Mauli hatte bis zum Schluss gewartet, dass Morasa ihm das Fleisch aushändigte und es ihm auch nicht aus den Händen gerissen, sondern ruhig entgegengenommen. Er hatte gelernt, dass er möglichst ruhig und ungefährlich wirken musste, um wenigstens einen Hauch von Akzeptanz zu erfahren. Die Angst, die manche vor hungrigen Ghulen hegten, war ja auch nicht ganz unbegründet.
Aber jetzt, wo es sein war, hielt er es mit beiden Händen gepackt und biss und riss und schlang es in atemberaubendem Tempo herunter. Es war noch ganz frisch, kein bisschen modrig und von allererster Güte. Weich, mit schön vielen Fettfasern drin. Das Paket war deutlich größer als Maulis Kopf, aber er aß es vollständig auf und lutschte sich am Ende noch die Finger ab und leckte auch das Einpackpapier sauber. Nach der Mahlzeit sah er aus wie schwanger. Dunkle Adern zeichneten sich auf seinem nun glänzenden Bauch ab. Seine Gedärme waren zum Bersten gefüllt und man konnte fast zusehen, wie Mauli sich zu regenerieren begann und sein entsetzlicher Leichengestank schwächer wurde. Auch seine Sehkraft und sein Gedächtnis kehrten bereits ein wenig zurück. Natürlich würde er noch einen Verdauungsschlaf brauchen, um sich vollständig zu regenerieren. Dankbar schmiegte er sich an Mos Bein. Mo versprach gar, er würde für ihn jagen. Etwas, dass Crize nie getan hatte, andererseits hatte der inzwischen vermutlich eine ganze Tausendschaft zu betüdeln. Alles, was er getan hatte, war sie zum Schlachtfeld zu schicken, wenn sie hungrig waren und natürlich, sie ausgiebig zu tätscheln.
"Kann selber auch jagen, wenn erlaubt ist", schnarrte er. Seine Stimme klang noch furchtbar, war aber zu verstehen.
Mo verkündete gar, Mauli dürfe in seinem Bett schlafen und Mauli fielen fast die gammligen Augäpfel raus, weil er die Lider zu weit aufgerissen hatte. Er rieb sich die Augen, um sie wieder in Position zu bringen. Crize hatte ihn auch immer mit ins Bett nehmen wollen, um seine Beine auf ihn draufzulegen, aber die anderen Mitglieder seiner Familie hatten dafür wenig Verständnis und Mauli mit einem Besen wieder vor die Tür gescheucht, wenn sie ihn im Zelt entdeckt hatten.
Der Ghul war dann abseits des Lagers gekrochen, wo er mit anderen Ghulen zu einem stinkenden Berg aufgetürmt im Sand geruht hatte, den Uneingeweihte oft mit einem von den Rakshanern errichteten Leichenhaufen verwechselt hatten. Das versprach zumindest einen gewissen Schutz vor den Hyänen, wenn es einem gelungen war, nach innen zu kriechen. Die begehrten Plätze im Inneren des Zeltlagers unter den Wagen waren meist von den am besten genährten und durchsetzungsstärksten Ghulen belegt, die optisch kaum von Lebenden zu unterscheiden waren und entsprechend wenig stanken und wenig ekelhaft anzusehen waren, so dass man ihre Anwesenheit eher duldete. Gerade die Ehefrauen und Kinder hatten sich mit Ghulen im fortgeschrittenen Verwesungsstadium manchmal arg zimperlich.
"Danke für Essen, Mo.", sagte Mauli und rollte sich unter einer Bank ein, um dort zu ruhen und Mo nicht in seinem alltäglichen Treiben zur Last zu fallen.