragen, ähnlich wurde es auch von den Feldärzten der Waldläufer gehandhabt. Was habt ihr in den letzten Tagen gegessen? Wie viele Stunden habt ihr im Durchschnitt geschlafen? Wie fühlt ihr euch vor und nach dem Schlafen? Gibt es irgendwelche sonstigen Auffälligkeiten oder Beschwerden? Alaryah beantwortete alle Fragen so gut sie konnte. Dann ging es mit der eigentlichen Untersuchung los. Gwendir ließ die Albin allerhand Tests und Bewegungsabläufe durchführen, beobachtete dabei ihre Bewegungen und die Mimik mit fachmännischem Blick. Man konnte irgendwann deutlich erkennen, dass Alaryah genug hatte. "Jetzt bitte einmal hier auf den Tisch legen, Gesicht nach unten.". Alaryah glotzte den Heiler schon fast ungläubig an. "Wa...?". "Es ist in Ordnung. Wir haben hier leider keinen anderen Behandlungstisch.". Misstrauisch setzte sich Alaryah in Bewegung. <Er will dir nur helfen.>, sagte sie sich gedanklich immer wieder. Schon bald spürte sie, wie die Finger von Gwendir über ihren Rücken und die Schultern tanzten. "Mhh..aaaaha. Habe ich es mir doch gedacht.", fachsimpelte der Alb und warf mit medizinischen Begriffen um sich. Zwar kannte Alaryah grundlegende Heilungs- und Erste-Hilfe-Vorgänge, doch verlor sie bei diesen Ausführungen sehr schnell den Anschluss. "...und sehr ausgeprägt ist es an dieser Stelle hier.". Nur einen Sekundenbruchteil später schoss ein stechender Schmerz wie heiße Glut durch Alaryahs Körper, sogar bis in die Fingerspitzen. Der Kopf der Albin schnellte nach oben, die Augen weit aufgerissen. Sie keuchte. Gwendir hatte mit dem Zeigefinger auf einen Wirbel ihres unteren Rückens gedrückt. "Das erklärt auch, warum euch diese Bewegung etwas schwerer fällt.", fuhr er fort und bewegte Alaryahs linken Arm ruckartig. "Das kann doch nicht......!". Alaryah kam nicht weiter und schnaufte nur. Ihr Kopf fiel hart auf den Tisch. Sie wimmerte leise. "Mit ein paar Handgriffen ist das erledigt. Keine Sorge, ihr werdet euch gleich besser fühlen.
    Die nächsten vier Sekunden waren von knackenden Lauten erfüllt und es schien, als würde Gwendir Alaryah sämtliche Knochen brechen. Anschließend war es ruhig. Alaryah lag einfach nur da, ihr rechter Arm hing schlaff von der Tischplatte hinunter. "Nun, da war aber einiges ausgerenkt, verspannt und und und.". Der Heiler fasste mit ruhiger Stimme zusammen, was er gerade alles genau behandelt hatte. Währenddessen drehte sich Alaryah schwer atmend auf den Rücken und verharrte kurz in dieser Position. "...doch das sollte nun auch kein Problem mehr darstellen.". Gwendir half Alaryah vom Tisch. Sie wankte etwas, doch hatte dann die Kontrolle über ihren Körper zurück. "Also? Fühlt ihr euch besser?", fragte Gwendir und ließ Alaryahs Hand los. "Ich...ich fühle...mich tatsächlich besser.", sagte Alaryah erstaunt und schaute in die Runde. "Ich...fühle mich sogar...wunderbar?". Die Albin schaute an sich hinunter. Es war, als hätte jemand sämtliche Last von ihr genommen. "Ich fühle mich so...leicht.". Gwendir nickte zufrieden. "So. Nachdem ich eure Freundin unter anderem wieder eingerenkt habe...lasst uns beginnen.". Der Blick des Heilers traf Jaro. "Ich werde euch ebenfalls erst einmal ein paar Fragen stellen.".


    Jaro Ballivòr
    Reflexartig klappte Jaro den Mund zu, als das Wort an ihn gerichtet wurde und merkte erst in diesem Moment, dass er offen gestanden hatte. Jeden Moment hatte er damit gerechnet, dass Alaryahs Rückrat brach, doch im Gegenteil: anscheinend hatte die Behandlung sogar geholfen! "Ich, ähm...", stammelte Jaro und wiederholte mehr oder weniger, was Alaryah zu Nahrung und Schlaf geäußert hatte. Krankheiten seien ansonsten keine bekannt, er habe nur ein paar Blessuren der letzten Ereignisse. "Dürr", stellte Gwendir fest, als er Jaro schließlich abtastete. "Etwas mehr hiervon würde auch nicht schaden." Er zwickte Jaro in den Oberarmmuskel, wobei seine Augen amüsiert blitzten. "Oh, das ist..." Mit den Fingerspitzen fuhr er über Jaros Hals, wo vermutlich noch die Reste des Blutergusses zu sehen waren. "Verheilt, ja, leichte Quetschung. Aber... hier waren bereits heilende Hände am Werk, nicht?" Jaro nickte. "Cywenna, wenn ich nicht irre?" "Wie?...", setzte Jaro erstaunt an und Gwendir schmunzelte. "Jeder Heiler hat seine Note, wie jeder Künstler seinen Pinselstrich." Seine Hände tasteten weiter den Hals entlang und fanden schließlich die Kette. Gwendir stoppte. "Das ist kein gewöhnlicher Schmuck", stellte er fest. "Ich spüre Kälte." Instinktiv griff Jaro den Dunkelstein durch sein Hemd hindurch. "Mein Glücksbringer." "Hm." Gwendir sah ihm lange in die Augen, beließ es aber dann dabei. Stattdessen tastete er den Rest von Jaros Körper ab, ließ Arme und Beine in ihren Gelenken schaukeln und war schließlich zufrieden. "Alles dran. Obwohl du so ein Hänfling bist, scheint hier weit weniger verrenkt zu sein. Hier", er reichte Jaro ein kleines Fläschchen. "Das treibt den Bluterguss schneller zurück. Ansonsten kann ich euch nur raten, regelmäßiger zu essen und einmal wieder richtig auszuschlafen. Diese Kojen scheinen dafür gut geeignet zu sein." Er zwinkerte und nickte in Richtung der Schlafnischen. "Ich lasse euch noch etwas Siebenschläfer da, das beruhigt eure Träume." Mit geschickten Fingern fischte er ein zweites Fläschchen aus dem Koffer. "Habt vielen Dank." Alaryah lächelte den Heiler an. Sie wirkte sichtlich entspannt. "Ja, vielen Dank." "Dankt nicht mir, dankt Kalthair. Und hört auf meinen Rat. Ihr habt Glück gehabt, doch auf Dauer werdet ihr diese Belastung nicht einfach so wegstecken. Sie kriecht euch schon jetzt in die Knochen." Mit diesen Worten ließ er seinen Koffer zuschnappen und wandte sich in Richtung Tür.

    Jaro Ballivòr
    Das kleine Feuer zitterte und zischte im aufbrausenden Wind, der immer mehr Feuchtigkeit in die kleine Höhle trieb. Alaryah hatte alle Hände voll damit zu tun, das kleine Kartenfragment zu schützen. "Das hat keinen Sinn", murmelte sie und packte es schließlich weg. Jaro nickte. Es war Unsinn, das wenige an Information zu opfern, das ihnen blieb. Sie hatten für den Augenblick ohnehin alles gesehen, was es zu sehen gab. Jaro begann das Erdreich unter dem Baum abzutasten. Wenn dies der Eingang war, musste es irgendetwas geben. Doch es gab nichts. Seine Hände fanden nur Erde und Wurzelwerk und das flackernde Feuer bot kaum mehr genug Helligkeit, um etwas erkennen zu können. Das wäre des Glückes wohl auch zu viel gewesen. Jaro seufzte. "Hier ist nichts." Enttäuscht ließ er sich in die Hocke sinken. Donner brüllte auf und kurz darauf zuckte ein Blitz zur Erde. Jaro zog die Beine an.
    "Wir finden den Eingang!" Durchnässt wie sie war, legte Alaryah Jaro trotzdem aufmunternd eine Hand auf die Schulter und brachte ein kleines Lächeln zustande. Wieder ging ein Blitz herunter. Es krachte ohrenbetäubend, doch dieses Mal war es kein Donner. Jaro riss die Augen auf. "Feuer", flüsterte er. Alaryah folgte seinem Blick. Der Blitz hatte in einen nahen Baum eingeschlagen. "Feuer", wiederholte Jaro und stand auf. Einer spontanen Eingebung folgend trat er in den Regen hinaus. "Jaro, was tust du?" Er wandte sich zu Alaryah um. "Ich prüfe etwas."
    Schnell war er komplett durchnässt, doch das zählte jetzt nicht. In aller Eile suchte er die Gegend ab und tatsächlich: er fand eine weitere Baumhöhle, Zeuge eines früheren Blitzeinschlages, dann noch eine, kurz darauf einen gespaltenen Baum. Das war es!
    Jaro eilte zurück zu Alaryah, die ihm mit einem fragenden Gesichtausdruck ein Stück gefolgt war. Gemeinsam flüchteten sie in den kleinen Unterschlupf zurück. "Der Eingang ist hier!" Vor Aufregung bebte Jaros Stimme. "Vielleicht nicht direkt unter uns, aber zumindest in der Nähe. Deshalb schlagen hier regelmäßig Blitze ein. Das Feuer sucht seinesgleichen, verstehst du?" Er grinste verlegen.


    Alaryah Schattenwind
    Alaryah nickte, nachdem sich Jaro zumindest etwas beruhigt hatte und wieder tiefer durchatmete. Er hatte wieder dieses sanfte Beben in der Stimme gehabt. Dieses Beben, wie er es immer hatte wenn ihm eine Idee kam und er von Tatendrang gepackt weitere Mut- und Kraftreserven mobilmachte. "Dies ist ein sonderbarer Ort.", murmelte die Albin, während sie Jaro leicht entrückt anschaute, dann jedoch zusammenfuhr, als in der Nähe der nächste Blitz ein Ziel fand. "Wenn sich die Blitze und der Eingang gegenseitig...naja...suchen, dann heisst das, dass der Eingang irgendwie...gefunden werden will? Oder gibt es vielleicht eine Magie, die von dem Eingang ausgeht, sodass er überhaupt gefunden werden kann? Warum sollte man so etwas erfinden?!". Bei der letzten Frage stoppte Alaryah ihre lauten Gedanken abrupt. Warum sollte man so etwas erfinden? Warum sollte man überhaupt solche Maschinen erfinden, die nur Zerstörung anrichten? Warum sollte man Laboratorien erfinden, in denen man wiederum grausige Dinge und Wesen erfinden konnte? Warum fragte sie sich so etwas überhaupt noch. "Meinst du...es gibt eine Art Weg? Ein sicherer Pfad, der durch das Feld der Blitze führt?". Alaryah dachte an die Geschichte der Verlorenen Irrlichter zurück, während sie sich zwang wieder auf das Wesentliche, die Mission, zu konzentrieren. Wäre doch möglich, dass sich solch eine Geschichte wiederholen könnte, wenn auch unter anderen Umständen? Als ein weiterer Blitz einschlug und dabei einen unweit entfernten Baum fällte kreischte Alaryah kurz vor Schreck auf und zuckte zur Seite. "Wir können da unmöglich einfach so raus?!". Mit großen Augen sah sie Jaro an und bezweifelte nun sogar, dass er sich der Gefahr von Blitzen überhaupt bewusst war. Ja, der Albin gefiel diese Situation in die sie wieder einmal geraten waren überhaupt nicht. Doch was sollten sie tun? "Wir werden den Eingang bestimmt nicht finden wenn das Gewitter sich erst einmal verzogen hat, oder?". Alaryah hoffte, dass Jaro diese Frage anders beantworten würde, doch war der Albin die Antwort eigentlich schon vorher klar...


    Jaro Ballivòr
    Verwirrt legte Jaro den Kopf schief. Hörte er da Furcht in Alaryahs Stimme? Vor dem Gewitter? "Ich weiß nicht", gab er zu. "Vielleicht doch, falls wir ein Muster bei den Einschlägen erkennen können; eine Art Zentrum... Aber das wird von hier aus vermutlich schwer." Er sah sich um. Der Abstand der Blitz und Donner Folgen wuchs bereits, der Regen fiel gleichmäßiger. Wenn sie das Gewitter als Indiz brauchten, mussten sie sich schnell entscheiden. Wer konnte schon wissen, wie viele Einschläge es hier seit dem Bau der Festung gegeben hatte? Die Suche konnte ewig dauern. "Wir müssen nur den Ort finden", grübelte Jaro laut. "Dann können wir das Unwetter absitzen, bevor wir versuchen, den Eingang zu versiegeln." Ein weiterer Blitz ging nieder und ein plötzlicher Windstoß gab dem kleinen Feuer den Rest. Jaro blinzelte die Dunkelheit fort. Da sah er es. "Alaryah", er deutete auf den Beutel. Ein rotes Licht glomm darin, doch nicht etwa statisch, sondern mit einem sanften Pulsieren. "Vielleicht kann uns der Stein einen Weg leiten."


    Alaryah Schattenwind
    "Was denn?!", fragte die Albin mit einem leichten Jammern in der Stimme. Sie war gerade äußerst unzufrieden, denn jetzt war auch noch das Feuer aus. Sie hatte schon genug Zeit in der Wildnis verbracht und eigentlich machten ihr Wind und Wetter selten etwas aus...doch das gerade war einfach zu unnatürlich. "Da.". Jaro deutete in der Dunkelheit auf den pulsierenden Stein in dem Beutel an Alaryahs Gürtel. Sie sah diese Geste nicht. Erst, als ein weiterer Blitz die Szenerie für eine Sekunde erhellte und die Welt stillzustehen schien folgte sie seinem Fingerzeit. Mit vor Aufregung leicht zitternden Fingern löste Alaryah erst den Beutel von ihrem Gürtel und dann den dünnen Lederriemen, der dem Beutel als Verschluss diente. Der rote Stein kam zum Vorschein, pulsierte unregelmäßig, doch schien er irgendwie auf die Umgebung oder das Licht der Blitze zu reagieren. Alaryah hob vorsichtig die Hand mit dem Stein hoch. Das Licht, was von dem Stein ausging, war einfach wunderschön und beruhigend. Es war, als ginge eine Wärme von ihm aus, die sich langsam durch Alaryahs Arm bis in ihre Körpermitte erstreckte. "So schön...", murmelte Alaryah leise und hatte für einen Moment das tosende Unwetter vergessen. "Wir lassen unsere Sachen erst einmal hier.", legte Jaro derweil fest und verstaute ihre Habe so, dass sie so gut es ging vor einfallendem Regen geschützt war. "Wir müssen jetzt schnell handeln.", verkündete er selbstsicher und machte sich bereit loszusprinten. "Alaryah?". Die Albin hockte immer noch da und starrte auf den Stein. Scheinbar hatte sie nicht einmal zugehört. "Alaryah, los doch!". Als wieder keine Reaktion kam griff Jaro fest entschlossen nach dem Stein und nahm ihn Alaryah aus der Hand. "Los jetzt, folge mir!". Alaryah blinzelte mehrmals heftig und schüttelte den Kopf. "Verzeih, ich...Jaro, warte...JARO!". Er war bereits in dem Unwetter verschwunden. Ohne weiter nachzudenken oder irgendeine Angst zu verspüren hastete Alaryah Jaro hinterher.


    Jaro Ballivò
    Wärme breitete sich in Jaros Hand aus und er meinte, einen sanften Zug zu spüren. <Er führt mich.>, schoss es ihm durch den Kopf. Von Zeit zu Zeit erhellten Blitze die Umgebung und Jaro merkte, dass sie den Weg, den er ging, umkreisten. Entweder, er war richtig, oder es musste der Einfluss des Steines sein. Eine plötzliche Hitzewelle in seiner Hand ließ Jaro anhalten. Kurz darauf erreichte ihn Alaryah. Vor ihnen ragten die Reste eines riesigen Baumes empor. Jaro öffnete die Hand und der Stein strahlte nun hell und stetig. Selbst in diesem Licht war zu erkennen, dass das Holz des Baumes vollkommen verkohlt war. Sein Kern war ausgehöhlt und der Boden unter seinen Wurzeln größtenteils weggebrochen. Jaro brauchte das Kartenfragment nicht ansehen, um zu wissen, dass dies der Ort war. "Sieh nur", flüsterte Alaryah und trat nahe heran. Der Lichtkegel um den Stein vergrößerte sich. Er wuchs und bog sich und beinahe wirkte es, als wanderte er in Richtung des Baumes. Auch die Temperatur nahm zu und Jaro musste immer öfter die Hände wechseln, um sich nicht zu verbrennen. "Ich gehe rein." Einem inneren Drang folgend setzte Jaro sich in Bewegung und schlüpfte durch die gewaltsam geschaffene Öffnung in dem toten Baumstamm. Sofort hellte der Stein weiter auf, sodass eine wahre Lichtsäule nach oben schoss. "Au!" Reflexartig ließ Jaro den Stein los und noch bevor er auf dem Boden aufschlug, drangen Flammen aus ihm hervor. Fasziniert beobachtete Jaro, wie der kleine Feuerball über den Boden zu kreisen begann, immer schneller und schneller, ganz so, als suche er die Umgebung ab. Ein Summen ertönte, das zusehends lauter wurde. Wie hypnotisiert beobachtete Jaro die verschwimmenden Lichter, bis der Stein schließlich an einer Stelle verharrte, sich weiter schnell um die eigene Achse drehte und schließlich urplötzlich im Boden versank. Es wurde still. Noch immer stand Jaro an Ort und Stelle. Dann begann der Boden zu dröhnen. "Jaro! Raus da!, brüllte Alaryah von hinten und Jaro riss sich aus seiner Starre. Der Boden bebte und das Grollen nahm zu und Alaryah und Jaro hetzten von dem Baum fort. Dann brach eine Feuersäule hervor. Sie schluckte die Reste des Baumes und fiel ebenso schnell in sich zusammen, wie sie empor geschossen war. Zurück blieb nur ein Fleck verbrannter Erde, auf dem die Regentropfen zischend verdampften.


    Alaryah Schattenwind
    Sie standen einfach nur da, immer noch gebannt von dem, was sie gerade gesehen hatten. Der Regen fiel ohne Unterlass weiter und weiter prasselnd auf die beiden Alben hinab. "Wi-...wir...haben es geschafft?", fragte Alaryah mit tonloser Stimme. All das gerade erlebte raste noch einmal in Gedanken an den Gefährten vorbei. Der Regen wurde weniger und schließlich lösten vereinzelte dicke Tropfen, die von den Blättern der noch stehenden Bäume fielen, den trüben Schleier ab. Es wurde merklich ruhiger, das Donnergrollen war nur noch leise in der Ferne zu hören. "Lass uns gehen.", sagte Jaro schließlich und ging voran. Alaryah folgte stumm. Das schmatzende Geräusch ihrer Schritte auf dem durchgeweichten Waldboden war das einzige, was bald zu hören war. Alaryah hatte keine Ahnung wie Jaro sich fühlen mochte, doch war sie momentan gedanklich sowieso woanders. Wenn sie nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, dass sie gerade lief, so hätte sie es nicht geglaubt. Der Regen hatte ihre Kleidung nun komplett durchgeweicht und Alaryah fühlte plötzlich Kälte, die sich ihren Weg bis zu den Knochen zu suchen schien. Lag es daran, dass sie patschnass war oder kam es ihr nur so vor, weil die Wärme des Steins nun verschwunden war? Irgendwann wischte sich Alaryah nicht einmal mehr die ins Gesicht gefallenen Strähnen aus dem Gesicht, sondern stapfte Jaro nur stoisch hinterher. "Wir sollten uns einen trockneren Ort suchen und kurz rasten.", hörte Alaryah Jaro sagen und brachte nur ein knappes Nicken zustande. Sie wollte eigentlich gar nicht mehr laufen, doch Jaro hatte Recht. Sie mussten sich einen Platz zum Ausruhen suchen, ein Feuer entfachen und sich aufwärmen.
    Alaryah zuckte zusammen, als sie plötzlich eine Berührung am Rücken spürte. Nun wischte sie doch die nassen Haare aus dem Gesicht und sah, dass Jaro ihr ihren dicken Reiseumhang umgelegt hatte. Mit einer Hand zog die Albin den Umhang erschöpft und beholfen zurecht. "Danke.", murmelte sie leise und folgte Jaro, der die Führung und das Tragen ihrer Ausrüstung übernommen hatte.


    Jaro Ballivòr
    Wo eigentlich Erleichterung sein sollte, fühlte Jaro eine merkwürdige Leere. Alle Eingänge waren versiegelt. Die Aufgabe, die Nativus ihnen gegeben hatte, war erfüllt, so unmöglich sie zu Beginn auch erschienen war. Und trotzdem... so recht glauben konnte Jaro es noch nicht. Er versuchte sich einzureden, dass es bloß die Erschöpfung und die Nässe war, die ihn niederdrückte. Mit etwas Ruhe und trockener Kleidung würde alles wieder ganz anders aussehen. So hoffte er zumindest. Sie gingen eine ganze Weile stumm hintereinander her. Jaro spähte angestrengt zu allen Seiten. Auch wenn er selbst nachts gut sehen konnte, fehlte ihm Alaryahs Gespür, einen passenden Unterschlupf zu finden. Trotzdem wollte er es unbedingt schaffen. Der Regen hatte sich gnadenlos einen Weg durch die Bäume gebahnt. Es gab nicht ein trockenes Fleckchen, bis sie endlich in felsigeres Gebiet kamen. Hier gab es gleich mehrere Felsvorsprünge, die groß genug gewesen waren, um trocken zu bleiben. Ein durch das Unwetter angeschwollener Bach schlängelte sich an den Felsen entlang und sie folgten ihm ein Stück. Noch immer war es Nacht, doch Jaro hatte das Gefühl, dass die dunkelste Stunde bereits hinter ihnen lag. "Sieh nur!", rief er plötzlich aus. Unter einer Felszunge gab es nicht nur genug Platz, dort war auch ein Haufen Treibholz angeschwemmt worden, der offenbar trocken zu sein schien. Alaryah brachte eilig ein Feuer in Gang und seufzte wohlig auf, als die Wärme sich ausbreitete. Selbst Jaro, der nie fror, sehnte sich danach, die Nässe loszuwerden. Er lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und lauschte dem Knacken und Knistern der Flammen. Die Wärme machte ihn schläfrig, doch Erleichterung über die abgeschlossene Aufgabe wollte sich trotzdem noch nicht einstellen.


    Alaryah Schattenwind
    Jaro hatte einen guten Platz gefunden, hier konnte ihnen auch der kühle Wind nichts anhaben. Das Feuer prasselte munter vor sich hin und endlich fühlte Alaryah die Wärme, die von den Flammen ausging. Nach und nach kam wieder Leben in ihre Arme und Beine und es schien, als würde auch die Gefühlslage der Albin etwas aufklaren. Sie schwiegen sich trotzdem an. Alaryah rutschte irgendwann unruhig auf ihrem Platz umher. "Mh?", brachte Jaro hervor und sah die Albin fragend an. Diese hatte es endlich geschafft ihre immer noch durchnässten und mit Matsch beschmierten Stiefel auszuziehen. Alaryah stellte die Stiefel in den Wärmekreis des Feuers und wirkte wieder etwas zufriedener. "Wir haben es geschafft.", sagte Alaryah dann ganz leise, während sie in die Flammen starrte. "Niemand wird die Festung betreten können. Ihre Geheimnisse bleiben nun verschlossen.". Sie hoffte zumindest, dass es so sein mochte. Wie groß mochte die Gefahr von Außen noch sein? Wie viele Feinde mochten sich noch in den Wäldern herumtreiben und was für Aufgaben warteten noch auf die Gefährten? "Meinst du Kirona geht es gut?", fragte Alaryah und sah nun zu Jaro hinüber.


    Jaro Ballivòr
    "Ja, das ist...", doch Jaro wusste nicht, was es eigentlich war, also brach er ab. Warum fühlte es sich so an, als trügen sie noch immer eine große Last auf den Schultern?
    "Ich hoffe es! Bei Kalthair war sie bestimmt in guten Händen. Ich hoffe nur, sie musste sich nicht irgendwelchen Untersuchungen ausliefern." Jaro schlüpfte mit den Händen in sein Hemd und drehte es um, sodass der noch feuchte Rückenteil nun vorne war. "Jedenfalls freue ich mich schon, sie wieder zu sehen. Sie ist bestimmt stolz auf uns." Zu gerne wollte Jaro wissen, ob sich Alaryah ähnlich fühlte wie er, doch er traute sich nicht zu fragen. Irgendwie schämte er sich für seine Reaktion. "Und Nativus müssten wir auch fast besuchen. Was glaubst du, wie erleichtert er sein wird!" Jaro versuchte es sich vorzustellen, doch nicht einmal das gelang ihm. Der Gedanke, den verrückten Alb wiederzusehen, gefiel ihm trotzdem. Vielleicht würde dessen Freude auch seinem eigenen Kopf endlich klar machen, dass es geschafft war.


    Alaryah Schattenwind
    "Nein...nein, sie werden ihr nichts tun.", sagte Alaryah schließlich und war sich dessen wirklich sicher. Es wirkte trotzdem alles noch gar nicht so real. Sie hatten gerade die Zugänge einer uralten Festung verschlossen. Sie hatten ein Stück Geschichte erlebt, wenn auch einen düsteren Teil davon. Und doch war dieser düstere Teil nun wieder aktuell...
    Der Gedanke daran Kirona, die Waldläufer und den recht wirren Nativus wiederzusehen ließ Alaryah noch weiter auftauen. Sie hatten etwas Großes und Gutes getan. Alaryahs Gedanken drifteten ab. Sie dachte an die Familie mit der kleinen Tinriel, an die Schamanin...und hoffte einfach, dass sie alle wohlauf waren. "Unser Weg sollte uns wirklich zuerst zu Nativus führen. Er muss wissen, dass wir es geschafft haben. Es wird ihn erfreuen und vielleicht wird es ihm...naja irgendwie helfen.". Alaryah kratzte sich nachdenklich an der Schläfe während sie redete. In Gedanken plante sie schon eine Route. "Aber dann auf schnellstem Wege zurück zum Lager und zu Kirona.". Sie konnten die junge Frau nicht zu lange mit ihrer Ungewissheit über den Verbleib ihrer Gefährten allein lassen. "Aber eins steht fest...", fügte Alaryah schließlich an. "Heute gehen wir nirgendwo mehr hin.". Sie machten sich nicht einmal mehr die Mühe die Tageszeit zu bestimmen, sondern nahmen einfach hin, dass es noch dunkel war. Ein paar Stunden Schlaf waren bitter nötig und die Wärme des Feuers hatte bald sämtliche Nässe vertrieben. Alaryah nickte immer wieder weg, irgendwann konnte sie die Augen einfach nicht mehr offen halten. Sie murmelte etwas vor sich hin, zog ihren Umhang zurecht und legte sich schlafen, den Kopf auf Jaros Oberschenkel ablegend.

    Jaro Ballivòr
    Einen Augenblick lang verharrte Jaro und blickte in Alaryahs sorgenvolle Augen. "Das werde ich!", versicherte er schließlich, löste sich und schlich geduckt durch das Unterholz. Er nahm einen weiten Bogen um das Lager. Der eine Kerl war noch immer damit beschäftigt, die Maschine von den Splittern und Spänen zu befreien, doch glücklicherweise befand er sich auf der dem Zelt zugewandten Seite. Die Maschine war groß genug, um Jaro auf der anderen Seite ausreichend Deckung zu geben und der Arbeiter verursachte so viel Lärm, dass er hoffentlich auch ungehört blieb. "Drecksding!", fluchte der Mann gerade, als Jaro sich näherte. "Ein bisschen Baum und schon hakt das ganze Getriebe! Und natürlich kommt nichts davon alleine wieder raus..." Bisschen war gut, dachte Jaro und schluckte zum wiederholten Male schwer ob der Verwüstung rund um das Lager. Während der Mann lärmte und fluchte, verursachte Jaro nicht einen Mucks auf dem von Spänen und Schutt bedeckten Waldboden. Schnell suchte er die Maschine ab. Sie war noch weit komplexer als er gedacht hatte und rund herum mit Metallplatten und Gittern verkleidet. An wichtige Verbindungen heranzukommen, würde schwierig werden, vorausgesetzt er konnte überhaupt deuten, was wichtig war. Zudem hatte er kein Werkzeug. Der Gedanke kam ihm ganz plötzlich und er ärgerte sich, dass er nicht wenigstens einen Stein oder einen stabilen Zweig aufgelesen hatte. Dort lief die Kette, die wohl die Bewegung weiterleitete, ähnlich wie das Band bei Vaters Schleifmaschine. Jedes Glied war größer als Jaros Faust und hing scheinbar nahtlos im folgenden. Jaro zermarterte sich das Hirn. Selbst wenn er einen ganzen Baum dort hinein schob, dieses Monstrum würde sich immer noch bewegen. Mit wachsender Unruhe huschten seine Augen weiter über die Maschine. Es gab keine Schwachstelle. Jeden Augenblick konnte der Kerl auf der anderen Seite seine Arbeit beenden oder der Schnarcher im Zelt erwachen. Es wurde zusehends heller. Wenn sie die Maschine erst anschmissen, war die Chance verflogen. "He!" Jaro zuckte vor Schreck zusammen und ließ sich instinktiv in die Hocke sinken. "Das Ding braucht wieder Stoff!"
    Ein Stein fiel ihm vom Herzen. Einen kurzen Moment hatte er gedacht, der Kerl hatte ihn entdeckt.
    "Ja dann füll was nach!", brummte es vom Lager her. Fluchend stampfte der Arbeiter davon. Jaro spähte zwischen den Rädern in der Raupe hindurch. Mit einem Kanister in der Hand kam der Mann zurück, noch immer vor sich hin motzend. Jaro schlich genau entgegen gesetzt zur Seite, während der andere hinter die Maschine trat. Er schraubte an etwas, dann gluckerte es. Jaro riss die Augen auf. Das war es! Das Ding lief mit irgendeiner Art magischer Flüssigkeit. Wie hatte er auch nur denken können, dass ein Fußpedal oder ein Hebel einen solchen Koloss bewegen konnte... Er musste nur die Verbindung des Tanks kappen. Nur... Jaro sah sich um. Von Alaryah war nichts zu sehen und zu hören. Der Arbeiter war wieder in Richtung Lager geschlurft. Jetzt oder nie, dachte er und schlich auf das hintere Ende der Maschine zu.


    Alaryah Schattenwind
    Die Sekunden vergingen quälend langsam. Alaryah verfolgte Jaro noch so weit wie möglich mit ihren Blicken und machte sich dann selbst auf den Weg. Geduckt huschte die Albin in der Düsternis des Unterholzes umher und näherte sich dann langsam aber sicher dem Zelt. Wieder und wieder kam sie an abgeknickten Ästen, herausgerissenen Wurzeln, Splittern und Rinde vorbei. Der süße Duft von frisch gefällten Bäumen war deutlich wahrzunehmen und Alaryah musste sich enorm zusammenreißen um nicht von Trauer und blinder Wut überrannt zu werden. Wichtig war jetzt ihre Mission! Endlich kam sie an dem ersten Ziel ihrer Etappe an. Vorsichtig lugte die Albin an dem Zelt vorbei in Richtung dessen, was Jaro Maschine genannt hatte. Niemand schien auch nur im Geringsten in Erwägung zu ziehen, dass Alben in der Nähe sein konnten. Diese Selbstsicherheit der Schergen ließ Alaryah kaum merklich den Kopf schütteln. Nun wandte sich Alaryah der Rückwand des Zelts zu. Dort war kein Ein- oder Ausgang, nur eine Plane aus dickem Tuch. Unbemerkt durch den wahrscheinlich zugeschnürten Vordereingang zu gelangen war ein Ding der Unmöglichkeit und so zog Alaryah einen Dolch. Vorsichtig setzte sie die Klinge am unteren Ende der Plane an und schnitt langsam hinein. Jeder Millimeter Schneidearbeit machte einen gefühlt ohrenbetäubenden Lärm, doch war in Wirklichkeit nichts zu hören. Alaryah wunderte sich sowieso, wie der Kerl im Zelt überhaupt bei diesem ganzen Lärm, den seine Kameraden verursachten, schlafen konnte. Dann war der Spalt endlich groß genug und Alaryah spähte ins Innere. Dort lag eine Gestalt auf einem improvisierten Nachtlager, das Kopfende war ihr zugewandt. Ein gezielter Hieb würde genügen um den Kerl länger ins Reich der Träume zu schicken, da war sich die Albin sicher. Doch hatte sie nicht genug Platz um ordentlich auszuholen...und so schob sich Alaryah mit dem Oberkörper so vorsichtig wie Möglich ins Zeltinnere.
    Es polterte laut, als die Albin mit der Schulter einen Stapel aus Tonbechern und gestapeltem Essbesteck umstieß. Die Gespräche draußen endeten abrupt und jemand rief einen Namen, fragte, ob alles in Ordnung sei. Die Albin fuhr zusammen als der gerufene erwachte, den Kopf hob und die Augen öffnete. "Wa..was? Alles gut, lasst mich noch schlaf...". Die Blicke des Mannes trafen die der Albin, die weiterhin regungslos in ihrer Position verharrte. Es war ein Reflex, der die Kontrolle über die Albin übernahm. Blitzschnell schoss die freie Hand der Albin voran und hielt dem Kerl den Mund zu. "Mhmhmm?!", brachte er hervor und riss panisch die Augen auf. Er wollte seine Kumpanen alarmieren und begann zu strampeln. Glücklicherweise wurde sein Zappeln durch eine verhedderte Decke weitestgehend eingeschränkt.
    Alaryah öffnete die Augen. "Dann bleib halt noch liegen, Nichtsnutz!", gab einer der Schergen laut von sich. Erst jetzt sah Alaryah, was sie angerichtet hatte. In ihrer Furcht entdeckt zu werden, die Mission zu gefährden und vor Wut aufgrund der Zerstörung um sie herum hatte Alaryah mehr als nur häufig auf den Mann eingestochen. Er war leise grunzend abgetreten, sein erschlaffter Körper war übel zugerichtet. Alaryah selbst hatte deutliche Blutspuren an Händen, Armen und Gesicht, auch im Zelt selbst sah es aus wie in einem Schlachthaus. Doch durfte sie nicht lange innehalten! Jede Sekunde war kostbar! "Hoffentlich hat der nicht unser ganzes Geschirr zerdeppert.", hörte Alaryah noch den einen Schergen schimpfen, während sie wieder geduckt rückwärts laufend im Gebüsch verschwand. Der Geruch von Blut klebte an der Albin und löste in ihr wieder so etwas wie einen Jagdinstinkt aus...



    Jaro Ballivòr
    Der Kanister war schnell gefunden, doch war er fest an der Umhausung fixiert und ragte zum Teil hinein, sodass es gut geschützt war. Jaro lugte durch ein Gitter hindruch und tatsächlich: innen ging ein großer Schlauch ab. Aber wie sollte er dort heran kommen? Er probierte einige Spalten und Gitteröffnungen aus, doch nirgends passte seine Hand hindurch. Sein Stilett hingegen war zu kurz. Vergeblich zog und zerrte Jaro an den Metallplatten, die einen Großteil der Maschine umgaben. Sie bewegten sich keinen Millimeter. Er brauchte ein Werkzeug, irgendetwas. Hektisch schoss Jaros Blick von Seite zu Seite. Er entdeckte einen abgebrochenen Ast und hob ihn leise auf. Mit steigender Nervosität schob er das Holz durch das Gitter hindruch und versuchte, den Schlauch zu beschädigen oder zu lösen. Nichts geschah. Und schließlich brach das Stück mit einem Knacken entzwei. Jaro erstarrte. Ein Poltern folgte, dann Geschrei. Schweiß trat Jaro auf die Stirn. Er hörte die Männer zankten, doch offenbar ging es nicht um ihn. Alaryah? Es klang, als murrten sich die Kerle eher gegenseitig an. <Steh nicht so blöd rum! Tu etwas!>, schalt Jaro sich in Gedanken. Es galt die Zeit zu nutzen, in der die Männer noch stritten. Aber wie sollte er an diese Leitung herankommen? Jaro begann erneut die Maschine zu untersuchen. Er ging in die Knie und legte sich schließlich ganz auf den Boden. Zwar war es noch lange nicht hell, doch für Jaros Augen war es genug. Da war ein Spalt! Die Maschine stand nicht ganz eben und im hinteren Teil hob sie leicht ab. Möglicherweise reichte das. Jaro legte sich auf den Rücken und schob sich, Kopf voran, Stück für Stück hinein. Er hielt die Luft an und zog den Bauch ein. Mit einem leisen Ratschen riss sein Hemd und er keuchte auf, als Metall die Haut über seinen Rippen aufkratzte. Trotzdem stemmte er sich weiter unter das Monstrum. Es war beängstigend und so eng, dass ihm die Luft weg blieb, doch er passte hinein. Unter dem Tank angekommen, hob Jaro die Hände. Er zog, zerrte und riss an dem Schlauch und begann sogar im Stillen zu fluchen, bis sich die Verbindung endlich löste und sich ein Schwall beißend riechender Flüssigkeit über sein Gesicht und seinen Oberkörper ergoss. Panisch versuchte Jaro den folgenden Hustenreiz zu unterdrücken, doch erfolglos. Es prustete los und hörte zugleich, wie nebenan Bewegung ins Lager kam. Bestimmt hatten sie ihn gehört! Er saß in der Falle.


    Alaryah Schattenwind
    Am liebsten hätte sich Alaryah direkt auf den nächststehenden Schergen gestürzt, doch hatte sie gerade noch genug Selbstbeherrschung. In der kleinen Albin, die fast nie in ihrem Leben diese Art Emotionen gefühlt hatte, brannte nun ein loderndes Feuer. Sie schärfte ihre Sinne, während sie sich den Weg zu ihrem Ziel bahnte. Die Männer diskutierten und weiter in der Ferne hörte sie ein seltsames Gluckern. Es war anders als das Geräusch von einem Fluss oder Regen. Es war ihr unbekannt. Alaryah ging weiter und war sich sicher, dass dieses Geräusch aus der Maschine stammen musste...
    Es dauerte etwas, doch schließlich erahnte die Albin unter einem riesigen und flächendeckenden Brombeerbusch den nächsten Zugang. Sie hatte sich an die Zeichnung einer Brombeere erinnert, die kaum sichtbar in einer Ecke eines Fragments abgebildet war. Wieder hielt sie inne und lauschte. Irgendwas ging da hinter ihr vor, doch durfte sie sich nicht ablenken lassen. Mit aller Kraft riss Alaryah nun an den Zweigen des Brombeerbusches herum. Die Dornen bohrten sich durch ihre Handschuhe und sie musste die Zähne fest aufeinanderbeißen um nicht zu schreien. Doch aufgeben? Niemals! Endlich war dort eine Lücke in dem Gewächs. Das Geschrei hinter ihr wurde lauter. Jaro! Alaryah stand auf. Sie wollte zurück und sehen, ob Jaro wohlauf war. Gerade in diesem Moment kroch die Sonne am Horizont empor und erste Strahlen schossen durch die Dunkelheit. Es war womöglich fast zu spät. Alaryah drehte sich zu dem Eingang um. Dort war eine große Steinplatte, womöglich eine Art Luke. Die Albin atmete tief durch, versuchte den Lärm hinter sich zu ignorieren und nahm Anlauf. Mit einem Satz brachte sie einen Großteil des Dornengestrüpps hinter sich, doch landete sie trotzdem unsanft zwischen Steinplatte und Zweigen. Alaryah wollte gar nicht wissen, wie viele Dornen nun in ihrer leichten Rüstung und in ihrem Körper steckten. Wie in Trance tastete sie nun mit zittrigen Händen die Steinplatte ab. Irgendwo musste es doch eine Fassung für diesen verdammten Stein geben! Tatsächlich wurde die Albin fündig. Zu ihrer Erleichterung passte der goldgelbe Stein in eine kleine Ausbuchtung und fügte sich nahtlos in die Steinplatte ein. Doch nichts geschah. "Nein...", hauchte Alaryah. "Nein, bitte nicht!". Wieder erklang Lärm hinter ihr. "Jaro.". Alaryah versuchte fieberhaft den kleinen Stein wieder aus der Platte zu puhlen, doch es war hoffnungslos. Es wollte ihr nicht gelingen, wieder und wieder glitt der kleine gelbe Klumpen zurück. "Verdammt noch mal!", fluchte die Albin und hämmerte hilflos mit den Fäusten auf die Steinplatte. Die Sonne kroch den Himmel empor. Ein Lichtstrahl näherte sich dem Stein. Jetzt verstand Alaryah. "Natürlich...". Sie presste sich flach auf die Steinplatte und ihre Augen folgten dem Lichtstrahl der Sonne. Dann trafen Strahl und Stein aufeinander. Ein helles Licht erschien und Alaryah musste den Blick abwenden. Die Steinplatte unter der Albin begann zu vibrieren, erbebte einmal mit enormer Kraft und wurde dann schlagartig kühl. Der goldgelbe Stein war verschwunden, stattdessen sah es nun so aus als hätten sich steinernde Wurzeln wie eine Krallenhand um den Eingang geschlossen. Es war geschafft. Nun musste Alaryah zurück! Sie bahnte sich ohne Rücksicht ihren Weg durch das riesige Brombeergewächs. Auch wenn sie aus gefühlt tausenden Schrammen bluten mochte, sie würde Jaro nicht aufgeben! Im Laufen zog Alaryah den Bogen und legte einen ersten Pfeil auf. Niemand würde Jaro etwas antun! Polternd kam die Albin auf der Lichtung mit der Maschine zum stehen und blickte in die erstaunten Gesichter der zwei übrigen Kerle. Sie überlegte nicht lang, hob den Bogen und schoss. Der Pfeil löste sich von der Sehne, surrte durch die Luft und schlug in den geöffneten Mund des ihr am nächsten stehenden Mannes ein. Der andere wandte sich zur Flucht, doch die Albin war schneller. In einer fließenden Bewegung legte sie erneut auf. Schreiend ging der andere Kerl zu Boden, versuchte den Pfeil in seinem Rücken mit den Händen zu erreichen. Erfolglos. Alaryah warf den Bogen beiseite, stürzte sich mit gezogenem Dolch auf den Mann und brachte ein blutiges Werk zuende.


    Jaro Ballivòr
    Kurzatmig vor Panik und dem widerwärtigen Gestank der Maschinenflüssigkeit zwängte Jaro sich Stück für Stück unter dem Koloss hervor. Es ging viel zu langsam. Seine Augen brannten von der Tankfüllung und ein wenig davon war ihm in den Mund geflossen, doch es war zu eng, um mit den Händen über das Gesicht wischen zu können.
    "Ich sage dir, das kam von dort, von der Maschine!"
    "Seit wann husten Maschinen??"
    Die Stimmen kamen näher.
    "Das war bestimmt Froson, der faule Sack! Kriegt den Arsch wieder nicht hoch."
    "Lass uns nachsehen, dann merkst du dass ich Recht habe."
    "Ich war eben erst hier und da war nichts, niemand! Wenn hier keine hustenden Ratten herumkriechen..." Der Mann unterbrach sich. Jaro konnte nicht sehen, was vor sich ging. Beinahe wünschte er sich, er wäre komplett unter die Maschine gekrochen, wo wenigstens seine Beine nicht zu sehen waren. Das Herz schlug ihm bis zum Hals.
    "So viel zum Thema niemand... schalt die Maschine an, Greg. Wollen wir doch mal sehen, was sie außer Holz und Stein noch so verarbeiten kann." Ein kehliges Lachen ertönte.
    "Nein, nein!", stöhnte Jaro. Er konnte sich noch immer kaum bewegen. Jeder Millimeter dauerte eine Ewigkeit.
    "Hallo Bürschchen." Ein Gesicht tauchte seitlich am Gitter auf, das sein Grinsen grotesk verzerrte.
    Panik nahm Jaro in Beschlag und er begann wie wild zu strampeln, im Versuch sich zu befreien.
    "Was ist denn jetzt, Greg?"
    "Keine Ahnung! Das blöde Ding springt nicht an!" Wieder begannen die Männer sich anzukeifen. Nur noch ein kleines Stück... Jaro schob sich unter der Verkleidung hervor und sprang auf die Füße. Sein Atem ging schwer und schnell, doch er hatte es geschafft.
    "Da ist er!" Die Männer griffen zu ihren Waffen, da ließ ein Geräusch sie herumschnellen. Fast im selben Augenblick sah Jaro die Spitze eines Pfeils durch den Nacken des ersten Kerls brechen. Wie ein grüner Blitz fiel Alaryah den zweiten an und noch bevor Jaro zu irgendeiner Reaktion fähig war, lagen beide Männer auf dem Boden. Alaryah war blutverschmiert und trug einen halben Dornenbusch mit sich herum, doch es ging ihr gut. Ungeachtet des Gestrüpps sprang Jaro zu ihr hinüber und umarmte sie aus purer Erleichterung der missligen Lage entkommen zu sein. Als er den Kopf von Alaryahs Schulter löste und die Augen öffnete, blieb ihm beinahe das Herz stehen. Regungslos wie eine Statue stand er da. Sein Oberkörper war entblößt, doch viel Haut war nicht zu sehen. Ein dichtes Netz aus Tätowierungen zog sich über Brust, Bauch und Arme. Der Mann legte leicht den Kopf schief, so als verwirrte ihn Jaros und Alaryahs Anwesenheit. Die Zeit stand still für Jaro, als der Tätowierte in die Hocke ging wie ein Raubtier vor dem Angriff. "Alaryah", war alles, was Jaro zustande brachte, dann stürzte der Fremde vor.


    Alaryah Schattenwind
    Der blutige Schleier löste sich langsam aus Alaryahs Blickfeld, als Jaro sie fest im Arm hielt. Nun wurde die Albin von Erschöpfung ergriffen. Sie umklammerte immer noch den Dolch, mit dem sie den letzten Schergen übel zugerichtet hatte. Wie konnte es nur soweit kommen? Erst als Jaro plötzlich ihren Namen laut aussprach kam sie wieder in der Realität an. Zu spät. Etwas Wuchtiges traf die Albin und sie und Jaro wurden durch den Aufprall umgeworfen. Da war dieser Kerl mit den Tätowierungen! Alaryah kam wieder auf die Beine und fixierte den Feind. Der drahtige Mann ohne Oberteil hatte lange Haare, die ihm glatt anliegend bis über die Schultern reichten. Die Augen hatte der Angreifer mit schwarzer Farbe eingerahmt, was ihm im fahlen Licht der Morgensonne zu einer furchterregenden Erscheinung machte. "Ihr stört hier.", krächzte er mit einer Stimme, die nach dem Brechen verdorrter Zweige klang. Alaryah sah in ihm nur pure Bosheit. Wieder stürzte er sich auf die beiden. Alaryah rempelte Jaro, der sich gerade aufrichtete, wieder um. Nur knapp entgingen sie dadurch dem nächsten Angriff des Mannes, der mit übermenschlicher Schnelligkeit auf die Gefährten losging. Ein paar Meter hinter ihnen kam der Tätowierte zum stehen, wirbelte dabei Spähne, Splitter und Waldboden auf. Er schnaubte verächtlich. "Ich kann das den ganzen Tag machen!", krächzte er und warf sich ihnen erneut entgegen. Dieses Mal bekam er Jaro irgendwie zu packen und riss ihn mit sich. "Nein!", schrie Alaryah fast panisch und setzte nach. Mehrmals hieb sie auf den scheinbar schutzlosen Körper ein, versenkte die Klinge tief im Fleisch. Entweder schien der Angreifer keinen Schmerz zu spüren, oder die Waffe war einfach wirkungslos. Kein einziger Bluttropfen quoll aus den Wunden hervor, die Alaryah ihm zugefügt hatte. "Ihr werdet hier sterben.", verkündete der Mann und drückte Jaro die Luft ab. "Lass ihn los!", zeterte Alaryah und mobilisierte ihre letzten Kraftreserven. Doch es war hoffnungslos. Der Mann blockte Alaryahs Angriff mit dem Unterarm, in dem sich ihr Dolch verkantete. Mit einer knappen Bewegung entwaffnete der Tätowierte die Albin und verpasste ihr einen ordentlichen Schlag ins Gesicht. Alaryah taumelte und ging zu Boden. "Erst dich, dann sie.". Er griff Alaryah bei den Haaren und zog sie näher zu sich heran. Nun wurde auch der Griff um Jaros Hals wieder fester. Der Mann kam unangenehm nah an Jaro, der verzweifelt nach Luft schnappte. Ein breites grinsen umspielte aufgeplatzte Lippen. "Jaaah. Gleich ist es vorbei.", flüsterte er.
    Ein Hornstoß erklang aus dem Unterholz und der Kerl wirbelte herum, seinen Griff um Haare und Kehle nicht lockernd. Pfeile flogen durch die Morgenröte, manche trafen den Tätowirten, andere nur Wiese oder Umgebung. Jemand rief etwas. Alaryah kam wieder zu sich, doch war sie zu erschöpft um noch einmal Widerstand zu leisten. Erschöpft tasteten ihre Hände in Jaros Richtung. "Lebe.", hauchte sie in die Richtung, in der sie Jaro vermutete, als der Angreifer seine Hand aus ihrem Haar löste. "Nächstes Mal!", zischte der Kerl, mittlerweile von vier Pfeilen getroffen, bevor er auch von Jaro abließ und im nahegelegenen Unterholz verschwand. Alaryah war am Ende ihrer Kräfte. "Es ist Schattenwind!", hörte sie eine Stimme sagen und Gesichter beugten sich über sie.

    Jaro Ballivòr
    die Welt schrumpfte auf die farblosen Augen des Mannes. Jenseits der dunklen Umrandung gab es nichts. Jaro spürte den Drang seiner Lunge nach Luft, spürte die Zuckungen seiner Arme und Beine im verzweifelten Versuch, sich dem Griff zu entwinden, doch er hatte keine Kontrolle mehr darüber. Sein Geist verlor sich in diesen Augen. Der Wald war verschwunden, sein Duft, seine Klänge, das schüchterne Licht des erwachenden Tages. Auch Alaryah war fort. Alles war dem Bösen gewichen, das sich in dem Blick des Fremden manifestierte. Nichts kam dagegen an. Eine Stimme regte sich in Jaros Geist. "Lass los", flüsterte sie, sanft und süß wie Honig. "Lass los." Jaro erkannte, dass sie Recht hatte. Wenn Alaryah nicht gegen diese Macht ankam, ja nicht einmal der Wald, die Bäume, alt und stark und weise, wie konnte Jaro dann hoffen, den Kampf zu gewinnen? Er spürte keine Schmerzen, obwohl sein Körper noch immer rebellierte. Langsam schloss Jaro die Augen. Und fiel. Der Aufprall kam unerwartet schnell und hart, doch sofort breitete sich der Duft und dunkler Erde aus und Jaro spürte Laub und Holz. Der Wald war zurück. Es war richtig gewesen, der Stimme zu vertrauen. Die grausamen Augen waren verschwunden, stattdessen sah Jaro im Geiste eine goldene Waldlichtung. Da war Geflüster, und Rascheln und ein sanfter Wind strich ihm über die Haut. Jaro ließ sich treiben. Wenn dies der Tod war, wie hatte er sich je davor fürchten können? "Lebe"... Nun meinte Jaro die geflüsterten Wörter zu verstehen. "Er atmet nicht!" - "Lebe!" Sie wurden lauter. Jaro versuchte sich abzuwenden, sehnte sich nach dem Frieden und der zarten Berührung der Seele des Waldes. "Atme!" - "Jaro!" Wie in einem großen Saal hallten die Worte in wechselnder Lautstärke nach. Jaro spürte einen gewaltigen Druck in seiner Brust. Es fühlte sich an wie nach einem langen Tauchgang, kurz bevor man die Wasseroberfläche erreicht.
    Keuchend atmete Jaro ein und riss die Augen auf. Reflexartig wollte er aufspringen, doch eine Hand drückte ihn sanft zurück auf die Erde. Die plötzliche Ladung Sauerstoff brannte in seiner Lunge und panisch versuchte Jaro sich der Hand zu entwinden. Ein Kopf beugte sich über ihn und ein neuer Schwall von Furcht ließ Jaros Atmung noch schneller werden. Als seine Augen sich an den Halbschatten im Gesicht der Person gewöhnt hatten, fanden sie dort jedoch nicht den erwarteten, tödlichen Blick. Im Gegenteil: er kannte diese Frau. Es war die Heilerin Cywenna.

    Jaro Ballivòr
    Andächtig fuhr Jaro mit dem Finger über die Rinde des Baumes, während er Alaryahs Stimme lauschte. Was sie vorlas, klang wunderschön, teilweise war es heiter und fröhlich, aber meistens schwang eine tiefe Melancholie und viel Gefühl in den Worten. Selbst konnte er nur manches entziffern. Viele Schriftzeichen und Symbole waren ihm fremd, erweckten jedoch umso mehr seine Neugierde. Es gab große, üppig verzierte Schriftbilder, daneben ganz kleine, feinsäuberliche Linien. Viele mussten vor einer Ewigkeit schon angebracht worden sein.
    "Das ist eine wunderbare Idee." Er ließ den Blick den Stamm hinauf wandern. So weit er sehen konnte, zogen sich die Botschaften über die Rinde. Sogar die stämmigen Wurzeln des Baumes waren verwendet worden, wo immer sie sich aus dem Erdreich erhoben oder über einen Fels wucherten. Was konnten sie schreiben? Auch Alaryah dachte nach. Eigentlich war es keine große Sache, doch Jaro wollte besondere Worte wählen und er wusste, dass es seiner Freundin ebenso ging. All die schönen Dinge ihrer gemeinsamen Zeit kamen ihm in den Sinn, Licht und Wärme und Freundschaft, aber auch die Dunkelheit, die sie zeitweise ergriffen hatte, die Kälte, Entfremdung und Tod und Leid. "Wie wäre etwas in diese Richtung: Möge Freundschaft und Wärme uns an alle Orte folgen und das Herz des Waldes uns wieder zusammen führen." Er lächelte schüchtern. "O-oder so ähnlich. Vielleicht auch etwas Bildlicheres?" Noch immer ruhte Jaros Hand auf der alten Rinde des Baumes. Sich hier zu verewigen erfüllte ihn mit Ehrfurcht. Er war gespannt, auf Alaryahs Vorschläge.


    Alaryah Schattenwind
    Ein langsames nickten folgte auf Jaros Worte. "Das gefällt mir.", sagte Alaryah leise. Nach einer weiteren kurzen Denkpause hatte auch sie ein paar Worte parat. "Kein schweres Herz soll uns auf unserem Weg belasten und kein Weg soll uns in die Irre leiten. Jederzeit soll eine schützende Hand über uns und allen gutherzigen Reisenden wachen, aufdass wir alle unser Ziel erreichen mögen.". Die Worte plätscherten einfach so aus der Albin heraus. Gemeinsam passten die beiden noch ein paar Formulierungen und Details an, dann hatten sie ihren gemeinsamen Text zusammengestellt. Doch wo sollten sie ihn nur verewigen? Sie liefen mehrmals um den massiven Baum herum, doch war nicht genügend Platz in ihrer Reichweite. "Wir müssen das anders machen.", überlegte Alaryah laut, als sie die Suche beendeten. Sie wollten nicht aufgeben und den Text zu kürzen kam schon gar nicht in Frage. "Kannst du mich hochheben?", fragte Alaryah plötzlich und sah den Stamm hinauf. Weiter oben würde ihr Spruch sicherlich hinpassen. "Zur Not wechseln wir uns ab...und...", sie schaute nun zu Jaro hinüber. "Wir schnitzen dann abwechselnd Worte in den Baum, jeweils in der alten Sprache unseres Volkes. Natürlich signieren wir das, auch im Namen von Kirona.". Alaryah wartete Jaros Antwort ab und zog derweil ein Messer.


    Jaro Ballivòr
    Sofort nickte Jaro. Immerhin hatte er Alaryah doch aus einem Brunnenschacht gezogen, sollte er sie da nicht auch hochheben können? Wenn nicht, dachte er bei sich, wäre es jedenfalls ein Armutszeugnis, so zierlich wie die Albin war. Er verschränkte die Hände und kniete mit einem Bein ab. "Steig einfach mit einem Fuß hier rauf, dann kann ich dich hochdrücken und du kannst dich an mir oder am Baum abstützen." Kurz sah Alaryah etwas skeptisch auf Jaros Hände, willigte dann aber ein und tatsächlich war ihr Gewicht nicht der Rede wert. Jaro drückte sich mit etwas Schwung vom Boden ab. Zunächst war es ziemlich wackelig, aber dann fand er eine ganz gute Position, in der er sogar die Bewegungen Alaryahs beim Ritzen mit dem Messer einigermaßen ausgleichen konnte. Aus Angst, irgendwo hinzusehen, wo es sich nicht geziemte, blickte er den Pfad entlang in den Wald hinein. "Sag Bescheid, wenn es nicht mehr geht!", rief Alaryah von oben. "Mhm." Tatsächlich taten ihm mit der Zeit die Finger weh, doch so schnell wollte Jaro nicht schlapp machen. Er konzentrierte sich auf zwei Eichhörnchen, die unweit im Geäst eine Hetzjagd abhielten und leichtfüßig von Ast zu Ast sprangen. "Jaro!" Alaryah Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und er merkte, dass er vor Anstrengung ganz schön zitterte und wankte. "Oh, entschuldige!" Jaro bemühte sich das Gleichgewicht wieder zu finden. "Vielleicht tauschen wir jetzt - " Abrupt brach er ab, als er endgültig den Halt verlor. "Jaro!" Alaryah rutschte mit dem Fuß aus Jaros Händen und stürzte. Reflexartig riss Jaro die Arme nach vorne. Knapp über der Hüfte bekam er Alaryah zu fassen, kurz bevor ihre Füße auf dem Boden landeten. Der Schock lähmte sie einen Moment. Dann nahm Jaro hektisch die Arme herunter. "Es tut mir leid!", stammelte er und trat einen Schritt von Alaryah zurück. "Ich kann weiter machen, in Ordnung?".


    Alaryah Schattenwind
    Vorsichtig blinzelnd öffnete Alaryah die Augen. Sie hatte schon mit einem harten Aufprall gerechnet, doch Jaro hatte sie irgendwie aufgefangen und sicher abgesetzt. "Ich ehm.", brachte sie nur leise hervor, als Jaro sie hastig aus seinen Armen entließ und sich von ihr entfernte. "Alles gut!", sagte sie schnell, bedankte sich für ihre "Rettung" und lächelte dann. "Da hast du mich ja schon wieder vor einem Sturz bewahrt...". Alaryah wandte sich kurz ab. "Los, du bist dran.". Für einen Moment lang war die Albin sehr darauf bedacht ihre Verlegenheit zu verbergen.
    Jetzt war es an Jaro Worte in den Baum zu ritzen. Alaryah übergab ihm das Messer und kurze Zeit später begann Jaro mit seiner Arbeit. Die Albin starrte nur geradeaus auf den Baumstamm und konzentrierte sich. Sie atmete tief durch und hatte kaum Probleme damit Jaro zu halten. Irgendwann meldeten sich dann jedoch ihre Knie. Sie wechselten noch einmal durch und bald schon war ihr Werk vollbracht. Stolz standen sie nun nebeneinander, ein paar Schritte von dem Stamm entfernt und ihren Spruch begutachtend. "Wir müssen Kirona unbedingt davon erzählen wenn wir zurück sind.", stellte Alaryah fest und Jaro stimmte zu. "Vielleicht können wir ihr diesen Ort dann sogar zeigen?". Alaryah mochte den Gedanken sehr. Gemeinsam machten sie sich auf den Rückweg zur Straße. Wieder einmal schwiegen sie sich an. Alaryah fühlte sich sonderbar wenn sie an den Moment von eben zurück dachte, als Jaro sie aufgefangen hatte. Noch immer spürte sie seine Berührung.
    Endlich hatten die beiden die Straße erreicht. Alaryah wich zuerst noch Jaros Blicken aus, doch dann hatte sich das seltsame Gefühl gelegt. Musste wohl an dem Moment des Fallens gelegen haben, so schätzte die Albin.
    "Dort vorn biegen wir rechts ab.", sagte Alaryah bestimmend und in recht neutralem Tonfall.


    Jaro Ballivòr
    Zuerst hatte Jaro sich darauf konzentriert, ihren Spruch korrekt und ordentlich anzubringen und dabei nicht allzu sehr zu wackeln oder Alaryah mit seinem Fuß gar weh zu tun. Dann, als er wieder an der Reihe war, sie zu halten, hatte er alles daran gesetzt, dieses Mal das Gleichgewicht zu halten. Nun aber beim Gehen grübelte er plötzlich wieder über den peinlichen Wackler von zuvor nach. Er hatte wie von selbst gehandelt. Was, wenn er Alaryah irgendwo angefasst hatte, wo... Wenn er es sich recht überlegte, wusste er überhaupt nicht mehr, wo er sie gehalten hatte. War Alaryah deshalb so still? War sie böse auf ihn? Nein, das glaubte er nicht. Vielleicht war es ihr ebenfalls unangenehm. Jaro beschloss, so zu tun, als sei nichts gewesen, auch wenn seine Gedanken das noch nicht wirklich einsehen wollten.
    Sie folgten Alaryahs vorgeschlagener Richtung auf einen schmaleren Weg über dem die dünnen Äste der umliegenden Bäume zu einer gewundenen Decke aus Geäst und Blättern zusammengewachsen waren. Nicht nur wegen des dichten Bewuchses wurde es dunkler. Der Tag neigte sich dem Ende. Trotz der vergangenen kurzen Nacht fühlte Jaro sich fit und er wagte aus irgendeinem Grund auch nicht, Alaryah um eine Pause zu bitten. Solange sie es für richtig hielt, würde er weiter gehen. Der Wald erschien ihm so endlos und weit. Seit Wochen waren sie nun schon unterwegs und er hatte nicht einen Ort zwei Mal gesehen. Irgendwo hier lauerten die Schrecken der versunkenen Festung, doch ob sie schon nahe waren oder nicht, konnte Jaro nicht sagen. Er überlegte, Alaryah danach zu fragen, doch gerade als er sich räuspern und das lange Schweigen brechen wollte, blieb die Albin mit erhobener Hand stehen. "Hörst du das?"
    Jaro spitzte die Ohren. Sein Gehörsinn war nicht annähernd so gut ausgebildet wie seine Sehkraft, doch meist konnte er sich darauf verlassen. Tatsächlich, da war etwas. "Ich höre ein Brummen. Oder Beben." Jaro sah Alaryah unsicher an. Was auch immer es war, er war sich sicher, dass es nicht hier sein sollte.


    Alaryah Schattenwind
    Nun bewegten sie sich vorsichtiger voran. Sie folgten dem Weg und prüften irgendwann an einer dunklen Weggabelung die Kartenfragmente. Sie waren, wie ursprünglich geplant, einen Umweg gelaufen um etwaige Verfolger zumindest etwas zu verwirren oder gar von sich abzulenken. Doch nun führte sie ihr Weg direkt auf den nächsten Eingang zu, zumindest in der Theorie. Alaryah hatte sämtliche Gefühlswirrungen vergessen und war sichtlich angespannt. "So ein Geräusch habe ich...noch nie gehört?", stellte die Albin unsicher fest und nahm den Bogen in die Hand. Plötzlich krachte es laut in der Ferne und die beiden fuhren erschrocken zusammen. So verharrten sie in der sich unerbittlich nähernden Dunkelheit, wagten kaum zu atmen. "Laut der Karte führt unser Weg direkt dorthin.", stellte Alaryah trocken fest, ohne dabei ihren Blick von der Umgebung abzuwenden. "Direkt in die Richtung dieses Lärms. Jaro, was, wenn gerade jemand versucht in die Festung einzudringen?". Alaryah schaute mit einem Anflug von Panik zu Jaro hinüber. "Wir müssen etwas unternehmen!". Doch was? "Wir müssen unbedingt verhindern, dass sich jemand Zutritt verschafft!", sprach sie das offensichtliche aus. Wer war ihnen gefolgt? Wer war dort? Alaryah erinnerte sich an die Leichen der Soldaten, an das Wesen in den Katakomben. Hastig legte sie einen Pfeil auf. Ihre Hand zitterte dabei unsicher. Alaryah schaute Jaro an.



    Jaro Ballivòr
    Der Schock des plötzlichen Lärms beschleunigte Jaros Herzschlag. Er bemerkte Alaryahs Furcht und fühlte sie dadurch noch elender. Trotzdem rang er sich ein Nicken ab. "Lass uns nachsehen." Er versuchte zuversichtlich auszusehen und zog sein Stilett. "Ich bleibe dicht hinter dir", flüsterte er teils in der Hoffnung die Worte würden Alaryah beruhigen, teils seinen eigenen Wunsch aussprechend. <Lass mich bloß nicht allein>, flehte er im Stillen.


    Alaryah Schattenwind
    Gemeinsam schlichen sie durch das Unterholz. Der Lärm wurde lauter und lauter. Zu dem Brummen und Beben gesellte sich bald auch ein Rasseln, ähnlich wie dem einer schweren Kette. Alaryah hielt inne. Es schien, als würde sogar der Boden manchmal erzittern. War es eine Bestie, die in den Tiefen der Festung erwacht und den Weg an die Oberfläche gefunden hatte? Was mochten sie dagegen ausrichten können? Würden sie es überhaupt schaffen den anderen Alben zu berichten? War denn wirklich keine Patrouille der Waldläufer in der Nähe? Irgendwer musste doch diesen Krach mitbekommen?! Alaryah merkte gar nicht, dass sie stehen geblieben war. "G...ge...hen wir weiter?", hörte die Albin Jaros zittrige Stimme hinter sich. Sie drehte sich zu ihm um. Er stand einfach da, seine Waffe fest in der Hand. Konnte sie es wirklich verantworten? Was auch immer dort vorne war schien nicht wirklich friedlich zu sein. Was, wenn sie beide oder auch nur einer von ihnen umkam? Als Waldläufer lebt man natürlich nicht gerade ungefährlich, das wusste Alaryah, doch diese Bedrohung war neu, wenn es denn eine war. Alaryahs Gedanken rasten. Sie würde es sich nie verzeihen können, wenn Jaro hier sein Ende fand. "Ich...". Sie rang nach Worten. "Ich werde...". Wieder dröhnte es in der Ferne. "Ich werde nachsehen.", brachte die Albin den Satz endlich zuende.


    Jaro Ballivòr
    <Sie will mich schützen.> Jaro sah es in ihren Augen. Am liebsten hätte er Alaryah gebeten zu bleiben, doch er wollte ihr den Entschluss nicht noch schwerer machen, als er offensichtlich war. So nickte er langsam. Der Boden bebte und Jaro packte sein Stilett noch fester, sodass die Knöchel weiß hervor traten. "Sei vorsichtig, ok? Und wenn du Hilfe brauchst, ruf mich." Wieder ratterte und klackte es und voller Furcht fuhr Jaros Kopf herum. Nichts. Es war nichts zu sehen und doch waren sie ganz nah, der Lärm immer lauter. Ein letztes Mal nickte Jaro Alaryah zu, dann sah er sie im Unterholz verschwinden. Er schluckte schwer und drückte sich ganz eng an einen Baum.


    Alaryah Schattenwind
    Alaryah ließ Jaro zurück. Scheinbar jede Faser ihres Körpers wehrte sich dagegen. Am liebsten wäre sie einfach zurückgelaufen, hätte ihn gepackt und wäre wieder in Richtung Stadt oder Stützpunkt gerannt. Doch von was hätten sie berichten sollen? Alaryah schluckte und zwang sich weiterzugehen. Ihre Beine zitterten. Sie dachte an Jaro, wie er einfach dort in der Dunkelheit blieb. Sie dachte an Kirona, die hoffentlich noch in Eichenhain war. Sie dachte an die Waldläufer, an ihr Zuhause. Dann vernahm die Albin plötzlich Stimmen in der Ferne. Es dauerte etwas, bis sie sich sicher war, doch dann gab es keinerlei Zweifel. Dort redeten Personen miteinander! Vorsichtig drückte sich Alaryah in die Büsche links von ihr, sie wollte die Stimmen umgehen und von der anderen Seite beobachten. Von da aus sollte sie eine möglichst gute Sicht haben. <Wenn dort Leute miteinander reden, dann wütet zumindest keine Bestie unkontrolliert.>, sprach sie sich in Gedanken selbst Mut zu.


    Jaro Ballivòr
    Beklemmung hielt Jaro in eisigem Griff. Er lauschte angestrengt, falls Alaryah ihn rief und zuckte gleichzeitig bei jedem neuen Rumpeln und Beben im Boden und um ihn herum zusammen. Obwohl es noch nicht ganz dunkel war, konnte er von seiner Position aus überhaupt nichts erkennen, selbst die Bäume verloren sich schon nach wenigen Metern im Zwielicht. Zudem fürchtete er, dass ihn jeden Augenblick ein Angreifer von hinten überwältigen könnte und sah sich unablässig in alle Richtungen um, bis ihm schwindelig war. Von Alaryah war weder zu sehen, noch zu hören, doch Jaro redete sich ein, dass alles gut war, solange er sie nicht schreien hörte. Wenn er nur etwas sehen könnte... Das Unterholz war dicht bewachsen, doch die Bäume waren in Bodennähe relativ kahl. Ja, das war es. Vorsichtig und leise ging Jaro umher und suchte sich einen geeigneten Baum zum Klettern aus, versuchte dabei aber in der Nähe zu bleiben, damit Alaryah ihn wieder finden konnte. Schließlich wurde er fündig, schob das Stilett in den Gürtel und zog sich mit einiger Mühe an einem Ast nach oben. Er schwang die Beine nach und stieg von dort noch zwei Äste weiter, bis er in einer Gabel relativ bequem sitzen konnte. Hier oben konnte ihm schon einmal niemand mehr in den Rücken fallen. Auch die Sicht war besser. Jaro kniff die Augen zusammen und sah sich in alle Richtungen um.

    Alaryah Schattenwind
    Alaryahs Blick flog herum. Kurz rasten Bilder vor ihrem inneren Auge umher, die vergangenen Ereignisse hatten dann doch ein paar Spuren hinterlassen. Sie blinzelte, um diese Schatten zu vertreiben und merkte erst dann, dass sie einfach in Richtung der anderen geglotzt hatte. Zuerst hatte Alaryah noch verunsichert die Lippen aufeinander gepresst, doch dann gab sie sich und ihrem Körper einen Ruck. Sie setzte sich wieder. "Wo...worüber habt ihr gerade gesprochen?", fragte Alaryah und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Kirona grinste Jaro an, dieser verdrehte leicht die Augen. Für die Frau war es schon fast eine Ehre die letzten Gesprächsfetzen noch einmal zu wiederholen, sehr zu Jaros Leidwesen. Alaryah ließ den Alben dabei nicht aus den Augen. Als Kirona ihre Zusammenfassung beendet hatte beugte sich Alaryah leicht vor. Sie griff nach Jaros Hand und drückte sie. Einen kurzen Moment verharrte sie, dann ließ sie Jaros Hand wieder los und lehnte sich zurück. Erst jetzt fiel der Albin auf, wie fest sie ihren Krug hielt. "Ich hätte nie gedacht, dass ich Personen wie Euch kennenlernen und solche Abenteuer erleben würde.", brachte Alaryah schließlich hervor und nahm einen beherzten Schluck aus ihrem Becher.


    Jaro Ballivòr
    Obwohl Jaro bei Kironas Zusammenfassung seinen Kelch hypnotisierte und versuchte, nicht hinzuhören, achtete er sehr genau auf die Wortwahl. Er entschied, dass es vermutlich Schlimmeres gab, auch wenn er sich weiter schämte. Als Alaryah seine Hand drückte, sah er zögerlich auf und brachte ein kleines Lächeln zustande. Die Bedienung, so schwor er sich, würde er bei ihrem nächsten Besuch keines Blickes mehr würdigen!
    "Nein", sagten Jaro und Kirona gleichzeitig, hielten inne und mussten schließlich grinsen. "Du zuerst", bot Kirona an und Jaro nickte. "Ich hätte das auch nicht gedacht, niemals. Eigentlich wollte ich nur die Welt sehen und etwas über Natur und Leute lernen... dass ich einmal kämpfen muss, geschweige denn, so oft in so kurzer Zeit nur knapp dem Tod entrinne..." Er schüttelte den Kopf und verstummte. "Und so tolle Freunde kennenlerne", fügte Kirona an und beinahe meinte Jaro einen Hauch Versöhnlichkeit in ihrem Lächeln zu sehen für ihre vorherige Sticheleien. "Das hätte ich vor allem nie gedacht. Ich hatte beinahe schon vergessen wie es ist, einem Menschen... oder Alben zu vertrauen." Jaro erwiderte ihr Lächeln und sah auch zu Alaryah hinüber. Es stimmte. Selbst wenn er überlebt hätte, ohne die beiden hätte er schon längst aufgegeben. Aber so steckten sie gemeinsam darin und würden es auch gemeinsam zu Ende bringen. Zumal scheinbar so viel von ihrem Erfolg abhing. Der Gedanken erfüllte ihn unvermittelt mit Stolz.


    Alaryah Schattenwind
    Die Zeit verging und die drei verlebten noch einen Abend, der ihnen allen in Erinnerung bleiben sollte. Dieses Etablissement war einfach zu einzigartig, als dass man es jemals vergessen könnte. Irgendwann drehten sich nicht nur die Gespräche im Kreis...der Wein entfaltete langsam aber sicher seine volle Wirkung...


    Alaryah schlug die Augen auf. Ihr Blick stellte sich scharf und sie erkannte eine hölzerne Zimmerdecke. Langsam versuchte sich die Albin aufzurichten. Sie hatte leichte Rücken- und Schulterschmerzen, scheinbar hervorgerufen durch die seltsamsten Schlafpositionen. Alaryahs Finger ertasteten Stroh. Sie hatte doch ein Bett im Zimmer gehabt? Die Albin sah sich um. Sie war nicht in ihrem Zimmer. Wo war sie dann? "WOOOAAAHH!!!", fuhr es aus Alaryah heraus und sie warf sich nach links, als sie eine grobe Berührung an ihrer rechten Kopfseite spürte. Der Schreck saß recht tief udn sie kam daher gerade noch so zum Stehen, ruderte dabei mit den Armen. Da war ihr Pferd Sonnenstrahl! Jetzt fiel Alaryah alles wieder ein! Sie hatte im zusammengezimmerten Stall des improvisierten Waldläuferlagers geschlafen, hatte bei ihrem Pferd sein wollen! Was war noch passiert? Sie hatten das Gasthaus gemeinsam verlassen...und dann? Nach und nach kamen die Erinnerungen zurück. An einer Kreuzung war Alaryah stehengeblieben und wollte einen anderen Weg einschlagen. Sie hatte sich gefühlt wie ein Fisch an einer Angel. Jaro hatte versucht sie festzuhalten, wollte vernünftig auf sie einreden. Kirona hatte gelacht, wie so oft an diesem Abend. Alaryah verzog den Mund und klopfte ihre Kleidung ab. "Du brauchst mich gar nicht so angucken!", meinte sie und hob den Finger in Richtung Sonnenstrahl. Das Pferd schnaubte nur. "Ich sehe wahrscheinlich furchtbar aus...", murmelte Alaryah und tappte umher. Hier lag der eine Stiefel, dort der andere...ihre Kleidung saß alles andere als richtig und ohne in einen Spiegel zu sehen wusste Alaryah, dass in ihrem Haar überall Stroh hängen würde. So konnte sie niemals aus dem Stall! Was, wenn ihre Gefährten sie so sehen würden? Wo waren die überhaupt? Alaryah verfolgte den Gedanken und versuchte sich zu erinnern, während sie unbeholfen Stroh aus ihrem langen Haar entfernte.


    Jaro Ballivòr
    Ein einzelner Sonnenstrahl weckte Jaro. Er blinzelte in Richtung des Spalts der Fensterläden und stöhnte. Vorsichtig setzte er sich auf... und legte sich sofort wieder hin. Sein Kopf drehte sich im Kreis. Für einen Moment schloss er erneut die Augen, dann nahm er sich ein Herz und schwang die Beine aus dem Bett. Er rieb sich die Augen, stand dann auf und öffnete das Fenster. Die milde Luft blies ihm den Kopf frei und er traute sich, die abstützende Hand von der Wand zu nehmen. "Diese Edeleiche wird ihrem Ruf gerecht..." murmelte er sich selbst und der wunderbaren Aussicht zu. Sein Blick glitt zurück durch das Zimmer und er entdeckte eine Schüssel Wasser, die während er geschlafen hatte, wohl irgendwie den Weg hinein gefunden hatte. Das Wasser war mit Kräutern gewürzt und wurde von erhitzten Steinen warm gehalten. Eine Portion Eiswasser hätte Jaro mehr getaugt, doch er war sehr dankbar, sich waschen zu können. Anschließend las er seine Klamotten vom Boden auf, schüttelte sie aus und schlüpfte hinein. Nun, da er sich einigermaßen vorzeigbar fühlte, wollte sehen, ob die Frauen schon wach war. Er hob die Hand, um anzuklopfen, da riss Kirona schon die Tür auf.
    "Oh", sagte sie. "Ich wollte dich gerade wecken." Der Abend hatte keinerlei Spuren an ihr hinterlassen. Sie sah aus, als hätte sie einen erholsamen Schlaf hinter sich.
    "Alaryah?", fragte Jaro, doch Kirona schüttelte den Kopf.
    "Ist nicht mehr her gekommen. Bestimmt wartet sie auf uns, komm jetzt. Das Frühstück nehmen wir mit."
    "Hm..." Jaro nickte zögerlich und ging seinen Beutel holen. Hoffentlich war Alaryah nichts zugestoßen.
    "Sei nicht so ein Sorgenbold", erriet Kirona seine Gedanken. "Sie ist bestimmt bei ihren Freunden und da gehen wir jetzt auch hin."
    Sie hatte Recht. Sachte schloss Jaro die Tür seines Zimmers und folgte Kirona die Treppe hinab. Am Buffet schnürten sie sich ein kleines Paket und nahmen auch für Alaryah etwas mit. Nachdem die Haushälterin ihnen noch ein Stück selbstgebackenen Kuchen angedreht hatte, machten sie sich schließlich auf den Weg zum Lager der Waldläufer, auch wenn sie nur die grobe Richtung kannten.


    Alaryah Schattenwind
    <Es wird reichen müssen.>, sagte sich Alaryah in Gedanken. Sie musste wohl ohne Spiegel und weitere Gegenstände auskommen müssen und hoffte, dass zumindest das Stroh aus ihrem Haar entfernt war. So ging sie in Richtung Stalltür. Kurz davor drehte sie sich noch einmal zu Sonnenstrahl um. Ihr Pferd folgte und stubste die kleine Albin erneut mit dem Kopf an. "Ach du..", lachte sie leise und kuschelte sich erneut an das warme Fell. "So, jetzt muss ich aber los! Die anderen machen sich bestimmt Sorgen!", erklärte Alaryah und hob die Augenbrauen. Sonnenstrahl wieherte zustimmend. "Es war schön wieder bei dir zu sein. Ich habe dich vermisst.".


    Es dauerte einen Moment, bis sich Alaryahs Augen an die Helligkeit des Tageslichts gewöhnt hatten. Sie atmete erst einmal tief durch.Im Stall war es tatsächlich stickiger gewesen als ursprünglich gedacht. "Guten Morgen.", murmelte eine Stimme seitlich von Alaryah. Sie fuhr herum. Da stand ein Wächter, gerüstet und von recht respektvoller Erscheinung. "Na, ausgeschlafen?". Die kleine, verbale Spitze hatte sich der Alb nicht verkneifen können und Alaryah erkannte deutlich das Grinsen unter seinem hohen Kragen. "Ihr wisst gar nicht...Ihr...also...Schweigt einfach!", brachte Alaryah nur hervor und hob mahnend den Finger. Sie wandte sich ab und schritt schnell von dannen. Mit großen Augen sah sie sich nun erschrocken um. Hier und da hockten Waldläufer beieinander, woanders bauten Alben das Lager aus und wieder andere überarbeiteten ihre Ausrüstung. Alaryah fühlte sich, als würden tausend Augenpaare auf ihr lasten und sie mit urteilenden Blicke strafen, doch war dies tatsächlich nicht der Fall. Niemand hatte Notiz von der kleinen Waldläuferin genommen, die heimlich in die Stallungen eingedrungen war. Niemand, außer der Nachtwache am Eingang. Dieser jedoch schien den Mantel des Schweigens über Alaryahs Ankunft zu werfen.
    "Schattenwind. Alaryah Schattenwind. Seid ihr sicher, dass sie nicht bei Euch ist?". Alaryah hörte ihren Namen in der Ferne. Da waren Jaro und Kirona! Ihr Herz machte einen kleinen Sprung. "Hier!", rief sie mit heller Stimme und eilte in Richtung ihrer Gefährten. Alaryah bekam die verwunderten Blicke der umstehenden Alben nicht mit, die weder sie, noch das sich aus ihrem Haar lösende Stroh erwartet hatten.

    Jaro Ballivòr

    Kirona lotste sie überraschend gut durch den kleinen Stützpunkt und das Lager der Waldläufer befand sich unweit der letzten Hütten. Allerdings schien Alaryah dort niemand gesehen zu haben. Die Sorgen kamen zurück. Was, wenn Alaryah etwas passiert war? Oder wenn sie mit sonst wem mitgegangen war? Vielleicht erwachte sie gerade auf der Bank einer Taverne und hätte sich über eine helfende Hand mehr als gefreut? Immerhin war sie ebenfalls schon recht angeknackst gewesen vom Wein als sie sich getrennt hatten. Zumindest soweit Jaro sich erinnerte. Gerade wollte er Kirona ansprechen, woanders zu suchen, da drang Alaryahs Stimme zu ihnen hinüber. Erleichterung und Empörung wetteiferten in Jaro ohne dass er eines von beiden hätte kontrollieren können. Zum Glück übernahm Kirona die Begrüßung. "Wusste ich doch, dass du hier bist, du Schluckspecht! Nichts konnte dich bewegen, in die Unterkunft mitzukommen." Sie zog Alaryah einen Strohhalm aus dem Haar und runzelte die Stirn. "Wo auch immer du stattdessen geschlafen hast..."
    Generell sah Alaryah ziemlich zerknittert aus, fand Jaro. Wobei er gar nicht sicher war, ob er viel besser aussah, auch wenn das gröbste Unwohlsein bereits verflogen war. "Wir haben Frühstück dabei", sagte er leise, um auch etwas beizutragen. Die umstehenden Waldläufer warfen sich belustigte Blicke zu, vermutlich über die merkwürdige Truppe in ihrer Mitte ebenso wie den unerwarteten Übernachtungsgast, waren aber höflich genug, nichts zu kommentieren.


    Alaryah Schattenwind
    Alaryah fuhr zusammen als Kirona sie recht laut begrüßte. "Pssssst.", zischte sie. Gerade so ein Wort wie "Schluckspecht" mochte sie in diesen Kreisen nicht sonderlich. Was sollten die anderen Waldläufer nur denken?!
    Jedenfalls war die Albin froh ihre Gefährten den Umständen entsprechend unbeschadet wiederzusehen. Sie zuckte etwas zurück, als Kirona den Strohhalm aus ihrem Haar entfernte und wandte dann den Blick ab. Diese Begegnung war ihr dann doch unangenehmer als gedacht. Zum Glück erwähnte Jaro dann das Frühstück. Es dauerte nicht lang, da hatten sich die drei einen gemütlichen Platz ausgesucht und so verspeisten sie gemeinsam die doch recht reichhaltige Mahlzeit. Gemeinsam setzten sie dann die Fragmente ihrer Erinnerungen des letzten Abends zusammen. Sowohl Alaryah als auch Jaro verschwiegen ein paar Details, auch Kirona ließ hier und da etwas aus...doch es war in Ordnung. Irgendwann wurden die drei jedoch unterbrochen. "Schattenwind?". Alaryah sah zuerst auf. Sie schluckte den Bissen Brot in ihrem Mund hinunter und sah den gerüsteten Alben vor ihnen nun direkt an. "Ja?", fragte sie trocken und legte den Kopf schief. "Es geht um einen Eurer Gefährten.". Alaryah sah den Alb fragend an, der jedoch fixierte, zu Jaros Erleichterung, Kirona. "Es wird nach Euch verlangt.", erklärte der Soldat knapp und nahm Haltung an. Er erwartete, dass Kirona aufstand und Folge leistete, doch eine Reaktion ihrerseits blieb aus. Erst, als Alaryah die Frau mit dem Fuß anstubste und in Richtung des wartenden Alb nickte verstand diese. "Oh, natürlich, verzeichung.". Kirona rappelte sich auf, auch Jaro und Alaryah erhoben sich. "Ihr werdet hier warten.", sagte der Alb mit leicht erhobener Hand. Sein Blick ließ jedoch keinen Widerspruch zu und so blieben Alaryah und Jaro zurück. Sie schauten Kirona ratlos nach, die warf ihren Gefährten noch einen kurzen Blick über die Schulter zurück und zuckte dann mit den Schultern.
    Die nächsten Minuten vergingen quälend langsam. "Warum haben sie Sie mitgenommen?", fragte Jaro erneut, doch Alaryah reagierte kaum. Sie dachte nach, war in Gedanken vertieft. Sie saß einfach nur da, hatte das Kinn auf ihre Knie gelegt und starrte in eine unendlich weite Ferne. "Sie werden ihr nichts antuen, das ist sicher.", dachte Jaro laut weiter. "Doch was geschieht jetzt? Warum dürfen wir nicht dabei sein?". Alaryah hob den Kopf. "Wahrscheinlich haben sie Fragen an Kirona. Fragen, die sie ohne Einfluss unsererseits beantworten soll.", erklärte die Albin. "Sie wird nicht als Kriminelle behandelt, viel mehr erhofft man sich scheinbar Wissen.". Jaro stand einfach nur da. Alaryah setzte ihre Erklärung fort. "Vielleicht kann Kirona wirklich helfen oder Informationen weitergeben.". Alaryah wagte keinen Blick in Jaros Richtung. "Sie werden ihr kein Leid antuen, sei unbesorgt.".

    Jaro Ballivòr
    Unfähig mehr als eine kurze Begrüßung zu murmeln, schüttelte Jaro Kalthair und Cywenna die Hände. Das herzliche Willkommen gepaart mit Alaryahs ansteckender Freude überwältigten ihn und raubten ihm alle Worte. Zudem merkte er, dass er Kalthair bewunderte. Er war schneidig und drahtig und wirkte mehr als fähig. Jaros Blick blieb an seinem Schwert hängen und wie, als er auf dem Fest vor einer gefühlten Ewigkeit Pfeil und Bogen gehalten hatte, keimte der Wunsch in ihm auf, ebenfalls das Kämpfen zu lernen. Gebannt verfolgte er die weitere Unterhaltung zwischen Alaryah und ihren Freunden. Was für ein Zufall! Ob die Waldläufer des neuen Stützpunktes ihnen bei ihrem Auftrag helfen könnten? Oder dabei Linor loszuwerden? Jaro nahm sich vor, Alaryah später darauf anzusprechen.
    Trotz Kalthairs Zwinkern, brauchte Jaro einen Augenblick, bis er verstand, dass dies Alaryahs Pferd war. Wenn er zuvor gedacht hatte, ihre Freude sei unbändig, wurde er nun eines Besseren belehrt. Sein Blick glitt zu Kirona und auch sie lächelte ob der Wärme des Anblicks. Siehst du? Sie ist immer noch unsere Kirona!, sagte er sich im Stillen. Noch nie hatte Jaro ein Pferd aus solcher Nähe gesehen. Ob sie alle so prächtig waren? Sein Fell glänzte im späten Licht und unter der Haut zeichneten sich Muskelstränge ab. Seine Augen blickten freundlich. Offenbar freute sich auch das Tier über die Wiedersehensfreude. Langsam trat er näher heran und streckte die flache Hand aus. "Darf ich?", fragte er Alaryah.


    Alaryah Schattenwind
    Alaryah bekam erst gar nicht mit, dass Jaro mit ihr redete. "Mh?!", fragte sie leicht verträumt und schaute Jaro an. Ihre Augen waren feucht und es dauerte, bis die Albin Jaro mit festem Blick fixiert hatte. Dann wanderte ihr Blick Jaros Arm entlang bis hin zur Hand. "Oh, jah, ja natürlich Jaro.". Langsam kehrte Alaryah wieder in das hier und jetzt zurück. "Keine Sorge.", begann sie und kraulte sich in der Mähne des Tieres fest. "Er ist ein sehr liebes Tier und wird dir nichts tun.". Sonnenstrahl beäugte Jaro erst etwas misstrauisch, schnupperte dann aber mit einer Mischung aus Neugier und Vorsicht an dem Alben. Jaro schien etwas verunsichert, doch dann stubste Sonnenstrahl ihn behutsam mit dem Kopf an. "Ich glaube er mag dich.", grinste Alaryah und schon bald hatte die kleine Reisegruppe das erste Kennenlernen mit Alaryahs Pferd hinter sich. Kalthair trat näher an sie heran. "Ich störe euch nur äußert ungern, Schattenwind.", sagte er behutsam und erhaschte schnell Alaryahs Aufmerksamkeit. "Wir würden nun erst einmal das Lager aufschlagen, es ist schon spät und wir sind etwas erschöpft von der Reise.". Schlagartig nahm Alaryah Haltung an. "Oh...Ja, natürlich!". "Seid unbesorgt, wir werden für Sonnenstrahl ein ruhiges und gemütliches Plätzchen finden...er hat auch einen langen Weg hinter sich.". Alles in Alaryah wehrte sich dagegen Sonnenstrahl gehen zu lassen, doch hatte der Alb in Rüstung recht. Sie konnte durchaus nachvollziehen, wie er und seine Leute sich fühlen mussten. Cywenna ergriff das Wort. "Wir werden Euch informieren wo Sonnenstrahl untergekommen ist, sobald das Lager steht.". Alaryah nickte stumm während sich die Kolonne wieder in Bewegung setzte. Sie starrte ihnen nach, wäre am liebsten direkt hinterhergerannt. Kirona legte Alaryah eine Hand auf die Schulter und zog sie sachte mit sich. "Lasst uns erst einmal etwas essen.", schlug die Frau vor, was bei Jaro auf enorme Zustimmung stieß.


    Jaro Ballivòr
    Es war ein wundervolles Gefühl, die Finger über Sonnenstrahls Hals fahren zu lassen und Jaro war ein wenig traurig, als die Waldläufer kurz darauf aufbrachen. Auch Alaryah sah ihnen nach und da keimte die Hoffnung in Jaro auf, dass sie sie wiedersehen würden. Bei Kironas Worten machte sich zudem schlagartig wieder sein knurrender Magen bemerkbar und nahm seine Aufmerksamkeit in Beschlag. "Oh ja!", seufzte er. "Auf dem Stück Weg hierher habe ich schon zig Stände gesehen, bei denen mir das Wasser im Mund zusammen lief." Er lächelte schüchtern. "Ich habe noch ein paar Münzen, wie wäre es, wenn ich euch einlade?"
    Gesagt getan schoben sich die drei durch die dichter werdende Menge auf den Straßen, auf der Suche nach dem am besten duftenden Gericht. Dies war kein leichtes Unterfangen! Am liebsten hätte Jaro gar alles gekostet. Es gab gewürzte und gesüßte Hirsebällchen, Teigtaschen gefüllt mit Kräutern und Käse, Spieße knusprig herausgebratener Wurzeln, Suppen in allen Farben, von Sonnengelb bis Blutrot und überall wurde warmes Hefebrot aus dem Steinofen gereicht. Letztlich fand eine dampfende Teigtasche den Weg in Jaros Hände und zum Nachtisch eine der gesüßten Hirsekugeln, von denen Jaro am liebsten gleich noch einen zweiten gegessen hätte, wenn er sich nicht vor den Frauen geschämt hätte. Immerhin aßen auch Kirona und Alaryah mit gesundem Appetit und alle lachten sie über den Cremekleks auf Kironas Nasenspitze, als diese besonders herzhaft in ihr gefülltes Fladenbrot biss. "Puh", seufzte die Frau, "Das war gut! Jetzt noch so ein Glas von dem fruchtigen Wein und ich bin im Himmel..."


    Alaryah Schattenwind
    Während die anderen vergleichsweise schnell ihr Abendmahl zusammengestellt hatten, dauerte es bei Alaryah etwas länger. Sie war anfangs nicht ganz bei der Sache gewesen, doch nun legte sich Hunger deutlich über Emotion. "Ich kann mich noch nicht entscheiden.", stellte Alaryah fest und wuselte erneut zwischen zwei Ständen umher. Dann blieb sie abrupt stehen. "Was...was ist das denn?!". Sie folgte dem Duft und kam schließlich bei einem jungen Alben an, der über einem kleinen Kochfeuer an einer Straßenecke gebeugt saß. Er wendete grüne Kugeln von der größe einer Orange, immer darauf achtend, dass die Flammen gleichmäßig und nicht zu stark waren. "Was verkauft ihr hier?", fragte Alaryah neugierig und langsam lief ihr das Wasser im Mund zusammen...und das obwohl sie nicht genau sagen konnte warum. Der junge Alb erklärte Alaryah, dass es sich um einen Fisch handle, der nur in bestimmten Gewässern im Waldreich vorkam. Die Zubereitung war kompliziert und dauerte mehrere Tage, doch musste sich das ganze scheinbar lohnen. Es schien, als sei der Fisch in...Blätter gehüllt? Als der Alb mit seinen Ausführungen über Aromen, Garzeiten und Kochtechniken geendet hatte war Alaryah klar, dass sie unbedingt diesen Fisch probieren musste! Der Alb nannte den Preis und die Gefährten sahen sich ungläubig an. Wie konnte er für solche Mühen nur so wenig verlangen? Scheinbar ging es ihm mehr um die Freude am Kochen als um die Einnahmen. Trotzdem gab es ein ordentliches Trinkgeld.
    Zuerst bekam Alaryah gar nicht mit, dass sie eingeladen worden war. Erst als es ihr mehrere Bissen später auffiel bedankte sie sich leicht schüchtern bei Jaro. Es war ihr unangenehm, doch ihr wurde aufgrund der explodierenden Freude von vorhin schnell verziehen. Tatsächlich schmeckte es einfach wunderbar. Alaryah bot Jaro und Kirona ebenfalls einen Happen an. Die Stimmung war recht ausgelassen und dann erwähnte Kirona den Wein. "Wein.", murmelte Alaryah und rieb sich den Bauch. Sie konnte durchaus ein Getränk vertragen. "Wie sieht es aus? Warten wir noch einen Augenblick und...". Während sie sprach musste Alaryah plötzlich aufstoßen, errötete anschließend leicht und hielt sich die Hand vor den Mund. "Verzeiht.".
    Das Ziel war trotzdem klar: Ein Ort, an dem man das ein oder andere Gläschen Wein trinken und die Schönheit der Umgebung genießen konnte.


    Jaro Ballivòr
    Das Grinsen ließ sich nicht vermeiden. "Ach... gewissermaßen lädt uns dieser...", Jaro stellte fest, dass er seinen Namen nicht mehr wusste. "Dieser Typ ein, der unsere Bekanntschaft erst möglich gemacht hat."
    Kirona klopfte Alaryah sanft auf den Rücken. "Du musst es rauslassen!", lachte sie, setzte dann aber wieder ein erwartungsvolles Gesicht auf. Um nicht lange suchen zu müssen, fragten sie den Verkäufer der wunderbaren Fischkugeln nach Weinständen. "Stände gibt es hier wie Bäume im Wald... doch ich würde euch etwas anderes empfehlen." Er wies mit dem Finger die Gasse entlang. "Dort hinten gibt es eine feine Spelunke, nicht vielen bekannt und deshalb noch richtig urig. Zur gespaltenen Eiche - so heißt sie und es ist wahr, wisst ihr?" Er wendete die Kügelchen über dem Feuer und lächelte vor sich hin. "Vor Ewigkeiten hat ein Blitz die gewaltige Eiche gespalten und da hat man in den Zwischenraum einfach ein paar Stockwerke gezogen. Freie Sicht zu beiden Seiten und dabei umgeben vom alten, heiligen Holz der Eiche... das würde ich euch empfehlen!"
    "Gibt es da auch Fruchtwein?"
    Der Verkäufer lachte schallend. "Na selbstverständlich! Den besten überhaupt! Nur... besser ihr lasst die Finger von der Edeleiche... ein wirklich fieser Tropfen, wenn man nicht acht gibt."


    Alaryah Schattenwind
    Dann war es also entschieden! Die drei folgten der Empfehlung, nachdem sie alle vollends gesättigt waren. Dieses wohlige Füllegefühl hatte scheinbar jedem gefehlt und jetzt freuten sich die Gefährten nur noch auf ein ruhiges Plätzchen und einen ebenso ruhigen Ausklang des Abends. Sie hatten auf ihren Reisen zwar nicht wirklich schlecht gegessen, doch war das alles ein Witz gegen das gewesen, was ihnen hier in den Küchen zubereitet worden war. Für einen Moment schien all die Gefahr und das bisher erlebte in den Hintergrund zu rücken. Es tat ihnen gut.
    Der Weg zur gespaltenen Eiche blieb weitestgehend ereignislos. In diesem Bereich des Handelspostens war einfach nicht viel los. Hauptsächlich fand man hier kleine Hütten vor, die als Lager verschiedenster Waren zu dienen schienen. An einer Ecke luden zwei Alben einen Karren ab, woanders reparierte ein Baumeister ein Dach und am Anfang einer schmalen Seitenstraße streichelte Alaryah eine grauschwarz getigerte Katze.
    Schließlich erreichten die drei ihr Ziel. Der Koch hatte nicht übertrieben. Alaryah verstand nicht viel von Statik, doch war sie von der baulichen Leistung der Alben beeindruckt. Solch eine Konstruktion hatte sie wirklich noch nie gesehen. "Na los!", sprach Kirona und winkte sie heran.
    Gerade, als Jaro an der stehengebliebenen Alaryah vorbeiging, griff diese nach seinem Unterarm. Er blieb stehen, dann zog die Albin ihn an sich heran, den Blick nach oben gerichtet. "Sieh doch nur.", sagte Alaryah leise und zeigte hinauf. "Da...dort oben...da möchte ich gleich sitzen.". Er folgte mit dem Blick ihrem Finger und erkannte einen Balkon in den oberen Stockwerken der Spelunke. Viele kleine Laternen waren dort entzündet worden, doch schien sich dort niemand aufzuhalten. Von dort aus musste man einfach eine schöne Aussicht haben. Die beiden verharrten einen Moment lang gemeinsam vor dem riesigen Baum. "Ehm...?!". Kirona hatte die Tür bereits geöffnet und war schon fast im Inneren verschwunden.

    Jaro Ballivòr
    Als sie den Turm hinter sich ließen, war die Situation merkwürdig und hatte eine beklemmende Wirkung auf Jaro. Keiner der Gefährten war bei vollen Kräften und es war deutlich zu sehen, dass jeder tief in Gedanken versunken war. Es gab so viel zu bereden... was war passiert? War der Eingang versiegelt? Hatte Kirona noch Informationen belauschen können? Konnte Linors Eintreffen wirklich Zufall sein? Wer war er wirklich? Und wie sollten sie nun weiter machen? Die Fragen zermarterten Jaro das Hirn und er war sich sicher, dass es Alaryah und Kirona ähnlich ging. Doch sie konnten nicht reden. Nicht so lange Linor dabei war, der mit seiner übertrieben guten Laune und Unbeschwertheit deutlich im Kontrast zu ihnen stand.
    "Jetzt erzählt doch mal, was bringt euch in diesen Teil des Waldes? Ihr seid so düster... es ist doch alles gut."
    "Dasselbe könnten wir dich fragen", sagte Kirona grimmig. "Wie kommt es, dass wir dir ständig über den Weg laufen? Musst du nicht irgendwo Musik machen?"
    Linor lachte so laut auf, das ein paar Vögel kreischend aus den Baumwipfeln flogen. "Ihr seid so herrlich misstrauisch. Leute... ich bin auf eurer Seite."
    "Für einen Musiker kannst du beeindruckend gut kämpfen", sagte Jaro leise.
    "Das ist es was ihr denkt, oder? Dass man als zart besaiteter Musiker von Auftritt zu Auftritt flattert und Leute hat, die auf einen aufpassen? Nein... von der Musik lässt es sich bei Weitem nicht leben, deshalb habe ich einen... Zweitjob. Und auch so: es schadet nie, wenn man sich zu verteidigen weiß. Nicht immer stehen stattliche Waldläuferinnen bereit, um einen zu retten." Er zwinkerte Alaryah zu, die sofort wegsah.
    "Und was soll dieser Zweitjob sein?" Kirona sah immer noch finster drein.
    "Ich überbringe Informationen. Nichts Besonderes, eher alltägliche Dinge."
    Das Gespräch verebbte. Ein Seufzen Linors deutete darauf hin, dass er aufgab, ihre Stimmung aufhellen zu wollen.
    Auch als sie sich mit Einbruch der Dämmerung ein Nachtlager einrichteten, schwiegen sie. Für Linor war es offenbar selbstverständlich, dass er bei ihnen blieb. Er war überall, wollte hier helfen, packte da mit an und bot sich schließlich an, Feuerholz zu suchen.


    Alaryah Schattenwind
    Bisweilen hatte sich Alaryah rausgehalten. Sie redete nur dann, wenn es wirklich nötig war. Zum einen lag es daran, dass sie schwerer mit ihren Blessuren zu kämpfen hatte als gedacht und zum anderen, dass sie Linor nur so wenig Informationen wie möglich mithören lassen wollte. Dieser Kerl war einfach ein Mysterium. Zu oft tauchte er scheinbar zufällig auf und zu undurchsichtig waren seine Ansichten und Vorhaben. Kirona und Jaro sprachen zum Glück irgendwann das aus, was auch die kleine Albin dachte. Schließlich kam Linor auf seinen Nebenerwerb zu sprechen und wollte damit begründen, warum er so ein guter Kämpfer war. Erst, als er "stattliche Waldläuferinnen" sagte bemerkte Alaryah, dass sie den Musiker viel zu lange angesehen hatte und dass sie gemeint war. Rasch wandte sie den Blick ab, verfluchte sich innerlich. So sehr sie Linor auch misstraute, so schien er dennoch eine gewisse Art der Anziehungskraft auf sie auszuwirken. <Jetzt reicht es aber.>, mahnte sie sich gedanklich selbst und war froh, dass Kirona das Gespräch weiter voran trieb...nur, damit es ein paar wenige Augenblicke später wieder zum Erliegen kam.
    Die Dämmerung brach herein und das Lager wurde aufgeschlagen. Jaro half Alaryah beim Errichten ihres Schlafplatzes, suchte dabei immer wieder ihren Blickkontakt. Doch immer dann, wenn sie gerade einen kurzen Moment für sich hatten, waren Linor oder Kirona da. "Nicht jetzt.", presste Alaryah zwischen den Zähnen hervor ohne Jaro dabei anzusehen. Er verstand.
    "Feuerholz?", fragte Kirona schließlich laut und schaute in die Runde. "Ja, wir brauchen wohl welches, ein Feuer wird nötig sein.". Alaryah sah auf, nachdem sie ihre Decke aus dem Reiserucksack geholt und zusammgefaltet auf ihre Schlafstätte gelegt hatte. "Ja, Linor. Warum geht ihr nicht und holt etwas?". Ihre Stimme klang dumpf. Alle sahen nun die kleine Albin an und natürlich war es Linor, der zuerst etwas sagte. "Wollt ihr mich nicht ein Stück begleiten? Vielleicht würden ein paar Schritte gut tun?". "Sie wird nicht...". "Schon gut, Jaro.", unterbrach Alaryah Jaro und erhob sich leise stöhnend. Langsam näherte sich Alaryah Linor, der nun zu lächeln begann. Kirona und Jaro zuckten innerlich zusammen, als Alaryah sich bei dem Musiker unterhakte und schließlich ihren Kopf an seine Brust legte. "Ihr wisst euch zu verteidigen. Ihr braucht mich dort im Wald nicht.", hauchte die Albin schon fast und löste sich dann geschickt aus Linors Umarmung. "Denkt dran, es muss für vier Leute und ein Frühstück reichen.". Dann machte sich Alaryah wieder auf den Weg zurück zu ihrem Gepäck, nicht weiter auf Linor achtend. "Sag mir, wenn er weg ist.", flüsterte sie Jaro im Vorbeigehen zu und kramte dann in ihrem Reiserucksack herum.


    Jaro Ballivòr
    Einen Moment lang sah Linor verwirrt aus, dann kehrte das Grinsen auf sein Gesicht zurück. Er nickte anerkennend in Alaryahs Richtung und schwang die Hand, als hätte er sie verbrannt. Weil Jaro nicht wusste, was eine angemessene Reaktion war, zuckte er einfach nur die Schultern. Linor schüttelte den Kopf, als wollte er Jaro andeuten, dass er noch viel zu lernen hatte. Endlich wandte er sich ab und verschwand im Wald. Er hatte begonnen ein Lied zu pfeifen.
    "Jetzt", flüsterte Jaro, Linor nicht aus den Augen lassend. Der Sänger entfernte sich langsam, sodass Jaro sich konzentrieren musste, um ihn zu zwischen den Bäumen auszumachen. Er hätte sich gewünscht, der merkwürdige Kerl wäre in Sichtweite geblieben. Es war wie, wenn Spinnen den Weg in Jaros Schlafzimmer gefunden hatten. Solange er wusste wo sie waren, machten sie ihm nichts aus.
    "Ich fürchte wir haben nicht viel Zeit." Jaro sprach so leise er konnte.


    Alaryah Schattenwind
    "Ich trau dem Kerl kein Stück über den Weg.", brummte Kirona leise und schritt unruhig hin und her, so als wartete sie bereits auf Linors Rückkehr. Wie ein Posten ging sie umher, warf immer wieder Blicke in die Richtung, in die Linor verschwunden war.
    "In Ordnung. Erst einmal: Unsere Ausrüstung ist soweit komplett. Wir haben nichts an wichtigen Gegenständen verloren, oder?". Beide überlegten kurz, waren sich dann aber schnell einig, dass noch alles da war. "Der Eingang im Turm, ganz dort unten, ist versiegelt. Der kleine Stein hat sich aufgelöst und den Zugang verschlossen, so viel ist sicher.". Alaryah griff sich an den Oberarm. "Es grenzt an ein Wunder, dass ich den Sturz überlebt habe.". Kurz fasste Alaryah ihre Erlebnisse in dem Schacht für Jaro zusammen. "Ich hatte schon fast mit allem abgeschlossen, aber dank dir bin ich aus der Finsternis wieder herausgekommen.", beendete sie schließlich ihre Ausführungen. "Ich weiß gar nicht, wie ich dir danken soll.". Da war es endlich wieder! Ein Lächeln!
    "Doch was meinst du, was sollen wir tun? Wir können Linor doch nicht zu dem nächsten Eingang mitnehmen? Diese ganze Sache sollte besser geheim bleiben...zumal wir kaum etwas über ihn wissen". Es ärgerte Alaryah ungemein, dass kaum Zeit für einen ordentlichen Dank zu ihrer Rettung war...doch die Zeit würde kommen!


    Jaro Ballivòr
    "Ich... also...", Jaros Ohren wurden heiß, "ohne Wibalt hätte ich es nie geschafft. Und ohne ihn." Er nickte in die Richtung, in der Linor verschwunden war und umriss seinerseits in möglichst knappen Worten kurz, was oben im Turm geschehen war. Er legte Alaryah die Hand auf den Arm. "Hauptsache, du bist da raus. Ich dachte schon, wir hätten dich verloren."
    Der Moment war schön, auch wenn er nicht lange währte. Sie mussten jede Sekunde nutzen.
    "Nein. Ich traue ihm auch nicht. Und selbst wenn er nichts im Schilde führt, können wir ihm all das unmöglich erklären."
    "Ich könnte ihn niederstrecken", zischte Kirona zu ihnen herüber. "Oder ich erdrossele ihn im Schlaf."
    Jaro schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht. Ich habe ihn kämpfen sehen. Was, wenn er den Angriff abwehrt und sich auf einmal gegen uns wendet? Ich kann nichts ausrichten und Alaryah muss sich unbedingt noch erholen."
    Kirona wirkte enttäuscht, doch sie nickte und begann wieder die Bäume abzusuchen. "Wo steckt der nur? Hier ist doch überall Holz! Kein Grund den ganzen Wald abzusuchen", grummelte sie vor sich hin.
    "Es wirkt nicht so, als würde er uns so schnell wieder verlassen wollen", seufzte Jaro. "Ich denke, als erstes brauchen wir einen Vorwand, wohin wir unterwegs sind. Wenn er das nächste Mal fragt, kommen wir bestimmt nicht so schnell wieder raus. Dann können wir vielleicht heimlich nach Zeichen der verbliebenen Eingänge Ausschau halten und... und hoffentlich werden wir ihn irgendwann von alleine los." Doch Jaro glaubte selbst nicht daran.


    Alaryah Schattenwind
    <Das bringt uns alles nicht weiter.>, dachte Alaryah. "Du wirst Recht haben, Jaro.", meinte die kleine Albin schließlich und kratzte sich nachdenklich am Hals. "Jedoch wird er nicht einfach gehen.". Sie schwiegen für einen Moment. "Zeig mir noch mal die Fragmente.", flüsterte Alaryah dann und Jaro wollte direkt zu seinem Gepäck. Alaryah hielt ihn zurück. "Vorsichtig.", fügte sie leise hinzu und schon bald war Jaro mit dem Pergament zurück. Mit einem flinken Handgriff hatte Alaryah Jaro die Fragmente abgenommen und in ihrem Ärmel verstaut. Er wollte etwas sagen, doch verstummte bei ihrem Blick. Kirona wandte sich ihnen nun wieder zu. "Ich glaube da kommt er.". Sie ging ein paar Schritte in die Richtung, in der sie Linor vermutete. "Ich werde mir die Fragmente ansehen und versuchen herauszufinden, wo wir als nächstes hin müssen. Wir werden Umwege laufen. Das wird nicht schön, aber vielleicht hilft es. Irgendwie können wir ihn dann möglicherweise abschütteln.". Alaryah gefiel diese Idee selbst nicht sonderlich gut, da zu viele Ungewissheiten darin steckten. "Wir lassen uns erst einmal nichts anmerken.". Die Albin sah nun fragend in die Runde. Waren wohl alle damit einverstanden? Alaryah hegte die Hoffnung in sich, dass jemand gerade genau den Geistesblitz hatte, der sie aus dieser Sache rausbringen würde...


    Jaro Ballivòr
    Aufmerksam folgte Jaro Alaryah. "Alles klar. Am besten tun wir so, als wäre alles in Ordnung. Aus seiner Warte sollten wir wahrscheinlich froh sein, dass wir überhaupt noch leben." Jaro fasste den Entschluss, sich bei Linor zu bedanken. Das war doch, was man normalerweise tat, oder? Wenn man nicht fürchten musste, von einem wahnsinnigen Mörder gerettet worden zu sein. "Ich werde ab und zu das Gespräch mit ihm suchen. Vielleicht kann ich ihn ablenken."
    "Da! Da war er doch gerade?", erklang Kironas Stimme. "Jetzt reicht es. Ich sehe nach." Ehe Jaro und Alaryah reagieren konnten, marschierte sie ins Dunkel des Waldes hinein.
    "Hast du denn schon eine Ahnung wo die Eingänge liegen könnten? Ich meine, die anderen zu finden war ja schon ohne Umwege und Geheimhaltung nicht leicht." Erschrocken stellte Jaro fest, wie entmutigend er klang.


    Alaryah Schattenwind
    "Kirona, warte, du solltest...". Es war zu spät. Kirona war schon davongerauscht. "Na, ob das mal gut geht...", murmelte Alaryah und fügte ein "für ihn." an. Wieder flammte ein schwaches Lächeln auf.
    "Nein, Jaro. Ich muss zugeben...ich habe keine Ahnung. Ich hoffe einfach, dass ich irgendetwas herausbekomme.". Er wirkte geknickt. "Heeey.", sagte Alaryah leise, setzte sich zu ihm und stieß ihn sanft mit der Schulter an. "Kopf hoch, Jaro. Wir sind doch schon so weit gekommen...und es sind noch zwei Eingänge, weniger als die Hälfte. Die schaffen wir auch noch.". Sie bemühte sich positiv und aufmunternd zu klingen, unterdrückte den dumpfen Schmerz und die Müdigkeit in ihrem Körper. "Vielleicht ist es auch ganz gut, wenn Linor nicht weiss, dass die Fragmente jetzt bei mir sind. So kann ich bei Gelegenheit heimlich ein Blick draufwerfen. Wir dürfen jetzt nicht den Mut verlieren!".


    Jaro Ballivòr
    Jaro lächelte Alaryah schwach an. "Wir schaffen das irgendwie", bestätigte er ihre Worte. "Ich werde Augen und Ohren offen halten. Jetzt haben wir ja schon ein wenig Übung. Vielleicht finden wir die anderen Eingänge leichter." Feuer und Licht... Die beiden waren noch übrig. Eine Weile dachte Jaro über die beiden Elemente nach, doch wie so oft kam er zu dem Schluss, dass sie alles und nichts verkörpern konnten. "Glaubst du, er hat was mit alldem zu tun? Linor?", sprach er schließlich einen ganz anderen Gedanken aus. "Ich meine, er hat uns mehrfach geholfen, aber was, wenn das alles zu einem Plan gehört? Oder steht er am Ende wirklich auf unserer Seite? Ich kann ihn nicht einschätzen." Er schüttelte den Kopf, um seine Worte zu unterstreichen.
    Von Kirona und Linor war immer noch keine Spur. Langsam wurde es frisch. Jaro machte das nichts aus, doch er fürchtete, Alaryah könnte frieren, geschwächt wie sie durch ihre Verletzungen war.


    Alaryah Schattenwind
    Alaryah mochte Jaros Gedankengänge nicht, jedoch konnte sie ihm diese auch in keinster Weise übel nehmen. "Es ist wirklich viel geschehen.", sagte sie dann und ließ die Begegnungen mit Linor noch einmal in ihrem Kopf revue passieren. "Er ist uns bei dem Fest begegnet. Da waren wir noch gar nicht in Besitz der Steine...aber Kirona war bei uns. Er kann sich doch nicht wegen ihr an unsere Versen geheftet haben?". Nachdenklich zog Alaryah die Beine an und stütze ihren Kopf ab. Schließlich knibbelte sie mit dem kleinen Finger ihrer linken Hand an der Unterlippe herum. "Du meinst, er könnte auch von jemandem auf uns angesetzt worden sein? Vielleicht von Kironas ehemaligen Meister?", sponn Alaryah ihre Gedanken weiter."Doch wie sollte dieser an Linor kommen oder ihn hier einschleusen?". Ein sanfter Wind kam auf und griff sacht nach Alaryahs Haar. Kaum merklich kauerte sich die Albin etwas mehr zusammen. "Aber...selbst wenn es nicht so ist und er aus freien Stücken helfen will...warum sollte er dies tun? Einfach so, ohne Hintergedanken? Wir sind doch keine Personen von Namen oder Rang?". <Aber vielleicht sind wir als Gruppe so ungewöhnlich, dass wir eben auch ungewöhnliche Leute anziehen?>.


    Jaro Ballivòr
    Die meiste Zeit hatte Jaro den Eindruck gehabt, Linor folgte ihnen hauptsächlich wegen Alaryah. Er sprach es allerdings nicht aus, aus Angst, die Stimmung gleich wieder runter zu ziehen. "Du hast Recht, das erscheint alles so irrwitzig... allerdings rechne ich langsam mit allem." Er grinste schüchtern. Da ließ ihn das Knacken trockenen Holzes hochschrecken.
    "Na ihr Turteltauben?" Linor hatte nichts von seiner überschwänglichen Laune verloren. Kirona folgte ihm hingegen mit grimmiger Miene. "Hier ist Holz", er warf ein provisorisch geschnürtes Bündel Zweige über die Schulter. "Und wir haben sogar ein Abendessen gefunden."
    Kirona leerte ihr umgeschlagenes Hemd und knollige Pflanzen purzelten heraus.
    Jaro suchte ihren Blick. Wie lange waren sie schon in Hörweite? Hatte Linor etwas mitbekommen? Doch Kirona gab ihm keinerlei Signal.
    "Danke", stammelte Jaro schließlich hervor und sprang auf die Beine, um zu helfen, das Holz aufzuschlichten.

    Jaro Ballivòr
    Selbst Jaros Augen erkannten nichts als Schwärze. Er kniff die Augen zusammen, doch es war sinnlos. Schon nach wenigen Metern konnte er nicht einmal mehr das runde Gemäuer des Schachts ausmachen. Der Gedanke dort hinab zu steigen, schauderte ihn. Die Luft roch feucht und war kalt. Eines stand fest: dieses Loch war verdammt tief... Tief genug, um zu einer unterirdischen Festung zu führen? Er schluckte und sah Alaryah an, die schon über den Weg hinab zu grübeln schien.
    "Wenn die Soldaten hier abgestellt sind, um den Eingang zu bewachen", überlegte Jaro laut, "dann kennt ihr Auftraggeber diesen Schacht und will ihn vielleicht auch einmal benutzen... Vielleicht haben wir Glück, und er hat die Ausrüstung dafür schon hierher gebracht!" Gemeinsam machten sie sich erneut daran, das kleine Turmzimmer zu durchsuchen. Alaryah ging zielstrebig zu den Ausrüstungsgegenständen, die sie zuvor schon entdeckt und relativ ungesehen zur Seite geschoben hatte. Tatsächlich mussten sie nicht lange suchen. In einer Kiste lag ordentlich aufgerollt ein langes Seil, das locker so dick wie zwei von Jaros Fingern war. Direkt darunter befand sich eine Art Geschirr, das Jaro an Halfter für Pferde erinnerte. Alaryah schien zu wissen, wofür es gedacht war, denn sie nahm es sofort heraus und stieg mit beiden Beinen hinein. "Das ist genau für diesen Zweck hier", murmelte sie. Unterdessen arbeitete Jaro sich durch benachbarte Boxen und fand schnell ein paar kleine Fackeln.
    "So weit, so gut", sagte er aufgeregt. "Aber wie sollen wir das Seil befestigen?" Der Gedanke, er müsse Alaryah halten, die entschlossen schien, selbst hinab zu steigen, jagte ihm Angst ein. Wenn er sie fallen ließ... Nervös blickte er sich um, ob es irgendwo Befestigungsmöglichkeiten gab.


    Alaryah Schattenwind
    Kurze Zeit später hatte Alaryah die Kletterausrüstung auch schon angelegt. So stand sie erst ein paar Augenblicke da, starrte wieder in die Tiefe. "Meinst du, der hier hält?", hörte Alaryah Jaro schließlich fragen. Sie schaute hinüber. Jaro deutete zu einem in der Wand eingelassenen Metallring. Scheinbar hatte man dort in der Vergangenheit ebenfalls Gefangene gehalten. Alaryah nickte und gemeinsam befestigten sie das eine Ende des Seils mit einem dicken Knoten an dem Ring, das andere Ende band Jaro an die dafür vorgesehen Öse an der Rückseite von Alaryahs Klettergeschirr. "Du musst mich nach und nach runterlassen.", stellte Alaryah fest und bemerkte schnell, dass Jaro leicht das Gesicht verzog. "Keine Sorge, ich bin nicht so schwer.". Sie entzündete eine der Fackeln und umfasste noch einmal den kleinen Stein in ihrer Tasche. Er war immer noch dort. "Dann mal los.", sagte Jaro, nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte. Alaryah setzte sich auf die Kante, sodass ihre Beine über der Leere baumelten. Auch ihr war nicht ganz wohl bei der Sache. "Oh Jaro, warte! Du solltest die Handschuhe anziehen! Falls ich abrutsche hast du besseren Halt und reisst dir nicht die Hände am Seil auf!". Ein guter Hinweis. Dann ging es endlich los. Die kleine Albin schloss die Augen, holte tief Luft und schwang sich hinab in die Dunkelheit. Noch hatte Jaro keine Probleme das Seil sicher zu halten. In kontrollierten, fast gleichen Abständen ließ er etwas locker, sodass die Albin vorankam. "Lass mich bitte nicht fallen.", hatte sie noch gesagt und seltsam gelächelt. Erneut schaute Jaro über die Kante. Der Fackelschein war erschreckend geschrumpft, doch immer noch zu sehen. Manchmal, wenn Alaryah da so baumelte, warf sie schaurige und lange Schatten an die Wände. Es war, als würden dunkle Gestalten nach ihr greifen... Jaro schüttelte den Kopf und konzentrierte sich wieder. Wann mochte sie dort unten ankommen? Und vor allem...Was, wenn dort schon jemand oder etwas auf sie wartete?!


    Jaro Ballivòr
    Immer wieder spähte Jaro hinab, dabei wusste er gar nicht, was zu sehen hoffte. Vielleicht wollte er einfach nur sicher gehen, dass die Fackel noch brannte. Pausenlos hielt er die Muskeln angespannt und stemmte sich mit seinen Füßen gegen den Rand des Schachts. Alaryah wog tatsächlich nicht viel, doch die Furcht, sie fallen zu lassen, saß tief in Jaros Knochen. Auch wollte er bereit sein, falls sie in Gefahr geriet und er sie schnell wieder hochziehen musste. Er merkte nicht einmal, dass er viel fester zupackte, als nötig gewesen wäre und bald begannen seine Hände vor Anstrengung zu zittern. Schweiß trat Jaro auf die Stirn. Hinzu kam, dass er ständig fürchtete, jemand könnte ihr Verschwinden bemerkt haben und die Treppe hinauf eilen. Was sollte er dann machen? Er konnte ja schlecht einfach loslassen... In Gedanken versunken und von der Erschöpfung schon ein wenig eingelullt, geschah es dann. Jaro verlor den Halt mit seinem rechten Fuß und kippte zurück. Vor Schreck entglitt ihm fast das Seil und als er wieder zupackte, ruckte es ihn regelrecht nach vorn, sodass er einen Moment lang fürchtete, in die Tiefe zu stürzen. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und Schwindel nahm ihm die Sicht. Aus der Tiefe hörte er Alaryah schreien oder fluchen, er konnte ihre Worte nicht verstehen. Wild atmend stemmte Jaro sich wieder so fest er konnte gegen das Seil und brauchte einen Augenblick, bis er Alaryah das nächste Stück ablassen konnte. Er wollte ihr zurufen, ob alles in Ordnung sei, doch seine Stimme versagte ihm., während ihm weiter der eigene Herzschlag in den Ohren dröhnte.


    Alaryah Schattenwind
    Die Eintönigkeit der kargen Wände und das Gefühl schon wieder viel zu weit unter der Erde zu sein bedrückten Alaryah. Ihre Fackel spendete weiterhin Licht, doch wie lange mochte dies noch so bleiben? Wieder und wieder hielt sie die Fackel so weit unter sich, wie es nur ging. Vor Alaryahs innerem Auge krochen schon wieder Gestalten aus der Dunkelheit...doch zwang sie sich zur Ruhe. Plötzlich gab das Seil, gerade als Alaryah den nächsten Teil der Strecke hinter sich brachte, abrupt nach und die Albin raste hinab. Sie schrie erschrocken auf, versuchte sich festzuhalten, doch vergeblich. Panik hatte von Alaryah Besitz ergriffen. Durch den Fall wäre beinahe die Fackel erloschen, doch dann schien das Seil wieder einzurasten. Unsanft prallte die Albin gegen eine der Seitenwände, sämtliche Luft wurde aus ihrer Lunge gepresst. War Jaro einfach nur abgerutscht, oder schwebte er in Gefahr? Alaryah konnte es nicht mit Sicherheit sagen. Sie schnaufte mehrmals um wieder zu Atem zu kommen, doch auch ihre Rufe blieben unbeantwortet. Dann ließ man ihr wieder Seil und die Reise nach unten konnte weitergehen. Erst jetzt merkte die Albin die Schmerzen, die sie durch den "glücklichen" Halt erlitten hatte. Blutergüsse und Schürfwunden würde es geben, so viel war sicher. Dann riss sie die Augen auf. War der Stein noch da?! Hastig tastete Alaryah nach ihrer Gürteltasche. Der Stein befand sich weiterhin an seinem Ort, war jedoch erstaunlich kühl geworden. Es machte sogar den Anschein, dass ein schwaches Licht in ihm verglomm.
    Jaro bekam von all dem gerade nichts mit. Mit Mühe und Not hatte er den Sturz gebremst, verfluchte sich innerlich. Er hoffte, dass Alaryah nichts passiert war...
    Alaryah bemerkte plötzlich mehrere Steine in der Wand, die auffälliger waren als andere. Seltsame Schriftzeichen waren dort eingraviert und je tiefer sie kam, desto mehr wurden es. Dann offenbarte der Fackelschein Alaryah etwas, was sie nicht in diesen Tiefen erwartet hatte...


    Jaro Ballivòr
    Irgendwann viel später brachte Jaro es dann doch über sich, zu rufen. "Alaryah?", sagte er gerade in Zimmerlautstärke. Er wusste nicht, wie laut er sein durfte, ohne durch das ganze Treppenhaus gehört zu werden. Vielleicht hatte er Glück und der Ton hallte im Schacht so laut nach, dass Alaryah ihn hörte? "A... Alaryah?" Er versuchte es etwas lauter. Hoffentlich hatte sie sich nichts getan! Er hatte sie einfach weiter hinab gelassen wie vereinbart und erst jetzt, da der Schock endlich nachließ, wurde ihm bewusst, dass sie sich ernsthaft verletzt haben könnte. Immerhin hing sie noch am Seil, das spürte er, doch was, wenn sie bewusstlos war? "Alar-" Ein plötzlicher Zug am Seil ließ Jaro inne halten. Wieder - dieses Mal fester. Und dann noch einmal und noch einmal in kürzeren Abständen. Das war ihr vereinbartes Zeichen. Er musste sie hochziehen. Langsam und konzentriert gab Jaro das Seil von Hand zu Hand. Auf keinen Fall wollte er sich einen weiteren Lapsus erlauben. Doch sein Stand war fest und die Aussicht, Alaryah dort wieder hinaus zu kriegen, gab ihm zusätzlich Kraft. Stück für Stück zog er, obwohl seine Arme bereits brannten und als er vorsichtig über den Rand spähte sah er erleichtert, wie nahe das Licht schon war. Er wagte, die Geschwindigkeit zu erhöhen und schließlich zog sich Alaryah selbst über den Rand. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, da polterte es weiter unten im Turm. Rufe ertönten, Fußgetrappel, klirrendes Metall. Jaro und Alaryah sahen sich an. Ihr Verschwinden war bemerkt worden und schon jetzt eilten Männer die Treppe hinauf.


    Alaryah Schattenwind
    "Verdammt.", fluchte die Albin und verzog grimmig das Gesicht. "Was machen wir denn jetzt?!". Sie sah sich um. "Wir müssen die Tür verbarrikadieren!". Die beiden hasteten umher, schoben ein paar Kisten vor die Tür. Es würde nicht sonderlich lang helfen, so viel war sicher. "Wir dürfen nicht zulassen, dass dieser Eingang offen bleibt.", sagte Alaryah schließlich und atmete schwer. Sie trug immer noch ihre Kletterausrüstung, weiterhin das Seil hinter sich herschleifend. "Ich weiss allerdings nicht, WIE wir diesen hier versiegeln sollen.". Mit der Faust schlug Alaryah dumpf auf eine der Kisten. "Der Stein hat einmal schwach geleuchtet, glaube ich zumindest.". Die Geräusche hinter der Tür kamen näher. "Was hast du denn dort unten gesehen? Eine Tür? Eine Luke? Irgendwas?", versuchte Jaro zu helfen. Alaryah schüttelte den Kopf. "Ich kam hinterher an gravierten Steinen vorbei und...". Weiter kam sie nicht. Jemand trat von außen gegen die Tür. "Ihr könnt euch nicht verstecken!", dröhnte es von dort. "Wir kommen jetzt rein und stechen euch ab!". Alaryah und Jaro warfen sich gegen die provisorisch aufgeschichtete Barrikade, wurden von dem wüsten Ansturm jedoch mehrmals zurückgeworfen. "Jaro, was sollen wir tun?!". Zum ersten Mal seit ihrer ersten Begegnung erkannte Jaro Panik und Furcht in Alaryahs Augen. Die Situation war überaus verzwickt. Sie hatten nur eine Kletterausrüstung und die würde sie nicht beide halten, sollten sie denn den Weg nach unten wählen. Außerdem blieb nicht die Zeit für einen sicheren Abstieg, so lange würden Tür und Barrikade nicht halten. Sollten sie bleiben und kämpfen? Was war mit Kirona? War sie noch am Leben? Plötzlich ging alles sehr schnell. Ein weiterer Ansturm von außen schmetterte gegen das Holz und die Tür flog aus den Angeln. Langsam aber stetig arbeiteten sich Äxte und Streitkolben hindurch, etwas weiter entfernt kamen Alaryah und Jaro wieder auf die Beine. "Das war es dann wohl.", keuchte Alaryah und zog ihre Waffen. Über die Schulter hinweg sah sie zu Jaro, Tränen stiegen ihr in die Augen. Schnell huschte sie zu ihm hinüber, schloss die Augen und drückte ihre Stirn an seine. "Wir werden uns wiedersehen.", sagte die Albin mit zittriger Stimme und wirbelte herum, als das Holz nun endgültig und krachend nachgab.
    Mehrere Schergen betraten den Raum und reihten sich nebeneinander auf wie Raubtiere, die den Kreis um ihre Beute enger ziehen wollten. Mit einem Stoßgebet in Gedanken und einem Kampfschrei auf den Lippen stürmte Alaryah voran. Dann passierte jedoch etwas, mit dem sie nicht gerechnet hatte. Von der Seite raste einer der Männer heran, lief genau in die kleine, zierliche Albin hinein und stieß sie mit der Schulter um. Alaryah wartete auf den harten und unangenehmen Aufprall...doch er blieb aus. Sie fiel. Und fiel. UND FIEL!?


    Jaro Ballivòr
    Eine allgemeine Atempause entstand, als alle Augen im Raum auf den Schacht gerichtet waren, der soeben Alaryah und den Wächter geschluckt hatte. Nur langsam kam die Botschaft in Jaros Bewusstsein an... Alaryah... die Luft blieb ihm weg, er taumelte und musste sich auf einer der Kisten abstützen, um nicht zu fallen. Nein! Alaryah! Gegenüber räusperte sich jemand und als Jaro den Kopf wandte, blickten sich die Männer untereinander an, wie um sich an ihr eigentliches Vorhaben zu erinnern. Jaro schluckte. Er wich weiter zurück und stieß gegen den nächsten Stapel wahlloser Kisten und Gegenstände. Es gab keinen Ausweg. Langsam kamen die Schergen auf ihn zu und Jaro wusste nicht, ob sie mit ihm spielten oder ob sie irrsinnigerweise Angst hatten. Von der eigenen Panik getrieben, sprintete Jaro los. Wenn er die Reihe durchbrechen und ins Treppenhaus gelangen konnte, konnte er es schaffen. Doch er kam nicht weit. Schmerzhaft prallte er gegen den ausgestreckten Arm eines Postens, wurde ausgehebelt und fiel auf den Rücken. Sämtliche Luft wurde aus seiner Lunge gepresst. Dann drückte ihn ein Fuß auf den Boden und eine Klinge erschien in seinem flimmernden Blickfeld. "So, Freundchen. Das war's jetzt."
    "Aber... was ist mit der Befragung?", warf ein anderer ein.
    "Scheiß auf die Befragung! Mir gefällt die ganze Sache nicht. Sie sind Eindringlinge und wir machen sie weg. Erst den da und dann die Wahnsinnige dort unten." Er wies zur Tür. Wie auf Kommando, betrat in diesem Moment noch jemand den Raum.
    "Nimm die Klinge weg, Branhard."
    "Wieso sollte ich? Die dreckigen Alben haben im verbotenen Raum herumgeschmuggelt. Sie haben das hier gefunden," wobei er auf den Schacht wies, "glaubst du, die Meister lassen uns ganz, wenn sie erfahren, dass wir sie haben laufen lassen?"
    "Sein Leben für meines. Ich schulde es ihm."
    Einen Moment herrschte Stille. Dann erhöhte sich der Stiefeldruck auf Jaros Brust und der Mann namens Branhard knurrte. "Scheiß auf dein Leben, Wibalt!" Er holte mit der Klinge aus und Jaro sah sein eigenes entsetzte Spiegelbild darin, ehe das schmatzende Geräusch von Stahl in Fleisch ertönte. Doch der Schmerz blieb aus. Branhard röchelte und als Jaro einen Blick nach oben riskierte, sah er, wie Wibalt sein eigenes Schwert aus dem Hals des Mannes zog. Sofort setzte Gemurmel ein. Ein Mann griff Wibalt an, der ihn abwehrte, ohne ihn zu verletzten. "Hört mir zu!", rief er. "Hier ist etwas Böses am Werk, etwas Dunkles. Wir hätten uns nie darauf einlassen dürfen."
    "Feigling!", spuckte ein anderer aus und mehrere fielen in seine Proteste ein. Doch einige schlugen sich auch auf Wibalts Seite und ehe Jaro sich versah, brachen um ihn herum Gefechte aus. Rückwärts robbte er in Richtung Tür und hatte dabei Mühe, den Füßen und Waffen der Kämpfenden auszuweichen. Sein Blick fiel auf den Schacht und Verzweiflung schnürte ihm einmal mehr die Kehle zu. Alaryah... erst jetzt wurde ihm so richtig bewusst, dass er seine Freundin für immer in der Tiefe verloren hatte.


    Alaryah Schattenwind
    Alaryah öffnete die Augen. Im freien Fall raste sie dem Abgrund entgegen. Sie war nicht allein? Einer der Schergen fiel ebenfalls mit ihr den Schacht hinab, versuchte wieder und wieder die Albin zu greifen, das Gesicht von Wut und Hass verzerrt. Er wollte sie immer noch umbringen! Alaryah wehrte die groben Angriffe ab. Irgendwann bekam der Kerl sie jedoch mit einem groben Griff zu packen. Er zog die kleine Albin mühelos zu sich, und tastete nach seinem schartigen Messer am Gürtel. "Du gehst hier vor mir drauf, Kurze!", sagte er mit mehr als feuchter Aussprache und grinste. Alaryah dachte nicht lange nach und schlug dem Kerl die Faust ins Gesicht, wieder und wieder. Ihr Körper reagierte von selbst, von purem Überlebenswillen gesteuert. Endlich ließ der Mann von ihr ab, schlug mit dem Kopf an die Wand des Schachts und prallte davon ab. Alaryah griff nach dem Stein in ihrer Tasche. Jetzt konnte ihr niemand mehr helfen. Alles war umsonst gewesen. Wahrscheinlich hatten die Kerle Kirona feige abgestochen, ohne, dass sie auch nur den Hauch einer Chance hatt sich zu wehren. Und was mochten sie erst mit Jaro anstellen? Alaryahs Blickfeld wurde verschwommen, sie fiel schneller als ihre Tränen, schneller als der Scherge, der erneut gegen die Wand prallte und...schneller als der Stein! Sie schloss die Augen. Der Stein, der nun wieder schwach leuchtete, war ihren Fingern entglitten. So nah und doch so fern vom Ziel. Sie hatten versagt. Sie hatte versagt.
    Alaryahs Fall wurde gebremst, sie prallte von etwas ab und erinnerte sich. Da waren diese Wurzeln gewesen! Viele feine Wurzeln, die eine netzartige Struktur gebildet hatten. Die Steine mit den Schriftzeichen tauchten um sie herum auf. Sie war in etwa dort, wo ihr erster Abstieg geendet hatte. Es knirschte laut, als Alaryah durch zahllose Schichten Wurzelwerk fiel, weitere feine Äste brachen, als der Scherge folgte. Die kleine Albin schrie wie am Spieß, als die weichen Wurzeln von Ästen und Dornen abgelöst wurden. Dann endete Alaryahs Sturz endgültig. Sie blieb in einer Astgabelung hängen, hatte überall Kratzer und Schnitte, blutete aus schier unzähligen kleinen Wunden. Der Scherge landete schließlich auf einer Art Moosfläche, nicht weit unter ihr. Sie hatten den Boden erreicht! Doch wo war die Luke? Wo war die Tür, das Portal? Alaryah schaute nach oben. Ein kleines Licht raste auf sie zu. Es wurde heller und heller. Die Albin verdeckte unbeholfen die Augen mit ihrem linken Arm, während sie sich mit dem anderen an der Astgabel festhielt. "Wir...sind...noch nicht fertig!", krächzte der Soldat von unten und versuchte auf die Beine zu kommen. Dann schoss das Licht an Alaryah vorbei und erst jetzt ging ihr auf, dass es sich um den Stein handeln musste, den sie zum Versiegeln des Eingangs mitgenommen hatte. Durch den freien Fall, die Luftströme, schien er seine Kraft entfesselt zu haben! Kurz vor dem Wächter platzte der Stein auf und es war, als würde ein Sturm tosen. Alaryah hatte Mühe, sich an dem bröckelnden Ast festzuhalten. Dann grollte es, wie ein Gewitter in der Ferne und der Stein löste sich endgültig auf. Eine Wolke breitete sich aus und versperrte die Sicht auf den Mann am Boden mehr und mehr. Er fluchte, warf Alaryah Verwünschungen entgegen, die jedoch leiser und leiser wurden. Sie zog an dem Seil. Die Wolke breitete sich weiter aus und wurde dichter. Der Kerl war nun nicht mehr zu sehen, seine Rufe waren kaum mehr als ein Flüstern. Ihre letzten Kräfte aufbringend und voller Verzweifelung riss Alaryah an dem Seil, welches schlaff nachgab. "Nein...bitte...", flehte sie leise. "Bitte..."


    Jaro Ballivòr
    Das Seil zuckte. Jaro verharrte wie vom Blitz getroffen. Er starrte auf den Strick. Hatte er sich das nur eingebildet? Sah er nur, was er sehen wollte? Eilig sah er sich um. Die Tür war nah. Die Männer rangen noch immer miteinander, wobei zwei schon stöhnend am Boden lagen, ihre Hände auf verschiedene Wunden gepresst. Sollte er es riskieren... oder fliehen? Jaro presste die Lippen aufeinander und schalt sich innerlich für diese Frage. Selbstverständlich würde er nachsehen! Wenn es nur die geringste Chance gab, dass Alaryah noch lebte, musste er sie ergreifen. Unauffällig änderte er seine Richtung und bewegte sich auf das Loch im Boden zu. Endlich erreichte er das Seil und zögerte kurz. Was, wenn er daran zog und keine Antwort kam? Er verscheuchte den Gedanken. Es war ein ganzes Stück mehr im Schacht verschwunden als zuvor, doch noch immer war das Seil nicht stramm. Vorsichtig zog er, erst sachte, dann bestimmter... und er bekam eine Antwort! Bitte, lass es Alaryah sein, flehte er im Stillen. Sitzend stemmte er sich gegen den Rand und zog. Sie war es, das erkannte er sofort am Gegengewicht. Verstohlen sah er sich um, doch noch schien niemand bemerkt zu haben, was er tat. Im Vergleich zu vorher zog Jaro wesentlich schneller. Er durfte keine Zeit verlieren! Bitte, bitte!, flehte er stumm.
    "Was tust du da du Wurm?", grollte plötzlich eine Stimme und Jaros Herz sank in die Hose. Der Mann stieß seinen Gegner zur Seite und kam auf ihn zu. Im Hintergrund rappelte sich der Kämpfer auf, der auf Wibalts Seite gestanden hatte. Doch anstelle anzugreifen, trat er neben den Mann und runzelte die Stirn.
    "Diesen Sturz kann doch keiner überlebt haben. Lass gut sein Junge, du ziehst eine Leiche da raus."
    Ohne zu antworten, zog Jaro weiter.
    "Nein. Die lebt. Und er weiß das", knurrte der erste. Mit erhobener Waffe ging er weiter auf Jaro zu, dem nun zum wiederholten Mal die Panik in die Glieder kroch.
    "Halt." Wibalt trat dem Angreifer in den Weg. "Ich-" Weiter kam er nicht. Ein Schwert ragte aus seiner Seite. Jaro sah, wie er beinahe ungläubig den Kopf drehte und den Mann erblickte, den er vermutlich schon besiegt geglaubt hatte. Dann ging er zu Boden.
    "So... dein Leben für seines also. Dafür kann ich sorgen."
    Böse grinsend setzte der Krieger an, das letzte Stück zu Jaro zu überbrücken.

    Jaro Ballivòr
    Hektisch sog Wibalt Luft durch die Nase ein und gab so etwas wie ein Keuchen von sich. Seine Augen traten hervor und sein Gesicht war knallrot. Allerdings war nicht er es, der im Augenblick die größte Aufmerksamkeit genoss. Alaryah und Jaro hatten ihren Blick gleichermaßen auf Kirona gerichtet, die den Stab ein, zwei Mal um ihr Handgelenk kreisen und dann neben sich auf den Boden schnellen ließ.
    "Mmmmmh", machte Wibalt und dieses Mal klang es eher wie Gejammer als Geschimpfe. Kironas überharte Rüge hatte gesessen.
    "Also", setzte Alaryah erneut an, "wir haben ein paar Fragen und die Qualität deiner Antworten entscheidet, wie wir weiter mit dir verfahren." Sie warf einen weiteren Seitenblick auf Kirona, die Wibalt ununterbrochen anstarrte und den Stab fest umklammert hielt.
    "Mmmhhmmmhhmmm", machte der Wächter und deutete auf den Knebel.
    "Alles zu seiner Zeit", Alaryah nickte Jaro zu und er näherte sich vorsichtig dem Mann, um ihm den Stoffballen aus dem Mund zu nehmen. "Wenn du schreist, stopfe ich ihn dir sofort wieder rein", sagte er und zuckte zusammen, als ein sausendes Geräusch die Luft zerschnitt.
    "Keine Sorge. Er ist tot, bevor ein Ton seine Kehle verlässt." Wie aus dem Nichts war eine kurze Klinge an Wibalts Hals erschienen und Kirona sah nicht so aus, als scherzte sie. "Nur zu, Jaro." Zwar lächelte sie, doch Jaro war trotzdem mulmig zumute. Mit zittrigen Händen nestelte er an dem Knoten herum und schaffte es schließlich ihn zu lösen. Als erstes nahm Wibalt einen tiefen Luftzug und befeuchtete seine Mundhöhle.
    "Das ist meiner", knurrte er dann.
    "Jetzt nicht mehr", entgegnete Kirona. "Ein schöner Dolch. Arashi Schmiedekunst?"
    "Kirona, die Fragen...", sagte Jaro vorsichtig.
    "Eine Antwort habe ich schon: die Dreckskerle kommen aus Naridien."
    "Wie viele seid ihr dort oben?" Alaryah nickte in Richtung Ruine.
    Ein fieses Grinsen breitete sich auf Wibalts Gesicht aus.
    "Mehr, als ihr jemals bezwingen könnt, Albenweib."
    "Beantworte die Frage!", knurrte Kirona und Wibalt keuchte auf, als sie die Klinge fester auf seinen Hals drückte und einzelne Bluttropfen hervorquollen.
    "Vierunzwanzig", beeilte er sich zu sagen.
    "Warum seid ihr hier? In dieser Ruine?"
    Kurz zuckten Wibalts Augen zu Kirona und er entschied scheinbar, dass es besser war, direkt zu antworten.
    "Wir behüten ihn."
    "Wen?"
    "Den Eingang."
    Jaro und Alaryah warfen sich vielsagende Blicke zu. Das war das schlimmste, was passieren hätte können. Wenn die Posten genau das bewachten, wohin sie zu gelangen suchten, würden sie niemals heimlich dorthin kommen.
    "Was für einen Eingang?", hörte Jaro sich selbst fragen.
    "Keine Ahnung... ein Geheimgang, ein Eingang, irgendwas. Es hieß "Bewacht es mit eurem Leben" und jetzt versauern wir seit Wochen hier und keine Menschenseele hat sich die Mühe gemacht diesen verschissenen Hügel hinauf zu laufen. Könntest du BITTE ein bisschen weniger fest drücken??"


    Alaryah Schattenwind
    "Wer schickt euch?", fragte Alaryah nun erstaunlich kühl. Es war fast so, als fürchte sie nun schon die Antwort des Schergens. "Was weiss ich denn?", blaffte Wibalt und versuchte von der Klinge wegzurutschen. Es wollte ihm jedoch nicht sonderlich gut gelingen. "Sag uns, was du über euren Auftraggeber weisst.", zischte Kirona, packte Wibalts Kopf und zog ihn nach hinten. Die Klinge bohrte sich sanft unter das Kinn des Mannes, der nun sichtlich eingeschüchtert die Augen aufriss. "Und ich hoffe für dich, dass es wertvolle und vor allem richtige Informationen sind.". Langsam bewegte Alaryah den Arm nach vorn. Sanft legte sie ihre Hand auf die von Kirona und vorsichtig, aber auch bestimmend, zog die Albin die Klingenhand unter Wibalts Kopf etwas weg. Er bemerkte es erst gar nicht. "Ich kann da nichts Genaues sagen.", murmelte der Mann und bewegte langsam den Kopf, weiterhin mit der Kälte der Klinge rechnend. "Vor etwa zwei Monaten kam so ein Kerl in unser Lager. Ich habe den selbst nur aus der Ferne gesehen, trug eine Robe mit Kaputze. Er hat auch mit niemandem wirklich geredet, nur mit unserem Hauptmann.". Die drei sahen sich abwechselnd an. "Und euer Hauptmann hat dann die Vereinbarung getroffen? Muss aber auf jeden Fall ein guter Preis gewesen sein, dass ihr etwas mit eurem Leben verteidigt von dem ihr nicht einmal wisst, was es genau ist.". "Klimperne Münzen lassen doch irgendwann jedes Herz erweichen.", antwortete Wibalt schon fast gleichgültig. "Scheinbar gab es ordentlich Asche, sonst wären wir hier längst schon wieder weg. Niemand hängt freiwillig in einem Wald voller Alben herum und sitzt auf einem Hügel voller Mysterien. Pah! So ein Unfug.". Alaryah biss die Zähne zusammen. Sie hatte eine Hand zur Faust geballt und bemerkte erst jetzt, dass diese zitterte. Sie war kurz davor gewesen zuzuschlagen. Diese Art, dieses Fehlen von Ehre und Loyalität, dieser ganze Haufen dort oben... Alaryah wandte einen Moment den Blick ab. Derweil fragte Kirona Wibalt weiter aus. Sie wollte Informationen über Bewaffnung und Verteilung der Posten, sowie deren Schichten und Wachwechsel. "Kommt euer Auftraggeber hier her?", fragte Jaro schließlich, doch Wibalt schüttelte nur den Kopf. "Nein, er selbst natürlich nicht. Diese Leute haben doch für alles ihre Untergebenen. Nein. Er nicht, er wollte jemanden schicken. Es hieß, derjenige würde sich uns schon zu erkennen geben.". Wibalt machte eine kurze Pause. "Ich hoffe für euch drei nur, dass dies nicht gleich passiert. Dann habt ihr auf jeden Fall äußerst schlechte Karten will ich meinen.". Ein dumpfer Schlag lenkte Alaryahs Aufmerksamkeit wieder auf das Geschehen. Kirona hatte dem Schergen erneut eine verpasst. "Spuckt nicht zu große Töne, seid ihr es doch, der hier in einer äußerst schlechten Lage ist.". Sie wandte sich dann Jaro und Alaryah zu. "Wir können auch noch einen anderen von ihnen befragen. Ich würde mich auch hierum kümmern.", meinte Kirona und deutete mit der Klinge auf Wibalt, der nun erschrocken den Kopf schüttelte. "Oder wir prüfen seine Aussagen. Falls er gelogen hat gehört er dir.". Alaryah war von sich selbst überrascht. Hatte sie gerade tatsächlich das Leben von jemandem in die Hände einer Person gegeben, die ursprünglich zu einer Waffe hätte ausgebildet werden sollen?!


    Jaro Ballivòr
    Grimmig nickte Kirona und auf einen Wink von Alaryah, brachte Jaro den Knebel wieder an. Er war froh, dass Wibalt sich dabei nicht weiter wehrte, was wohl daran liegen musste, dass sich noch immer eine scharfe Klinge an seinem Hals befand.
    "Rühr dich nicht von der Stelle." Kirona grinste und nahm den Dolch zurück.
    Geduckt schlichen die Gefährten den Weg zurück, den sie gekommen waren. "Wir sollten nicht allzu viel Zeit verlieren, oder?", flüsterte Jaro. "Werden sie nicht irgendwann doch nach ihm suchen?"
    Alaryah Blick flog zu ihm hinüber. "Ja, warum eigentlich nicht? Vielleicht kriegen wir so einige von ihnen da weg!"
    "Lasst uns erst mal sehen, ob er uns die Wahrheit sagt." Kirona klang bei diesem Gedanken beinahe enttäuscht.
    Aufmerksam und vorsichtig näherten sie sich der Mauer. Alaryah ging durch, was sie selbst schon beobachtet hatte und Kirona zeigte auf einige Stellen und Fenster im Turm, die Wibalt als Posten benannt hatte. "Es stimmt alles", seufzte sie. "Sogar die Waffen..."
    Alaryah sah zur Sonne hinauf. "Dann müsste es bald einen Wachwechsel geben. Ein guter Zeitpunkt, um sie auf die Idee zu bringen, ihren Kameraden zu suchen. Los."
    Sie fanden Wibalt in sich zusammen gesunken. Er hatte wohl versucht, die Fesseln zu lockern, die sich dadurch aber nur in seine Haut geschnitten hatten.
    "So du Wurm," begann Kirona plötzlich, "das nennst du mit dem Leben bewachen? Ich hatte es befürchtet, deshalb wollte ich mir selbst ein Bild machen..."
    Wibalt hob den Kopf, einen fragenden Ausdruck im Gesicht.
    "Ja ganz recht. Er schickt mich." Fast beiläufig legte Kirona ihre Arme frei. "Und jetzt sprich", dabei zog sie den Dolch und nickte Jaro zu, der den Knebel entfernte. "Ist er sicher?"
    "Ich glaube dir nicht. Du bist mit Alben unterwegs."
    "Die? Ich habe sie mir gefügig gemacht. Also? Meine Geduld ist bald am Ende."
    "Wenn du zu uns gehörst, warum marschierst du dann nicht einfach oben ein?" Ein letzter Widerstand flammte in Wibalts Augen auf.
    "Weil ich sehen wollte, ob ihr meine Befehle angemessen ausführt und ich bin mehr, als enttäuscht..." Die Spitze der Klinge bohrte sich in Wibalts Kehlkopf, der panisch auf das Metall schielte.
    "Er ist sicher... niemand hat das obere Turmzimmer betreten, wie befohlen."
    "Danke." Kirona grinste breit und sah zufrieden von Alaryah zu Jaro. Er musste zugeben, die Idee war gut gewesen, doch gefiel ihm der Ausdruck in Kironas Augen überhaupt nicht.


    Alaryah Schattenwind
    Alaryah atmete tief durch. Tatsächlich war Kironas List geglückt. Zufrieden nickte sie Kirona zu. "Dann brauchen wir dich ja nun nicht mehr.", stellte Kirona plötzlich nüchtern fest und legte, weiterhin breit grinsend, den Kopf schräg. Erneut versuchte Wibalt Abstand zwischen sich und die Frau zu bringen, doch hatte sie ihn natürlich mit einem kurzen Schritt direkt wieder eingeholt. "Lächerlich.", höhnte die Frau und ließ die Klinge in ihrer Hand kreisen. "Alaryah, sie wird doch nicht...", flüsterte Jaro und tastete nach der Albin, die allerdings zu weit weg von ihm stand. Seine Hand griff ins Leere. Alaryah verfolgte die Szenerie mit großen Augen. "Kirona, nicht!", sagte sie etwas lauter, zwang sich jedoch ruhig zu bleiben. Doch die Frau war weiterhin in ihrem Element. "Ein nichtsnutziger Haufen seid ihr! Der größte Nichtsnutz bist du, lässt dich einfach so überrumpeln. Er hatte Recht, ihr seid einfach nur Figuren in unserem Spiel, Schafe, die man jederzeit zur Schlachtbank führen kann, Soldaten, die man in der Schlacht verheizen kann.". Unerbittlich kam Kirona näher und näher, Jaro und Alaryah schienen wie angewurzelt. "Nein...", stammelte Wibalt wieder und wieder. "Nein, bitte...so hört doch...bitte.". Kirona machte sich nun einen Spaß daraus Wibalt scheinbar die Flucht zu ermöglichen, nur um ihm dann wieder zuvor zu kommen. Alaryah fasste als erstes einen klaren Gedanken. "Halt!", sagte sie nun lauter und ging auf Kirona zu. Diese hockte bereits neben dem Schergen und hatte zum tödlichen Streich ausgeholt. Gerade noch so fing Alaryah Kironas Arm ab und hielt ihn mit größter Anstrengung fest. Alaryah biss sich vor Anstrengung auf die Lippe. Kirona schien wahnsinnige Kraft in diesen Hieb legen zu wollen. "Was soll das?", presste die Frau zwischen den gefletschten Zähnen hindurch und schaute nun Alaryah direkt in die Augen. Ein böses Funkeln war in Kironas Augen zu sehen. Mordlust. Wut. "Kirona, bitte. Komm zu dir, das bist doch nicht du.", Alaryahs Stimme war gedämpft und sie hoffte, dass sonst niemand ihre Worte hörte, vor allem nicht Wibalt. "Kirona, wir müssen los wenn wir den Wachwechsel ausnutzen wollen. Wir können nicht noch einen halben Tag verschwenden.". Langsam schien Kirona zu Vernunft zu kommen. Sie kniff die Augen zusammen und schüttelte dann den Kopf. Der Druck in ihrem Arm wurde weniger und ließ dann, zu Alaryahs Erleichterung, komplett nach. Langsam erhob sich Kirona. "Gehen wir.". Ohne weitere Worte zu verlieren und ohne auf eine Reaktion ihrer Gefährten zu warten machte sich Kirona auf den Weg in Richtung der Befestigung. Alaryah folgte ein paar Schritte, blieb dann jedoch stehen. "Wir müssen...also...". Sie schaute Kirona nach und dann wieder zurück zu Jaro, der auch aus seiner Starre erwacht war. Die Albin schaute hin und her, Kirona war schon fast aus ihrem Sichtfeld verschwunden. Innerlich fluchte Alaryah. Was sollte sie nur tun? Es blieb ihr scheinbar nicht viel übrig. Hastig schritt sie zu Jaro hinüber, griff mit der rechten Hand seinen Nacken und zog ihn zu sich. Als sich die Köpfe der beiden nebeneinander befanden sagte Alaryah leise:"Du wirst das richtige tun. Und wir werden uns finden.". Dann zog sie ihren Köcher zurecht und eilte in die Richtung, in die Kirona verschwunden war.

    Jaro Ballivòr
    Toten-was? Jaro versuchte die Informationen, die auf ihn einprasselten zu verarbeiten. Das war gar nicht so leicht, wo sein Verstand sich eben noch auf ein Gefecht oder eine Flucht vorbereitet hatte. Erschwerend kam hinzu, dass er kaum den Blick von den Neuankömmlingen nehmen konnte. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte er sie selbst für tot gehalten. In all diesem Durcheinander dauerte es einen Moment, bis er reagierte und so war Kirona Alaryah wesentlich schneller auf die Knie gefolgt als er. Angespannt hielt er den Kopf unten. Was hatte das zu bedeuten? Befanden sie sich auf einem Grab? Es mochte den akkuraten Aufbau erklären, den Kreis der Kiefern, die den Hügel wie ein Schutzwall umgaben...
    "Wasss sucht ihr hier?", wiederholte der Anführer seine Frage. "Hieer rastet nieeemand. Hieeeer ruht man aaauuf ewig odeeer gar niiicht."
    "Verzeiht. Wir möchten die Ahnen nicht belästigen."
    Jaro bewunderte Alaryah für ihre Ruhe oder zumindest die Fähigkeit, ihre Stimme ruhig zu halten.
    "Neeeein. Dassss wollt ihr nicht. Ich kann es spüreeen."
    Erleichterung wärmte Jaros Innerstes.
    "Abeeeer trotzzzdem bringt ihr Gefaaahr. Das Böse haftet an eeeuch. Steht auuuf!"
    Zögerlich erhob sich Jaro. Die Gruppe der Totenwächter hatte sich kein Stück bewegt.
    "Alsssso: eeein letztes Mal fragee ich eeeuch. Wasss sucht ihr hieeer?"
    Gerne hätte Jaro Alaryah die Bürde abgenommen und berichtet, doch seine Intuition hielt ihn zurück. Was, wenn die eigentümlichen Alben nur mit anderen Waldalben sprechen wollten? Was, wenn er zu viel verriet oder im Gegenteil, etwas ausließ und direkt durchschaut wurde? Somit war es erneut an Alaryah das Sprechen zu übernehmen und kurz und sachlich schilderte sie ihre Mission - das Verschließen der Eingänge.
    Ein Ruck ging durch die Gruppe der Totenwächter. Mechanisch wie ein Mann gingen sie in Kampfstellung, die Waffen erhoben.
    "Dieeeser Orrrrt wird vom Bösssen selbst bewohnt! Die Toten fürrrchten ihn. Die Toten meeeeiden ihn. Und wo Tote niiiicht wandeeeln, habeeen auch die Lebendeeen nichts verlorrren."


    Alaryah Schattenwind
    Alaryah fürchtete sich. Nur mit dem Aufbringen all ihrer Willenskraft war es ihr möglich in der Situation einen relativ kühlen Kopf zu bewahren. Sie hob die Hände, wollte damit beruhigend wirken, zeigen, dass von ihr und ihren Gefährten keine Gefahr ausging. "Und genau deswegen müssen wir diesen Ort wieder verstecken, die Eingänge versiegeln! Niemand soll je wieder dort eindringen, noch aus den dunklen Kellern und Verliesen zu uns empor klettern.". Von den Wächtern kam keinerlei Reaktion zurück, hier und da wehte nur sanft der Stoff der Roben im sanften Wind. "Wir wollen selbst nicht wieder dort hinunter.". Ein Hauch von Verzweiflung schwang nun in der Stimme der Albin mit. Erneut näherte sich der Hauptmann der Wache der Albin. "Ihr wisssst nicht, was ihr geweckt habt, dort unten in der Finssssterniss. Welchesss Wissssen ihr freigesetzt haabt. Der Feeeind ist wohl bereitsss auf dem Weeeg. Er wird Tod und Verderben bringen.". Alaryah warf einen Blick über die Schulter zu ihren Gefährten. Auch in ihren Gesichtern fand sich nur Ratlosigkeit, ja, sogar Hilflosigkeit. "Wir wollen doch nur helfen!", platzte es aus der Albin heraus. "Wir wollen Nativus helfen. Wir sind auf der Suche nach den letzten Eingängen, niemand wird an dieses Wissen kommen, solange wir die Eingänge rechtzeitig finden!". Alaryahs Stimme überschlug sich fast. Sie dachte über einen Fluchtversuch nach. Womöglich konnten die Wächter sie nicht bis über die Grenzen des Grabhügels verfolgen? Sie verwarf den Gedanken wieder, es würde nichts bringen. "Wir können das Übel abwenden!", versuchte Alaryah erneut ihre guten Absichten zu erklären. Dann kramte sie in ihrer Tasche und holte die Steintafel hervor. "Seht, es ist keine Lüge! Ja, das Böse mag uns verfolgen und ist uns bereits mehrfach begegnet, doch konnten wir es wieder und wieder zurückdrängen! Helft uns, den nächsten Eingang zu finden oder teilt euer Wissen mit uns! Wir mögen keine Streitmacht haben, noch sind wir die besten Kämpfer des Waldreiches...wir sind nicht einmal von gleichem Blute oder Volk. Aber wir können es schaffen.". Alaryah verstummte, presste die Lippen aufeinander. Rasselnd holte der Hauptmann der Totenwache Luft...zumindest, wenn man es so nennen konnte...


    Jaro Ballivòr
    Alaryahs Worte drückten die Verzweiflung aus, die auch Jaro empfand. Es war eine merkwürdige Mischung aus Furcht, Resignation und trauriger Wut darüber, dass sie ständig auf neue Hindernisse stießen, wo sie doch nichts weiter wollten, als zu helfen. Gespannt hielt er den Atem an.
    "Nativussss?" Die Augen des Hauptmannes fixierten die Steintafel. "Ihr sssprecht die Wahrheit", murmelte er mit einem Hauch Erstaunen.
    "Ihr kennt Nativus?", wagte sich Kirona hervor und ohne aufzusehen antwortete der Wächter.
    "Kannteee. Nativusss issst nicht mehr. Das Bössse hat ihn geholt. Er issst schlimmerrr als tot."
    "Nein. Er exisitiert noch." Erschrocken stellte Jaro fest, dass er selbst die Worte gesprochen hatte. "D-deshalb müssen wir ihm helfen. Wir müssen die Eingänge zerstören."
    "Uunnnd zwei habt ihr schon versssschlossssen."
    "Woher...", setzte Kirona an, doch schien sich eines Besseren zu besinnen.
    "Du!" Ein dürrer Finger zeigte auf Jaro. "Du bisssst ein Lichtalb. Wieeeeso siehst du den Eingang des Lichtssss dann nicht? Und du", er wies auf Kirona, "Feuer schlängelt ssssich durch deine Haut und doch bissst du blind dafürrr. Esss steht alles hieeeer." Er wies auf die Steintafel in Alaryahs Hand und verharrte einen Moment. Als er schließlich erneut die Stimme erhob, bebte sie vor Zorn.
    "Als letztesss Lufffft. Den kennen wirrrr zu gut. Essss ist das Höchssste; das Wertvollssste und dasss Heiligste. Und es ist bessschmutzt!" Spucketropfen flogen aus seinem Mund und seine Augen funkelten trotz der Düsternis bedrohlich.


    Alaryah Schattenwind
    "Die...Hohe Wacht.", murmelte Alaryah und ihre Augen wurden größer und größer. Der Blick des Hauptmanns schoss zu Alaryah hinüber. "Ich habe geglaubt es sei nur eine Legende.", flüsterte die kleine Albin schon fast ehrfürchtig. "Und doch isssst es keine.", setzte der Hauptmann fort. "Der Feind hat die Hohe Wacht beschhhhhmutzt. Er hat sssssich dort eingenissstet, ist auf der Suuuuche. Dieees soll euer nächstes Ziel sein.". "Ein Ort, der eigentlich eine Legende ist? Wie sollen wir DEN finden?!". Alaryahs Blick zu Kirona war vernichtend, die Frau verstummte direkt wieder. Wie konnte sie nur? Die Wächter jedoch gingen nicht weiter auf Kironas Gefühlsausbruch ein. "Nehhmt dieeessss.". Es schien, als würde der fahle Alb in seinen eigenen Brustkorb greifen. Dann erschien eine Pusteblume in seiner Hand. Diese jedoch war wie aus Glas geformt, fein und äußerst detailliert. Ein schwach pulsierendes Leuchten ging von ihr aus. Mit zittriger Hand nahm Alaryah die gläserne Blume entgegen, zuckte zusammen, als ihre Finger die dürre Hand des Alben berührten. "Dieees wird euch den Weeeg weisen. Doch gebt acht! Isssst diese Blume einmal zerstört, so werdet ihr den Weg nicht finnnden.". Alaryah wagte kaum, sich die Pusteblume genauer anzusehen. Sie war kühl, jedoch nicht aus Eis. Langsam hob die kleine Waldläuferin den Kopf. "Danke.", murmelte sie nur. Sie spürte kein wirkliches Gewicht, versuchte ihre Hände ruhig zu halten. So behutsam wie nur eben möglich und äußerst langsam drehte sich Alaryah nun von dem Hauptmann weg, wandte sich ihren Gefährten zu. "Dann soll Luft unser nächstes Ziel sein.". "Woooohlan denn.", zischte der Hauptmann und zog wieder die Kaputze auf. "Geht nun.". Die drei Gefährten verbeugten sich in der Hoffnung, dass es der Situation angebracht war. "Ssssolltet ihr wiederkehren, ssssso solltet ihr erfolgreich gewesen sein.". Alaryah mochte sich gar nicht ausmalen was wohl passieren könnte, wenn sie die Blume fallenlassen und um eine neue bitten würde. Scheinbar hatten sie gerade eine Art Freilos bekommen. Langsam zogen sich die Wächter zurück, weiterhin den Gefährten zugewandt. Zuletzt verschwand der Hauptmann, schien dabei noch etwas zu flüstern. Kirona nickte nur. Sie hatte verstanden.


    Jaro Ballivòr
    Hoch und Luft, das brachte Jaro noch zusammen, ansonsten verstand er nicht viel mehr, als dass sie einen weiteren unauffindbaren Ort finden mussten. Immerhin schien Alaryah ihn zu kennen, zumindest dessen Namen. Alles andere ließ Jaros Gedanken wirr zirkulieren. Was hatte seine Herkunft mit dem Eingang in eine versunkene Festung mitten im Wald zu tun? Und Feuer auf Kironas Haut? Etwa die Tätowierungen? Vor lauter Rätseln rauchte Jaro der Kopf. Eins nach dem anderen, sagte er sich, gerade als der Hauptmann einen Gegenstand hervor holte. Gebannt betrachtete Jaro das zerbrechliche Kunstwerk. Glas. Lange hatte er kein Glas mehr gesehen. Behutsam nahm Alaryah die Blume entgegen. Immerhin hatten sie nun wieder ein Ziel und wenn Jaro ganz ehrlich war, war er froh, die Totenwächter wieder los zu sein. Ihre Gegenwart schauderte ihm und ständig beschlich ihn das Gefühl, sie könnten seine Gedanken lesen.
    Sein Blick fuhr zu Kirona, doch bevor er die Frage stellen konnte, sah er in ihren Augen, dass sie ihm keine Antwort geben würde. Was auch immer der Hauptmann ihr vermittelt hatte, war für sie allein bestimmt. Für den Moment zumindest.


    Gemeinsam mit Kirona verräumte Jaro ihre wenigen Habe und bückte sich nach Alaryahs Waffen. Er zögerte.
    "Darf ich?"
    Alaryah musste schmunzeln und das war Jaro Antwort genug. Er nahm ihre Dolche an sich und schnürte ihr Bündel an seines. Die Waldalbin trug an der Blume Last genug, wenn auch nicht in Form von Gewicht.
    "Und nun?", fragte Kirona. "Wo lang?"
    Alle starrten sie gespannt auf das gläserne Kunstwerk.


    Alaryah Schattenwind
    Bald hatten sie ihr Gepäck verstaut. Alaryah vertraute ihre Waffen und die sonstige Ausrüstung Jaro an, auch wenn sie sich irgendwie nicht komplett fühlte. Natürlich würde Jaro gut auf ihre Habe achtgeben, doch was, wenn sie einer Bedrohung gegenüberstehen würden? Doch für solcherlei Gedanken war gerade nicht der richtige Zeitpunkt!
    Langsam drehte sich Alaryah auf der Stelle, beobachtete genau die Blume. Dann ging sie ein paar Schritte, blieb stehen, drehte sich erneut um. Das ganze ging noch ein paar Minuten so weiter, dann schienen die drei ein Muster zu erkennen. Je nach Marschrichtung schien das Licht in der Blume selbst etwas schneller zu pulsieren. "Ich denke, dass wir erst einmal in diese Richtung gehen müssen.". Sie machten sich auf den Weg. Immer dann, wenn das Licht schwächer wurde hielten die Gefährten inne und tasteten sich in eine andere Richtung weiter vor. "Was mag das nur für ein Gegenstand sein?", fragte Kirona schließlich. Alaryah dachte über diese Frage lange nach. Sie hatte schon von Wegesteinen gehört, einer Art Kompass, doch dass diese Steine in Form von gläsernen Blumen auftauchten, das war ihr neu. "Scheinbar ist es ein Artefakt aus längst vergangenen Tagen.", brummelte Alaryah und war selbst nicht mit dieser Erklärung zufrieden. "Wie mag wohl der Hauptmann an diesen Gegenstand gekommen sein?", fragte sie dann. "Ob er selbst einmal in der Festung gedient hat? Vielleicht ist es ein Schlüssel und er kann oder möchte ihn nicht mehr besitzen oder benutzen?". Gedanklich war Alaryah nun abgelenkt, was direkt bestraft wurde. Sie stolperte über eine Wurzel. "NEIN!", schrie sie erschrocken und raste dem Waldboden entgegen. Der Aufprall ließ die kleine Albin laut aufstöhnen und dann lag sie regungslos mehrere Sekunden einfach dort am Boden. Alaryah hatte die Augen fest zusammengekniffen, ihr Kiefer schmerzte schon fast vor lauter Druck. Langsam öffnete die Albin zuerst ihr linkes, dann das rechte Auge. Sie lag am Boden, kerzengerade ausgestreckt, die Arme weit vor sich haltend. Dort lag sie. Die Blume. Unversehrt auf ihren Handflächen. "Puuuuuuuuh....". Erleichtert ließ die Albin den Kopf sinken, sodass ihr Gesicht den Boden berührte. "Nichts passiert.". Zum Glück. Sie mussten schon jetzt wachsamer und vorsichtiger sein, so viel stand fest.


    Jaro Ballivòr
    Jaro hielt den Atem an. Dann, als feststand, dass sowohl Alaryah als auch die Blume den Sturz überstanden hatten, konnte er nicht umhin zu lachen. "Deine Haltung war super! Wie hast du es nur geschafft, die Blume zu sichern?" Auch Kironas Gesicht zierte ein Grinsen. Einen derart kerzengeraden Sturz hatte Jaro noch nie gesehen.
    "Ein dunkler Wald voller Stolperfallen ist auch kein Ort für eine gläserne Blume", sagte er, als sie weiter gingen.
    "Ich denke, es ist genau der richtige Ort." Kirona ging ein Stück neben ihm und untersuchte den Untergrund bei jedem Schritt. "Überlege doch. Wann sieht man Licht am besten? Und wann kann es einen am besten leiten?"
    "Wenn es dunkel ist."
    "Genau. Dunkelheit ist nichts anderes als das Fehlen von Licht. Ich habe schon zuvor darüber nachgedacht, ob die Gegensätze die Lösung sind. Erinnerst du dich an das Kartenstück?"
    "Ja." Der Rand war wie bei allen anderen mit Symbolen verziert, doch nun, mit einem anderen Blickwinkel, fiel Jaro ein kleiner Unterschied auf. Er brauchte es nicht einmal herauszuholen: bei den übrigen waren die Symbole mit dunklen Linien auf hellem Grund gezogen. Bei der Karte zum Element des Lichts waren sie im Negativ gezeichnet. Sie bildeten sich durch helle Flächen auf dunklem Hintergrund.
    "Heißt das, wir müssen den Eingang bei Dunkelheit finden?"
    "Gut möglich." Alaryahs Blick wanderte zwischen dem pulsierenden Wegweise in ihrer Hand und dem dunklen Waldboden hin und her. "Genauso gut kann es aber das erste oder das letzte Licht des Tages sein. Oder das zur Mittagsstunde..."
    "Ein Glück haben wir die Blume..." Er hielt inne. Erst meinte er, seine Augen täuschten ihn, doch es war eindeutig. "Sie wird heller", flüsterte er.


    Alaryah Schattenwind
    Ganz so witzig fand Alaryah die Situation nicht. Es hätte so einiges passieren können, was, wenn die Blume verloren gegangen wäre?! Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen.
    Gemeinsam rätselten sie weiter, bis Jaro schließlich zuerst auffiel, dass die Blume heller wurde. Er sollte Recht behalten. "Wir sind auf dem richtigen Weg.".
    Langsam aber sicher bahnte sich die kleine Reisegruppe ihren Weg durch den Wald und das Unterholz. Der nächste Tag brach an, dies war deutlich anhand der Morgendämmerung zu erkennen. Trotz des Zwielichts konnten sie gut sehen, da die Blume den Weg erhellte. "Das sieht doch gut aus!", freute sich Kirona, als die Blume erneut heller leuchtete.
    Plötzlich blieb Alaryah stehen. "Wartet.", sagte sie trocken und wandte den Kopf ab. Sie hatte die Augen geschlossen und lauschte. Dort in der Ferne, da war doch etwas. "Wir müssen vorsichtig sein.", mahnte sie. Mit nun deutlich verlangsamten Schritten ging es weiter. Alaryah versuchte nun das immer stärker scheinende Licht mit den Händen etwas abzuschirmen, doch gelang dies erst mit Hilfe ihrer Gefährten und einer dicken Wolldecke. Sie wollten einfach keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Blume wies ihnen den Weg, es ging höher und höher, die Steigung nahm zu. Irgendwann wurde jeder Schritt schwerer und die Muskeln in den Beinen der drei Gefährten protestierten bald. Der Weg war mühsam und ständig mussten sie Hindernissen ausweichen. Und dann waren da auch noch diese Geräusche in der Ferne. Was hatte der Wächter noch gesagt? Der Feind habe sich eingenistet? Alaryah vermisste schon fast das Gewicht ihrer Waffen am Gürtel.
    Dann endlich erreichten sie das Ende der Bergkuppe. Alte Mauern erhoben sich plötzlich im düsteren Licht der Morgensonne vor ihnen, doch war deutlich das Moos und das Efeu zu erkennen. Die Natur holte sich wieder, was ihr vor langer Zeit genommen worden war. Alte Wehranlagen waren schaurige schatten und ein einzelner Turm ragte hinter der nicht gerade hohen Mauer empor. Die drei hielten inne. "Was zum...". Alaryah erschrak. Eine Windböe schwappte wie eine Welle über sie hinweg, riss dabei die Samen der Pusteblume mit sich. Das gläserne Kunstwerk flackerte und dann erlosch das Licht. "Bitte nicht...", flüsterte Alaryah und ein leises klirren war zu hören, als die Pusteblume in den Händen der kleinen Albin zu einem Haufen Glassplitter zerfiel. Noch bevor einer der Gefährten etwas sagen konnte, hörten sie Stimmen. Jaro deutete auf die Spitze des Turms. Jemand hatte dort ein Feuer entzündet!


    Jaro Ballivòr
    Augenblicklich hielt Jaro den Atem an, ganz, als hätte das kollektive Luftholen nach dem langen Aufstieg den Windhauch bewirkt.
    "Wir müssen am Ziel sein, oder? Bestimmt hätte die Blume uns sonst nicht verlassen. Noch dazu durch Wind..." Er hörte den eigenen Wunsch aus seinen geflüsterten Worten heraus. Sofort reichte er Alaryah ihre Waffen.
    "Was nun?", sagte Kirona leise. "Es ist unmöglich zu sagen, wie viele da oben sind. Besser sie bemerken uns nicht."
    "Seht doch!" Der Splitterhaufen zu Alaryahs Füßen versickerte langsam aber sicher im Boden und augenblicklich schossen neue Pusteblumen in die Höhe, dieses Mal nicht aus Glas. Wie sie ihre Höhe erreicht hatten, wurden sie von einer neuen Windböe erfasst, die ihre Samen davon trug. Die Gefährten blickten sich an und marschierten in blindem Einverständnis hinterher. Ein Stück weiter, näher an der Mauer, rieselten die Flugkörper zu Boden und verschwanden im Gras. Die Reste der gläsernen Blume glitzerten dazwischen.
    "Sie landen nicht einfach irgendwie", stellte Alaryah fest. "Sie bilden ein Muster." Sie hatte Recht. Aus einem bestimmten Winkel betrachtet, reihten sie sich stromlinienförmig ein, wie ein Symbol für Wind. Sie wiesen auf die Mauer. Kirona, Alaryah und Jaro begannen, die Wand mit Augen und Händen abzusuchen, kratzten hier und da Moos ab, und klopften prüfend gegen den Stein.
    "Sch!", machte Alaryah plötzlich. Jaro presste sich gegen die Mauer. Nun konnte er es auch hören. Schritte. Jemand patroullierte die andere Seite. Jaro wagte kaum zu atmen. Er machte sich so klein wie möglich und hoffte die Mauer möge ihn ausreichend verdecken. Die Schritte verstummten, direkt hinter ihm. Flehentlich schloss Jaro die Augen. Nach schier endlosem Bangen, setzte der Mann sich wieder in Bewegung, weg von Jaros Versteck. Er öffnete die Augen. "Das war knapp", sagte sein Blick.


    Alaryah Schattenwind
    Langsam löste sich die Anspannung auch aus Alaryahs Körper. Sie lockerte den Griff um den einen Langdolch, wäre sie doch bereit gewesen den bis dato unbekannten Feind anzugreifen wäre er Jaro zu nahe gekommen. Vorsichtig lugte die Albin nun über die Mauer. Ein Mann, gekleidet in einen Plattenrock, schlurfte von dannen. Er hatte einen Speer geschultert und sein Helm blitzte im Schein der Fackel, die er in der anderen Hand trug. Lange würde er die Fackel wohl nicht mehr tragen, war doch das erste Licht des Tages nicht mehr fern. Alaryah duckte sich wieder hinter der Mauer ab, lehnte sich nun mit dem Rücken dagegen. Kirona tastete bald schon weiter die Mauer ab, doch Alaryah schüttelte bald den Kopf. "Wir sind hier nicht richtig. Dies hier kann nicht der Eingang sein. Es ist nur eine Mauer."., stellte sie fest. "Ich befürchte fast, dass unser Ziel dort oben ist.". Sie nickte Knapp in Richtung Turmspitze. "Wenn dies der Eingang des Lichts oder des Windes ist, dann können wir von dort aus bestimmt unser Ziel sehen.". Alaryah ließ ihrn Gedanken freien Lauf, jedoch immer darauf bedacht die Stimme gesenkt und gedämpft zu halten. "Ich folge dem Wächter, wartet hier einen Moment.".
    Wie ein Schatten huschte Alaryah schließlich die Mauer entlang, krabbelte eine Bresche empor und verschwand auf der anderen Seite. Bald schon hatte sie den Wächter, der gerade seine Runde beendete, eingeholt. Der Mann kam tatsächlich am Fuße des Turms an, schaute sich dann mehrmals um. Er klopfte an die mit Eisen beschlagene Tür, Alaryah versuchte sich das Muster zu merken, leider erfolglos. Ein leicht gebückt stehender Kerl mit Lederkappe und Streitkoblen am Gürtel öffnete, die beiden Männer sprachen miteinander und verschwanden schließlich beide im Inneren. Erst jetzt fiel der Albin das Wappen an der Tür auf, auf dem ein Symbol eingelassen zu sein schien. Alaryah wollte gerade näher rangehen, da bemerkte sie eine weitere Gruppe Personen von Rechts kommend. Es waren Männer und Frauen, alle unter Waffen. Sie trugen Holzscheite, verteilten sich um den Turm herum und entzündeten Feuerkörbe. Hier und da begannen die Leute ein karges Frühstück über den Feuern zuzubereiten, andere plauderten in einer schweren, rauen Sprache miteinander und wieder andere machten sich auf den Weg zu einem weiteren Rundgang die Mauer entlang. Langsam aber sicher kroch Alaryah wieder zurück in den Schatten, huschte dann zu ihren Gefährten.
    "Es sieht wie folgt aus.", erklärte die Albin leise und zog mit einem kleinen Stock Kreise und Linien in den Boden. "Hier ist der Turm...hier sind Feuerkörbe...die Posten befinden sich hier, hier und hier. Wir müssen irgendwie dort hinein...". Nachdenklich drückte Alaryah den Stock auf die Stelle, die den Turm darstellen sollte.


    Jaro Ballivòr
    Es blieb Jaro nichts übrig, als sich ruhig zu verhalten. Dabei entging ihm nicht, dass Kirona ihre Ärmel nach oben schob und leise vor sich hin murmelnd ihre Tätowierungen untersuchte. Vor ein paar Wochen noch wäre Jaro misstrauisch geworden, doch nach all den Erlebnissen sagte ihm sein Gefühl, dass Kirona lediglich an einer Lösung ihrer Aufgabe arbeitete. Sobald sie es für richtig erachtete, würde sie ihn und Alaryah einweihen. Seltsam war das schon. Vermutlich hatte er nie eine weniger vertrauenswürdige Person als Kirona gekannt und doch war sie - nach Goldanil und Alaryah - die dritte Person außerhalb seiner Familie, der er vertraute. Und genau diese Art Zutrauen ließ ihn auch ruhig abwarten, bis Alaryah von ihrer Streife zurück war.
    Der Turm... es wäre auch zu schön gewesen, wenn sie das Portal im Schutz der Mauer gefunden hätten. Seufzend blickte Jaro auf die Glassplitter im Gras, die in der heller werdenden Morgensonne nur noch mehr glitzerten. Sie wiesen ebenso sehr auf die Mauer wie auf den Turm.
    "Wenn wir die Posten leise ausschalten können, könnten wir in den Turm gelangen bevor uns jemand bemerkt", sagte Kirona. "Wenn sie aber Alarm schlagen, war es das."
    "Haben wir denn eine andere Wahl?" Jaro sah von Kirona zu Alaryah.
    "Ich könnte sie täuschen. Ich bin kein Alb. Sie werden neugierig sein, wer ich bin. Und wenn sie... wenn sie zu ihm gehören... werden sie mich bestimmt einlassen."
    Jaro war alles andere als begeistert von Kironas Vorschlag. Und ihrem Gesichtsausdruck zu Folge, fühlte sie sich selbst auch alles andere als wohl dabei.

    Alaryah Schattenwind
    "Das kann doch nicht...". Kirona war als erstes zu den Überresten des Baumes gehuscht und hatte angefangen dort zu wühlen, zu tasten und zu untersuchen. Jaro schloss sich kurzerhand an, auch Alaryah folgte. Irgendwann jedoch erhob sich die Albin. Ihre Hände waren schmutzig und sie klopfte sie an ihrer Kleidung ab. "Meint ihr nicht...naja...Meint ihr nicht, dass das etwas zu...einfach wäre?". Der anfängliche Tatendrang der Gruppe bekam einen kleinen Dämpfer. "Dann lasst uns doch zuerst den Eingang der Erde oder der Natur schließen.", schlug Kirona vor und erfuhr allgemeine Zustimmung.


    Am nächsten Morgen waren die Gefährten bereits früh auf den Beinen. Niemand konnte wirklich lange schlafen, doch waren die wenigen Stunden Schlaf wohltuender gewesen als gedacht. So brachen sie das Lager ab und machten sich zurück auf den Weg zu dem Eingang in die Festung, der ihnen den Auftakt zu diesem doch recht packenden und gefährlichen Abenteuer geliefert hatte.
    Mit jedem Schritt, den sie näher an den Eingang der Festung kamen, fühlte Alaryah eine Art Beklommenheit in sich heranwachsen. Eigentlich hatte sie sich immer sicher innerhalb der Grenzen des Waldreiches gefühlt, doch irgendwie war es dieses Mal anders. Sie dachte an das erlebte und hoffte, dass sie nicht zu bald wieder in die Hallen, Kavernen und Verliese vordringen mussten. Vor allem hoffte die Albin jedoch, dass sie nicht wieder auf einen Feind treffen mochten. "Ich schlage vor ihr wartet hier einen Moment.", sagte Alaryah bestimmend und deutete per Handzeichen an langsamer zu werden. "Ich werde ein Stück vorausgehen und nachschauen, ob wir dort bei dem ersten Eingang ungestört sind.". Zaghaftes Nicken. Auch die Wachsamkeit ihrer Gefährten steig nun an. Alaryah verschwand im Unterholz. "Sei vorsichtig!", hörte sie noch hinter sich während sie erneut ihre Sinne schärfte.


    "Nichts.". Alaryah war so plötzlich wieder aufgetaucht, wie sie verschwunden war. "So wie es aussieht ist dort niemand. Keine Spuren, keine Anzeichen auf...Gesellschaft.". Dann wurden Alaryahs Gesichtszüge wieder weicher. "Kommt, gehen wir!".


    Jaro Ballivòr
    Was Jaro zuerst auffiel war, dass es nichts Auffälliges gab. Der Ort war ebenso unscheinbar wie bei ihrem ersten Besuch und auch dieses Mal hätte er hier nie und nimmer einen Eingang zu einer riesigen Festungsanlage vermutet, hätte er es nicht besser gewusst. Hatte ihr unheimlicher Verfolger seine Spuren verwischt? Oder lag es in der Magie der Pforten, sich wieder zu verbergen, nachdem sie genutzt worden waren? Langsam näherten sie sich der Stelle, wo Kirona den Eingang freigelegt hatte. Jaro hatte das entsprechende Kartenstück herausgeholt, weil er hoffte, Hinweise zu entdecken, wie die Eingänge zu finden waren. Es stellte sich aber heraus, dass sie es sogar dringend für die eigentliche Suche brauchten, denn Kirona konnte sich nicht an ihr Handeln erinnern. Wage besann sich Jaro, dass sie den Boden mit ihrem Stock abgeklopft und schließlich mithilfe einer Liane den Weg zur Pforte gefunden hatte. Er blickte auf das Kartenfragment. "Seht", sagte er. "Diese Verzierung am Rand könnte die Schlingpflanze sein, die uns zu der Wand mit den Schriftzeichen geführt hat. Könnte... wenn ich nicht nur sehe, was ich sehen will." Zwischen den verzierten Strichen waren die Symbole der Elemente aufgetragen. Hatte Kirona auf der Steinwand nicht eben solche Elementsymbole aktiviert? Unsicher sah er auf und dann wieder hinab zu der Karte. Alaryah folgte mit dem Finger den geschwungenen Linien. "Hier führt sie in die Karte hinein." Tatsächlich! Aufgeregt flog Jaros Blick über die Abbildung und dann auf den umliegenden Bereich. Alaryah war bereits ein paar Schritte zur Seite gegangen. "So ungefähr hier..." Sie knieten ab und tasteten den Boden entlang. "Da!", rief Kirona aus und packte den kräftigen grünen Strang. Eilig folgten sie ihm und begannen ebenso hektisch wie Kirona damals die Pflanzen von der verborgenen Wand zu reißen. "Da ist er...", flüsterte Jaro und schluckte schwer. Bloß nicht noch einmal hinein gehen... "Nun müssen wir nur noch herausfinden, was wir mit dem Erdstein anfangen sollen." Kirona hatte den kleinen braunen Stein heraus geholt und Jaro hätte schwören können, dass er schwach pulsierte ob der Nähe zu seinem Bestimmungsort.


    Alaryah Schattenwind
    Mit großen Augen verfolgte Alaryah die Szenerie. "Erdstein...Mh...". Sie murmelte leise vor sich hin, dachte laut, kam aber zu keinem wirklichen Ergebnis. "Seht doch, dort!", rief Kirona schließlich und zeigte mit ihrem Stock auf den Sturz des Eingangs. Dort oben, fast gar nicht zu erkennen, hatte man eine kleine Einkerbung in den Rahmen gepresst. "Vielleicht muss der Stein ja dort hinein?". Die drei Gefährten sahen sich an. Keiner von ihnen war groß genug um den Stein in die Fassung zu bringen. Erst sahen sie sich um, ob man nicht einen Baumstumpf oder ähnliches organisieren konnte, doch dann ging Alaryah zu Jaro hinüber. "Komm, wir heben Kirona hoch.". Erst schien Jaro etwas irritiert. "Wie sollen wir denn...?". "Ich zeigs dir. Pass auf, wir stellen uns hier drüben hin.". Sie fasste Jaro am Handgelenk und positionierte ihn dann neben dem Sturz. "So. Jetzt legst du deine Hand hier auf meine Schulter, ich greife dann hier deinen Arm und dann...". Kurze Zeit später war es dann soweit. Alaryah und Jaro standen sich gegenüber, die Knie leicht gebeugt. "Kirona, steig jetzt hier auf den Oberschenkel, dann kannst du hier oben hin.". Kirona war skeptisch. "Kirona, nun mach schon. So heben wir Waldläufer schon seit Ewigkeiten unsere Leute über Hindernisse oder in Richtung hoch gelegener Äste, die wir durch klettern nicht erreichen können.". Jaro nickte ihr aufmunternd zu. Kirona seufzte. "Ich hoffe wir brechen uns dabei nichts...wäre ein ruhmloses Ende unserer ersten Etappe.". Dann wagte Kirona schließlich den Aufstieg. Langsam kamen Alaryah und Jaro aus ihrer leicht hockenden Position, balancierten Kirona dabei sicher und gleichmäßig. Auch wenn es, aufgrund der unterschiedlichen Körpergröße der beiden, nicht ganz so leicht war kam Kirona letztendlich doch an die Einkerbung. "Geschafft!", freute sich die junge Frau und ein leises Klacken war zu vernehmen. Dann brummte es laut und ein sanftes Beben war zu spühren. Eine seltsame Schicht, vielleicht Lehm, Schlacke oder etwas ganz anders, bahnte sich ihren Weg aus Richtung des Erdsteins nach unten. Das Beben wurde Stärker und Alaryah und Jaro hatten enorme Schwierigkeiten Kirona zu halten. Alaryah biss die Zähne aufeinander und kniff die Augen zusammen. Sie versuchte sich zu konzentrieren, doch gelang es ihr aufgrund des Getöses um sie herum nicht. Ihre Hände wurden schwitzig und schließlich rutschte sie ab. Die von den dreien gebildete Pyramide brach in sich zusammen wie ein Kartenhaus und wenige Augenblicke später lagen sie wie ein Knäul vor dem Eingang der Festung. Alaryah öffnete die Augen. Es war still um sie herum. "Seht.", sagte Kirona leise und entwirrte sich aus dem Gewühl. Auch Jaro erhob sich, half dann Alaryah auf die Beine. Nun sahen sie es. Der gesamte Eingang war mit einer Schicht bedeckt, die Harz oder gar Bernstein glich. Der Stein selbst war verschwunden. "Sonderbar.". Alaryah nahm all ihren Mut zusammen und berührte die neu geschaffene Barriere. Kein Lichtschein fiel hindurch. Die Barriere hatte sich wie eine Kralle um den Eingang geschlossen. "Ich glaube...wir sind hier fertig.", hörte Alaryah Kirona von hinten sagen. "Hoffen wir mal, dass es bei den anderen Eingängen auch so schnell und problemlos geht...", flüsterte Alaryah kaum hörbar vor sich hin.


    Jaro Ballivòr
    Ja... das hoffte Jaro auch. Wenn unter seinen Freunden begraben zu werden, das einzige Risiko darstellte, sollte ihm das Recht sein. "Vor allem müssen wir die anderen erst einmal finden", seufzte Jaro. Er verstaute das Kartenstück für den Erdeingang in seiner Tasche und fächerte die übrigen auf, sodass sie alle sehen konnten. Die Liane war als Indiz für den Eingang an den Rand der Karten gezeichnet gewesen und die Karte selber hatte nur deren Position grob wiedergegeben. Was, wenn die Verzierungen die eigentliche Information bargen? An den Rändern der Feuerkarte zuckten Blitze hinab, es gab Rauch und Flammen und zwischen allem fanden sich die anderen Elemente, Bäume und Lichtstrahlen. Die anderen waren ähnlich. Wasser zeigte Tropfenmuster und einen sich schlängelnden Flusslauf, Licht wies Planeten und Licht und Schatten auf und Luft war dominiert von Strömungslinien und Gipfeln. "Lasst uns doch mit dem Offensichtlichsten beginnen", sagte Kirona und Jaro fragte sich, was das sein sollte. "Gibt es hier einen Flusslauf in der Nähe?" Alaryah kniff die Augen ein wenig zusammen. "Das Waldreich wird überall von Wasserläufen durchzogen, aber einen großen Fluss gibt es hier nicht." Kirona schüttelte den Kopf. "Das macht nichts. Ich denke sowieso nicht, dass es ein großes Gewässer ist. Lasst uns einfach zum nächstgelegenen Bach gehen und uns dort umsehen. Besser, als hier herzum zu stehen ist das allemal."


    Mit einem letzten Blick auf das versiegelte Portal machten sie sich auf den Weg. Alaryah hatte eine Vermutung, in welche Richtung sich die Festungsanlage unterirdisch ungefähr erstreckte und dieser folgten sie, da dort auch ein mittelgroßer Bach verlief. Jaro konnte nicht sagen, ob sie mit der Richtung Recht hatte. In dem Augenblick, in dem ihn die Finsternis der Ruine verschlungen hatte, hatte er sämtliche Orientierung verloren gehabt. Beim Gehen überprüfte er immer wieder seine Karten. Bereits zuvor hatte er erkannt, dass - wie die Liane - alle Rahmensymbole an einer Stelle in die Karte mündeten. Im Falle des Flüssleins wirkte es, als werde es immer dünner, je näher es der Mitte der Pergaments kam. Vielleicht hatte Kirona Recht und sie waren auf der Suche nach einem kleinen Gewässer. Das würde die Suche nicht gerade erleichtern. In der Stille des Waldes begann Jaro trotz allen Schwierigkeiten Gefallen an der Aufgabe zu finden. Bislang waren sie unbehelligt voran gekommen und hatten einen ersten Erfolg erzielt. Gerade als er sich der freudigen Anspannung hingeben wollte, krachte er in Alaryah, die urplötzlich stehen geblieben war.


    Alaryah Schattenwind
    Alaryah zuckte zusammen, Jaro presste ein dumpfes "Uff." zwischen den Lippen hervor. "Das kann ja heiter werden.". Kironas Blick folgte Alaryahs Fingerzeig und auch Jaro schaute nun an der kleinen Albin vorbei. Der Bach wurde nun von mehreren weiteren, kleineren Flussläufen gespeist, die aus unterschiedlichen Richtungen kamen. Die kleine Albin ließ enttäuscht die Schultern hängen. Das würde nicht einfach werden. "Welchem Flusslauf folgen wir nun am besten?". Ein erster Entschluss war schnell gefällt und so machten sich die drei wieder auf den Weg. Leider erfolglos. Wieder und wieder liefen Bachläufe zusammen, teilten sich, versiegten oder endeten in einem kleinen See oder Tümpel. Irgendwann hatten sie schließlich die Orientierung verloren. Alaryah verfluchte sich. Wie konnte das passieren? Sie? Die Orientierung verloren?! Je weiter sie gingen und je mehr Misserfolge sich abzeichneten, desto gereizter wurde die kleine Albin. Es war ihr unangenehm, war sie doch bisher eine gute Fährtenleserin gewesen. Sie war eine Waldläuferin! In ihrem eigenen Wald! Bald schon schwieg Alaryah nur noch, murmelte finster dreinblickend Worte vor sich hin. "...doch nicht sein..." oder "...nicht schon wieder...". "Dort vorn ist auch noch ein...". "ICH WEISS...", unterbrach Alaryah plötzlich Kirona, die die Albin dann erschrocken und mit aufgerissenen Augen ansah. "Ich weiss, dass dort noch eine weitere Abzweigung ist.", sprach Alaryah weiter, zwang sich selbst zur Gelassenheit. In Gedanken versuchte Alaryah noch einmal den Weg zu verfolgen, den sie bereits gegangen waren. Machte es überhaupt Sinn diese Route zu nehmen? Aber was sollten sie tun? Die Festung müsste unterirdisch hier verlaufen...oder in der Nähe. Der Bach war der richtige, so viel stand fest. Alaryah lies den Bogen fallen, trat gegen ein am Boden liegendes Steinchen, welches mit leisem "Plupp" im Wasser landete. "Verzeiht.". Diese Gefühle der Wut waren recht neu für Alaryah. Sie waren ähnlich wie dieses Feuer das sie empfand, während sie auf der Jagd oder in Kämpfe verwickelt war. Zusätzlich waren ihr die Gefühle auch noch in Gegenwart ihrer Gefährten entglitten. "Wir haben...wir sind hier falsch.". Mit einer Mischung aus Enttäuschung, Wut auf sich selbst und die Situation setzte sich Alaryah auf den Boden und grummelte vor sich hin. "Das war doch völlig umsonst. Wir müssen vielleicht noch einmal ganz von vorn beginnen.", sprach sie leise in ihren Ärmel hinein.


    Jaro Ballivòr
    Jaros Abenteuerlust wich Unbehagen, als er Alaryahs Resignation spürte. Die meiste Zeit verhielt er sich recht still. Wie sollte er auch helfen, wenn selbst die Waldalbin Schwierigkeiten hatte, einen vielversprechenden Weg zu finden? Alles sah gleich aus und nichts deutete darauf hin, dass sich irgendwo unter ihnen eine eingemauerte Hölle befand. Als Alaryah sich hinsetzte, wagte Jaro nicht zu fragen, wie weit der nächste Bach entfernt sei. Stattdessen ging er zum Ufer und starrte in das vorbei plätschernde Nass, in der Hoffnung es möge ihm sein Geheimnis verraten. Das Wasser war glasklar und kühl. Jaro trank ein paar Schlücke aus der hohlen Hand. Es war köstlich. "Wie das Wasser, dass daheim in den Bergen entspringt", dachte er. Fast im selben Moment durchfuhr ihn ein Geistesblitz und er zog eilig die Karten hervor. Die Linie des angedeuteten Baches führte exakt in die Mitte - und die Mitte zeigte neben dem schematischen Wald auch etwas anderes: Stein. Was wenn... "Eine Quelle?", murmelte Jaro. "Der Eingang ist vielleicht die Quelle des Baches." Er war aufgestanden und ging auf Alaryah und Kirona zu. "Vielleicht sind wir ihm einfach noch nicht weit genug gefolgt." Zwar reichte seine Idee nicht, Alaryah die Zuversicht wieder zu geben, doch zum Aufbrechen, um der Sache auf den Grund zu gehen, schon. Wie zuvor war es gar nicht so leicht dem Lauf des Hauptbaches zu folgen, da er sich wand und schlängelte und über alle kleinere Seitenarme abzweigten. Als Jaro schon meinte, es nehme nie ein Ende, erreichten sie einen kleinen Felsvorsprung, aus dem das Wasser etwa auf halber Höhe in einem kleinen Wasserfall heraus plätscherte. Gemeinsam inspizierten sie den Fels, wühlten im Grund des Baches, griffen in die Öffnung aus der das Wasser herausschoß, doch nichts. Hatte er sie auf einen falschen Pfad geführt? War der ganze Weg umsonst gewesen? "Aber das Wasser zeigt hier in die Mitte", beharrte er, wie um sich zu verteidigen und hielt die Karte hoch. "Vielleicht", sprang Kirona ein, "ist nicht das Wasser, sondern das Fehlen von Wasser das Indiz... Immerhin mussten wir an der ersten Pforte auch den Bewuchs entfernen..." Mit diesen Worten trat sie wieder an den Austritt heran und hielt ihre Hände davor. "Helft mir mal", bat sie, da die Öffnung zu groß war und so legten sie alle drei ihre Hände auf, bis nur noch ein kleines Rinnsal hervor trat. Ihre Blicke trafen sich. Die Wand war mit glitschigen Algen überzogen, doch die Symbole waren nicht zu übersehen. "Das ist es..." flüsterte Jaro. Kirona musste ihre Hände wegnehmen, um den Wasserstein herauszufischen und kurz verschwand ein Teil der Markierungen wieder unter dem jungen Bach. Der Stein leuchtete hell, dieses Mal war Jaro sich sicher und nach einigem Suchen und etlichen Verrenkungen hatten sie die Kerbe gefunden, die den Stein aufnehmen konnte. "Auf drei... Drei, zwei, eins..." Jaro sah nur noch Wasser. Eine wuchtige Fontäne schleuderte ihn gut drei Meter nach hinten, Alaryah und Kirona ebenso. Sie waren klatschnass. Jaro kämpfte sich auf die Beine. Gott sei Dank war er auf weichem Grund gelandet und auch den anderen schien es gut zu gehen. Dort, wo zuvor ein kleiner Sturzbach aus der Wand getreten war, dröhnte nun ein beachtlicher Wasserfall herunter. Die Hälfte des Felsens war weggerissen worden, sodass es unmöglich war, in die Nähe der Quelle zu klettern ohne vom Wasser fort gerissen zu werden. "Nummer zwei", triumphierte Kirona und grinste in die Runde.

    Alaryah Schattenwind
    Alaryah war die erste, die am nächsten Morgen erwachte. Erst überlegte sie, ob sie sich nicht doch noch einmal umdrehen sollte, aber nein, dafür war sie einfach schon zu wach. Langsam richtete sich die Albin in ihrem Bett auf, streckte sich ausgiebig und schaute dann nach ihren Gefährten. Kirona und Jaro schliefen noch. "Lassen wir sie noch etwas liegen.", entschied Alaryah und machte sich auf den Weg nach draußen. Sie kam an einer am Boden liegenden Waschschüssel vorbei, hob diese auf und stellte sie zurück an ihren Platz. "Ging wohl wieder gut zur Sache...", murmelte Alaryah und grinste. Kirona konnte wirklich was vertragen.


    Die Sonne stand schon recht hoch am Himmel und Alaryah musste die Hand den durch die Baumkronen fallenden Sonnenstrahlen entgegenstrecken, damit sie überhaupt etwas sehen konnte. Ihre Augen hatten sich an das schummrige Licht im Inneren der Unterkunft gewöhnt, daher brauchte sie einen kurzen Moment.
    Im Stützpunkt herrschte bereits reges Treiben. Hier und da gingen Waldläufer ihren Aufgaben nacht, trainierten oder machten sich auf den Weg zu einer Patrouille. Alaryahs Blick begleitete eine kleine Gruppe Alben, die durch das Tor schritten und kurze Zeit später mit dem Grün des Waldes verschmolzen. "Gute Wacht.", wünschte Alaryah in Gedanken und wandte sich nach rechts. Sie fuhr zusammen, denn sie hatte den dort stehenden Alben nicht bemerkt. "Oh, verzeiht.", sagte der junge Mann mit gelassener Stimme und machte einen Schritt zurück. "Ich wollte euch nicht erschrecken.". Seine Stimme klang überaus beruhigend. "Hauptmann Selanir schickt mich, er würde gern mit euch speisen.". Alaryah musterte den Alben. Er war in recht feine Gewänder gehüllt, die Haare ordentlich zusammengebunden. Scheinbar musste es sich um einen Boten oder Kammerdiener handeln, so schätzte Alaryah. "Ich werde eine Nachricht für meine Gefährten zurücklassen müssen?", antwortete Alaryah etwas erstaunt, doch der Alb schüttelte den Kopf. "Das wird nicht nötig sein, Schattenwind. Die Menschenfrau und euer Albenfreund sind ebenfalls eingeladen.". Alaryah verstand. "Nun, lassen wir deinen Herren nicht zu lang warten.", antwortete die Albin und rauschte davon. Der junge Mann sah ihr erst hinterher, folgte dann in gebührendem Abstand.


    Jaro Ballivòr
    In dieser Nacht träumte Jaro von Calorod. Es war ein ungemein friedlicher Traum, ebenso erholsam wie der Schlaf in dem gemütlichen Bett. Fern von Gefahren und benenbelt vom Wein erlaubte er sich tief hinab in sein eigenes Bewusstsein zu sinken. Er verließ das Haus seiner Eltern und strich eine Weile umher, ehe ihn seine Füße ans Meer trugen. Jaro atmete tief ein und aus, spürte den Wind auf der Haut. Etwas kitzelte ihn im Gesicht und er strich darüber. Wieder kitzelte es ihn, dieses Mal an der Nasenspitze. Was auch immer es war, es störte die Ruhe, die er im Angesicht des Wassers empfand, also kratzte er sich eilig und versuchte sich wieder auf das Bild und die Geräusche zu konzentrieren. Wieder. Schon etwas gereizt fuhr Jaro sich über das Gesicht, doch immer und immer wieder kitzelte es ihn. Er öffnete die Augen und sah keinen Strand vor sich und keine Brandung sondern das fröhliche Gesicht Alaryahs. Es dauerte noch ein paar Sekunden, bis Jaro begriff, dass er nur geträumt hatte. "Du...", sagte er schläfrig, als sein Geist das Kitzeln in seinem Gesicht mit dem Stückchen Stoff in Alaryahs Hand in Zusammenhang brachten. Alaryah lachte. Schnell setzte Jaro sich auf und zog die Decke bis zur Brust hoch. "Habe ich verschlafen? Müssen wir los?" Leichte Kopfschmerzen machten sich bemerkbar und er griff nach einer Schale mit kaltem Tee, der auf wundersame Weise den Weg neben sein Bett gefunden hatte.
    "Nein, nein", beschwichtigte ihn Alaryah vergnügt, "aber du musst mir helfen Kirona zu wecken. Wir sind zum Essen bei Hauptmann Selanir geladen."
    Eilig band Jaro seine Haare zusammen und schlüpfte in sein Hemd. Dann folgte er der Albin nach neben an. Im Voraum wartete ein vornehmer Alb und nickte Jaro freundlich zu. Zum Glück hatte er sich wenigsten die Haare gebunden! Als sie Kironas Vorhang zurückschoben, waberte ihnen alkoholgeschwängerte Luft entgegen. Sie hatte alle viere von sich gestreckt und schnarchte. Jaro und Alaryah wechselten einen Blick, dann zogen sie ihr die Decke weg. Keine Reaktion. "Kitzeln hat auch nichts genutzt", sagte Alaryah. "Schade, dass jemand die Waschschüssel umgeworfen hat..." Verdutzt sah Jaro die Albin an, sagte aber nichts zu seinem Verdacht. Mehrfach sprachen sie Kirona an, doch sie wollte und wollte nicht aufwachen. Hinter ihnen ertönte ein Räuspern. "Vielleicht hilft das." Der junge Mann reichte ihnen ein kleines Schälchen Wasser. Schelmisch grinsend nahm Alaryah es entgegen und begann Kirona davon ins Gesicht zu spritzen. Sie ermutigte Jaro, es ihr gleich zu tun und er musste zugegeben, dass er Gefallen daran fand. Dann endlich schrak Kirona hoch und sprang auf die Beine. "Was zum...", sie hielt inne und fasste sie an die Stirn. "Uuuuuh", stöhnte sie. "Mist... ich glaube mein Kopf platzt gleich."


    Alaryah Schattenwind
    Letztendlich beschlossen sie Kirona die Zeit zu geben, die sie brauchte. Alaryah wartete zusammen mit Jaro und dem Boten vor der Unterkunft und schließlich quälte sich Kirona heraus. Sie murmelte etwas unverständliches und schaute dann in die Runde. "Gut, gehen wir.", gab Alaryah schließlich vor und so setzten sie sich in Bewegung.
    Nach nicht ganz zehn Minuten hatten die Gefährten unter der Führung des Boten ihren Zielort erreicht. Sie schritten eine breite Treppe empor, die mit gewundenen Schnitzereien verziert war. Wenige Stufen später machte sich vor ihnen eine große Terrasse breit. An den Seiten hatte man in regelmäßigen Abständen große Pflanzenkübel aufgereiht, in denen die unterschiedlichsten Blumen, Sträuche und Bäumchen wuchsen. Es waren auch eben diese Pflanzen, die für einen frischen und angenehmen Duft sorgten. Mitten auf der Terrasse war ein runder Tisch aufgebaut an dem, der Gruppe zugewandt, Hauptmann Selanir Platz genommen hatte. Alaryah hatte bisher nur von ihm gehört, jedoch hatte sie ihn nie selbst getroffen. Die Albin war etwas verwundert über die Erscheinung des Hauptmanns, der sich von seinem Platz erhoben hatte und die Gefährten freundlich begrüßte. Er war so ganz anders als die Hauptmänner, die Alaryah bisher kennengelernt hatte. Statt Rüstung oder Uniform trug der Alb weit geschnittene, gemütliche Gewänder, keinerlei Waffen und anstatt eines Helmes zierte ein silberner Reif seine Stirn. Des Weiteren musste Alaryah feststellen, dass der Alb recht wohlgenährt schien. Sie ließ sich nichts anmerken.
    "Bitte, kommt, setzt euch doch.". Mit einer einladenden Geste winkte Selanir die Gefährten heran. Ein Blick zu dem Boten hinüber verriet diesem, dass er sich nun entfernen konnte und er kam dieser Anweisung schnell und leise nach.
    Die Gefährten nahmen Platz und schon bald brachte man ihnen zu Essen. Früchte und sogar frisch gebackenes Brot wurden aufgetragen, etwas weiter hinten dampften fein zugeschnittene Stücke Fisch vor sich hin.
    "Nun, man hat mir zugetragen, dass ihr abseits der Wege von Rankenfels gereist seid?", lenkte Selanis schließlich das höfliche Vorgeplänkel in eine ernstere Richtung. Die Gefährten sahen einander an und nickten dann. "Wir stießen auf...nunja.", Alaryah schaute auf ihren Teller, biss dann von einer großen Erdbeere ab. "Da waren stillgelegte Festungsanlagen.", murmelte sie zwischen den Bissen hindurch. Natürlich sollten ihre Entdeckungen unter der Erde nicht unerwähnt bleiben, doch fiel es der Albin schwer darüber zu berichten, da die Schatten der Ereignisse nun wieder ihre Finger nach ihr ausstreckten. Hilfesuchend warf Alaryah einen kurzen Blick zu Jaro und Kirona.


    Jaro Ballivòr
    Obwohl er frisch gewaschen und ausgeschlafen war, kam Jaro sich schäbig vor, als sie die Stufen zu ihrem Gastgeber erklommen. Hier war nichts dem Zufall überlassen worden. Jede Schnitzerei, jede Pflanze, sogar deren Duft, war genau so, wie es sein musste. So zumindest die Wirkung auf Jaro. Er ertappte sich dabei, wie er versuchte das neue Hemd glatt zu streifen. Schüchtern nahm er schließlich Platz. Beim Anblick der dargebotenen Speisen lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Das war genau das Richtige, um das flaue Gefühl in seinem Magen zu bändigen. Wie so oft und nicht ohne schlechtes Gewissen, überließ er Alaryah das Reden. Kirona blieb ebenso stumm und ihre bleichen Wangen hinterließen den Eindruck, dass sie auch gut beraten war, die Lippen geschlossen zu halten. Dann spürte Jaro nicht nur Alaryahs sondern auch Selanirs Blick auf sich und verschluckte sich beinahe an einem Bissen. Der eigentümliche Hauptmann sah aber freundlich aus und so fasste er seinen ganzen Mut zusammen. "Es war ein geheimer Ort. Ohne... nur durch Zufall haben wir den Eingang gefunden." Rechtzeitig korrigierte er sich. Er wollte Kirona nicht in eine schwierige Situation bringen, indem er ausplauderte, dass sie den Zugang freigelegt hatte. Vor allem nicht gerade jetzt, wo ihr immer wieder die Augen zu fielen. "Alles wirkte so, als sei schon seit vielen Jahren niemand mehr dort gewesen. Zumindest in einem Großteil der Anlage... wir fanden eine Art Labor, das offenbar kürzlich erst benutzt wurde." Der Ausdruck Alaryahs verriet ihm, dass die düstere Erinnerung an den Ort sie ebenso einholte wie ihn. Selanir hörte ihnen schweigend zu. Es war schwer zu sagen, was er dachte, doch er sagte momentan noch nichts.

    Alaryah Schattenwind

    Alaryah nickte zustimmend, als Jaro geendet hatte. Gemeinsam setzten sie das Bild der Geschehenisse aus den Fragmenten ihrer Erinnerungen wieder zusammen, an manchen Stellen half sogar Kirona mit ein paar knappen Bemerkungen aus. Dann passierte ein paar Augenblicke einfach gar nichts. Der Hauptmann saß wie versteinert auf seinem Stuhl, starrte kurzzeitig ins Leere. Dann hob der den Kopf und lehnte sich zurück. "So wie es aussieht habt ihr dort eine Anlage gefunden, die schon lange verloren und eigentlich hätte verborgen bleiben sollen.". Diese doch recht schweren Worte passten nicht wirklich zu dem freundlichen Gesichtsausdruck des Hauptmanns und so hatte Alaryah anfangs ihre Schwierigkeiten diese richtig einzuordnen. "Ihr habt doch den Zugang wieder versiegelt, nicht wahr?", fragte Selanir weiter und griff erneut nach seinem Besteck. Sämtliche Farbe wich aus Alaryahs Gesicht. "Das darf doch nicht...". Sie war sich nicht sicher. Was war passiert? Auch ihre Gefährten waren wie vom Blitz getroffen. Niemand wagte sich zu rühren. Eine Zeit lang hörte man nur das Klimpern des Bestecks von Selanir, dann ein leises Kauen und Schmatzen. "Nicht? Nun, dann sollten wir uns schleunigst darum kümmern, nicht wahr?". Er machte eine knappe Handbewegung und Alaryah rechnete schon damit tierischen Ärger zu bekommen. Sie zuckte reflexartig zusammen und presste die Lippen aufeinander. Doch Ärger blieb aus? Stattdessen setzten sich plötzlich mehrere Waldläufer etwas weiter entfernt in Bewegung. Wieder traute sich niemand das Wort zu ergreifen. "Seid unbesorgt, wir werden uns schon darum kümmern.", unterbrach der Hauptmann die unangenehme Stille. "Wir wussten nicht...ich meine...wir...wir wollten...waren...", Alaryah rückte unruhig auf ihrem Platz umher. "Schattenwind, bitte.". Sie verstummte. "Ich möchte euch und euren Freunden etwas zeigen.". Selanir erhob sich. "So folgt mir bitte.".
    Gemächlich gimg der Hauptmann vor der kleinen, schweigenden Gruppe her. Ein leises Rascheln der Gewänder von Selanir war bei jedem seiner Schritte zu vernehmen und schließlich hielt er an einem kleinen Häuschen inne. Mit leisem Knirschen öffnete sich die Tür und gab den Blick auf einen langen Raum frei, an dessen Wänden viele Schriftrollen säuberlich geordnet und sortiert gelagert wurden. Mit einer Mischung aus Neugier und Respekt betraten sie nun das innere des Gebäudes.

    Jaro Ballivòr
    Während sie gingen, wog Jaro ab, ob er Selanir mochte oder nicht. Er war vollkommen anders, als sie anderen waldalbischen Kommandeure, mit denen er bis dahin zu tun gehabt hatte. Seine freundliche Art war entwaffnend, doch befremdlich zugleich und Jaro fragte sich, wie viel davon echt war. Noch viel stärker als bei anderen Walbalben hatte er das Gefühl, dass Selanir alles zu wissen und jede Notwendigkeit vorauszuahnen schien. Das Sammelsurium an geballtem Wissen in dem kleinen Haus durchbrach seine Überlegungen. Innen wirkte das Gebäude wesentlich größer als von außen. Fast schien es, als flüsterte das Pergament, bereit sein Wissen weiter zu geben. Die Einrichtung war ansonsten schmucklos, die Aura des Raumes dadurch aber nicht weniger erhaben. Was mochte hier alles schlummern? "Immer weiter, hier entlang, bitte", ertönte Selanirs Stimme und Jaro fühlte sich ertappt, wie ein Junge, der versucht hatte, etwas Süßes von einem Marktstand zu stibizen. Obwohl es keine großen Fenster gab, war der Raum so geschickt angelegt, dass das Tageslicht für ausreichend Helligkeit sorgte. Auf etwa halbem Wege kamen sie zum Halt und Selanir griff zielgerichtet in eines der Regale. Zwar gab es in regelmäßigen Abständen Beschriftungen, doch Jaro hatte ihn nicht einmal zur Seite blicken sehen. Er musste den Inhalt dieses Raumes in und auswendig kennen. "Ich denke, dies wird euch helfen." Wissend grinster er und ging dann weiter zu einem steinernen Pult, das von einem eintretenden Lichtstrahl erhellt wurde. Vorsichtig entrollte er das Pergament. Es war eine Karte. Nie zuvor hatte Jaro eine derart detailreiche Darstellung gesehen. Sogar verschiedenen Baumarten konnten unterschieden werden. "Seht hier", Selanir wies mit einem Zeigefinger auf eine Ansammlung winziger Häuser, "das ist die Efeusenke. Und hier", er fuhr einen kleinen, gewundenen Pfad entlang, "ist euer Ziel." Jaro gab seiner Neugierde nach und beugte sich ein wenig nach vorne. Neben Selanirs Finger zogen sich dünne Rauchfäden durch die Bäume und als der seine Hand wegnahm, kam eine einzelne Hütte zum Vorschein. "Er wird euch helfen können." Selanir sah sie mit glitzernden Augen an, während sie alle noch fasziniert die Karte musterten. "Auf, auf! Wollt ihr den Weg nicht übertragen? Dieses Exemplar kann ich euch nicht mitgeben. Es würde eine Reise nicht überstehen. Doch wer von uns würde das schon mit mehreren Hundert Jahren auf dem Buckel, nicht wahr?"


    Alaryah Schattenwind
    Schlagartig kam Bewegung in die Gefährten. Die starre Ehrfurcht war plötzlich wie verpufft und die drei kramten recht hastig in ihren mitgebrachten Gürtel- und Umhängetaschen. Tatsächlich schafften sie es einen Bogen Pergament und einen Kohlestift zusammenzutragen und schon bald machten sie sich daran die Karte abzuzeichnen. Selanir beobachtete das Treiben mit einem leicht amüsierten Lächeln. Wie Schulkinder waren die drei brav seinen Anweisungen nachgekommen. Irgendwann wandte sich Alaryah ab und drehte sich zu dem Hauptmann hinüber. "Sagt, Selanir, wen werden wir dort vorfinden? Dieser Weg ist, wenn ich mich richtig erinnere, nicht auf den Karten der Waldläufer eingezeichnet?". Selanir lachte leise, zog eine Augenbraue hoch und schaute Alaryah tief in die Augen. "Nicht alle Wege sind auf euren Karten festgehalten. Es gibt Wege, die nur die Besatzung hier kennt, Wege, die bewusst und gewollt versperrt und verborgen sind.". Auch Jaro und Kirona, die die Arbeiten an der eigenen Karte nun beendet hatten, hörten nun gespannt zu. Ein schwacher Anflug von Misstrauen und Skepsis huschte über Alaryahs Gesicht, was von Selanir nicht unbemerkt blieb. Er legte den Kopf schief und einer seiner Mundwinkel zuckte kurz. "Wirklich?", fragte er und sah nun auch zur Kirona und Jaro hinüber. "Ich lasse euch doch nicht in euer Verderben ziehen?", fragte der Hauptmann schon fest etwas empört. "Ihr werdet dort einen Gelehrten antreffen. Er lebt zurückgezogen, schon fast wie ein Einsiedler. Es geschah auf seinen Wunsch hin, dass der Weg zu seinem Haus von den bekannten Karten entfernt wird.". Die Situation entspannte sich zusehends. Dann kam Selanir näher zu den dreien hin. Mit gedämpfter Stimme fuhr er fort:"Manche sagen, dass ihm diese Einsamkeit nicht gut tut. Einige Stimmen sprechen gar von Verfolgungswahn.". Der Blick des Hauptmanns wechselte zwischen den Gefährten umher. Dann richtete er sich wieder in voller Größe auf und stemmte die Hände in die Hüfte. "Doch genug der Worte. Ihr habt nun eure eigene Karte und ihr werdet ihn finden, da bin ich mir ganz sicher. Jedoch kann ich euch nicht versprechen, dass ihr auf alle eure Fragen eine Antwort erhalten werdet.". Sie nickten. "Bleibt von mir aus noch bis zum Nachmittag, doch dann solltet ihr euch auf den Weg machen, sonst wird es spät sein wenn ihr bei ihm ankommt.". Der Empfehlung wollten sie folgen. Bevor der Hauptmann ging machte Alaryah noch mal zwei Schritte hinter dem Alben her. "Eine Frage noch, Hauptmann. Wie...nunja, wie ist sein Name?".


    Jaro Ballivòr
    Es war das erste Mal, das Selanir um eine Antwort verlegen schien. Nach kurzem Zögern sprach er aber ebenso heiter wie zuvor. "Einst war er Nesolion Cudor. Doch seit Jahren hört er nur noch auf einen Namen: Nativus - der Besondere." Damit wandte er sich ab und schritt aus dem Gebäude. Jaro zwang seinen Blick zurück auf die Karte. Alles hier faszinierte ihn. Der Drang, sich nun, da Selanir sie alleine gelassen hatte, genauer umzusehen, kochte in ihm hoch, doch er war sich sicher, dass sie überwacht wurden, auch wenn sie nichts davon mitbekamen. Also machte er sich daran, gemeinsam mit seinen Freundinnen möglichst viele Details zu übertragen. Schließlich waren sie zufrieden. "Sollen wir", setzte Jaro an und deutete auf die Karte, doch wie so oft erschien ein Alb aus dem Nichts und beantwortete die Frage für sie. Er war komplett in einen dunklen Umhand gehüllt und trug ein großes hölzernes Medallion um den Hals. "Schon gut. Ich kümmere mich darum." Seine Stimme war sanft und leise. Vermutlich war er eine Art Wächter.
    Das grelle Tageslicht vor der Hütte blendete sie. Die Mittagszeit musste bereits verstrichen sein und Jaro verspürte schon wieder Hunger. "Meint ihr, wir können noch eine Mahlzeit bekommen, bevor wir aufbrechen?", fragte er schüchtern.


    Alaryah Schattenwind
    "Du hast doch quasi gerade erst gegessen?!", fragte Alaryah und lachte. "Aber keine Sorge, ich denke, wir können uns hier noch etwas genehmigen.". Sie sollte recht behalten. Tatsächlich war noch genügend Zeit für ein Mittagessen und die Gefährten konnten sich bei den Waldläufern noch mit etwas Proviant eindecken. Eigentlich war der Weg auf der Karte gar nicht so weit, doch wer konnte schon genau sagen, ob sie die Hütte von Nativus direkt auf Anhieb finden würden?
    Bald hatte Alaryah wieder ihre Uniform und die leichte Rüstung angelegt. Ihre Wunde am Arm heilte gut ab und sie brauchte fast gar keine Hilfe mit ihrer Ausrüstung, was die kleine Albin sichtlich erfreute. Trotz allem war ihr etwas mulmig, als sie nach ihren Waffen griff...
    So zog die kleine Reisegruppe bald weiter, Hauptmann Selanir stand auf einem Podest an der Palisade, hob zum Abschied noch einmal die Hand. Alaryah hätte sich gern noch von der Frau mit der Harfe am Becken verabschiedet, doch war diese dort nicht mehr anzutreffen. Schade, fand Alaryah, und so ließ sie der Frau noch einmal ihren Dank übermitteln.
    Das Wetter war wunderbar. Es war nicht zu warm, nicht zu kalt und selbst der Wind war genau richtig. Beinahe hätten die drei die Abzweigung verpasst, die...eigentlich laut Karte nun vor ihnen liegen müsste? "Seltsam.", fand Alaryah und sah sich um. Der Weg ging hier nur in eine Richtung weiter und hatte fast gar nichts mit dem gemeinsam, den sie auf ihrer Karte eingezeichnet hatten. "Haben wir da einen Fehler gemacht?". Nachdenklich kratzte sich Alaryah am Kinn, weiterhin die Umgebung mit ihren Blicken absuchend. Kirona drehte sich und die Karte hin und her, auch Jaro schaute sich um. "Eigentlich müsste es hier doch weitergehen?", dachte Alaryah laut und blieb vor dichtem Unterholz stehen. "Da kann man keine drei Meter weit gucken.", stellte Kirona fest und hielt erneut das Pergament hoch. Alaryah kniete ab, wischte mit der Hand über den Waldboden und die Grasnarbe. "Wenn hier ein Weg gewesen ist, dann müsste man das doch noch erkennen?". Ratlos wischte sie die Erde von ihrer Hand und erhob sich. Dann ging Alaryah noch mal ein paar Schritte zurück, verfolgte ihre Schritte noch einmal. "Wege, die bewusst und gewollt versperrt und verborgen sind.", sprach Alaryah die Worte des Hauptmanns noch einmal nach. "Wir sind hier ganz bestimmt richtig...nur was übersehen wir?!".


    Jaro Ballivòr
    Mehr als ein Schulterzucken konnte Jaro ihr nicht zur Antwort geben. Ohne die Karte wäre er einfach gerade aus weiter gegangen, doch Alaryah hatte Recht. Die Kontur des Pfades war eindeutig. Hier musste der Abzweig sein. Er untersuchte das Gebüsch, den Boden und den Weg in beide Richtungen. Nicht einmal Alaryah schien eine Lösung zu erkennen. Der Wald um sie herum leuchte in sattem Grün und hoch über ihnen sangen die Vögel ihr Lied. "Das Gras ist noch jung", murmelte Jaro plötzlich halb unbewusst. "Was?", fragte Kirona. "Das Gras, es wurde erst vor kurzem gepflanzt." Nun wurde es Jaro erst richtig bewusst. Es war zu grün, zu zart. Genau so, wie die Ziegen es geliebt hätten. Mit dieser Erkenntnis nahm Jaro auch die Umgebung genauer in Augenschein. Das Unterholz war wirklich dicht, fast undurchdringlich. Er trat nahe heran und spähte durch eine Lücke hindurch. Kirona hatte Recht, man konnte nicht weit sehen. Trotzdem bemühte Jaro seine Augen. Seinem frostalbischen Erbe verdankte er das besonders scharfe Sehen. Er ließ den Blick von links nach rechts schweifen und erkannte schließlich, dass das Dickicht ungleichmäßig war. Das mochte vielleicht nichts Ungewöhnliches sein, doch fiel ihm auf, dass sich nicht nur die Dichte, sondern auch die Art der Pflanzen unterschied. Auch diese Gewächse waren nicht natürlich. Jemand hatte sie gepflanzt. Jaro ging ein wenig nach links, ohne vom Wegesrand zurück zu treten. Plötzlich stieß er mit der Schulter gegen Geäst. An dieser Stelle wuchsen die Sträucher weiter in die Straße hinein. Doch nicht nur das. Sie bildeten einen kleinen Spalt. "Seht nur!", sagte er lauter, während er seine letzten Erkenntnisse leise vor sich hingemurmelt hatte. Mit etwas Mühe schob er sich in den Spalt. Es war schwierig aber es ging und anstelle nun komplett von Sträuchern umzingelt zu sein, fand er sich vor einem geraden Durchgang wieder. Er ging ein paar Schritte, bis er wieder auf eine scheinbar undruchdringliche Wand stieß, folgte ihr zusehends aufgeregter zurück nach rechts, bis er einen ähnlichen Vorsprung fand. Das war der Weg! So schnell es die Enge zu ließ, ging Jaro zurück zum Pfad. "Das ist es!", triumphierte er. "Es sind kleine seitliche Spalten, die man nur sieht, wenn man direkt davor steht! So geht es im Zickzack... wie weit weiß ich nicht. Gut möglich, dass sich in sicherem Abstand wieder ein breiterer Pfad auftut." Er lächelte stolz.


    Alaryah Schattenwind
    Alaryah war so in Gedanken vertieft, dass sie erst gar nicht mitbekam, wie Jaro sich seinen Weg durch das Unterholz bahnte. Dann aber war sie wieder voll und ganz da. "Natürlich!". Sie grinste. "Gut gemacht, Jaro. Scheinbar wirst du auch noch irgendwann zu einem guten Waldläufer.". Sie zwinkerte ihm zu, dann setzten sie sich in Bewegung. Jaro ging vor, Kirona folgte. Bevor Alaryah sich nun auch durch den Spalt schob hielt sie inne. Sie lauschte einen Moment, schärfte ihre Sinne. Nichts. Nur die Geräusche des Waldes. Gut. Sie hatte nicht wirklich mit einem Verfolger gerechnet...doch war es sicherlich nicht falsch auf Nummer sicher zu gehen. "Alaryah, kommst du?", hörte sie dann etwas gedämpft Kironas Stimme. "Jah...ja ich bin sofort da.". Ein paar Sekunden blieb sie noch so stehen, dann folgte sie Jaro und Kirona.
    Es war kein einfacher Weg und manchmal dachte Alaryah, sie hätte den Anschluss verloren. Jaro schien in seiner Begeisterung und mit frischem Mut und Tatentrang wie von selbst den Pfad entlang zu schweben, hatte dabei Kirona im Schlepptau. "Wir sollten dennoch vorsichtig sein. Wer weiss, wer sich hier sonst noch so verst...aaah..". Wieder blieb sie an einem Ast hängen und verfluchte sich innerlich selbst. "Du bist hier die Waldläuferin?!", mahnte sich die Albin gedanklich selbst und ordnete ihre Gedanken neu. Irgendwie hatte all das gerade etwas bedrückendes. Trotzdem kamen die drei gut und zügig voran, Jaro fand wieder und wieder Vorsprünge und Durchgänge. Alaryah schaute noch einmal zurück, doch war da nur (scheinbar) undurchdringliches Unterholz und dichter Wald.
    Bald kam es so, wie Jaro es prophezeit hatte. Da war ein Pfad, breit genug, dass die drei bequem nebeneinander herlaufen konnten. Zu Alaryahs Erstaunen wuchsen hier sogar Pflanzen, die sie zuvor noch nie in ihrem Abschnitt des Waldes gesehen hatte. Auch die Geräusche des Waldes waren hier anders, dumpfer, ruhiger. Es war, als würde der Waldboden einen Großteil der Umgebungsgeräusche verschlucken, fast wie ein dicker Teppich, auf dem Schritte so gut wie gar nicht zu hören waren. "Langsam.", flüsterte Alaryah Jaro und Kirona zu. "Hier ist etwas anders.". Auch die beiden schienen dies nun zu bemerken und wurden langsamer. Dann zeigte Kirona plötzlich nach vorn. "Seht doch, dort!".

    Jaro Ballivòr
    "Jaro" Eine Stimme fand den Weg in Jaros Geist. Hatte er das Bewusstsein verloren? "Jaro" Es klingelte in seinen Ohren, ihm schwindelte und einen Augenblick lang wusste er nicht, wo er sich befand. Seine Finger tasteten auf den Boden neben ihm und da fiel es ihm wieder ein. Er war im Wald, es hatte Kämpfe gegeben und dann war irgendetwas geschehen... ein lauter Knall und dann? "Jaro, wach auf." Die Stimme war nun ganz nah. Er spürte eine Hand auf seiner Brust. "Kirona?", krächzte er. "Ja, ich bin es", erwiderte die Frau und Jaro wagte endlich die Augen zu öffnen. Ihr Anblick erschreckte ihn. Ihre Kleidung hing in Fetzen, sie blutete über dem Auge und aus einem fiesen Schnitt an ihrer Wange und ihre Haare waren stellenweise versengt. "Was", setzte er an, doch sie winkte ab. "Später. Wir müssen Alaryah finden. Kannst du aufstehen?" Jaro nickte. Zwar schmerzte ihn jede Sehne seines Körpers, doch unglaublicherweise schien er nicht ernster verletzt. Er wusste nicht, was ihn mehr erstaunte, seine Unversehrtheit oder die kühle Gefasstheit, mit der ihm Kirona begegnete. "Kirona, Vorsicht!" Voller Schreck erkannte Jaro Foranir und Morond hinter ihr, doch sie schüttelte den Kopf. "Alles gut. Sie sind nicht unser Feind. Ich erkläre es euch später." Trotzdem beäugte Jaro die beiden Alben misstrauisch, als er sich schlussendlich auf die Beine kämpfte. Sie sahen fast noch schlimmer aus, als Kirona. "Hier entlang." Ohne zu zögern ging Kirona in eine Richtung und Jaro, Foranir und Morond blieb nichts, als ihr zu folgen.


    Alaryah Schattenwind
    Die Zähne fest aufeinandergebissen spurtete Alaryah durch den Wald, direkt in die Richtung, in der sie ihre Gefährten und Tinriels Familie in etwa vermutete. Tinriel weinte immer noch und es mochte Alaryah nicht gelingen das kleine Mädchen zu beruhigen. Wie auch? Sie konnte sich gerade nicht einmal selbst wirklich beruhigen?! Zu allem Überfluss machten sich nun auch die Strapazen der letzten Ereignisse bei Alaryah bemerkbar. Erst war es ihr ein leichtes gewesen die kleine Tinriel zu tragen, doch mit jedem Schritt schien sie schwerer zu werden. Ab und an musste Alaryah sogar aufpassen, dass sie nicht nach vorn überkippte oder auch nur ins Stolpern geriet. Wieder und wieder warf sie einen Blick hinter sich, doch da war niemand, nur düsterer Walt. Die Spuren der Explosion wurden nun deutlicher und Alaryah war sich sicher, dass dies nicht lange unbemerkt bleiben würde. Schon bald würde man bestimmt die ersten Waldläufer aussenden, wenn diese nicht schon unterwegs waren. Es würde einige Zeit dauern, bis sich der Wald an diese Stelle wieder komplett erholen würde. Doch daran durfte Alaryah nun nicht denken! "Reiß dich zusammen.", mahnte sich die Albin in Gedanken und fokussierte sich wieder auf den vor ihr liegenden Weg. Da hinten! Hatte sie dort nicht gerade Sinyah gesehen? Tatsächlich! "Sinyah!", rief Alaryah so laut sie konnte. Erst beim dritten Ruf trafen sich endlich ihre Blicke. Doch dann erinnerte sich Alaryah plötzlich an den Moment mit Tinriel im Wald zurück und blieb abrupt stehen. Bevor sie jedoch weiter reagieren konnte, stand Sinyah bereits vor ihr. "Tinriel! Oh, meine kleine Tinriel!". "Mamaaa!". Sinyah nahm Alaryah die kleine ab und umarmte sie so fest, als wolle sie sie nie wieder loslassen. Sinyah war überglücklich und konnte Alaryah gar nicht genug danken, dass sie ihre kleine Tochter gerettet hatte. Nun musste auch Alaryah eine kleine Träne verdrücken. "Wir sollten die anderen suchen.", meinte Alaryah schließlich und Sinyah nickte. Mit Tinriel auf dem Arm folgte die Albenfrau nun Alaryah, erkundigte sich immer wieder nach dem Wohlergehen der beiden. "Mir geht es gut.", brachte Alaryah wieder und wieder hervor, doch es war ihr deutlich anzusehen, dass es nicht so war. Die Albin war am Ende. Reflexartig wandte sich Alaryah plötzlich nach links und ihr Blick raste eine kleine Anhöhe hinauf. "Sieh doch.", sagte sie erleichtert zu Sinyah und die Anspannung fiel wieder etwas von ihr ab. "Da sind die anderen.". Tatsächlich waren dort Kirona und Jaro, ebenso Morond und Foranir. Kurze Zeit später hatte sich die kleine Gruppe endlich wiedergefunden. Während Alaryah ihre Gefährten herzlich umarmte blieb sie bei den anderen doch etwas distanzierter. "Kirona...geht es dir wirklich gut?", fragte Alaryah lieber noch einmal nach, nachdem sie Jaro durch das Haar gewuschelt hatte. Kirona nickte und rang sich ein schwaches Lächeln ab. "Jaro, ist mit dir auch alles in Ordnung?". Als Alaryah das Familienglück unweit entfernt beobachtete wurde ihr Herz noch schwerer. Sie war schon oft von Zuhause weg gewesen, doch nach all den Erlebnissen...Die Albin versuchte sich abzulenken und begann die Schnittwunden ihrer Gefährten zu heilen.


    Jaro Ballivòr
    "Mir fehlt nichts", murmelte Jaro, ließ jedoch zu, dass Alaryah seine Blessuren versorgte. Auch Kirona ließ sich ansehen, sog dann aber zischend Luft ein. "Alaryah... ich weiß nicht, ob du es bemerkt hast, aber dir steckt ein Pfeil im Arm." Trotz der Umstände mussten sie alle schmunzeln. Zugleich konnte Jaro nicht umhin, die Waldalbin zu bewundern. Sie musste höllische Schmerzen leiden, doch es war ihr ein Drang, zuerst ihre Freunde zu umsorgen. Man könne hier und jetzt sowieso nichts dagegen tun. "Du hast Recht", sagte Kirona nun ernster. "Ohne richtige Arznei würde sich die Wunde furchtbar entzünden. Es ist besser, der Pfeil bleibt vorerst drin. Nur nicht zu lange..." Sorgenfalten zierten ihre Stirn und Jaro teilte ihre Gefühle. Sie mussten baldmöglichst zu einem Heiler. Alaryah winkte ab, auch wenn sie etwas blass aussah. Zuerst sagte sie, wolle sie wissen, was passiert sei. Kirona blickte kurz zu der kleinen Familie, räusperte sich und begann dann leise zu sprechen. "Ich hatte die Befürchtung schon länger, doch ich war mir nicht sicher, wollte es vielleicht auch einfach nicht wahrhaben..." Kurz wirkte ihr Blick entrückt und als sie fortfuhr, war es nur mehr ein Flüstern. "Jemand ist in ihren Geist eingedrungen." Sie nickte in Richtung des Grüppchens. "Sie wurden manipuliert. Ihr glasiger, starrer Blick, die Stimmungswechsel, die belegten Stimmen... ich hätte es mir denken können. Aber es wurde mir erst im Gerangel mit Foranir klar. Er kämpfte nicht wie ein Junge. Er kämpfte wie ein wildes Tier... Ich war gezwungen ihnen richtig weh zu tun, um zu entkommen, doch sie verfolgten mich, ließen nicht locker..." Etwas Flehendes lag in Kironas Blick, als suche sie nach Vergebung, nach Bestätigung, dass sie richtig gehandelt hatte. Alaryah legte ihr den gesunden Arm auf die Schulter. "Schon gut." Kirona nickte, sich besinnend. "Ich fand Jaro... Sinyah war dabei ihn zu erwürgen und dann tauchten die beiden wieder auf, mit Verstärkung im Schlepptau. Was dann geschah, kann ich kaum in Worte fassen. Der Stein aus der Ruine regte sich. Es war, als spräche er in meinem Geist. Wobei...", sie hielt kurz inne und suchte nach Worten. "Es waren keine Worte. Ich wusste einfach was zu tun war. Mit letzter Kraft übermannte ich Foranir und Morond, stieß sie ins Gebüsch, um sie vor dem zu bewahren was dann passierte. Als ich mich umdrehte, war Sinyah fort... keine Ahnung wohin. Es war auch keine Zeit, das zu überprüfen. Ich wusste, mir würde nichts geschehen und musste hoffen, dass sie und Jaro weit genug entfernt, dass Foranir und Morond geschützt genug waren. Dann habe ich den Stein aktiviert. Fragt mich nicht wie. Alles, was ich fühlte, war Hitze. Es gab einen lauten Knall und alles um mich herum wurde von einer Druckwelle erschüttert. Das war's. Ich suchte Jaro. Foranir und Morond fanden mich. Und nun sind wir hier." Sie zuckte mit den Schultern und endete. Alaryahs Gesichtsausdruck war von bitterer Erkenntnis gezeichnet. "Es ist schlimmer als befürchtet. Hier ist ein sehr mächtiger Feind am Werk. Wir müssen herausfinden, was er sucht... Weswegen eine unbedeutende Familie benutzen? Warum...", Mit einem Keuchen unterbrach sie sich. Sie hatte sich zu den anderen umdrehen wollen und dabei wohl den Schmerz in ihrem Arm erneut entfacht. Wie in Zeitlupe sah Jaro Alaryah taumeln, ehe sie bewusstlos niederging. Allein Kironas schneller Reaktion war es zu verdanken, dass sie nicht hart auf dem Boden aufschlug. Jaro wollte in die Hocke gehen, um zu helfen, als er kaltes Metall an seiner Kehle spürte. "Keine Bewegung."


    Alaryah Schattenwind
    Er war so schnell er konnte mit seiner Schar durch den Wald geeilt. Sie hatten sich leise fortbewegt, teilweise durch die Baumkronen, teilweise am Boden. Dann endlich waren sie auf weitere Personen gestoßen, unweit von dem Ort entfernt, wo der fürchterliche Lärm zuvor hergekommen sein mochte. Deutlich konnte der Anführer der Schar die Waldläuferin erkennen, die fast leblos in den Armen einer tätowierten Frau hing. Wie angewurzelt stand eine kleine Familie unweit der Frau, ein weiterer Alb wollte sich der Waldläuferin nähern. Der Anführer gab Handzeichen, seine Schar reagierte, kreiste die Gruppe nach und nach ein, blieb dabei im Verborgenen. Mehrere Haken schlagend näherte sich der Mann von hinten dem jungen Alben, zog dabei leise sein Schwert...


    Alle schienen einen Moment lang wie versteinert. "Was war das gerade für ein Knall? Wer seid ihr?", verlangte der Alb zu wissen, der wie aus dem Nichts bei Jaro aufgetaucht war. Hier und da traten weitere Waldläufer aus ihrer Deckung hervor, jederzeit zu einem Angriff bereit. "Wir...also...". Jaro hob beschwichtigend die Hände. "Wir sind Reisende.", begann Kirona, die dem vernichtenden Blick des Soldaten gerade noch so standhalten konnte. "Jemand hat uns angegriffen!", platzte es plötzlich aus Morond heraus, der sich vor seine Familie stellte. "Seht doch dort hinten, da liegt unser Karren!". Er wedelte mit den Armen und deutete auf die Stelle. Zwei Waldläufer verschwanden wieder im Unterholz. "Die können immer noch hier in der Nähe sein!", mischte sich nun auch Foranir ein. Der Blick des Anführers wanderte durch die Gesichter der Anwesenden. "Was, wenn noch weitere Reisende hier auf dem Weg überfallen werden? So etwas hat es doch noch nie gegeben!". Sinyah brachte nun auch ein paar Worte hervor, war dabei erneut den Tränen nahe. Tinriel wandte sich ab, klammerte sich noch fester an ihre Mutter. Die zwei Waldläufer kehrten zurück und einer flüsterte dem Anführer etwas zu. "Und diese Angreifer...wer waren sie? Konntet ihr jemanden oder etwas erkennen? Sind sie Schuld an...dem hier?". Er deutete auf eine Stelle, an der die Reste eines versengten Gebüsches traurig auf Halbmast hingen. Unsicher wechselten alle ein paar schnelle Blicke, dann fassten sich Kirona und Jaro schließlich ein Herz und berichteten von dem Angriff der Bogenschützen und einer Explosion. Sie bogen sich die Wahrheit etwas zurecht, doch wollten sie gerade niemandem wirklich trauen. Morond wollte etwas klarstellen, doch räusperte sich nur, als Foranir ihm einen leichten Stoß mit dem Ellenbogen versetzte. "...und nun wissen wir nicht, in welche Richtung sie gelaufen sind.", schloss Kirona ihren Bericht ab. Die Augen des Anführers verengten sich. Er schien ihnen nicht alles zu glauben, doch sprachen der Zustand der Gruppe, der Karren und die Pfeile Bände. Er beschloss erst einmal die Gegend weiter abzusuchen und den Weg zu sichern. "Falls es nötig sein sollte, dass Ihr eure Beobachtungen und Erlebnisse erneut bezeugt, so werden wir euch finden.", versprach der Anführer und zog das Schwert mit leisem Zischen von Jaros Hals weg. Dieser atmete erst einmal tief durch. "Nun zieht eurer Wege.". Mit knappem Nicken setzte sich der Waldläufer wieder in Bewegung. "Halt!", protestierte Kirona, die immer noch Alaryah festhielt und machte einen halbherzigen Schritt zur Seite. Sie hätte sich dem Alben niemals wirklich in den Weg stellen können, doch blieb dieser mit vor Erstaunen hochgezogener Augenbraue stehen. "Ist euch doch noch etwas eingefallen was ich wissen sollte?", fragte er und musterte Kirona abschätzend. Diese presste die Lippen aufeinander. "Ihr müsst uns helfen.", brachte sie grimmig hervor. "Alaryah ist verletzt. Sie braucht Medizin. sie ist eine Waldläuferin, genau wie ihr. Sie hat uns geführt, begleitet und beschützt. Wir können nichts tun, aber in euren Reihen muss doch jemand sein, der helfen kann.". Schwach keimte Verzweifelung in ihrer Stimme auf. "Nun...". Der Alb kam näher und betrachtete Alaryahs Wunde, untersuchte sie oberflächlich. "Melrodan! Hierher!". Ein Alb mit grüner Kaputze, braunem Schal und Umhängetasche eilte heran. "Seht was ihr tun könnt, schließt dann zu uns auf.". Der Soldat salutierte. "Auf bald.". brummte der Anführer knapp in die Runde und rauschte davon, seine Schar folgte. Melrodan legte Alaryah neben dem Weg auf den weichen Waldboden, hatte inzwischen schon eine genaue Diagnose im Kopf und murmelte unverständlich Worte vor sich hin. "Hier, das sollte helfen.", sagte er schließlich mit einer Stimme, die erstaunlich jung klang. Eine kleine Phiole wechselte den Besitzer. "Ich werde den Pfeil nun entfernen, stillt hiermit die Blutung und dann bindet ihr den Arm an dieser Stelle ab.". Er gab noch ein paar Anweisungen, die die Gefährten durchaus in der Lage waren umzusetzen und verschwand dann ebenfalls. Als Kirona Alaryah den Inhalt der Phiole eingeflößt hatte kam diese langsam wieder zu sich.
    Sie blickte schon bald in die erleichterten Gesichter ihrer Gefährten und der Familie. "Wa...was ist passiert?", fragte sie leise und gemeinsam brachten sie die kleine Albin wieder auf den aktuellen Stand der Dinge. Dann waren sie sich alle einig: Sie sollten nicht weiter hier verweilen.


    Jaro Ballivòr
    Nach dem anfänglichen Schock war Jaro froh, dass die Waldläufer gekommen waren. Sie würden mögliche weitere Angreifer zur Strecke bringen oder in Gewahrsam nehmen und sich des verwundeten Waldstücks annehmen, vielleicht Naturmagier oder Schamanen herbei ordern. All das gab ihnen die Möglichkeit in Ruhe darüber nachzudenken, was zu tun sei. Eines war klar: sie mussten sich unbedingt von der Familie trennen. Aus einem Grund, den sie noch nicht sicher benennen konnten, waren sie ins Visir des Feindes geraten. Sie brachten die Alben in Gefahr, wenn sie bei ihnen blieben. Mit durchwachsenen Gefühlen gingen sie auf Morond und die seinen zu, um ihnen dies mitzuteilen. Der Alb verstand sofort und nickte grimmig. "Es braucht euch nicht leid zu tun", sagte er. "Immerhin habt ihr uns letztlich das Leben gerettet." Als Jaro etwas die Schultern hängen ließ, da er den Verdienst einzig bei seinen beiden Begleiterinnen sah, schien Sinyah dies zu bemerken. "Ihr alle." Sie lächelte. "Es tut mir furchtbar leid, dass ich dich angegriffen habe", fügte sie an Jaro gewandt zu. "Ach das... es war nicht deine Schuld", sagte er unbeholfen. Tinriel schluchzte herzergreifend auf und stürmte auf Alaryah zu, umklammerte ihr Bein. Es folgte ein Abschied, der so manche Träne hervorrief. Alaryah wünschte Foranir viel Erfolg bei seinen weiteren Versuchen, ein Waldläufer zu werden und versicherte ihm nochmals, dass sie ein gutes Wort einlegen würde. Der Junge entschuldigte sich hingegen bei allen dreien für sein rüdes Verhalten zu Anfang. Schließlich, als es keinen ersichtlichen Grund mehr gab zu verweilen, alles gesagt und getan war, hob Morond die kleine Tinriel auf die Schulter und die junge Familie ging ihres Weges, gezeichnet und erschüttert, doch auch im Zusammenhalt gestärkt. Jaro war das Herz schwer und er spürte, dass es Kirona und vor allem Alaryah auch so erging. "Wieder zu dritt", murmelte er. "Was sollen wir nun tun? Wir können doch nicht einfach abhauen." "Nein, aber vorschnell handeln dürfen wir auch nicht", erwiderte Alaryah. Kirona nickte zustimmend. "Wir müssen überlegen, was sie von uns wollen. Und währenddessen können wir gut schon ein paar Meilen zwischen uns und diesen Ort bringen. Lasst uns zu diesem Stützpunkt gehen, Alaryah. Wir brauchen alle Ruhe, vor allem du und dein Arm. Von dort können wir in Sicherheit die nächsten Schritte planen."


    Alaryah Schattenwind
    Eine Trennung von der Familie war nur richtig. Das war auch Alaryah klar, auch wenn ihr besonders der Abschied von der kleinen Tinriel schwer fiel. Den Verlust des Karrens kaum beklagend zog die Familie weiter, es wurde noch gewunken, bis man sich schließlich aus den Augen verloren hatte...


    Der Entschluss zu dem Stützpunkt zu reisen war schnell gefällt, die weitere Reise verlief glücklicherweise ereignislos. Die drei Reisenden kamen nur langsam voran, sie waren erschöpft, abgekämpft und wollten nur noch ausruhen. "Dort hinten...", meinte Alaryah sacht und hob die Hand. Kirona und Jaro sahen auf und in der Ferne erhoben sich erste Palisaden und Hecken. "Endlich...die Efeusenke.".
    Zwei Soldaten kamen ihnen entgegen, trugen reich verzierte Speere mit langer, leicht gebogener Spitze. Alaryah machte den Gruß der Waldläufer und stellte dann sich und ihre Gefährten vor. Sie wurden in das Innere des Stützpunktes geleitet und schnell hatte man ihnen ein Quartier zugeteilt. Der Hauptmann von der Efeusenke ließ ihnen eine Einladung zukommen, aufdass sie am nächsten Tag gemeinsam speisen mögen. Der Boter übergab das Schreiben Alaryah, als die drei sich gerade in ihrer Unterkunft einrichteten. Sie wechselten daraufhin noch ein paar Worte in der Sprache der Waldalben, dann verschwand der Bote wieder.
    Alaryah drehte sich zu Jaro und Kirona um. "Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich auf eine ruhige und sichere Nacht freue...", sagte sie, legte etwas unbeholfen aufgrund der Verletzung Köcher und Bogen ab und kratzte sich am Kopf. "Ich glaube wir werden schlafen wie schon lange nicht mehr.". Sie ging zu dem Bett hinüber, auf welchem Teile ihres Gepäcks verstreut lagen. Neben einer großen Waschschüssel mit klarem Wasser hatte man mehrere Handtücher gelegt, von denen Alaryah eins an sich nahm. Eigentlich hatte sie ihren Gefährten gern noch die Efeusenke genauer gezeigt, doch hatte gerade niemand wirklich ein Auge oder die Aufmerksamkeit dafür. "Wisst ihr...", begann sie und starrte mit leicht leerem Blick auf das weiche Tuch in ihrer Hand. "Als ich Tinriel im Wald fand...". Sie stockte, musste einen Klos hinunterschlucken. Jaro und Kirona hatten ihre Tätigkeiten unterbrochen und sahen die kleine Albin nun abwartend an. "N...nichts...schon gut...". Alaryah griff das Handtuch fester, wandte den Blick ab und ihre Kiefermuskeln spannten sich. "Ich...ich bin mal...". Sie verließ ohne weitere Erklärungen die Unterkunft.

    Jaro Ballivòr
    Sie brauchten sich nicht anzusehen, um zu wissen, dass der jeweils andere ebenfalls aufhorchte. Die Worte kamen aus Tinriels Mund, doch sie klangen wie die, eines Erwachsenen. Zögerlich blickte Jaro zu Sinyah, doch die Mutter der Kleinen hatte von irgendwo Stickzeug herausgefischt und arbeitete in aller Seelenruhe daran. Allmählich kam Jaro sich vor wie in einem Traum. Die Sprunghaftigkeit der Familie, die stumme Begegnung mit Linor... Oder konnte es wirklich sein, dass sie durch die schrecklichen Erlebnisse in der versunkenen Festung übersensibel waren? Jaro überlegte, was er sagen konnte, um die angespannte Stille zu durchbrechen, doch er wollte Tinriel nicht wieder wecken und eigentlich wusste er auch gar nicht, welches Thema er beginnen sollte. So war eine Zeit lang das Rattern der hölzernen Räder auf dem Waldweg, das Scheppern und Klirren der Wagenladung und die gepämpften Stimmen von Foranir und Morond das einzige, das sich von der abendlichen Idylle des Waldes abhob, in der Grillen ihr Lied sangen und der laue Wind in den Blättern raschelte. Ein paar Wortfetzen der beiden Alben drang bis zur Ladefläche vor. Sie sprachen erneut von den Waldläufern, von Kampftechniken und Täuschungsmanövern, aber auch von Magie. Foranir schien der Auffassung zu sein, dass die anderen Anwärter ihm gegenüber Vorteile besessen hatten, da sie über besondere Fähigkeiten verfügt hätten. Jaro sah zu Alaryah und es erstaunte ihn nicht, dass sie ebenfalls angestrengt lauschte. Morond beschwichtigte seinen Sohn derweil. "Was soll das denn für eine Art von Magie sein, mein Sohn? Meinst du, sie haben eine Art Zaubertrank getrunken, der sie besonders stark macht?" Er lachte überraschend laut auf und Tinriel regte sich auf Alaryahs Schoß, worauf Sinyah aufblickte und mit der Zunge schnalzte. "Entschuldigung", flüsterte Morond schuldbewusst. "Aber ich muss unserem Jungen solche Märchen aus dem Kopf treiben, oder nicht? Jeder weiß doch, dass es so etwas nicht gibt, irgendwelche Wundermittel, durch die man zum Unbesiegbaren wird... alles Fleiß und Disziplin sage ich!" Jaro schluckte. Drehte er nun vollkommen durch oder dachten sie alle gerade an das kleine Schriftstück, das sie aus der Ruine geborgen hatten? "Was ist? Hat es euch die Sprache verschlagen? Ihr seid ja kreidebleich!", rief Morond mit gleichbleibender Fröhligkeit aus und beantwortete Jaro damit die stumme Frage.


    Alaryah Schattenwind
    Es hatte etwas gedauert, bis sich Alaryah wieder aufmerksam am Geschehen beiteiligen konnte. Viel zu sehr nagten diese elendigen Gedanken an diesen Musiker an ihr. Und all diese Unstimmigkeiten. Wieder und wieder zwang sie sich zur Ruhe, war dabei am Ende sogar recht erfolgreich. Foranir und sein Vater sprachen weiter über die Ausbildung und die Kampftechniken der Waldläufer und auch wenn das ein oder andere einfach nicht stimmte mischte sich Alaryah nicht in das Gespräch ein. Erst, als es plötzlich um Magie und Wundermittel ging steigerte sich Alaryahs Aufmerksamkeit. Anfangs musste sich die Albin noch etwas konzentrieren um die genauen Worte aus dem Gespräch mitzubekommen, doch dann ging es. Wundermittel. <Wie kommen die jetzt gerade auf so etwas?>. Alaryah schaute hoch. Kirona starrte auf den Boden des Karrens, kaute dabei kaum merklich auf ihrer Unterlippe herum. Jaro schien nervös, was von Morond nicht unbemerkt blieb. Er sprach ihn zu allem Überfluss auch noch darauf an!? Jaro wurde blass. <Was soll ich tun?>, fragte Alaryah Jaro gedanklich und zuckte sachte mit den Schultern. "Nun, ich denke...", begann Alaryah mit gedämpfter Stimme und beendete ihren Satz abrupt, als sie eine Berührung auf ihrer Schulter spürte. Sinyah schaute ihr fest in die Augen, als Alaryah den Kopf drehte. Beinahe hätte sie sich sogar erschrocken! "Lasst euren Freund doch selbst ein paar Worte sprechen. Ihn scheint etwas zu...belasten.". Alaryah zog eine Augenbraue nach oben. "Ich wollte nur...". "Liebes, gebt ihm doch etwas Freiraum.". Verwirrung zog sich durch Alaryahs Blick. <Was zum...?>. Wollte Sinyah sie etwa veralbern? Alaryah hatte doch nicht sämtliche Gespräche an sich gerissen? Oder war sie etwa so unfreundlich gewesen? Sie konnte es sich beim besten Willen nicht vorstellen. Auch Kirona hatte nun den Kopf gehoben und schaute Sinyah verständnislos an. "Gut dann...". Alaryah beendete ihren Satz dieses Mal selbst, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete die Albin weiterhin Moronds Frau, die nun langsam in Jaros Richtung schaute. "Falls Euch nicht wohl ist, so können wir bestimmt auch eine kurze Pause einlegen?". Alaryah deutete mit einer knappen Kopfbewegung ein "Nein" in Jaros Richtung an, sagte aber nichts. Erst jetzt fiel ihr auf, dass Foranir sich ebenfalls zu Jaro gedreht hatte und ihn mit leicht verengten Augen ansah. Tinriel schlief derweil. Wobei...konnte man sich da mittlerweile wirklich sicher sein? Alaryah schloss die Augen und atmete nun flacher. Sie spürte, wie sich ihre Sinne ein weiteres Mal schärften...irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht...


    Jaro Ballivòr
    Wohl war Jaro in der Tat nicht, doch das lag keinesfalls an der Fahrt. Im Gegensatz: das Vorankommen war das einzige, das ihn daran erinnerte, dass er nicht schon wieder in einem Albtraum gefangen war. Der Drang in Sinyahs Stimme irritierte ihn. Noch nie war voll der Worte gewesen und da half es auch nicht, wenn ihn mehrere Augenpaare anstarrten. "Ich", krächzte er und räusperte sich. "Es geht mir gut. Ich bin immer recht bleich." Er versuchte zu Grinsen, doch befürchtete es glich eher einer Grimasse. Offenbar kam der Scherz auch nicht an, denn Sinyah und Foranir starrten ihn weiter regungslos an. "Und ich denke Morond hat Recht", fügte er daraufhin lauter an. "Hartes Training und viel Übung sind entscheidend." "Ich glaube du lügst", sagte Foranir kalt. War er nun wieder ganz der alte, voller Gift und aus auf Stunk? Hilfesuchend wollte Jaro zu Alaryah blicken. Es war fast schon zum Automatismus geworden, doch Sinyahs Hand schoss blitzschnell an seine Wange und hinderte seinen Kopf an der Drehung. "Na, na...", sagte sie, "du musst dich nicht fürchten. Foranir meint es nicht böse, er ist nur etwas... direkt. Gibt es nichts, dass du erstaunlich fandest, als du unter den Waldläufern weiltest? So etwas hast du doch bestimmt auch noch nie zuvor gesehen, nicht wahr, mein Lieber?" Sie lächelte ihn an, doch Jaro vermisste die Wärme, die zuvor von ihr ausgegangen war. "Es ist nur... Es ist sein großer Traum. Jedes kleine Detail könnte ihm helfen oder zumindest seine Fantasie anregen. Du würdest uns einen großen Gefallen tun." Was erwarteten sie, dass er als Fremder wusste, was ihnen als Einheimischen nicht bekannt war? Lebten die Waldläufer wirklich so isoliert? "Ich habe noch nie eine vergleichbare Symbiose zwischen Alb und Natur gesehen", griff er das erstbeste heraus, das ihm einfiel. "Die Umgebung ist ihr Verbündeter, deshalb haben sie überall Augen und Ohren und sind nie allein." Gerne hätte er Alaryahs Gesichtsausdruck gesehen, um zu prüfen, ob er zu viel verriet. "Oh ja, das kann ich nur bestätigen", warf da plötzlich Kirona ein. "Nicht du! Er!", zischte Foranir. Jaro wurde zusehends mulmiger zumute. "Es muss doch etwas geben, dass sie von uns unterscheidet!" Der junge Alb war aufgestanden und ging auf Jaro zu, die Fäuste geballt. "Jetzt ist gut, Sohn." Moronds tiefe Stimme entschärfte die Situation. "Er hat uns doch schon gesagt, was ihm aufgefallen ist. Alles Weitere ist vermutlich Betriebsgeheimnis." Er drehte sich kurz um und sah zwinkernd Alaryah an.


    Alaryah Schattenwind
    "Ich wüsste nicht, warum etwaiges Wissen der Waldläufer einfach ausgeplaudert werden sollte.", hörte Alaryah ihre eigene Stimme in ihrem Kopf. Langsam kehrte die Farbe wieder in ihre Augen zurück, als sich die sanften Schleier der Magie wieder von ihr entfernten. "Lasst den armen Jaro in Frieden.", fügte sie an und begegnete Moronds Zwinkern nur mit kühlem Blick. "Aber, aber.", sagte dieser dann und von Foranir war nur ein leises "Tz, tz,tz..." zu hören. Alaryah ging nicht weiter darauf ein. "Seit unserer Weiterreise habt ihr euch verändert, was ist in euch gefahren?", fragte Alaryah und verzog skeptisch den Mund. "Haben wir etwas getan, was euch irgendwie verletzt oder beleidigt hat?", verlangte die Albin anschließend zu wissen. Keine Antwort. Foranir und Sinyah wechselten einen kurzen Blick miteinander, dann schauten sie beide wieder zu Alaryah. Sie zuckten mit ihren Köpfen und Blicken umher, fast schon wie Raubtiere, die eine Witterung aufzunehmen versuchten. "Was ist los?!", verlangte Alaryah nun erneut und mit etwas mehr Nachdruck zu wissen. "Jaro, Kirona, nehmt eure Sachen. Morond. Halte den Karren an. Wir reisen von nun an allein weiter.". Morond schien unbeeindruckt von Alaryahs kurzer Ansprache und so holperte der Karren weiter seiner Wege. "Dann springt doch ab.", zischte Foranir zwischen den Zähnen hindurch und ein schon fast aggressives Grinsen umspielte seine Lippen. "Tu besser nichts Unüberlegtes.", mahnte Alaryah und hob den Finger. Sie war von sich selbst überrascht und auch von dem Schwall an Gefühlen, die für sie immer noch ungewohnt waren. Wut und Zorn mischten sich mit Unsicherheit, Unbehagen und Wehrlosigkeit. Alaryah konnte jedoch gerade nicht anders. Die anderen mochten vielleicht etwas eingeschüchtert sein, doch jemand musste doch einfach mal ein Machtwort sprechen?
    "Verzeiht.", hauchte Sinyah plötzlich und senkte den Blick. Foranir drehte sich wieder nach vorn um und starrte stumpf den Weg entlang. "Ich möchte mich im Namen von uns allen entschuldigen. Wir müssen einen furchtbaren Eindruck hinterlassen.". Es war mehr als deutlich zu erkennen, dass Alaryah die Zähne fest aufeinandergebissen hatte. Ihre Hände hatte sie, bewusst oder unbewusst, zu Fäusten geballt und der Blick sprach Bände. Da half es auch nicht, dass Sinyah plötzlich eine Träne über die Wange kullerte. Die Albenfrau wandte dann den Blick ab, schüttelte nur den Kopf als Morond erneut Luft holte. Er blieb stumm.
    "Das war nicht nett von dir.", hörte Alaryah plötzlich Tinriels Stimme. "Oh...". Alaryah schaute zu dem Albenkind hinab und musste schlucken, als sie in die weit aufgerissenen Augen von Tinriel blickte. "Du hast meine Mama zum Weinen gebracht.", stellte Tinriel fest und es schien, als würde es eine halbe Ewigkeit dauern bis sie wieder blinzelte. "Ich...nein...weisst du Tinriel...", stammelte Alaryah, doch Tinriel unterbrach die Albin. "Du darfst nicht so gemein zu ihr sein. Wir wollen euch nichts tun, wir wollten nur helfen.". Für einen kurzen Augenblick wich die Dunkelheit aus Tinriels Blick. "Helft uns.", fiepte die Kleine, doch dann schaute sie wieder finster drein. "Ihr müsst einfach bleiben, geht nicht.", sprach sie weiter, wieder in dem nüchternen Tonfall wie zuvor. Dieser kurze Aussetzer, dieser eine Moment, bestätigte nur erneut Alaryahs Gedanken, dass hier etwas faul war. Kirona fühlte sich sichtlich unwohl, umklammerte ihren Stab fester. Alaryah versuchte Ruhe auszustrahlen, vielleicht half es auch Jaro sich besser zu fühlen. "Seid wachsam.", formten Alaryahs Lippen und sie hoffte, dass es unbemerkt geblieben war.

    Irgendwann merkte Alaryah schon gar nicht mehr, dass sie sanft Tinriels Kopf streichelte. Das Albenkind döste dabei immer wieder weg, zuckte dann jedoch ständig mit einem schwachen Aufflackern von letzter Energie zusammen. Allerdings konnte Tinriel schließlich nicht mehr gegen die Müdigkeit ankämpfen und letztendlich fielen ihr die Äuglein zu. Alaryahs Blick wanderte nun recht ziellos umher, ihr kam das Verhalten der Familie weiterhin seltsam vor. Sie sagte aber nichts weiter dazu...vorerst. Vielleicht würde sich ja sogar alles von selbst klären oder sie reagierten alle nur etwas zu empfindlich?
    Dann erblickte die Albin eine Gestalt, auch Jaro und Kirona hatten sie bemerkt. Instinktiv hatte Alaryah das Bedürfnis sich zu verteidigen, doch behielt sie die Kontrolle über ihren Körper und blieb einfach sitzen. Es war auch nur eine Person, was könnte von dieser schon für eine Bedrohung ausgehen? Und doch...was, wenn es einer der Schergen war? Einer, der ebenso wie Kirona und die anderen Angreifer tätowiert waren? Was, wenn es die Magierin war? Alaryah biss die Zähne aufeinander. Niemand schien die ihnen entgegenkommende Person als Gefahr anzusehen, also zwang sich die Albin nun auch zur Ruhe. <Du drehst noch durch.>, sagte Alaryah zu sich selbst. <Das müssen die Nachwirkungen dieser Ruine sein...>.
    Alaryah hätte nicht genau beschreiben können, was sie in dem Moment fühlte, als sie den Alben erkannte. Linor machte Platz, hatte wieder sein Lächeln aufgesetzt und schwieg. <Das kann doch nicht wahr sein!?>, hörte sich Alaryah in Gedanken schreien. <Was macht ausgerechnet ER hier? Von allen Wanderern, die wir unterwegs treffen können, warum ausgerechnet IHN?!>. Alaryah atmete tief durch, versuchte jeglichen Blickkontakt zu meiden. Es gelang ihr nicht. Irgendwann trafen sich die Blicke der beiden und Linor zwinkerte Alaryah zu. <Was soll denn das jetzt?!>. Alaryahs Herz raste, als sie den Blick abwandte. Sie schaute sich unsicher zu Jaro und Kirona um, die jedoch weiterhin Linor im Auge behielten. Es kam Alaryah schon fast so vor, als müssten alle ihren Herzschlag hören! Was war nur los? Warum löste dieser Kerl nur wieder solche Gefühle in ihr aus? Es war eine Mischung aus Wut, Schwärmerei, Gleichgültigkeit und noch viel mehr. Die kleine Albin war mit der Situation überfordert und hoffte, dass das niemand merken würde. Dieses Zwinkern. Dieser Blick. Der Sänger hatte irgendwie etwas Düsteres und Mysteriöses an sich gehabt. Alaryah war sich sicher, dass sie mit jemandem über diesen für sie übernatürlichen Wust an Gefühlen reden musste.
    Endlich hatten sie Linor hinter sich gelassen. Er machte keinerlei Anstalten ihnen zu folgen, stattdessen setzte er wohl seinen Weg fort. Alaryah merkte, wie die Anspannung langsam aber sicher aus ihrem Körper wich. Noch während sich Alaryah auf etwaige Fragen ihrer Gefährten einzustellen versuchte fiel ihr plötzlich eine Ungereimtheit auf...Sie waren vor Linor aus Rankenfels aufgebrochen. Wie war es nun möglich, dass er ihnen entgegenkam? Selbst wenn er etwas in Rankenfels vergessen hatte, so hätte er die Reisegruppe überholen müssen? Oder kannte der Musiker etwa andere Wege? Alaryah schloss die Augen, als immer mehr Fragen in ihrem Kopf auf sie einprasselten. Sie versuchte Ordnung in dieses Gedankenchaos zu bringen. Dann spürte die Albin plötzlich ein leichtes Zwicken am Oberschenkel. Sie schlug die Augen wieder auf und sah, dass Tinriel aufgewacht war. "Geht es dir gut?", fragte Tinriel mit für sie recht nüchterner Stimme, legte den Kopf schief und starrte Alaryah mit großen Augen an. "Ja...ja ich war nur...abgelenkt. Alles gut.", würgte Alaryah das Gespräch mit der kleinen ab. "Gut.", gab diese jedoch unbeeindruckt zurück. "Weisst du, ich möchte nicht, dass du dir Sorgen machst oder so.", redete Tinriel unbeirrt weiter. Noch bevor Alaryah etwas antworten konnte hatte sich das Albenkind schon wieder umgedreht und die Augen geschlossen...

    Alaryah Schattenwind
    "Sei unbesorgt. Wir bleiben erst einmal hier und ruhen uns aus. Versuch etwas zu schlafen.". Alaryah war sich nicht sicher, ob ihnen hier tatsächlich nichts geschehen konnte. Doch hatten sie eine andere Wahl? Was hätte sie sonst sagen sollen? Die Albin hoffte, dass ihnen niemand gefolgt war und nur auf einen schwachen, unachtsamen Moment lauerte...
    Leise vor Erschöpfung stöhnend drehte sich Kirona auf die Seite. Sie hatte ihre Hände unter ihren Kopf gelegt und war als erstes eingeschlafen. Irgendwann hatte es dann auch die beiden Alben gepackt und die Müdigkeit siegte über die Furcht und die gerade überstandenen Erlebnisse.
    Wieder und wieder wurde Alaryah wach, ihr Schlaf war unruhig und somit nicht wirklich erholsam. Einmal musste sie etwas schlechtes geträumt haben, denn sie war von kaltem Schweiß überströmt. Sie mahnte sich zur Ruhe, sprach sich selbst Mut zu als sie zu ihren sich nicht rührenden Gefährten sah. Dann plötzlich raschelte es recht laut in der Ferne und Alaryah fuhr zusammen, gerade dann, als sie fast wieder eingeschlafen war. "Jaro. Kirona.", zischte sie und stubste die beiden nacheinander an. Keine Regung. "Wacht auf, da ist etwas...", sagte sie nun etwas lauter. Wieder nichts. Dann war da eine Stimme. Es schien, als würde sie jemanden rufen? Dann Schritte, auf der anderen Seite ihres improvisierten Nachtlagers! Alaryah versuchte aufzustehen, doch machten ihr Kreislauf und strapazierte Muskeln einen Strich durch die Rechnung. So humpelte die Albin eher taumelnd herum, schaffte es gerade so einen Dolch hochzuhalten. Der andere entglitt ihren Fingern und fiel dumpf auf den weichen Waldboden. "Verdammt.", fluchte die Albin nun und mühte sich ab eine Verteidigungsstellung einzunehmen. Gerade wollte sie erneut nach ihren Gefährten rufen, als das Unterholz vor ihr laut knackend zur Seite geschoben wurde. Ein kleines Albenmädchen trat hervor. "Ich bin hie...", rief sie und unterbrach sich, als sie die zittrige Alaryah plötzlich vor sich stehen sah. Die Augen des Mädchens wurden größer und sie stieß einen spitzen, erschrockenen Schrei aus. Auch Alaryah bekam einen Schreck und trat ein paar Schritte von dem Mädchen weg. "Tinriel! Da bist du ja!", ertönte laut eine Männerstimme von der anderen Seite und Alaryah wirbelte herum, stolperte dabei über Jaros Bein. "Papa!", rief das Mädchen und spurtete an Alaryah vorbei, versteckte sich hinter dem Mann der mit einem Stapel Holz auf dem Arm die kleine Reisegruppe musterte. "Verzeiht, Wer...seid ihr?", fragte er und strich seiner kleinen Tochter über den Kopf. Alaryah kam erneut auf die Beine, kämpfte dabei gegen den Schmerz eines üblen Wadenkrampfes an. Mittlerweile waren auch Jaro und Kirona aufgewacht.


    Jaro Ballivòr
    Wirre Träume suchten Jaro heim. Er rannte und rannte und obwohl sich die Umgebung ständig veränderte, schien er nicht voran zu kommen. Schwer wie Blei zog es ihn nach unten und bald würden sie ihn einholen. Er hörte ihre Stimmen, ihre Schritte auf dem Boden, jemand schrie... die Geräusche folgten seinem Bewusstsein in den Wachzustand, während ein Teil von ihm sich noch an den Traum klammerte. Widerwillig stemmte er die Lider nach oben und blinzelte ein paar Mal, bis er scharf sehen konnte. Ruckartig setzte er sich auf und rutschte ein Stück zurück. Hilfesuchend sah er zu Alaryah, dann zu Kirona, bis sein Verstand sich endlich ganz geklärt hatte. Das ist ein Kind, sagte er sich und der Mann trägt Holz und keine Waffen... Das sind keine Angreifer, alles ist gut. Ein unangenehmes Schweigen war ausgebrochen und Jaro bemerkte das leichte Stirnrunzeln des Vaters. Der Alb begann misstrauisch zu werden. "Ich bin Jaro", hörte er sich sagen. "Das ist Kirona und das ist Alaryah." Aus dem Augenwinkel sah er, wie das Zittern der Waldalbin langsam nachließ. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass sie dankbar war, dass er das Wort für sie ergriffen hatte. "Wir haben uns verirrt und hier eine Rast eingelegt, da wir vor Erschöpfung beinahe zusammen gebrochen sind." Instinktiv war ihm diese Halblüge in den Sinn gekommen. Wenigstens erklärte sie ihren miserablen Zustand einigermaßen. Wenn auch nicht das Blut auf Kironas Kleidern... erst als des Mannes Blick an ihr haften blieb, fiel Jaro wieder ein, wie die Frau auf einen Fremden wirken musste. Doch der Alb war höflich genug, nicht danach zu fragen. "Ich bin Morond." Noch immer klammerte sich die kleine an sein Bein. "Ihr seid unweit eines breiten Pfades, der nach Rankenfels führt. Wir kommen von dort. Schon gut, Tinriel, ich glaube nicht, dass diese Leute gefährlich sind", flüsterte er dem Mädchen zu, die ihn mit großen Augen ansah. "So etwas sieht Papa sehr schnell." Jaro glaubte ihm aufs Wort. Morond wirkte freundlich und offen, aber er strahlte auch einer Sicherheit und Stärke aus, die nur jemand inne hat, der Erfahrung hat und sich zu verteidigen weiß. "Warum schließt ihr euch uns nicht an? Wir sammeln gerade Holz zum Kochen und Sinyah macht immer viel zu viel." Er lächelte und griff die Holzscheite neu. "Und nach einer kleinen Stärkung könnt ihr dann berichten, wieso ihr wirklich hier seid." Wieder blieb sein Blick an Kirona hängen.


    Alaryah Schattenwind
    Die Gemüter hatten sich zum Glück schnell wieder beruhigt und als die Sonne langsam am Himmel emporstieg fanden sich die drei Gefährten mitten im Lager der kleinen Albenfamilie wieder. Auf dem Weg dorthin hatten sie kaum geredet, nur hier und da ein paar Worte gewechselt. Die Familie hatten# einen stabilen Karren bei sich, unweit entfernt war das Pferd angebunden. Kirona konnte sich in einem schmalen Bachlauf zumindest etwas waschen, doch würde sie wohl ein dampfendes Bad brauchen um wieder komplett sauber zu sein. Morond hatte ihnen seine Frau Sinyah vorgestellt, bei ihr war der ältere Sohn Foranor. Während Sinyah die Gefährten freundlich begrüßt und sie nach dem Kochen mit einer Mahlzeit versorgt hatte, war Foranor den Neuankömmlingen gegenüber weniger aufgeschlossen. Er saß nicht mit dem Rest der Familie um die kleine Kochstelle herum, hockte auf dem Bock des Karrens und starrte Alaryah wieder und wieder über den Rand seiner Schale hinweg an. Sie bemerkte seine recht düsteren und abschätzenden Blicke, wollte sich aber nichts anmerken lassen. "Habt vielen Dank für das Essen.", sagte Alaryah schließlich, um sich selbst etwas abzulenken. "Ihr sagtet, dass ihr aus Rankenfels gekommen seid?", fragte Alaryah und sah zuerst Morond, dann seine Frau an. "Ja.", bestätigte er und deutete auf seinen Karren. "Wir haben dort ein paar Güter tauschen können und sind nun auf der Reise zurück in unseren Hain. Man kann sagen, dass wir eine kleine, aber dennoch erfolgreiche Händlerfamilie sind.". Er grinste, während Sinyah lächelnd die Augen verdrehte und abwinkte. "Wir haben ganz tolle Sachen bekommen! Die musst du dir ansehen!", platzte es aus Tinriel heraus, die daraufhin aufsprang und zu Alaryah herübereilte. "Looooos. Komm schon!". Sie zog am Ärmel der Albin und wippte aufgeregt hin und her. "Tinriel!", mahnte Morond, doch Alaryah lenkte schnell ein. "Schon gut, schon gut. Ich sehe mir deine Schätze gern an.". Langsam erhob sich Alaryah und stellte ihre Schale auf den Boden. Anschließend folgte sie der kichernden Tinriel, die bereits zum Heck des Karrens hüpfte.


    Jaro Ballivòr
    Nach all der Zeit, die Jaro nun schon im Waldreich verbracht hatte, versetzte ihn die Freundlichkeit der Alben aufs Neue in Staunen. Ohne weitere Fragen wurden sie zum Essen eingeladen und Moronds Frau hatte eine derart warme und großherzige Aura, dass Jaro sich augenblicklich besser fühlte. Das Mahl glich einem Festessen für seinen entkräfteten Körper und er zwang sich, nicht zu gierig zuzulangen, zum einen aus Höflichkeit, zum anderen, um nicht zu schnell wieder vor einem leeren Teller zu sitzen. Während ihn schließlich wohlige Ermattung ereilte, taute die kleine Tinriel so richtig auf. Besonders Alaryah hatte es ihr angetan und Jaro konnte nicht anders als zu lächeln über die aufgeregte Freude des kleinen Mädchens. Während die beiden zum Karren eilten, wandte sich Sinya an Jaro. "Du bist ein Lichtalb, nicht wahr? Oder gar ein Frostalb? Nein... da wäre es dir hier vermutlich zu warm..." Sie kicherte verlegen und sprach direkt weiter, sodass Jaro gar nicht dazu kam zu antworten. "Ich habe schon immer zu Morond gesagt, eines Tages müssen wir auch mal andere Alben besuchen. Immerhin sind wir doch alle fast die selben, oder? Du bist ja auch hier bei uns, das ist doch einfach wunderbar."
    "Liebling", mahnte Morond. "Quassel den armen Jungen doch nicht so zu, er hat ja kaum Zeit Luft zu holen." Gespielt mitleidig sah er Jaro an und zwinkerte. "Frauen..."
    "Schon gut", sagte Jaro und tatsächlich war es angenehm einer unbeschwerten Stimme zu lauschen nach allem, was sie zuletzt erlebt hatten. "Ich bin aus Avinar und ich habe auch Alaryah und Kirona schon angeboten, mich einmal zu besuchen. Es ist ganz anders als hier, aber doch auch sehr schön." Sinyahs aufmerksame Augen fixierten ihn eindringlich. "Oh, erzähl uns davon! Unbedingt. Und du auch, Kirona, von wo stammst du?" Jaro und Kirona blickten sich an, um zu entscheiden, wer zuerst sprechen sollte, doch plötzlich unterbrach Tinriels helle Stimme das noch nicht gestartete Gespräch. Sie klang nun nicht länger freudig, sondern ärgerlich und blitzschnell fuhren die Köpfe der beiden Eltern herum.


    Alaryah Schattenwind
    Tinriel zog die schwere Plane etwas zur Seite und schlüpfte in das Innere des Karrens. Alaryah wartete davor, während Tinriel munter weiterplappernd herumpolterte. Gerade, als Alaryah ebenfalls die Plane etwas zur Seite schieben wollte um nach der kleinen zu sehen stellte sich ihr plötzlich Foranor in den Weg. Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah auf die kleine Albin hinab. Foranor war zwar jünger als Alaryah, dennoch fast einen Kopf größer. "Was habt ihr wirklich getrieben?", fragte er erstaunlich kalt. Alaryah zog eine Augenbraue hoch und begegnete den Blicken des Alben nun mit fester Entschlossenheit. "Ihr habt euch also verirrt, ja?". Morond hatte dieses Detail bei der Vorstellung erwähnt, so nickte Alaryah nur. "Ich glaube euch kein Wort.". "Nun, dann ist das wohl einfach so?". Alaryah, die gerade noch gut gelaunt und dankbar ob der Ablenkung durch Tinriel war, hatte nun einfach keine Lust sich mit diesem Jüngling auseinanderzusetzen. Tinriel steckte den Kopf unter der Plane hervor und kletterte anschließend mit mehreren kleinen Gegenständen wieder von dem Karren herunter. "Hier, sieh doch nur!". Voller Stolz reckte sie Alaryah eine Puppe entgegen. "Die habe ich gestern von Mama bekommen. Oder war es vorgestern?". "Ihr seid doch ein Waldläufer. Einfache Wanderer haben nicht solch eine Ausrüstung wie ihr. Waldläufer verirren sich niemals.". Alaryah sah zwischen Tinriel und ihrem Bruder hin und her. "Ich bin hier niemandem Rechenschaft schuldig?". Alaryah schüttelte den Kopf und kniete sich zu Tinriel hinunter. "Sie ist wirklich wunderschön. Fast so eine Prinzessin wie du, hm?", sagte Alaryah zu Tinriel, die ihr die Puppe in die Hand gedrückt hatte und nun verlegen kicherte. Alaryah hatte sich vorgenommen Foranor nicht weiter zu beachten. "Ihr zieht mit Fremden durch das Waldreich. Eine Frau voller Blut ist bei Euch? Wer sind die in Wirklichkeit?". Alaryah bemühte sich nicht weiter auf den Alben zu hören, zog immer wieder Tinriels Aufmerksamkeit auf sich und lenkte sie von ihrem Bruder ab. "Ich würde aber sagen, dass du gut auf die kleine Prinzessin aufpassen musst, oder? Ich meine sieh nur, sie ist ja noch kleiner als du und braucht vielleicht Hilfe in der Welt von uns großen, was meinst du?". Tinriel nickte eifrig. "Jaaah!", bestätigte sie, nahm die Puppe wieder an sich und drückte sie fest. "Wir können ja beide auf sie aufpassen!", schlug sie Alaryah daraufhin vor, diese lächelte nur und stubste Tinriel leicht in den Bauch. Gerade, als sie noch etwas sagen wollte, schoss ein Satz von Foranor durch ihren Kopf. Hatte er da gerade wirklich "Beschützen? Wahrscheinlich konntet ihr nicht einmal eure Sippe beschützen und wurdet deshalb verstoßen und zieht jetzt mit seltsamen Gestalten umher." gesagt? Alaryah sprang auf, Tinriel wich erschrocken zurück. Die kleine Albin drehte sich zu Foranor um, ging auf ihn zu. Er versuchte selbstsicher zu wirken und wollte Stärke ausstrahlen, doch es gelang ihm eher mittelprächtig. "Wagt es nicht solche Worte erneut auszusprechen.", zischte Alaryah zwischen ihren Zähnen hindurch und funkelte den Alben von unten her an. Sie hätte ihm am liebsten eine Lektion erteilt, doch war da immer noch Tinriel. Diese jedoch drängte sich zwischen die beiden und stellte sich vor Alaryah. "Sei nicht immer so gemein!", schrie die kleine nun und verzog grimmig den Mund. "Alaryah hat dir gar nichts getan! Immer bist du nur frech!". Wütend pustete sich Tinriel eine Haarsträhne aus dem Gesicht, während sie ihre kleinen Hände zu Fäusten geballt hatte. "Tinriel, lass uns zurück zu den anderen gehen.", meinte Alaryah beruhigend und schob die kleine von ihrem Bruder weg. "Aber er hat doch angefangen!", protestierte sie noch, folgte dann aber brav. "Das nächste Mal kommst du mir nicht einfach so davon.", flüsterte Alaryah Foranor noch einmal zu, den sie dann beim Karren stehenließen.


    Jaro Ballivòr
    "Tinriel! Foranir!", rief Morond bestimmt. "Was soll das? Verhält man sich so vor Gästen?"
    "Er war gemein zu Alaryah!", beharrte Tinriel trotzig. Foranir folgte den beiden zur Essstelle und Jaro nahm ihn überhaupt das erste Mal wahr.
    "Ich finde es eben nicht gut, wenn wir merkwürdige Fremde mit offenen Armen in unserer Mitte willkommen heißen. Eine bewaffnet, eine voll Blut und ein arroganter Weißling..."
    "Foranir!" Morond hob den Zeigefinger. "Noch ein Wort und du kannst den restlichen Weg zu Fuß gehen! Wo sind deine Manieren?"
    "Jeder weiß doch, dass sie sich für etwas Besseres halten", sein zorniger Blick blieb an Jaro hängen, der automatisch die Schultern anspannte. "Und die da erdrosselt uns wahrscheinlich im Schlaf." Kirona schluckte betreten. "Und du", erneut wandte er sich an Alaryah, doch was auch immer er sagen wollte, kam nicht über seine Lippen. Morond war aufgestanden und hatte ihm eine schallende Ohrfreige verpasst. "Junge, reiß dich am Riemen, ehe ich mich vergesse. Kein Wunder, dass Lasyr meinte, du bist nicht bereit für die Waldläuferausbildung."
    "Aber Vater, interessiert es dich denn gar nicht, wer sie sind und was sie hier machen?" Röte stieg ihm ins Gesicht. Seines Vaters Worte waren ihm offenbar peinlich.
    "Natürlich tut es das, doch das werden sie uns schon sagen, wenn sie der Meinung sind, dass wir es wissen sollten."
    "Und uns zuvor nicht umgebracht haben."
    "Wieso musst du deiner Schwester unnötig Angst machen? Glaub mir, ich erkenne einen kaltblütigen Mörder, wenn ich ihn vor mir habe und diese drei sind keine." Jaro entging nicht, dass seinen Worten zum Trotz sein Blick wieder kurz zu Kirona blitzte.
    "Und was, wenn du dich täuscht?"
    "Ich täusche mich nie. Und jetzt entschuldige dich!" Er ließ seinen Sohn los und sah ihn erwartungsvoll an, doch Foranir spuckte nur auf den Boden, machte auf dem Absatz kehrt und rannte in den Wald.
    "Ach... was machen wir nur mit ihm?", seufzte Sinyah. "Es tut mir furchtbar leid, ihr Lieben."
    "Er ist in einem schwierigen Alter. Noch dazu die Absage für die Ausbildung... es ist sein Traum, wisst ihr. Ein Waldläufer zu werden." Mit einem schwachen Lächeln sah er Alaryah an.


    Alaryah Schattenwind
    Alaryah mischte sich nicht weiter in das Gespräch ein. Die Standpauke hatte gesessen. Tinriel verstand nicht ganz, was geredet wurde und verfolgte eingeschüchtert die Szenerie. Kurz erhaschte Alaryah die Aufmerksamkeit der kleinen und zeigte, kaum für die anderen sichtbar, auf die Puppe in Tinriels Arm. Diese erinnerte sich an das Versprechen aufzupassen, drückte die Puppe wieder fest an sich und tätschelte ihren Kopf.
    Als Alaryah mitbekam, dass Foranir Waldläufer werden wollte, wurde sie hellhörig.
    "Schon gut, Sinyah, wirklich. Es ist ja nichts passiert.". <Was auch sein Glück war.>, dachte Alaryah den Satz in Gedanken weiter. "Verzeiht, ihr hättet das nicht sehen sollen.", meinte nun auch Morond und schüttelte ratlos den Kopf. "Ich denke die Situation ist nun erst einmal geklärt, oder?". Alaryah sah sich nach ihren Gefährten um, die scheinbar allgemeine Zustimmung bekundeten. "Wollen wir uns nicht weiter damit befassen und diesen Streit einfach vergessen.", stimmte Kirona schließlich zu. Sie schien durch die Worte doch etwas verletzt, verbarg es aber erstaunlich gut. "Wir sollten euch auch nicht zu lang zur Last fallen.", meinte Alaryah schließlich. "Wir müssen bald weiterziehen, es geht Richtung Norden.". Morond nickte verständnisvoll. "Keine Sorge, ihr seid keine Last für uns.", widersprach Sinyah. "Ich denke es ist leichter, wenn ihr ein Stück weit mit uns reist.", stellte Morond fest. "Natürlich könnt ihr euch durch das Unterholz schlagen, doch mit dem Karren sind wir schneller. Die Straßen hier sind gut und obwohl es ein kleiner Umweg ist solltet ihr schneller auf dem Pfad nach Norden ankommen. Ihr wollt doch bestimmt die alte Reiseroute nehmen, vorbei an den Güldenen Lichtungen? Dann weiter über die Kieferbrücke?". Jaro und Kirona hatten keine Antwort auf diese Fragen, doch Alaryah nickte. "Genau das ist unser Weg. Aber Morond, ich würde gern noch ein paar Worte mit meinen Gefährten wechseln.". Der Alb nickte. "Nehmt euch alle Zeit die ihr braucht, wir reisen nicht so schnell ab.". Während er mit Hilfe seiner Frau begann das Lager abzubrechen nahm Alaryah Jaro und Kirona ein paar Schritte mit sich. Tinriel wollte folgen, doch Moronds "Tinriel?!" ließ sie etwas abseits anhalten.
    "Wie geht es euch, habt ihr euch etwas erholen können?", fragte Alaryah in die Runde als sie allein waren. Vorher hatte sie sich nicht wirklich nach dem Wohlergehen ihrer Gefährten erkundigt, das musste schleunigst nachgeholt werden. "Ich wollte das Angebot nicht einfach annehmen ohne mit euch gesprochen zu haben. Wir sollten vielleicht eine Tagesreise bei ihnen bleiben, doch dann auf eigene Faust weiterziehen.". Alaryah machte eine kurze Pause. "Falls uns weiterhin Gefahr droht dürfen wir sie da nicht mit hineinziehen.", erklärte sie. Das wünschte sich wohl niemand. "Also, wie seht ihr das? Ich glaube eine Reise per Karren tut uns ganz gut und Morond hat Recht. Wir kommen so wirklich schneller voran..."


    Jaro Ballivòr
    Jaro und Kirona nickten. Das Mahl hatte ihre Lebensgeister erweckt. Außerdem fühlte sich Jaro merkwürdig wohl in Gegenwart der Familie, von dem trotzigen Sohn vielleicht einmal abgesehen. Als Alaryah vorschlug, einen Tag zu bleiben, war er deshalb auch schon versucht, um eine längere Dauer zu bitten, doch die Waldalbin kam ihm zuvor und natürlich hatte sie Recht. Sie durften der kleinen Familie keine Feinde auf den Hals hetzen. "Ja, das ist gut", sagte Jaro leise. "Noch ist unsere Spur vielleicht verwischt und ein weiterer Tag Erholung kann nicht schaden." Kirona nickte. "Sollten wir Morond beichten, dass wir verfolgt werden?", fragte Jaro, doch sie entschieden, dass das im Augenblick nur unnötige Unruhe hinein bringen würde. "Manchmal reist man sicherer, wenn man nicht weiß, das man in Gefahr schwebt", murmelte Kirona und Jaro sah sie erstaunt an. Nachdem sie so lange in Trance gewesen war, kam es ihm merkwürdig vor, sie wieder normal sprechen zu hören. Bislang hatte sie noch kein Wort über die Zeit verloren, die sie nicht Herrin über sich selbst gewesen war und Jaro traute sich auch nicht zu fragen. Ob sie sich erinnerte?
    Im Hintergrund sah Jaro Tinriel ungeduldig von einem Fuß auf den anderen wippen, im Versuch den Hals so hoch zu recken, wie es nur ging. Morond beobachtete seine Tochter streng, aber mit Liebe im Blick.
    "Ich glaube, da hat jemand einen Narren an dir gefressen, Alaryah", sagte Kirona schmunzelnd und als die Waldlabin sich umdrehte, kicherte das kleine Kind verschüchtert und hob die Puppe vor ihr Gesicht.


    Alaryah Schattenwind
    Es war also beschlossene Sache. Sie würden ein kurzes Stück weg mit der Familie gemeinsam reisen. Kirona wies Alaryah auf Klein-Tinriel hin, die immer noch dort vorn wartete. "Los, lasst uns beim Abbau des Lagers helfen.", schlug Alaryah vor und machte sich mit ihren Gefährten auf den Weg zurück zum Lagerplatz, natürlich mit Tinriel im Schlepptau. Die Details waren schnell geklärt und sowohl Morond, als auch Sinyah freuten sich über den Entschluss der kleinen Reisegruppe, Tiniriels Reaktion war natürlich überaus vorhersehbar.
    Gemeinsam hatten sie bald alles Gepäck verstaut und waren bereit zur Weiterreise. "Morond, wollt ihr nicht noch auf euren Sohn warten?", fragte Kirona während Jaro und Alaryah auf dem Karren Platz nahmen. "Ach, er wird uns schon finden.", winkte der Alb ab und nahm die Zügel in die Hand. "Wahrscheinlich beobachtet er uns gerade aus irgendeinem Gebüsch heraus oder so.". Der Alb schnalzte mit der Zunge und der Karren setzte sich polternd in Bewegung.
    Die Fahrt tat den Gefährten gut. Es war die richtige Entscheidung gewesen das Angebot anzunehmen, denn so konnten sie ihre müden Knochen noch etwas weiter schonen. Die allgemeine Stimmung während der Reise war gut, doch gefiel es Alaryah nicht wirklich Foranir zurückgelassen zu haben. Die kleine Albin konnte sich jedoch nicht wirklich lange auf diesen Gedanken konzentrieren, viel zu oft musste sie sich mit Tinriel beschäftigen. Diese fing nun langsam auch an Jaro und Kirona mit in ihre kleine Welt einzubeziehen. Während Morond den Karren weiter die Straße entlang lenkte schaute er immer wieder auf die Ladefläche, lächelte dann Sinyah an. Alaryah war sich sicher, dass auch die beiden die Gesellschaft der Gefährten genossen...und sie erfreuten sich daran, dass ihre Tochter so viel Spaß mit ihnen hatte.
    Bald wurde es Nachmittag und ein Rastplatz war recht schnell gefunden. Der Karren wurde neben einer großen, majestätischen Weide abgestellt und bald schon knisterte erneut ein kleines Kochfeuer unter einem Kessel, in den Sinyah die ersten Zutaten für eine Mahlzeit warf. "Habe ich es nicht geasgt?!", fragte Morond laut und stand auf. "Da bist du ja wieder!". Die Gruppe sah in die Richtung, in die der Alb gesprochen hatte. Tatsächlich trat Foranier aus dem Unterholz hervor. "Ich wusste doch, dass du uns findest.", fügte Morond hinzu. Foranir nickte nur.

    Alaryah Schattenwind
    Auch Alaryah hatte den Stein bemerkt. Erst hatte sie sich weiterhin mit einer guten Portion Nervosität immer wieder umgesehen, fürchtete weitere Begegnungen hinter jeder Ecke und wagte manchmal kaum auch nur zu blinzeln, doch dann war die Albin wie gebannt. Sie stand einfach nur da, fixierte den roten Stein. Er schwebte sanft auf und ab, Wellen von warmen Licht schienen sich in pulsierendem Rhytmus von ihm zu entfernen. Alaryah machte schließlich einen Schritt auf den Stein zu, starrte ihn mit großen Augen an. Kirona stand etwas weiter links, musterte nun mit leicht schief gelegtem Kopf die nähere Umgebung, weiterhin Worte murmelnd. Jaro sagte noch etwas, doch waren es nur dumpfe Laute in Alaryahs Ohren. Dieser Stein. Dieses Gefühl, wenn man sich ihm näherte. Alaryah ging weiter. Es war, als hätte jemand ein Seil um sie gewickelt und zog sie nun langsam zu sich. Die Albin stolperte über einen am Boden liegenden Stein, fing sich jedoch und ging weiter. Nicht einen Moment war ihr Blick von dem Stein gelöst. Sie näherte sich, streckte schließlich den Arm aus. Dann zuckte die Hand der Albin und schlagartig umfassten ihre Finger den Stein. Das pulsierende Licht um den Stein erlosch. Dunkelheit griff nun um sich. Urplötzlich flackerte der Stein jedoch wie ein hell prasselndes Feuer, nein, eher wie ein Waldbrand! Alaryah stand weiterhin vor dem Sockel, die Hand fest um den Stein geschlossen. Sie riss den Kopf zurück, ihre Augen wie in Panik weit aufgerissen und leer und leblos grau.


    Es war, als würde ein ganzer Kosmos in Sekunden an der Albin vorbeirauschen. Dann wurde alles von Feuer verschlungen. Schlachtreihen brandeten in einem Meer aus blutigen Wellen aneinander, Städte zerfielen zu Asche, Ruinen krönten Hügel oder lagen wie das Gerippe eines Monsters im Sand. Hitze brannte in Alaryahs rechter Hand, wanderte ihren Arm entlang bis zur Schulter. Sie schrie. Sie schrie so laut sie konnte, wenn nicht sogar noch lauter. Dann gab es einen Knall, lauter als jede Explosion hämmerte er auf die Albin ein.


    Als nächstes sah Alaryah den Stein vor sich, ebenso den Sockel. Beides wurde kleiner...und dann schlug sie auf dem Boden auf. Zuckend lag sie dort und es schien, als würden dünne, kaum sichtbare Rauchschwaden von der Albin aus aufsteigen. Der Stein hatte Alaryah von sich gestoßen. Kirona schien all das mitbekommen zu haben, sah mit düsterem Trance-Blick auf die am Boden liegende Albin.


    Jaro Ballivòr
    "Sieh nicht hin!", sagte Jaro zu Alaryah, so laut er sich traute, aus Furcht eine neue Teufelei in den tiefen dieses Ortes aufzuschrecken. Die Warnung kam zu spät. In dem Moment, in dem Jaro den Sog des Artefakts verspürt hatte, hatte er mühsam selbst den Blick abgewandt, denn er fühlte sich an die grausigen Visionen von zuvor erinnert, doch voll Entsetzen sah er, dass Alaryah weiterhin in Richtung des Sockels starrte und sogar begann sich darauf zu zu bewegen. "Alaryah, nicht!", rief er und wollte ihr nach, doch jeder Schritt bereitete ihm große Mühe, als stecke er bis zu den Knien in zähem Morast. Das Atmen fiel ihm schwer und alles verlangsamte sich auf eine unangenehme, bedrückende Art und Weise. Dann wurde es schlagartig dunkel und Jaro erkannte verzweifelt, dass Alaryah den Stein an sich genommen hatte. "Nein", hauchte er und kämpfte gegen die Starre, die durch die Düsternis nur noch verstärkt wurde. So schnell wie es verschwunden war, kam das Licht schließlich zurück, heller als zuvor und auf seltsame Weise angriffslustig. Hilfesuchend blickte Jaro zu Kirona, doch die Frau musterte weiter scheinbar unbeteiligt die Umgebung. Dann schrie Alaryah. Es war ein markerschütternder Schrei und Jaro riss automatisch beide Hände hoch, um sich die Ohren zuzuhalten. Er musste ihr helfen, doch seine Beine wollten sich nicht rühren und so sah er voll Panik, wie seine Freundin zu Boden fiel. Endlich gehorchte ihm sein Körper wieder und er eilte auf die Albin zu, sah dünne Rauchfäden von ihr aufsteigen. Kirona starrte Alaryah nun ebenfalls kalt an, fast ein wenig feindselig. "Nein! Alaryah!" Jaro war den Tränen nah, warf sich neben der kleinen Frau auf die Knie und nahm ihren Kopf in seine Hände. "Bitte, bleib bei mir", flehte er und sah erneut zu Kirona. "Kirona!", Verzweiflung ließ seine Stimme zittern. "Bitte komm zu dir! Ich brauche deine Hilfe." Angestrengt lauschte er nach Alaryahs Atem. Oril sei Dank. Sie lebte noch. "Alaryah", flüsterte er erneut und strich ihr über die Wange. Was sollte er nur tun? Im Augenwinkel sah er eine Bewegung. Kirona ging nun ihrerseits auf den Sockel zu. "Kirona, nicht!", brachte Jaro hervor, doch scheinbar wollte hier niemand auf ihn hören. Die Finger der Frau schlossen sich um das merkwürdige Artefakt und Jaro spannte alles an, um sich auf ein erneutes Inferno gefasst zu machen. Nichts geschah. Kirona studierte den Stein in aller Ruhe, gab ihn von einer Hand in die andere und der rote Schimmer waberte fast schon sanft um sie herum.


    Alaryah Schattenwind
    Flimmernd erhellte sich Alaryahs Blickfeld. "Was...was ist passiert?", hauchte sie und musste sich erst einmal orientieren. "Jaro.". Er half ihr auf, dann erinnerte sich die Albin an die vergangenen Momente. Sie war gerade dabei Jaro von den Visionen, Erinnerungen und Bildern in ihrem Kopf zu erzählen, da bemerkte auch Alaryah, dass Kirona nun den Stein in den Händen hielt. Sie schien keinerlei Probleme zu haben, konnte die Kraft darin anscheinend kontrollieren? Alaryah fühlte sich, als hätte man sie verprügelt. Mehrfach. Aber sie mussten weiter! Zumindest schien Kirona der Meinung zu sein, denn sie setzte sich wieder in Bewegung. "Jaro, ich habe kein gutes Gefühl.", flüsterte Alaryah schließlich, während sie weiter ihren Weg durch die Dunkelheit bestritten. "Es wäre keine Zeit gewesen um Hilfe zu holen. Wir hatten keine andere Wahl, wir hätten Kirona doch nicht einfach so allein hier runtergehen lassen können?". Jeder von Alaryahs Gedankengängen endete damit, dass sie durch diesen Ort hier zogen. "Wer weiss, was wir hier noch finden?". Die Albin wollte das ohnehin schon bedrückende Gefühl nicht noch weiter verstärken, daher beschloss sie erst einmal etwas zu schweigen. Es war bestimmt sowieso besser wachsam zu sein! Und doch war es der Albin nicht immer möglich sich zu konzentrieren. Immer wieder griffen Gedankenfetzen von Zerstörung, Leid und dem Tod nach ihr. Es fühlte sich an, als würde man auf einer schmalen Mauer balancieren und wieder und wieder versuchte der Wind einen hinunterzuwehen. Hinunter in die Finsternis. Dort gab es nichts, außer... Alaryah schüttelte den Kopf, schob auch diese Gedanken beiseite. Beinahe wäre es wieder passiert.
    Sie folgten Kirona, die wie eine Laterne mit dumpfen und schummerigen Lichtschein voranging.
    Die Gruppe durchquerte eine große Halle, die allem Anschein nach eine Werkstatt gewesen war. Riesige Schmiedeöfen reihten sich aneinander, hier und da lagen Überreste alter Werkbänke. Staubschichten und dicke Spinnennetze hatten sich über dem Werkzeug breitgemacht, welches überall verstreut war. Hier hielt Kirona nicht an, sondern bog hinter der Halle um die Ecke in ein Treppenhaus. Alaryah wäre lieber dem großen, breiten Gang geradeaus gefolgt, auch Jaro schien nicht sonderlich begeistert tiefer in den Untergrund zu steigen. Die schmale Wendeltreppe war direkt in den Stein gehauen worden und endete in einem Lagerraum. In diesem Kellerraum konnten die drei Gefährten gerade so nebeneinander stehen, überall stapelten sich alte Kisten und verstaubte Truhen. Kirona blieb schließlich stehen und deutete auf einen der Stapel. "Meinst du, wir sollen die Kisten öffnen?", fragte Alaryah Jaro so leise sie konnte und sah unsicher hinter sich. Da war nur die steinernde Treppe. "Puh...".


    Jaro Ballivòr
    Jaro war hin und hergerissen, worauf er sich konzentrieren sollte. Ein riesen Stein fiel ihm vom Herzen, als Alaryah zu sich kam und was sie berichtete, war ebenso ungeheuerlich wie faszinierend. Was hatten sie hier nur für einen Ort gefunden? Erneut kochte das Gefühl in ihm hoch, dass dies der Schauplatz etwas Großen und Grausamen gewesen war, dessen Geist noch immer durch die steinernen Hallen strömte. Gleichzeitig drängte seine Aufmerksamkeit aber auch zu Kirona und dem rätselhaften Stein. "Geht es dir gut?", brachte er schließlich hervor, doch auch Alaryahs Blick heftete sich nun an Kirona, die sich wieder in Bewegung gesetzt hatte. Es blieb ihnen nichts, als ihr zu folgen und Jaro konnte Alaryah nur zustimmen. Sie hatten keine Wahl gehabt. "Zum Glück bist du bei mir", gestand er seine Furcht und drückte ihre Hand. Obwohl Alaryahs Gegenwart ihm etwas Sicherheit gab, spürte er, dass auch ihr nicht wohl war. Kein Wunder, nach dem, was sie gerade erlebt hatte. "Gemeinsam schaffen wir das", fügte er an, um zu zeigen, dass er auch für sie da war.
    Jeder neue Raum offenbarte, dass diese Festung einmal ein wahres Bollwerk gewesen sein musste. Nie zuvor hatte Jaro Derartiges gesehen, in keiner Stadt, die er je besucht hatte. So überraschte es ihn kaum, als sie eine Treppe erreichten, die noch weiter hinab führte, wenngleich er ebenso wie Alaryah ihr lieber nicht in die Tiefe gefolgt wäre.
    Unnatürlich laut klangen Alaryahs Worte in dem engen Raum und er zuckte unsicher mit den Schultern. Kironas Fingerzeig wurde vehementer und so griff Jaro zögerlich nach der ersten Kiste und fummelte an deren Riegel herum. Staub rieselte und die Scharniere quietschten, doch der Deckel ließ sich erstaunlich leicht anheben. Der Inhalt war unspektakulär und Jaro hatte ganz umsonst den Atem angehalten und den Kopf möglichst weit nach hinten gestreckt. Mehrere Pergamentrollen teilten sich den Raum mit alten Kerzen, einigen flachen Schalen und löchrigem Stoff. Vorsichtig griff Jaro hinein. Das Papier knisterte und die Linien darauf waren mit dicker schwarzer Tinte gezogen. Es waren keine Buchstaben, viel mehr Symbole und Schriftzeichen, wie Jaro sie nicht kannte und auch Alaryah nicht, die nur mit den Schultern zuckte. Kirona stieß mit dem Fuß gegen eine andere Kiste und wies mit der Hand weiter in Richtung des Stapels. "Was meint sie nur?", flüsterte Jaro. Gemeinsam mit Alaryah zog er die geöffnete Box zur Seite, sodass sie näher an die Wand gelangten. Mit Blick zu Kirona griffen sie an mehrere Kisten, öffneten die ein oder andere, doch nichts davon schien sie zufrieden zu stellen. Das Licht des Steins veränderte sich mit ihrem Fortschreiten. Der Farbton wurde dunkler und die Wellen, in denen es in die Düsternis strömte, gleichmäßger. Kirona trat vor, während Alaryah und Jaro weitere Kisten hin und her hievten und ein lautes Klick-Geräusch ließ sie innehalten. Der Stein fügte sich nahtlos in eine Öffnung in der Wand, die zuvor nicht da gewesen war. Das Licht färbte sich weiß und ausgehend von dort wanderten Linien zu allen Seiten, bis sich die Konturen einer Tür abzeichneten. Immer greller fraß es sich in den Stein und voller böser Vorahnung sah Jaro zu Alaryah, als ein Knarzen ertönte. Die Tür öffnete sich schwerfällig wie von Geisterhand und ein merkwürdiger Geruch drang ihnen entgegen.


    Alaryah Schattenwind
    Einen Moment lang standen die drei einfach so da. Alaryah ertappte sich, wie sie die Zähne fest aufeinandergebissen und die Augen zugekniffen hatte, den Kopf leicht abgewandt. Kirona ging schließlich, wie auch die letzten Male, voran und schon hatte die Dunkelheit sie verschluckt. Alaryah blieb mit Jaro zurück. "Wie war das mit dieser Tür nur möglich?", staunte Alaryah schließlich. Erst fragte sich die Albin noch, woher Kirona nur von der Existenz dieser Tür wusste, doch dann seufzte sie nur. Es gab so vieles, was noch ungeklärt war, da würde die ein oder andere Frage auch keinen Unterschied mehr machen. Dann nickte Alaryah Jaro so gut sie konnte aufmunternd zu. Sie war froh, dass sie nicht mit Kirona allein war...auch wenn sie etwas Angst um Jaros Wohl hatte. Aber sie würden das alles schon überstehen. Hoffentlich. Die Albin nahm schließlich ihren Mut zusammen, folgte Kirona und zog Jaro sanft hinter sich her.
    "Riechst du das auch?", fragte Alaryah, nachdem sie zu Kirona aufgeschlossen hatten. Der schmale Gang schlängelte sich tiefer ins Erdreich, in unregelmäßigen Abständen waren Gitter im Boden und am unteren Ende der Wände eingelassen. Hier schien es auch eine Art Abflusssystem zu geben, wieder und wieder stießen die Reisenden auf Ablaufrinnen und erkannten hier und da Zisternen und Schächte. Je weiter sie gingen, desto stärker wurde der Geruch. Dann blieb Kirona an einer Kreuzung stehen, schaute nach links, dann nach rechts. Wieder nach links. Dann bog sie nach rechts um, Alaryah und Jaro folgten. Alaryah war sich nicht sicher, doch meinte sie diesen Geruch schon einmal wahrgenommen zu haben...sie konnte sich aber auch irren. "Wieder so ein Moment wir wir besser auf unsere Schritte achten sollten.", murmelte die Albin, als sich zu den Ablaufrinnen und Gittern auch noch Fackelhalter gesellten. Keine drei Schritte weiter knackte es plötzlich unter Alaryahs Fuß. Abrupt blieb sie stehen, stieß Jaro von sich und ging in die Knie. Alaryah rechnete mit einem Angriff, einer Falle oder einer ihr noch nicht bekannten, unangenehmen Überraschung. Sie wollte Jaro nicht mit in eine Fallgrube reißen oder ihn sonstwie mit in ihr Unglück ziehen. Doch nichts passierte, alles blieb ruhig. "Verzeih, Jaro. Ich wollte nicht, dass wir beide hier...naja...du weisst schon. Ich habe mit einer Falle gerechnet.". Gerade, als sich die Albin wieder aufrichten wollte, fiel ihr Blick zu Boden. Der Stein in Kironas Hand leuchtete gerade noch hell genug in der Ferne, dass Alaryah das breite Grinsen des Schädels neben ihrem anderen Fuß erkennen konnte. Erschrocken fuhr die Albin zusammen, stolperte weg von dem Skelett in Richtung Jaro. Sie konnten gerade noch erkennen, dass die Person vor ihrem Ableben wohl versucht haben musste durch das Gitter zu gelangen, doch hatte jemand diesem Vorhaben scheinbar mit einem stumpfen Gegenstand ein Ende bereitet. Dies ließ zumindest das Loch in der linken Schädelseite vermuten. Als Kirona sich weiter entfernte verschwanden auch die alten Knochen wieder in der Dunkelheit. "Los....los weg hier.", sagte Alaryah mit zittriger Stimme und tastete nach Jaro. Gemeinsam eilten sie, jedoch weiterhin vorsichtig, hinter Kirona her und hatten diese bald wieder eingeholt. "Das ist kein Abwassersystem.", mutmaßte Alaryah schließlich. Sie mochte sich gar nicht ausmalen, worauf sie hier gestoßen waren...


    Jaro Ballivòr
    Es war schwer zu sagen, was unheimlicher war, Licht oder Finsternis. Einerseits war Jaro froh gewesen, als das grausame Bild der Gebeine im Zwielicht verschwand und er die eingefrorene Qual nicht länger sehen musste, andererseits machte sich Erleichterung in ihm breit, als sie sich Kirona näherten und mit ihr der Helligkeit. Vermutlich war es besser zu sehen, was einen von allen Seiten anstarrte und erwartete. Eine Gänsehaut lief Jaro bei der Vorstellung, plötzlich einen Griff an der Schulter zu spüren, den Rücken hinunter. Hinzu gesellte ich Übelkeit, als Alaryah aussprach, was auch Jaro widerwillig schon befürchtet hatte. "Ein Gefängnis... ein Grab", flüsterte er und mit brutaler Gewalt kamen die Bilder zurück, wie er selbst Teil des Leids gewesen war und seine Hand nur eine von vielen, die sich flehend und mit letzter Kraft noch oben reckte. "Was treibt Kirona an diesen Ort?", murmelte er, denn der Klang der eigenen Stimme half ihm, die Visionen zu verdrängen. "Meinst du, dies könnte der Ort sein, an den sie ursprünglich hat gelangen sollen? Als sie noch... unter Kontrolle stand?" Ängstlich blickte er zu Alaryah.


    Alaryah Schattenwind
    Über die Fragen musste Alaryah etwas nachdenken. Eigentlich wollte sie es gar nicht, doch ging es nicht anders. "Möglich.", gab sie schließlich zu und es klang, als wünschte die Albin es wäre alles irgendwie anders. "Vielleicht haben die toten Soldaten etwas in Kirona ausgelöst? Vielleicht war sie in diesem Moment irgendwie...schwach?". Noch während Alaryah sprach ärgerte sie sich. Hätte sie doch einfach den Mund gehalten! Jetzt rechnete sie jeden Moment damit, dass sich Kirona zu ihnen umdrehte und sie angriff. "Wer auch immer hinter diesem Angriff steckt muss allerdings nicht unbedingt mit Kirona oder ihrem Zustand zu tun haben.", rätselte die Albin weiter. Sie gab einfach ein paar Gedanken preis, wollte von einer möglichen Übernahme von Kirona Abstand nehmen. Doch war das wirklich so ratsam? Alaryah mochte sich gar nicht vorstellen dass sie, neben all den möglichen Gefahren um sie herum, direkt mit einer weiteren Gefahrenquelle unterwegs waren. "Wir sollten eine Sache nicht vergessen.". So sorgfältig wie es eben in dieser Situation ging versuchte sich Alaryah ihre Worte zurechtzulegen. "Wir müssen hier auch irgendwie wieder raus. Ob mit oder ohne Kirona.". Vielleicht würden sie auch hier unten sterben? Alaryah sprach diesen Gedanken nicht aus. "Erinnerst du dich an den Teich bei dem Fest? Mit den Seerosen?". Alaryah sprach leise, versuchte gelassen zu wirken und wollte die düsteren Schatten, die in den Köpfen umherspukten, vertreiben. Sie wusste, dass sie Jaro seine Angst nicht wirklich nehmen konnte...denn auch sie selbst hatte nicht gerade wenig...


    Jaro Ballivòr
    Eifrig nickte Jaro. "Ja! Zuletzt war sie immerhin glücklich und losgelöst, das hat ihre innere Abwehr vielleicht gestärkt und nun...", er schluckte. "Vielleicht hat sie Ähnliches schon erlebt." Jaro entging nicht, dass Alaryah misstrauische Blicke zu der vor ihnen schreitenden Frau warf. Irgendwie wollte der Gedanke, sie könnte gefährlich sein, nicht in seinen Kopf hinein, doch die Waldalbin hatte natürlich Recht. Kannten sie diese Kirona denn wirklich? Erneut schluckte Jaro. Die Vorstellung, Kirona hier zurück zu lassen schmeckte bitter, doch was, wenn sie letztlich keine Wahl hatten? Jaro war froh, als Alaryah das Gespräch in eine angenehmere Richtung lenkte. "Ja", flüsterte er und merkte, wie fern ihm dieser Augenblick schon vorkam. "Das war sehr schön..." Ein schwaches Lächeln kämpfte sich auf sein Gesicht und er sah Alaryah an, merkte dabei nicht, dass Kirona stehen geblieben war und wäre beinahe in sie hinein geknallt. Woher das Gefühl kam, war unmöglich zu sagen, doch Jaro wusste plötzlich, dass sie ihr Ziel nun erreicht hatten. Steinerne Wasserspeier mit toten Augen flankierten den Eingang in einen auf den ersten Blick recht unscheinbaren Raum, an dem der gespenstische Gang endete. Über der Pforte war eine Inschrift eingeritzt, erstaunlicherweise in normaler Sprache:
    Weisheit und Wissenschaft sind gottgegeben. Wer sie weise und gewissenhaft nutzt, wird Göttliches erschaffen.
    Die Worte schienen nicht an diesen Ort voll Tod und Grauen zu passen und Jaros Inneres zog sich zusammen, als Kirona den Raum betrat. Es gab nichts, was er weniger wollte, doch er spürte, wie seine Füße der Frau ins Ungewisse folgten, Alaryah an seiner Seite.


    Alaryah Schattenwind
    Sie betraten die Räumlichkeiten und sahen sich vorsichtig um. Überall standen Phiolen und Glasbehälter in allen möglichen Größen und Formen auf schweren Tischen, die an der Wand aufgereiht waren. Jeder Schritt hallte leise von einem glatten und fein gemauerten Steinboden wieder und die Lichtreflexionen von Kironas Stein warfen grausig aussehende Schatten umher. In der Mitte des Raumes stand ein massiver Steinblock, an dessen Ecken schwere Ketten genietet worden waren. Alaryah musste schlucken und trat unsicher ein paar Schritte zurück. Es klirrte hell, als sie beim Tasten nach der Wand ein Gefäß umstieß und dieses zu Boden fiel. Die Albin zuckte zusammen, Kirona schien unbeeindruckt, doch Jaros Blick war zu Alaryah geschossen. Diese hob die Hände und wollte gerade etwas sagen, als ein kleiner Lichtball aus den Scherben emporstieg. Er blieb auf Alaryahs Kopfhöhe stehen, tanzte dann mehrmals um die kleine Albin herum und surrte dabei leise. Dann flog das kleine Licht, nicht größer als ein Apfel, in Zickzacklinien von Alaryah weg und hüpfte dann etwas weiter hinten im Raum auf und ab. Vorsichtig folgte Alaryah der Erscheinung, die nun in kreisenden Bewegungen hinter einem Lesepult zu landen schien. Als Alaryah sich dem Pult näherte fuhr erneut der Schreck durch ihren Körper. Da lag jemand! Schnell zeigte sich, dass sie auf eine weitere Leiche gestoßen waren...doch war diese noch nicht ganz skelettiert. Schritte näherten sich und plötzlich stand Kirona neben Alaryah, würdigte die Albin jedoch keines Blickes. Die Lichterscheinung war verschwunden und Kirona kniete sich neben den leblosen Körper. Sie schien genau dort irgendetwas zu suchen. Alaryah drehte sich zu Jaro um...


    Jaro Ballivòr
    Sein Herz setzte einen Moment aus, als das Glas zerbarst und er blickte so schnell zu Alaryah hinüber, dass er sich schmerzhaft den Nacken verriss. Reflexartig fuhr seine Hand zu der Stelle, blieb aber auf halbem Weg stehen, während seine Augen wie hypnotisiert dem Licht folgten.
    Auch Kirona reagierte darauf, allerdings seltsam unaufgeregt, ganz so, als hätte sie genau danach gesucht. Erst als Alaryah in ansah und ihr Blick erneut von Entsetzen erfüllt war, ging auch Jaro zu den Frauen hinüber und musste augenblicklich würgen. Diese Leiche sah noch recht frisch aus und wirkte auf Jaro deshalb viel abstoßender als die Skelette zuvor. Dass Kirona an und in dem Körper herum suchte, trug nicht zu Milderung der Übelkeit bei. Weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, nahm Jaro den Körper genauer in Augenschein, soweit es das Licht von Kironas Stein erlaubte. Er erstarrte und griff Alaryahs Arm, nickte mit dem Kopf in Richtung des linken Armes. Wo eine normale Hand hätte sein sollen, endete das Glied in einer riesigen grünlichen Klaue mit messerscharfen Krallen. Nun fiel ihm auch auf, dass das Gesicht keineswegs normale Züge hatte. Augen und Mund waren geschlossen und Jaro mochte sich kaum ausmalen, was sich dort verbarg.


    Alaryah Schattenwind
    Der Albin wurde übel, als Kirona, scheinbar ohne Probleme, zu Werke ging. Schmatzende Geräusche und ekelerregende Flüssigkeiten brachten Alaryah dazu sich wegzudrehen, doch wies Jaro sie auf auf den Arm der Leiche hin. Diese riesige Klaue... Kirona tastete gerade das Gesicht der Person, besser gesagt der Kreatur, ab und starrte dabei einfach ins Leere. Jedoch saß jeder Handgriff, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Zwei Reißzähne kamen zum Vorschein, als Kirona in den Mund der Kreatur griff. Der Kiefer ließ sich weiter öffnen als es einem Menschen oder Alben auch nur entfernt möglich gewesen wäre. "Glaubst...glaubst du, dass das...", begann Alaryah und konnte ihren Blick nicht abwenden. "Naja, dass dieses Wesen die Soldaten getötet hat?". In Alaryahs Kopf flogen Bilder umher, wie sich dieses Wesen eine blutige Schneise durch die Reihen der Soldaten pflügte. "Aber wir hätten Spuren finden müssen.", widersprach sie sich direkt. "Und warum ist dieses Wesen nun tot?". Alaryah schaute nun hilfesuchend zu Jaro in der Hoffnung, dass er Antworten geben konnte, die sie beruhigen möchten.

    Am nächsten Morgen passierte Alaryah etwas, was ihr seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr passiert war. Sie hatte verschlafen! Als die Albin die Augen öffnete, sich von ihrer Schlafstätte aufrichtete und herzhaft gähnte stellte sie fest, dass Jaro und Kirona bereits auf den Beinen waren. Noch während sie sich streckte hielt sie erstaunt inne und warf einen Blick gen Himmel. "Ja.", bestätigte Kirona, die gerade dabei war ihr Gepäck zu schultern, "Wir haben dich schlafen lassen.". "Du hast geschlafen wie ein Stein.", bestätigte Jaro von weiter hinten. Alaryah war die ganze Sache etwas unangenehm und schon fast unbeholfen krabbelte sie unter ihrer Decke hervor. Jaro und Kirona hatten bereits sämtliches Gepäck abreisefertig gemacht und alles schien nur auf die Albin zu warten. "Das...also...ich wollte nicht...", stammelte Alaryah etwas verlegen, doch wurde sie von Kirona unterbrochen. "Alles in Ordnung. Dir scheint der Schlaf gut getan zu haben. Du siehst direkt frischer aus!". Alaryah nickte nur stumm und bekam schließlich einen Kanten Brot in die Hand gedrückt. Kurze Zeit später konnte die Reise dann weitergehen.
    "Wir sollten unser erstes Ziel bald erreichen.", meinte Alaryah schließlich und schwirrte wie eine Biene um Jaro und Kirona herum. Sie verschwand erst hier im Unterholz, tauchte dann dort aus einem Gebüsch wieder auf. Im Wald wirkte sie fast wie ein Fisch im Wasser. Alaryahs neu gewonnene Lebensfreude hatte etwas erfreuliches und schon bald machte sich gute Laune unter den Reisenden breit.
    Allerdings sollte diese gute Laune nicht lange anhalten. Während Jaro und Kirona munter plauderten blieb Alaryah plötzlich abrupt stehen. Da lag ein sonderbarer Geruch in der Luft. Was mochte es nur sein? Alaryah versuchte sich zu konzentrieren, doch wollte es ihr aufgrund von Jaros und Kironas Gespräch nicht so ganz gelingen. "Alaryah, was ist los? Alles in Ordnung?", fragte Kirona als sie Alaryahs so dastehen sah zwischen zwei Sätzen. "Riecht ihr das nicht?", fragte die Albin leise über die Schulter zum Rest ihrer Reisegruppe. Die beiden schüttelten erst den Kopf, doch dann machte Kirona einen Schritt vor Alaryah. "Doch...warte...irgendwie riecht es...verbrannt?". Fragend schaute sie zu den Alben, auch Jaro schien nun etwas bemerkt zu haben. "Das ist kein kleines Lagerfeuer, da bin ich mir sicher. Große Feuer im Wald sind nie gut! Wir müssen nachsehen, schnell!". Alaryah ging voran, beschleunigte schließlich nach und nach ihre Schritte, immer weiter in die Richtung, in der sie das Feuer vermutete. <Bitte lass es kein Waldbrand sein.>, dachte sie nur.


    Alaryah drückte einen großen Zweig beiseite und kam als erstes am Ort des Geschehens an. Was sich ihr zeigte lies die Albin erstarren. Mitten auf dem Weg lag ein umgestürzter Karren auf der Seite, Glut leuchtete schwach an einigen Stellen und feine Rauchfäden stiegen zum Himmel hinauf. Der Fahrer des Karrens war ähnlich zugerichtet, das Feuer hatte einen Teil von ihm verschlungen. "Was...". Als Alaryah nach links schaute musste sie sich erst einmal an einem nahestehenden Baum abstützen. Ihre Knie wurden weich, sie kniete ab. Dort lagen ungefähr zwanzig Leichen von Albensoldaten. Sie schienen in einen Kampf verwickelt gewesen zu sein, doch lag kein einziger Feind zwischen den Toten. Alaryahs Blick wanderte umher. Sie sah den Offizier, mit einem Speer an einen umgestürzten Baumstamm geheftet. Sie sah Leichen mit aufgebrochenen Rüstungen und zerfetztem Fleisch, dort drüben lag ein einzelner Kopf, der Helm wenige Meter entfernt. Was für eine Macht hatte die Soldaten so zugerichtet? Zerschmetterte Körper, geborstene Schilde und gesprungene Klingen. Blut, welches den Boden dunkelrot verfärbt hatte. Diese tödlichen Verletzungen und all der Schaden konnten einfach nicht alle von normalen Waffen stammen...
    "Alaryah, hast du schon etwas gef...". Kirona beendete ihren Satz schlagartig, als sie auch aus dem Unterholz hervortrat. Alaryah vernahm Kironas Stimme dumpf in ihrem Kopf, Jaro war scheinbar ebenfalls angekommen, doch seine Worte drangen nicht zu ihr durch. Aus der Ferne starrte die kleine Albin nur in die toten, leeren Augen des Offiziers, tastete dabei nach hinten, wo sie ihre Gefährten vermutete.