Beiträge von Namik al-Nadeem

    Es fiel Namik unglaublich schwer seine Augen zu öffnen. Die Nacht war aufgrund der Unbequemlichkeit des Lagers nicht unbedingt das was man unter erholsam verstehen würde. Sein Rücken schmerzte etwas und er fühlte, dass er trotz der Decke in der Nacht gefroren hatte. Erst beim zweiten, etwas ungeduldig wirkenden Klopfen und einer Stimme, welche er zunächst nicht wirklich zuordnen konnte, zwang er sich endgültig die Augen zu öffnen, ein oder zweimal zu blinzeln und dann seine Umgebung vollends wahrzunehmen. Die Stimme, welche um Einlass bat, war die von Tulef. “Komm doch einfach rein.”, forderte Namik Tulef verschlafen, wenn nicht vielleicht etwas genervt auf und setzte sich auf. Die Tür öffnete sich mit einem unangenehmen Knarren und der schwächlich wirkende Diener betrat die Kammer mit einem reichlich gedeckten Tablett. “Guten Morgen…”, meinte Tulef beinahe hektisch. “Mein Herr wünscht das Ihr speist und anschließend euch bereitmacht zur Abreise.” Namik hob eine Augenbraue. “Aha…da muss sich dein Herr wohl etwas gedulden. Ich möchte mich gleich in Ruhe waschen.” Tulef wusste wohl anfänglich nicht, was er auf diese Dreistigkeit - zumindest musste er diese Aussage laut seines Gesichtsausdruckes als solche werten - entgegnen sollte. Er fasste sich allerdings und schüttelte bemitleidend den Kopf. “Hütet euch davor, jemals dermaßen respektlos mit meinem Herrn zu sprechen. Er mag zunächst gütig sein. Doch bedenkt, dass seine Güte nicht ins Unermessliche reicht.”, mahnte Tulef mit einer beinahe väterlich wirkenden Sorge. Namik hingegen konnte ein belustigtes Grinsen nicht verbergen. “Ach was, Tulef.” Noch einmal schüttelte Tulef stumm den Kopf, stellte das Tablett auf den Tisch ab und ging schweigend aus der Kammer um nach wenigen Minuten eine Schüssel mit frischem Wasser und ein frisches Tuch zu bringen, welche er auf einen Stuhl abstellte. “Wenn Ihr noch etwas wünscht, ruft nach mir. Ich warte vor der Tür.” Namik beobachtete nichts darauf erwidernd wie dieser die Kammer verließ, erhob sich anschließend noch einmal ordentlich seine Glieder ausstreckend aus seinem Lager und wusch sich zunächst ausgiebig. Freilich nahm er etwas von dem Frühstück zu sich, doch der geringe Appetit machte es ihm unmöglich das vollständige Mahl zu verspeisen - auch wenn dies vielleicht unhöflich erscheinen mochte. Er hörte draußen Schritte und vernahm die Stimme eines anderen Mannes, welche zu Tulef knapp aber bestimmt sprach. Anschließend klopfte es erneut an der Tür und nach einem mürrischen “Hmm….” Namik´s öffnete diese sich schließlich wieder. “Mein Herr, wünscht euch umgehend in den Stallungen zu sehen.” Während er die Worte sprach betrat Tulef den Raum und räumte die Überreste des Frühstücks zusammen. “Ich werde jemanden rufen, der euer Gepäck zu den Stallungen bringt.” Namik musste lachen. “Soweit kommt es noch, Tulef. Ich trage mein Gepäck selbst, danke.” Mit einem Seufzen erhob er sich vom Stuhl, beobachtete einen Moment Tulef´s geübte Handgriffe, welche scheinbar flinker schienen als man seiner gebrechlichen Gestalt zutraute, und meinte dann: “Nun, ich denke, dass wir uns vorerst nicht mehr sehen werden. Pass auf dich auf, Tulef und….” er zögerte kurz um seinen Worte mit Bedacht zu wählen, beließ es aber dabei. Es gab nun mal keine tröstende oder passende Worte für einen Mann, dessen Sohn offenbar keinerlei Interesse für diesen zeigte und scheinbar bereits aus dessen Leben geschieden war. Tulef nickte nur und lächelte leicht dankbar für den Versuch dieser Aufmunterung wohl in dem Wissen, was Namik eigentlich mitteilen wollte. Wahrscheinlich war es Dankbarkeit, die Namik in den glanzlosen Augen des alten Mannes las, dennoch fühlte er sich schuldbeladen. Namik nahm sein Gepäck und klopfte ihm zum Abschied auf die Schulter in der Hoffnung der Mann würde es nicht als respektlos werten und verließ daraufhin mit ihm den Raum.


    Tulef führte ihn durch reichlich verwinkelte Gänge bis hin zu einem Ausgang, welcher an den Stallungen grenzte. Die Schlichtheit der unterirdischen Gänge des Palastes ließen es Namik kaum zu, zu glauben, dass die oberen Etagen diesen von außen prachtvoll wirkenden Anwesens dermaßen prunkvoll waren wie man stets behauptete. Tulef begleitete ihn nicht vollends bis zu seinem Herren, sondern verabschiedete sich bereits an dem besagten Ausgang mit einem knappen Nicken und einen warmen Lächeln. Sonnenstrahlen blendeten ihn als Namik das Gebäude verließ und er musste einige Male blinzeln um sich an das grelle Sonnenlicht der am Morgenhimmel stehenden und unbarmherzig wirkenden Wüstensonne zu gewöhnen. In den Stallungen wartete bereits Sal'jil. Die offenkundig aus Höflichkeit gestellte Frage beantwortete Namik mit einem Nicken. “Danke, alles bestens.” Die darauffolgenden Beleidigungen seines Gegenübers nahm er gelassen hin. Ihm war zwar bewusst, dass er diese arrogante Ausgeburt eines Magierbalges sicherlich nicht beneidete und gewiss auch andere Fähigkeiten besaß als einfach nur zu töten, auch wenn er diese nicht auf Anhieb bei Namen nennen konnte, dennoch duldete er dessen Bemerkungen ohne den Versuch etwas zu erwidern. Ihm war bewusst, dass Sal'jil vermutlich damit bewirken wollte, dass Namik sich in seiner Geduld und vor allem Unterwürfigkeit, welche man von ihm als vermeintlicher “Bediensteter” erwartete, übt. Dennoch - das verächtliche leise Schnauben konnte er nicht verbergen. Sal'jil kehrte überraschenderweise in sich und sprach eine Art Gebet, welches Namik nicht kannte und ihn die Stirn runzeln ließ. Der Mann hatte seines Erachtens wahrscheinlich in seinem Leben des Öfteren einen Hitzschlag erlitten. Er beobachtete den unbeholfenen Diener, welcher anfänglich versuchte seinem Herrn auf das für ihn vorgesehene Reittier aufzuhelfen und musste sich ein breites Grinsen verkneifen als dies gehörig daneben ging. Doch das zunächst amüsierende Geschehen artete alsbald vollkommen aus. Spätestens als der Diener in Tränen ausbrach, wurde Namik zum wiederholtem Mal klar, unter welchen Druck die Knechte und Bediensteten hier arbeiten und welche Furcht sie tagtäglich vor ihren Herren doch hatten. Sal'jil war inzwischen außer sich vor Zorn und redete auf den immer mehr in Panik geratenen jungen Mann ein. “Sal'jil, meint Ihr nicht, er hat es nun begriffen? Es wird sicherlich nicht mehr vorkommen. Schließlich ist kein Meister bisher vom Himmel gefallen, nicht?” In der Stimme schwang unbeabsichtigt reinster Hohn mit und er bedachte Sal'jil mit einem vielsagenden Blick. Der Bedienstete nickte hektisch und zustimmend. “Ja, wirklich Herr….es wird nicht mehr vorkommen.” Namik spürte förmlich die Erleichterung, welche den jungen Mann ergriff während Sal'jil sich wieder einmal als “gnädig” erwies. Gleichwohl fragte er sich was der Magier wohl mit “in seiner Schuld stehen” meinte und befahl sich lieber nicht weiter diesen Gedanken auszuführen. Sal'jil traute er mittlerweile wirklich alles zu. Er selbst stieg auf sein für ihn bereit gestelltes Kamel ein wenig unsicher auf. Er war bisher wirklich selten auf den sogenannten "Wüstenschiffe" gereist. Er konnte nur hoffen, dass man sich während seiner Reise um seinen Hengst hier gut kümmern würde. Schließlich und mit gemischten Gefühl, vielleicht auf die Befürchtung, dass er wahrscheinlich nicht mehr dazu kommen würde, sich um das Wohlergehen seines Tieres zu erkundigen brachen sie auf.

    Namik empfand zwar nicht, dass man seine Kleidung als “Lumpen” hätte bezeichnen können, aber Sal'jil´s Ansichten waren teilweise ohnehin nicht nachvollziehbar für ihn. Er musste freudlos grinsen über dessen unangebrachte Bemerkung. Es brachte einfach nicht. Offenbar konnte Sal'jil nicht anders als seinen Gegenüber in irgendeiner Form zu erniedrigen oder zu beleidigen. Stillschweigend beschloss er, dass er sich definitiv nicht an diesem kindischen Spiel beteiligen würde. Lediglich das Tippeln seiner Finger auf der Tischplatte zeugten von seiner wachsenden Ungeduld. Außerdem war ihm durchaus bewusst, dass es sinnvoll war, bereits jetzt seine Rolle als zukünftige Bediensteter zu akzeptieren und vor allem einzustudieren. Solche anmaßenden Aussagen würden die nächsten Tage wahrscheinlich zu einem Bestandteil des Alltages werden und er musste wohl oder übel lernen damit umzugehen und sich zusammen zu reißen. Seine Augen funkelten Sal'jil trotzdem wütend an und verrieten seine aufkeimende Wut, doch Sal'jil schien darüber großzügig hinwegzusehen. Die darauffolgenden Belehrungen über Etikette und Gesellschaftsschichten machten es nicht unbedingt besser. Namik musste sich dermaßen zusammenreißen um Sal'jil nicht in seine Schranken zu weisen. Einen momentlang bereute Namik, dass er nicht sonderlich viel, nein, im Grunde genommen gar nichts über die ach so feine Gesellschaft der Adligen wusste obwohl doch seine Familie mütterlicherseits dieser angehörte. Wenn seine Mutter noch leben würde, hätte sie ihm sicherlich grundlegende Dinge wie angemessenes Verhalten gelehrt. Es versetze ihn ein Stich in sein Herz als er an sie und ihre unglaublich würdevolle und in ihren damaligen Umfeld völlig deplazierte Art und Weise dachte. Sie benahm sich anders als die anderen Menschen. Stets das Haupt stolz gehoben, eine aufrechte Körperhaltung und eine gewählte Ausdrucksweise - so blieb sie ihm in Erinnerung. Eine wunderbare, einzigartige Frau. Mit betrübten Gemütszustand verdrängte er seine Erinnerungen und konzentrierte sich auf die Gegenwart. Er konnte es zwar nicht erklären, doch irgendwie fühlte er sich seltsam. Seine Empfindungen schienen in Sal'jil´s Gegenwart unbeständig und äußerst wechselhaft zu sein. Er hatte plötzlich ein unglaubliches Gefühl und keine Kontrolle mehr. Etwas griff nach seinem Inneres und schlagartig hatte Namik das Gefühl er würde Sal'jil länger kennen als es tatsächlich der Fall war. Er musste schwer schlucken als er merkte, wie der Kloß in seinem Hals drohte anzuschwellen. Völlig widersprüchlich zu seinem Verstand verspürte er das Bedürfnis Sal'jil seine Empfindungen und seinen Trauer mitzuteilen und dies wiederum bereitete ihm Sorgen. Er wollte nur noch weinen und er war seine Selbstbeherrschung unglaublich dankbar, dass sie ihn nicht im Stich ließ. Dementsprechend mied er den Augenkontakt mit dem Magier und suchte sich verschiedene Anhaltspunkte im Raum, welche er betrachtete, während er dessen Worte folgte. Nach eigener Aussage hatte Sal'jil das Bedürfnis Menschen seiner Gesellschaftsschicht zu schützen. Eine Tatsache, welche Namik zunächst kaum Glauben schenken konnte und wollte. Zumindest sprachen dessen Worte bisher eine andere Sprache und doch überkam ihn erneut das Gefühl Vertrauens. Sal'jil schien viel imposanter und selbstbewusster zu wirken und Namik glaubte gewissermaßen dessen Worte. Mittlerweilen hatte er sich unter Kontrolle und konnte seinen Gegenüber wieder in die Augen blicken. „Ja, ich verstehe. Lass uns morgen darüber sprechen. Ich bin müde.“ Dieser eigentliche Vorwand um sich der Anwesenheit des Magiers zu entziehen um seine Gefühle wieder Herr zu werden, bewahrheitete sich in den Moment als er ihn aussprach. Er war tatsächlich müde. Namik musste die Stirn runzeln als Sal'jil etwas beiläufig erwähnte, dass Tulef vor seiner Kammer nächtigen würde. Ihm war durchaus bewusst, dass der Bedienstete sicherlich nicht damit beauftragt wurde ihm zu bewirten, sondern darauf zu achten, dass sich Namik nicht aus seiner zugeteilten Kammer, welche mehr und mehr einer Gefängniszelle glich, entfernte. Innerlich musste er mit de Kopf schütteln. Wie konnte dieser Mann annehmen, dass ein einfacher zumal völlig unbewaffneter Diener ihn überhaupt aufhalten könnte. Er ersparte auch hier sich unnötige Diskussionen und Unterstellungen. „Ja, dass wünsche ich dir….Euch auch, Sal'jil.“ Er wartete einen Augenblick bis dieser anschließend den Raum verließ. Er wusch sich mit kühlem Wasser aus einem von Tulef bereitgestellten Krug und legte sich anschließend zu Nachtruhe. Die Ereignisse des vergangenen Tages ließen ihn noch lange in Gedanken verweilen bis er schließlich nach gefühlten Stunden einschlief und sich gewissermaßen wünsche nicht mehr aufzuwachen.

    Der vorübergehende Wutausbruch seines Gegenübers ließ ihn zunächst verstummen. Er erwiderte Sal'jil´s Blick und las in dessen Augen, dass er erzürnt über diese Behauptung war. Offensichtlich war er ein Mann der Ehre und der Treue und dieses ausgesprochene Wort war wahrscheinlich aufgrund seiner Reaktion eine Beleidigung sondergleichen. Namik konnte es nicht wirklich nachvollziehen, aber er respektierte es in diesen Moment. Im Grunde genommen war er beinahe dazu bereit sich für diese Worte zu entschuldigen als Sal'jil sich unglaublich und vor allem unerwartet schnell wieder fing und seine gewohnte disziplinierte Haltung wahrte. Erstaunlich schnell wie Namik für sich stillschweigend befand. Sal'jil berichtete ihm von den drohenden Gefahren, welche sich anbahnten sofern man nicht Azur Ftaihif unmittelbar beseitigte. Alsbald und während der Magier noch sprach überkam ihn unerwartet ein ausgeprägtes Gefühl der Beklommenheit. Ihm wurde klar, dass Menschen hier sterben würden und das Kinder ihre Väter in einen Krieg verlieren würden, welcher es einfach nicht wert war. Seine Bruderschaft war ebenfalls in Gefahr. Azur Ftaihif würde sie ausmachen, sie unterwerfen und dann für sein Heer missbrauchen und selbst wenn es einige seiner Brüder oder Schwestern gelingen würde, diesen Krieg zu überleben, würde man diese anschließend sicherlich hinrichten lassen. Namik war überzeugt davon, dass sich dies tatsächlich so abspielen würde und daher musste er gemeinsam mit dem Magier handeln. Er schwieg, hielt dennoch Sal'jil´s Blick stand. Das Sal'jil einräumte, dass er dieses eigene Risiko nicht aus übertriebener Treue seines Kalifen gegenüber einging, verwunderte Namik dann doch etwas. Offensichtlich war Sal'jil tatsächlich besorgt um sein Heimatland und war bereit ein gefährliches Spiel zu spielen um dieses und dessen Bewohner zu schützen und dies passte aus irgendeinem Grund nicht wirklich in das Bild, welches Namik von dem Magier hatte. Andererseits überraschte Namik es nicht, da dieser Mann etwas anders war als alle anderen Männer die er bisher traf. Er war facettenreich und man konnte ihn einfach nicht in eine bestimmte Kategorie Mensch einordnen…halt unberechenbar. Das Sal'jil bereits einen weiteren Plan zur Ermordung von Azur Ftaihif ausgearbeitet hatte, verwunderte ihn dann doch. Zumal der Kalif nach dessen Aussage nichts davon wusste. Während Sal'jil sprach, nahm Namik beiläufig die Informationen auf, doch musste eigene Gedanken nachgehen, welche vor allem darauf ausgelegt waren, wie er unentdeckt in die Gemächer des Sultans eindringen konnte und vor allem auch gesund wieder hinaus. Immerhin war der Sultan von ausschließlich hervorragend ausgebildeten Leibwächter umgeben und würde vermutlich auch keinen Schritt ohne diese machen. Die unerwartete Frage seines Gegenübers ließ ihn überrascht aufblicken und sein zuvor abschweifender Blick verfing sich erneut in seinen. Auf eine Frage war er nicht vorbereitet und er musste sich räuspern, bevor er zu einer Antwort ansetzen konnte, doch er kam nicht dazu. Sal'jil suchte offensichtlich nur eine Bestätigung nicht seine Meinung und wirkte dabei dermaßen verwirrt, dass Namik zweifelnd eine Augenbraue hob. „Hmm….“, meinte er und betrachtete seinen Gegenüber eindringlicher. „Zunächst würde ich vorschlagen, dass wir nach und nach kleine Schritte gehen. Es wird nichts bringen, bereits hier einen umfangreichen Plan festzulegen, da sich wahrscheinlich ohnehin die eine oder andere Situation ergeben wird, welche deinen Plan zunichte macht. Zugegeben, ich zerbreche mir ebenfalls jetzt schon den Kopf über die Ausführung des Attentates selbst und dabei sind wir noch nicht mal unbeschadet in Totenstadt angekommen. Zunächst besorgen wir mir passende Kleidung, welche auch einen Bediensteten würdig sind und wir brauchen eine Geschichte. Totenstadt ist nicht um die Ecke und wir werden gewiss auf Reisende, wenn nicht gar auf Menschen deines Standes treffen und demnach natürlich auch ihren Bediensteten. Ich werde wahrscheinlich nicht dazu kommen mit ihnen zu sprechen, aber dennoch möchte ich vorbereitet sein, wenn man mich fragt wie lange ich in deinen Diensten bin und ähnliches. Unsere Erzählungen sollten sich nicht voneinander unterscheiden sonst schöpft jemand Verdacht. Außerdem musst du mir einige grundlegende Dinge erklären. Ich bin nicht darin unterrichtet jemanden….zu dienen.“ Das Wort kam ihn etwas schwer über die Lippen und irgendwie fühlte er sich in seinen eigenen Stolz verletzt. „Sofern wir Totenstadt erreichen, nehmen wir uns je nach Plan, den du nachgehen willst ein Zimmer in einem Gasthaus und da werden wir alles weitere planen. Es wird sicherlich einfacher sein, wenn du mich in den Palast begleitest und wir da ganz in Ruhe auf eine passende Gelegenheit warten. Außerdem ist es förderlich wenn ich alle Ecken, Winkel und Gänge des Palastes kennenlerne. Nichts ist gefährdender für diesen Auftrag als fehlende Orientierung. Aber wie bereits gesagt, bin ich der Überzeugung, dass wir diese Überlegungen Vorort nachgehen sollten, oder was meint Ihr?“ Ihm war bewusst, dass diese Frage durchaus von Bedeutung war. Sal'jil sollte nicht das Gefühl bekommen, er würde diese Vorgehensweise vorraussetzen, denn Namik schätzte ihn eitel genug ein schon allein aufgrund dieser Tatsache sich nicht darauf einzulassen und schlimmsten Falls trotzig sein Ding durchzuziehen.

    Es verärgerte Namik, dass Sal'jil seine Anmerkung nicht beachtete. Die Gedanken innerer Ratlosigkeit wie er selbst den Mann bedenklichen Alters unterstützen konnte wurden dennoch beiseite geschoben. Die Nachricht, dass Sultan Bayezid II. aus dem Leben geschieden war, hatte ihn bisher nicht erreicht. Namik dachte sich bereits, dass aller Voraussicht nach das gemeine Volk seines Landes es auch nicht erfahren würden bis dessen Nachfolger die Herrschaft übernommen hatte. Er runzelte die Stirn als Sal'jil von Bedrohung sprach. Er ahnte nicht - nein, seine Vorstellungskraft reichte nicht aus - um zu ahnen, worauf sein Gegenüber hinaus wollte. Nicht eher als Sal'jil aussprach, dass der Sohn des Sultan Bayezid II. sterben müsste, realisierte Namik das Offensichtliche. Er musste schwer schlucken, da seine Kehle trocken wurde. Seine Gedanken rasten um diese eine, hingegen alles meinende Aussage. Der Mord eines Mitgliedes der Sultansfamilie und zeitgleich an die höchste, staatliche Autorität vermochte ihm zunächst unmöglich. Seine blau-grünfarbenen Augen strahlten plötzlich eine Unsicherheit aus. „Das ist…..Hochverrat…“ , meinte er kaum hörbar in der Befürchtung einer der Bediensteten könnte sie hören. „Wenn das auf irgendeinen Grund - weiß Kargon welcher - schiefgeht wird nicht nur mein Kopf rollen.“ Im nächsten Moment fragte er sich ob sein Meister von diesen Auftrag wusste, musste allerdings folglich feststellen, dass dieser definitiv nicht Mitwisser dieser politisch schwerwiegenden Entscheidung war. Namik konnte nicht einschätzen, ob die „Blüte des Nachtschattens“ sich auf einen solchen Auftrag - einen bedeutenden Mord, den es in der weitreichende Geschichte seiner Gilde bisher noch nicht gegebenen hatte - eingelassen hätte. Seine Gedanken wurden unterbrochen von der faszinierenden, beschworene Erscheinung des gesamten Wohn- und Repräsentationsbau des Sultans. Diese unglaubliche Originalität, diese Lebendigkeit, welcher in der Illusion zu erkennen war, verschlug Namik letztendlich doch die Sprache. In seinen vorher unsicheren Blick, lagen augenblicklich Erstaunen, Faszination und Bewunderung. Insgeheim bewunderte er mittlerweile den Magier und seine außerordentliche Fähigkeiten, welche er heute morgen noch verächtlich „kleine Kunststückchen“
    nannte. Nachdem Namik aufmerksam dessen Vorhaben lauschte, stieß er missmutig den Atem aus. „Na, der Plan ist sicherlich ganz nach Eurem Geschmack, nicht wahr?“ Namik konnte sich bereits vorstellen, dass Sal'jil dieses kleine Rollenspiel durchaus zunutze machen würde, um ihn zu erniedrigen und dies wäre noch nicht mal seitens seines vorübergehenden Meisters unprofessionell - im Gegenteil - es wäre einfach der erbarmungslosen Realität entsprechend. Außerdem wäre es sicherlich die Antwort auf seine Unverschämtheiten, welche er bereits dem jungen Magier entgegen gebracht hatte, aber auch dies - seines Erachtens - zu Recht.„Allerdings wäre es nicht gerade vorteilhaft für Euch und Eure Gesundheit, wenn das Attentat misslingt. Obgleich Azur Ftaihif im Glauben sei, dass meine Person diesen Anschlag allein geplant hat und ausschließlich auch aus diesem Grund in Eure Dienste eingetreten ist, wird er zornig genug sein, Euch ebenfalls für euren sogenannten Dienster zu bestrafen. Die Frage ist, ob Ihr bereit dafür seid, für einen Plan, welcher der Herr Kalif hier sich dermaßen viel Mühe gegeben hat - geht ja auch im Zweifelsfall nicht um sein erbärmliches Leben - zu sterben?“ Er wusste nicht warum er Sal'jil diese Frage stellte. Dessen Erläuterung zur derzeitigen Lage seines Landes hätte eigentlich ausreichen müssen, um zu verdeutlichen, dass dieser Schritt mehr als notwendig war. Die Tatsache hingegen, dass der Kalif in seiner eigensüchtigen Art diesen jungen Mann eventuell in den Tod oder schlimmer in die Folterkammer des Palastes trieb, erzürnte ihn etwas und dabei fragte er sich ernsthaft und stillen Wortes ob der verzogene Sohn eines berühmten Magiers tatsächlich dermaßen naiv war, dass er dieses Risiko schlichtweg übersah oder ob seine Hingabe zu seinem Heimatland dermaßen weitreichend war, dass er dieses Opfer bereit war zu geben. „Wer weiß noch von dem Plan?“

    Namik bemerkte, dass Sal'jil zunächst den Bediensteten nicht beachtete und wechselte den Blick zwischen den beiden Personen hin- und her. Er meinte bereits, seinen Gegenüber eventuell darauf hinweisen zu müssen, dass der Befehlsempfänger ihn angesprochen hatte, als der überhebliche Magier sich schließlich gnädig erwies und auf diesen einging. Innerlich schüttelte Namik über dieses unglaubliche Verhalten den Kopf - wie so oft in den letzten Stunden. Die Anweisungen Sal'jil´s verwunderte ihn etwas, da er annahm, dass man ihm direkt zum Kalifen führen würde. Das bedrückende Gefühl, welches ihn bereits seit Stunden plagte, wich einer wohltuenden Erleichterung. Dem Kalifen gegenüberzutreten war eine Sache für sich. Ihm wäre sicherlich ein Fehler im Umgang mit dem jeweiligen Machthaber unterlaufen und wenn man den Erzählungen anderer Bewohner von Danos glauben schenken konnte, war der Kalif äußerst einfallsreich wenn es darum ging seine Untertanen zu züchtigen bis diese uneingeschränkte Unterwürfigkeit bewiesen. Das wollte Namik unter keinen Umständen herausfordern. Die Tatsache, dass man ihm einen Raum im untersten Stockwerk zuwies, verwunderte Namik keineswegs. Erneut wollte wohl Sal'jil seinen Gegenüber aufzeigen, dass er nichts von ihm hielt. Auf Sal'jil´s Anmerkung nickte Namik lediglich und versuchte nicht auf das etwas abfällig wirkende Lachen einzugehen. Natürlich gehorchte der Bedienstete auf jedes Wort - aber dieses Tatsache war angesichts dessen, dass man ihm bei Verweigerung eines Befehls wahrscheinlich disziplinieren würde, weder amüsant noch unterhaltsam und er bedachte diesen kurzweilig mit einem mitleidvollen Blick. Nachdem Sal'jil sich von den beiden Männern entfernt hatte, sorgte Tulef mit schlichten Anweisungen dafür, dass Ansari durch einen anderen Knecht in einer der großzügig angelegten Ställe untergebracht wurde und führte anschließend Namik in den besagten Aufenthaltsraum im unterirdischen Stockwerk des Palastes. Eigentlich hatte Namik erwartet, dass sie um dieses zu erreichen wenigstens die prachtvolle Eingangshalle des Palastes durchqueren müssten, aber selbst das blieb ihm verwehrt und sie nutzten einen schäbigen, dennoch reichlich bewachten Seiteneingang nahe der Ställe, welche augenscheinlich von Bediensteten genutzt wurde. Zunächst schwiegen beide Männer. Namik, weil er das Gefühl hatte, man führte ihn geradewegs zu einer Kerkerzelle und Tulef vermutlich, weil er ohnehin nicht viel sprach. Sie erreichten die Kammer. Die Einrichtung war noch schäbiger als erwartet und erinnerte an die Schlafkammer - wenn man diese so nennen wollte - innerhalb der Kanalisation in Danos. Sal'jil wollte sich wohl auf seine Art und Weise bedanken, dass man ihm in eine dermaßen schäbige Umgebung empfangen hatte. Er musste verächtlich schnauben als er sich umblickte. „Na, da gibt sich aber jemand sehr viel Mühe seinen Unmut zu zeigen.“ Tulef bedachte ihn für einen Moment mit einem erstaunten Blick, räusperte sich dann nur verlegen und verließ eilig den Raum. Namik machte es sich seufzend auf einen der zerbrechlich wirkenden Stühle bequem und ließ - angetrieben aus purer Langeweile - die Klinge seines Dolches ständig auf der Oberfläche des Tisches um seine eigene Achse kreisen und dachte dabei über die derzeitigen Geschehnisse nach. Es dauerte nur einige Minuten bis Tulef erneut den Raum betrat, diesmal ein reich gedecktes Silbertablett in den leicht zittrigen Händen. Dieses stellte er behutsam vor Namik auf den Tisch und der Geruch von köstlicher Hühnersuppe stieg Namik in die Nase und brachte seinen Magen zum Knurren. Tulef entfernte sich wieder vom Tisch. „Kann ich noch etwas für Euch tun?“ Namik, welcher schon die würzige Brühe mit dem knusprigen Brot zu sich nahm, schaute zu ihm auf. „Ja, leistet mir bitte Gesellschaft.“ Er deutete auf den Stuhl neben sich. Er wollte nicht alleine speisen, denn dies würde seine innere Unruhe nur verstärken. Tulef wollte zunächst widersprechen, fügte sich allerdings dem Wunsch des Mannes im Wissen es handelte sich schließlich um ein Gast seines Meisters und nahm vorsichtig Platz. Namik bedachte den Untergebenen mit einem prüfenden Blick. Der Mann schien seinen Blick von seiner Mahlzeit nicht lösen zu können. „Habt ihr heute schon etwas gegessen?“ Tulef runzelte die Stirn und räusperte sich. „Ich….nun….wisst Ihr…heute ist viel zu tun. Die Bediensteten speisen aber in einer Stunde.“ , gab dieser unsicher zurück und Namik vermutete schon, dass er vor heute Abend sicherlich keine Mahlzeit zu sich nehmen würde. Es war grausam wie man teilweise hier mit den Bediensteten umging. Namik brach sein Brot und reichte es ihm. „Hier…“ Völlig überfordert schüttelte Tulef zunächst den Kopf, gab aber schließlich nach nachdem Namik es ihm beinahe in die Hand drückte. Die Schüssel mit der Suppe schob er in die Mitte. „Sonst schmeckt es nicht.“ meinte Namik mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.


    * * * * *
    Das Eis war gebrochen und sie sprachen bei der gemeinsamen Mahlzeit miteinander. Namik erfuhr nicht nur, dass Sal'jil ein solches Verhalten nicht dulde würde, sondern auch, dass der Mann vor Jahren seine Frau verloren hatte. Sein einziger Sohn lebte in Totenstadt und kümmerten sich nicht um dessen Wohlbefinden, während seine jüngste Tochter am Fieber starb. Im Grunde genommen hatte dieser Mann niemanden der sich um ihm kümmerte. Obwohl Tulef erzählte und auch seine Dienste hier auf gewisse Art und Weise als erniedrigend befand, wenn nicht sogar sein derzeitiges Dasein beklagte, wagte er es nicht einmal annähernd über Sal'jil oder gar dem Kalifen ein schlechtes Wort zu verlieren. Die Unterhaltung war dermaßen intensiv, dass weder Namik noch Tulef das Klopfen an der Tür vernahmen. Erst nachdem Sal'jil den Raum betrat schaute Namik zu diesem überrascht auf, während der ältere Mann hastig aufsprang, das gebrauchte Geschirr beinahe panisch zusammenräumte und mit einem leisen „Verzeiht, mein Herr.“ auf dem dem schnellsten Wege den Raum verließ. Namik hatte noch nicht einmal die Gelegenheit ergreifen können, ihm noch einige, aufmunternde Worte mitzugeben oder sich wenigstens zu verabschieden. Sein Blick verweilte noch einen Moment auf die Tür, welche der Diener leise hinter sich schloss. Anschließend betrachtete er Sal'jil. „Danke, die Mahlzeit war recht angenehm.“ beantwortete er Sal'jil´s Frage und ergriff zugleich die Möglichkeit dafür zu sorgen, dass dieser seinen Bediensteten in Zukunft mehr wert schätzte. „Tulef war ausgesprochen hilfreich, danke der Nachfrage. Er ist ein tüchtiger Mann, Sal'jil. Ihr solltet ihn nicht schlecht behandeln.“ ,bat er unbewusst mehr als das er verlangte. Obgleich Namik Wein nicht sonderlich mochte, nahm er den herbeibeschworenen Becher gefüllt mit süßlicher Flüssigkeit entgegen, stellte diesen aber entschieden beiseite. „Danke.“ Seine Aufmerksamkeit gehörte nun vollends dem Magier. Schließlich würde Namik endlich die Umstände und das Ziel seines Auftrages erfahren.

    Die offenbar mit Bedacht gewählten Worte des Mannes beruhigten ihn keineswegs und er fühlte wie seine Bedenken zunahmen. Sal'jil versicherte, dass dessen Taten dem Reich zu Gute kommen würde und Namik stellte sich die Frage, wen er mit dem „Reich“ meinte. Den Kalifen oder tatsächlich die Bevölkerung des Reiches? Auch wenn ihn diese Frage ernsthaft beschäftigte und auf der Zunge lag, behielt er diese für sich. Er wollte nicht sonderlich moralisch wirken - vielleicht, weil er mit einer solchen Einstellung in seiner Position lächerlich wirkte. "Oder traust du etwa einem Edelmann nicht, Namik al-Nadeem?“ Im Prinzip war es völlig gleich ob er ein Edelmann oder ein einfacher Bauer gewesen wäre. Das Resultat wäre höchstwahrscheinlich das selbe gewesen: Traue niemals jemanden, weder deiner Familie noch irgendwelche anderen Menschen, nur der Gilde. Eine einfache und doch äußerst bedeutsame Regel und doch hatte er keine andere Wahl als Sal'jil zumindest scheinbar zu glauben. Es war gefährlicher sich den inzwischen angenommenen und reichlich bezahlten Auftrag zu verweigern als einfach dieses Risiko einzugehen. Er war mittendrin und konnte nicht einfach der Sache de Rücken zu kehren. „Nun, ganz davon abgesehen, dass ich Euch nicht wirklich kenne, werde ich euch wohl glauben müssen.“ murmelte er vor sich eingestehend hin. Sal'jil beklagte sich plötzlich - nachdem er sich anmutig wie nur möglich sein Turban gerichtet hatte - über die angeblich mühsame Reise, welche er hinter sich hatte. Natürlich musste auch in dieser scheinbar endlos gesprochenen Aussage eine offensichtliche Beleidigung seinesgleichen her. Er wollte antworten, doch bevor im klar wurde, was er entgegnen wollte, kehrte der Gelehrte ihm den Rücken zu und marschierte mit voller Anmut auf das Tor zu, verschwand für einen Moment hinter der Fassade. Namik nutzte nochmals den Augenblick um sich umzusehen. Sein von der unbarmherzigen Sonne beeinträchtigter Blick wanderte über die reichlich bewachte Mauern des eindrucksvollen Bauwerkes und innerlich wurde ihn bewusst, dass kaum ein Mensch, welcher nicht zum direkten Gefolge des Kalifen gehörte, soviel Einblick genießen durfte wie er selbst. Sein Blick wanderte wieder zu Sal’jil, der sich zeigte und Namik bedeutete ihn zu folgen. Er überwand die kaum bemerkenswerte Entfernung zwischen ihnen mit nur einige Schritten. „Dann führe mich bitte zu den Kalifen.“ Namik bemerkte wie durch den Eingang des Palastes mit recht hastigen Schritten sich ein Mann näherte. Der Mann schien körperlich gepflegt und auch die Kleidung, auch wenn diese ihn als offensichtliche Dienerschaft des Palastes auswies, wirkte nicht unbedingt heruntergekommen, sondern sauber. Der Diener verbeugte sich unterwürfig vor Sal'jil, beachtete Namik nicht wirklich. "Mein Herr, ihr seid bereits zurück. Ich hoffe, Eure Reise verlief angenehm? Kann ich etwas zu Euren Wohlbefinden tun?" Namik betrachtete die Unterwürfigkeit des Dieners mit hochgezogener Braue und fragte sich, ob dieser sich nicht innerlich verzerrte während er Sal'jil beinahe den Staub der Wüste von den Stiefel leckte. Sal'jil hatte wohl nicht übertrieben, was seinen Stand und Ansehen hier im Palast betraf.

    Namik bemerkte die Verwunderung seitens Sal’jil und zuckte mit seinen Achseln. „Ich bin ehrlich gesagt, nicht dazu gekommen, mein Gepäck auszupacken.“ , gestand er. Daraufhin wurden beide durch die unterirdischen Gänge der Kanalisation geführt. Obwohl hier - ausgenommen der Empfangsraum, welchen sie gerade verließen - die Durchgänge sich beinahe ausnahmslos glichen, konnte Esadh sie problemlos hinausführen. Das fand Namik bemerkenswert, andererseits war er froh darüber, dass er an diesen übel riechenden Ort nicht länger bleiben musste als notwendig oder gar solange wie sein Bruder hier, der jede Ecke und Winkel offenbar kannte. Angekommen am Ausgang beobachtete Namik wie Sal’jil seinen Bruder recht großzügig bezahlte. Eine Silbermünze als Bezahlung empfand Namik als ungerechtfertigt und überzogen, da letztlich Esadh nichts weiter getan hatte, als zu vermitteln und im Dreck zu kriechen um etwas mehr Zuzahlung herauszuschlagen - fehlte letztlich nur noch das Esadh die Stiefel des sogenannten Magiers leckte. Doch diese Art von Unterhaltung verwehrte sein Bruder ihm dann schließlich doch. Namik verabschiedete sich nur mit einem wortlosen Nicken. Er vermochte passende Worte nicht finden, da er Esadh nicht sonderlich leiden konnte. Die Kanalisation schlussendlich verlassen erfreute sich Namik stillschweigend an der der frischen und salzigen Seeluft, atmete einmal ganz tief durch um seine Lunge mit sauberer Luft zu füllen. Die wohltuende Wärme der am wolkenlosen Himmel stehenden Sonne durchströmte seinen Körper während eine laue Brise recht angenehm erschien. Von der Seite trat er ein anderer Mann hinzu, welcher Namik unter den Namen „die Zunge“ bekannt war und auch dementsprechend von anderen genannt wurde und hielt Namik die Zügel seines Hengstes entgegen. Esadh hatte nach Namiks Ankunft in Danos diesen aufgetragen sich um die Versorgung des Pferdes zu kümmern, solange Namik mit anderen Dingen beschäftigt sei. Namik selbst hatte bisher nicht die Gelegenheit gehabt diesen Mann etwas näher kennenzulernen, dennoch verspürte er etwas Mitleid mit diesem. Es musste schrecklich sein, nicht sprechen zu können. Prüfend betrachtete Namik den kräftig gebauten Hengst, welcher bereits gesattelt war, streichelte liebevoll über dessen Nüstern und nahm die Zügel entgegen, befestigte daraufhin sein Gepäck an diesen. „Danke….“ Eine Antwort bekam er wie erwartet nicht, nur ein Nicken. Entschlossen auf dem schnellsten Wege die Stadt zu verlassen wollte Namik sich gerade umdrehen und in Richtung des Marktplatzes laufen um dann direkt die Stadttore zu erreichen, doch bemerkte er wie Sal’jil einen anderen Weg einschlug. Etwas verwirrt runzelte er die Stirn, verzichtete allerdings darauf darüber zu diskutieren, da es nur wieder Ärger und irgendwelche Beleidigungen seinerseits nach sich ziehen würde. Seinen Gaul Ansari weiterhin an den Zügel führend folgte Namik seinen Begleiter stumm und hoffte, dass dieser sich dann irgendwann mal bequemen würde ihm die alles entscheidende Frage zu stellen. Aber darauf wartete Namik letztlich vergebens und sie erreichten nach einer unglaublichen, halben Stunde das Stadttor, welches bestenfalls fünfzehn Minuten von deren Ausgangspunkt entfernt war. Es dauerte weitere von unterbrochenen Schweigen erfüllte Stunden bis sie zu guter Letzt den Palast des Kalifen erreichten. Irgendwie missfiel ihm das Schweigen seines Begleiters, da dieser damit wieder einmal deutlich machte, dass Namik gar nicht würdig war sich mit ihm zu unterhalten, wohingegen die Ruhe ihm die Möglichkeit gab, über die Angelegenheit und seinen zukünftigen Auftrag Gedanken zu machen. Innerlich und vor allem nichts ahnend ging er bereits alle möglichen Auftragsziele durch. Sicher war, dass es sich um ein politisches Ziel handelte. Aber welches? Ein weiterer Kalif eventuell? Seine Überlegungen wurden allerdings beim atemberaubenden Anblick des Palastes bereits aus weiter Entfernung beiseite geschoben. Zu keiner Zeit seines Lebens hatte der Meuchelmörder ein schöneres und prunkvolleres Gebäude zu Gesicht bekommen als dieses. Die Massen an gut positionierten Wachmänner waren ebenso beeindruckend wie der Umfang und die Schönheit dieser Anlage. Beinahe automatisiert folgte Namik Sal’jil, achtete längst nicht mehr auf den Pfad, welchen er folgte, während er den Anblick des wirklich gelungenen Bauwerkes bestaunte. Dementsprechend überrascht wirkte er als Sal’jil plötzlich stehen blieb und es tat es ihm nach. Sal’jil berichtete ihm, dass man seine Waffen in Gewahrsam nehmen würde. Dies gefiel Namik nicht wirklich. Entwaffnet fühlte er sich schutzlos und schwach. Allerdings konnte er diese Vorgehensweise auch verstehen. Kein Kalif, welcher nur ansatzweise bei Verstand war, würde bewaffnete, völlig fremde Menschen in seinen Palast rumspazieren lassen. Nichtsdestotrotz begegnete Namik Sal’jils Anweisungen mit stillen Unverständnis. Wie ein treuer Hund sollte er Sal’jil folgen und sprechen durfte er dann auch nur mit Genehmigung. Obendrein wusste Namik noch nicht einmal was das Wort „impertinent“ bedeutete. Namik musste bei der letzten Aussage seines Begleiters verächtlich schnauben. Er wollte bereits auf diese Drohung eingehen, ihm in aller Deutlichkeit klar machen, dass auch ein Kalif seiner Gesundheit wegen davon absehen sollte, solche Vorhaben wahrzumachen, doch dann bemerkte er, dass es Sal’jil ohne jegliche Provokation, Schadensfreude oder Ähnliches wiedergab. Namik erkannte, dass es tatsächlich ein gut gemeinter Rat war. Auf die Frage ob er bereit sei, zögerte Namik. Im Grunde genommen war er nicht bereit dazu einen dermaßen mächtigen Mann gegenüber zu treten. Er war ein Mann, welcher Gesetze gebrochen hatte und nun sollte er seine Anonymität aufgeben und einen Palast voller Wachmänner betreten. Man könnte ihn einfach festnehmen und hinrichten lassen wie einst seinen Vater. Einfach so und er könnte nichts, aber wirklich gar nichts dagegen tun. Sicherlich war es unwahrscheinlich. Dennoch war es ein beunruhigendes Gefühl. „Nein.“, antwortete er knapp. „Wer garantiert mir eigentlich, dass ich nach Ausführen meines Auftrages nicht hingerichtet werde? Wer auch immer das Ziel meines Auftrages sein wird, er wird sicherlich von politischer Bedeutung sein. Ihr braucht nachher gewiss einen Sündenbock.“ Er bedachte Sal’jil mit einem prüfenden, eingehenden Blick. Es war einer außerordentlich schwachsinnige Frage, wie er feststellte, nachdem er sie gestellt hatte. In seinen Gedanken wirkte sie berechtigt und ausgesprochen war sie letztlich nur Zeugnis seiner Unsicherheit. Er bereute es diese Frage gestellt zu haben, bemühte sich dennoch dies zu verbergen.

    In der Tat überlegte Sal’jil einige Zeit darüber nach, nach einem anderen Mann zu verlangen, denn dieser schien mit seinen Emotionen nicht umgehen zu können. Und ein Attentäter, der seine Emotionen nicht im Zaum halten konnte, war nicht sonderlich vielversprechend. Doch irgendwie gefiel ihm dieser Mann auch. Denn kaum ein Mann des niederen Volkes wagte es normalerweise Sal’jil mit Worten entgegenzutreten. Trotz offensichtlicher Unterlegenheit, wie Sal’jil empfand, war dieser Mann dennoch mutig und wortgewandt für seine Verhältnisse. Der Hofmagier beschloss abzuwarten und ihm noch eine Chance zu geben. Sal’jils nächste Aussage beinhaltete sogar ein Kompliment, was sehr untypisch für Sal’jil war, da er für gewöhnlich nur gleichrangigen Menschen Komplimente machte. Doch Sal’jil hatte das Gefühl, dass dieser Mann für seine Verhältnisse tatsächlich recht schlau war. Jenes Kompliment war aber direkt mit einer erneuten Erniedrigung gekoppelt.


    „Du besitzt Schneid, doch dein Verhalten ist zutiefst unehrenhaft und schändlich! Hat man dir nicht Gehorsam und Unterwürfigkeit gegenüber deinem Schirmherren beigebracht?“
    Sal’jil beschloss ihm eine Lektion in Manieren zu verpassen: „Man spricht einen höher gestellte Person wie mich stets mit „mein Herr“ an. Am Hofe des Kalifen müsstest du für diese Respektlosigkeit zahlen.
    Ich bin ein Gutmensch“
    , behauptete Sal’jil, was entschieden nicht der Wahrheit entsprach, aber nach Meinung Sal’jils zutraf. „Deswegen gewähre ich dir deine Fehler. Gleichwohl entsinne dich deiner gesellschaftlichen Stellung und verhalte dich von nun an angemessen. Nächstes Mal werde ich nicht mehr gnädig sein.“


    Als Namik weiter im darauffolgenden Satz behauptete, Sal’jil würde ihm Informationen vorenthalten wollen, schaute Sal’jil ihn vorwurfsvoll an und schüttelte den Kopf. Was erlaubt er sich? Gereizt schwärzte ihn Sal’jil an: „Warum sollte ich dir Informationen vorenthalten?! Es wäre nicht sonderlich gewinnbringend dir nur die halbe Wahrheit zu sagen.“
    Der Tajik blickte sich kurz um und sagte: „Ich weiß nicht, wie sicher dieser Ort ist, deswegen würde ich dieses Gespräch an einem späteren Zeitpunkt fortführen. Doch was ich verraten kann ist, dass wir zur Totenstadt reisen und wir dort einen langen Aufenthalt planen.“


    „Jetzt pack deine Sachen! Wir brechen gleich auf! Wir sollen bei Sonnenuntergang beim Kalifen sein. Im Morgengrauen geht’s dann weiter.“ Nach einer kurzen Pause meinte Sal’jil noch: „Ich stelle Proviant und Verpflegung.“
    Darauf suchte sich Sal’jil die beste Sitzgelegenheit, die der Raum zu bieten hatte. Es handelte sich um den gepolsterten Lehnsessel des Gildenmeisters, wo sich sonst kein Anderer hinsetzen durfte bis auf den Meister selbst. Esadh schüttelte heimlich den Kopf und murmelte, dass es eine „ungeheure Anmaßung“ wäre. Er erduldete diese Aktion Sal’jils aber, da er keinen weiteren Streit mehr riskieren konnte. Dort wartete Sal’jil geduldig auf Namik, während er an seinem Wein nippte und dabei eine Melodie aus einem Kinderlied summte.

    Wie bereits erwartet wurde sein schwachsinniger Versuch seinen Gegenüber zu verunsichern, ihn zumindest ansatzweise aus den Konzept zu bringen, belächelt. Namik musste sich eingestehen, dass es zwecklos war, sich mit einem Menschen zu messen, dessen Bildung offensichtlich die seine bei weitem überstieg. Er bereute seine reichlich unfreundliche Anmerkung mit jeder Sekunde, die weiterhin verging. Die darauffolgende Antwort ließ Namik dann stillschweigend über sich ergehen - auch wenn diese zweifelsohne saß. Abgesehen davon, dass Namik sich wahrscheinlich weiterhin lächerlich machen würde, sofern er sich weiterhin auf eine Diskussion einließ, spürte er den vorwarnenden Blick seines Bruders fortwährend. Wenn er es jetzt übertreiben würde, müsste er mit Konsequenzen rechnen und dies wollte er möglichst umgehen. Namik rührte sich nicht, ließ ihn gewähren, selbst als der Magier ihn gemächlichen Schrittes umkreiste, als suchte er eine Schwachstelle seiner Persönlichkeit, auf welche er sich schließlich stürzen und diese dann auseinanderreißen könnte. Hätte er versucht seinen Gegenüber im Auge zu behalten hätte es ihn wahrscheinlich nur noch mehr amüsiert. Stillschweigend nahm sich der Meuchelmörder vor ihn diese Möglichkeiten nicht weiterhin zu bieten und trotzdem spürte Namik wie ein kalter Schauer über seinen Rücken lief, er zeitgleich schwitzte als Sal’jil sich hinter ihm befand - es war wie vollkommen ausgeliefert zu sein und einen Moment lang gestand sich Namik ein, dass er sich wünschte einer seiner Brüder hätte diesen Auftrag angenommen. Gewiss verspürte er keine Angst, aber ein anderes unangenehmes Gefühl, welches ihn beinahe erdrückte. Namik konnte diese Empfindung beim besten Willen nicht einordnen und dies beunruhigte ihn wiederum. Hatte seine plötzliche Unsicherheit mit seinem letzten, misslungenen Attentat und seiner darauffolgenden Verwundung zu tun gehabt? Das konnte doch nicht derartige Auswirkungen auf sein Gemüt haben und eine solche Unsicherheit bewirken. Diese Gedanken des Selbstzweifels beiseite schiebend, versuchte Namik sich gelassen zu geben, auch wenn seine Körperhaltung etwas anderes verriet. Erst nachdem Sal’jil sich wieder vor ihm befand, stieß Namik seinen angehaltenen Atem aus, von dem er gar nicht erst bemerkt hatte, dass er ihn angehalten hatte. Es verwunderte Namik etwas, dass Sal’jil sich vielmehr der Anmaßung seinerseits gegenüber des Kalifen annahm, als den Beleidigungen seiner Person. Sal’jil sprach davon, dass es ihm eine Ehre sein könnte, dem Kalifen zu dienen und Namik musste sich beinahe auf die Zunge beißen um nicht zu verkünden, dass er nichts von diesem Bastard hielt. Kalif Jikhbar von Danos war seines Erachtens ein unfähiger und vor allem selbstsüchtiger Mann, welcher eine verschwenderische Lebensweise führte, während armselige Kinder an der nächsten Straßenecke verreckten und Frauen aus Hungersnot ihre Körper an den nächstbesten Mann verkaufen mussten. Er konnte sich nicht vorstellen, dass die ärmlichen Umstände dieser Stadt das Anwesen seines Kalifen nicht erreichten und alleine die Tatsache, dass Jikhbar dies hinnahm und weiterhin sein ach so schönes Leben genoss, veranlasste Namik nicht unbedingt dazu dies als Ehre zu empfinden. Die Botschaft, welche Sal’jil so malerisch übermittelte, war dennoch angekommen und er würde sich auch an diese halten - denn seinen Kopf verlieren aufgrund so eines Unsinns stand eigentlich nicht zur Debatte. Er schnaubte verächtlich als der Magier ihm anschließend den Mund verbot und offensichtlich war dies zuviel des Guten, denn daraufhin meinte Sal’jil, dass er nicht über die nötige Professionalität verfügte. Hilfesuchend blickte Namik zu seinen Bruder, der sichtlich unerfreut über den Verlauf dieses Gespräches war. Ihm wurde plötzlich klar, dass dieser Auftrag eine Möglichkeit sein könnte, seinen Meister nochmals von sich zu überzeugen. Nachdem er damals versagte, hatte man ihn stets mit belanglosen Botengängen beauftragt und nun konnte er endlich sich wieder beweisen. Sofern sich Sal’jil dennoch für einen anderen Meuchelmörder der Gilde entscheiden sollte, würde Esadh sicherlich seinen Meister von dieser Situation hier berichten und dies würde diesmal nicht einfach wieder im Sande verlaufen. Er räusperte sich um auf sich aufmerksam zu machen. „Lasst uns diese Unannehmlichkeiten vergessen.“ Es klang unbeabsichtigt mehr nach einer Bitte als eine Aufforderung. „Ich schätze mal, dass Ihr mir weitere Informationen zunächst vorenthalten und mich noch nicht über das genaue Auftragsziel in Kenntnis setzen werdet, doch wäre es zunächst schon nutzbringend zu wissen, wohin uns unsere Reise führen wird, da auch ich mich darauf vorbereiten muss.“ Namik erhoffte sich, dass Sal’jil darauf eingehen würde, denn dann stünde außer Frage, dass er diesen Auftrag ausführen durfte. Andererseits war für Namik bereits der Gedanke, mit diesem unglaublich unangenehmen Zeitgenossen zu reisen durchaus erschreckend. Aber dies musste er letztlich akzeptieren, seine eigene Belange in den Hintergrund stellen und professionell seine Arbeit verrichten. Ein Bäcker ließ ja schließlich auch nicht das Brot absichtlich anbrennen nur weil ihm die Nase des Kunden nicht gefiel und so verhielt es sich auch mit seiner Tätigkeit.

    Vermutlich bereitete es dem Gesandten höchstes Vergnügen Menschen in spannende Erwartung zu versetzen, indem er ihnen eine entscheidende Information vorenthielt beziehungsweise die Antwort dementsprechend hinauszögerte. Ungeachtet dessen, dass dieser ihn eindringlich musterte, hielt Namik weiterhin Augenkontakt, blickte in für südländischer Herkunft charakteristische dunkelbraunfarbene Augen, die allerdings einen schöneren Farbnuance aufwiesen als die meisten, welche er bisher gesehen hatte. Das verächtliche Schnauben des Gesandten und die Missachtung zugleich, welche der eindringlichen Musterung folgte, entging Namik selbstverständlich nicht und verdeutlichte, dass dieser nichts von dem Meuchelmörder hielt. Innerlich stellte Namik sich die Frage, ob dieser von unbeschreiblicher Hochmut geprägte Mann diese Überheblichkeit nutzte um eine Distanz zwischen sich selbst und seinen Gegenüber zu schaffen - eine Art Selbstschutz. Sicherlich empfand dieser Mann ein intensives Gefühl der Unvollkommenheit, welche er offenbar erfolgreich vor den Menschen in seiner Umgebung verbarg. Bereits diese recht unwahrscheinliche Erkenntnis - ob diese zutreffend war sei dahingestellt - minderte seinen auf die Kränkung folgenden, aufkommenden Zorn. Doch um so länger Namik seinen Gegenüber beobachtete, um so intensiver zweifelte dieser an seine Theorie. Dieses Maß an Selbstsicherheit konnte man einfach nicht vortäuschen. Namik hob überrascht eine Augenbraue als der Mann, dessen Name letztlich Sal'jil lautete, verkündete, dass er der Sohn des berühmten und in Radschistan hochgeschätzten Magiers Al-Sahif sei. Die restliche Anreihung von irgendwelchen Beinamen und Titel nahm dieser dann anschließend gar nicht mehr wahr. Al-Sahif war nicht bloß aufgrund seiner bemerkenswerten magischen Begabung dermaßen bekannt, sondern auch seine Aufzeichnungen bezüglich der Erforschung der allgemeinen Magie waren beliebt und angesehen zugleich. Sofern Sal'jil nur annähernd über entsprechende magische Begabungen verfügte wie dessen Vater, so sollte man ihn fürchten beziehungsweise ihn eher einen Freund als einen Feind nennen. Nicht eher als sein Bruder ihm den Becher Wein reichte, wurde Namik aus seinen Gedanken gerissen, schaute etwas überrascht auf diesen und lehnte dann mit einer freundlichen Geste diesen stillschweigend ab. Der Genuss von Alkohol war in dieser Situation nicht unbedingt nutzbringend, zumal er sich in Beherrschung üben musste. Außerdem mochte Namik Weine nie sonderlich. Nachdem dieser Sal'jil anschließend auch noch meinte, den sicherlich kostenintensiven Wein zu bemängeln, nebenbei auch noch einen Vortrag über verschiedene Weine hielt stellte Namik fest, dass Esadh genauso wenig Ahnung von dem hatte, was dieser Mann da sprach, wie er selbst. Den überraschten Blick, den beiden untereinander wechselten als der Magier ihnen dann auch noch dieses kleine aber durchaus bewundernswerte Kunststück präsentierte war sicherlich unbeschreiblich. Würde Namik dies nicht mit eigenen Augen sehen, hätte er wahrscheinlich niemals geglaubt, dass es tatsächlich Menschen gab, welche Weine einfach wie in alten Märchen aus seiner Kindheit herbeizaubern konnten. Die darauffolgende Aussage des Magiers war wiederum so anmaßend, dass Namik alsbald seine stille Begeisterung verdrang und ihn mit einen drohenden Blick strafte. Dieser Mann wagte es tatsächlich ihn permanent verbal anzugreifen, zu provozieren und ungeachtet dessen, dass dieser Jemand das verzogene Balg eines Meistermagiers war, war Namik hin - und hergerissen diesen Mann in seine Schranken zu weisen. Diese unbeschreibliche Eingenommenheit von sich selbst und die von ihm viel schlimmer empfundene Feindseligkeit erinnerte ihn an seine eigene Familie oder vielmehr an die Familie seiner Mutter. Sie waren allesamt gleich in ihrer unglaublichen Selbstherrlichkeit und Namik wusste nun wiederholt warum er diese Menschen höherer Gesellschaft dermaßen verachtete. Namik wartete einen Moment, atmete einmal tief durch um nicht seine Haltung zu verlieren. „Noch nicht einmal so einer wie ich, ja? Möchtet Ihr mir etwas vermitteln? Wenn ja sprecht euch ruhig aus.“ Seine Stimme wirkte ruhig, allerdings konnte man in dieser unschwer seinen Zorn erkennen und er lächelte freudlos ein wenig dabei. Er war es mehr als leid sich weiterhin tatenlos beleidigen zu lassen. „Anstatt eure Defizite hinter eure erbärmlichen Versuche andere Menschen in irgendeiner Form zu beleidigen, zu verstecken, solltet ihr uns zunächst aufklären. Mit wem möchte der werte Kalif denn abrechnen oder bezahlt er Euch dafür, dass Ihr euch zu uns in eine Kanalisation stellt und mit Euren kleinen Kunststückchen unterhaltet?“ Namik erkannte recht zügig, dass diese Aussage mehr als anmaßend war und er spürte bereits den warnenden Blick seines Bruders. Sicherlich würde dies eine Konsequenz seitens der Gilde nach sich ziehen, aber dies war ihm momentan völlig gleich. Kein Mensch - weder Auftraggeber sonst irgendjemand hatte das Recht dazu, ihn so zu behandeln. Nichtsdestotrotz erhoffte sich Namik, dass dies gesessen hatte und dieser Sal’jil nicht gleich in einem Gelächter ausbrach, weil er erkannte, dass Namik nicht so recht überzeugt von seiner eigenen Aussage war. Defizite waren hier sicherlich nicht zu erkennen, höchstens vielleicht aufgrund seiner Reaktion in seiner eigenen Person und diese Tatsache war bereits blamabel genug.

    Die unterirdischen Gänge der Hafenstadt entpuppte sich wie bereits erwartet als ein düsteres, stinkendes Nest - kaum zu glauben, dass sich die Blüte des Nachtschattens in dieser Umgebung repräsentierte. Sicherlich - der eigentliche Hauptsitz der Gilde, welcher dieser Stadt weit entlegen und sich östlich der Wüste Raschidstans befand, wäre geeigneter gewesen den offensichtlichen Auftraggeber zu empfangen - zumindest war es in der Festung sauberer als dieses Loch, für welches man sich nur schämen konnte. Namik konnte sich erinnern, dass einer seiner Brüder ihm berichtete, dass zur Erhaltung der Anonymität der Gilde der tatsächliche Standort des Hauptsitzes ausschließlich den Gildenmitgliedern bekannt sein sollte und man daher auf solchen Alternativen zurückgriff. Es war inzwischen allgemein bekannt geworden, dass sich Meuchelmörder in Danos niedergelassen hatten und obwohl man alles seitens der Stadtwache dagegen setzte, konnten sich die Gesetzeslosen durchsetzen und hatten mittlerweile die gesamte Stadt mehr oder weniger in ihrer Kontrolle. Daher verwundert es nicht, dass hier auch überwiegend die Geschäfte abgewickelt wurden. Trotzdem konnte Namik kaum fassen, dass man tatsächlich einen Gesandten des Kalifen, welcher offensichtlich einen bedeutungsvollen Auftrag übermittelte, in einer Kanalisation empfangen wollte. Es war unpassend und zudem beleidigend zumal Namik sich hier unten selbst wie einer der Ratten fühlte, welche ständig an ihm vorbeihuschten. Esadh - ein Kamerad und zeitgleich trotz seines jungen Alters einer der führenden Mitglieder der Gilde - hatte Namik aufgesucht und begleitete ihn durch die schmalen Gänge der Kanalisation um ihn zum vermeintlichen Gesandten zu führen. Der junge Mann hatte den Gesandten zuerst gesprochen und ihn wie es üblich war vor wenigen Minuten erst mit verbundenen Augen durch die Kanalisation geführt. Offensichtlich etwas empört von der Art und Weise des Gesandten, versuchte Esadh die Begebenheiten eilig zu erklären. Namik musste amüsiert feststellen, dass Esadh sich zwar in Sachlichkeit seiner Aussagen bemühte, aber daran scheiterte, weil dessen Empörung nach wie vor einfach zu groß war. Die Informationen, welche sein Kamerad übermittelte, waren ebenso beunruhigend als die Tatsache in wenigen Sekunden einen übelgelaunten, arroganten Gesandten gegenüber zu treten, der nach Aussage seines Kameraden das bisher gekannte Maß an Dreistigkeit bei weitem überschritt.


    Mit einem leisen Seufzen betrachtete Namik die nur spärlich beleuchtete Umgebung während er den Raum betrat. Die recht großzügige aber niedrige Kammer, welche sich weit unterhalb der Keller dieser Stadt befand, unterschied sich zumindest etwas von den Gängen, welche zu ihr führten. Das Gemäuer, welche ihm umgaben waren von schmierigem Moos und dunklen Flecken überzogen während der Steinboden hier zumindest trocken und von schmutzigen Teppichen bedeckt war. Diese waren wohl noch nie besonders kostbar gewesen und nun waren sie zudem schadhaft und fleckig. Einige Truhen dessen Schlösser aufgebrochen waren, standen eng zusammengeschoben an der Wand. In der Mitte des Raumes stand ein leerer Tisch, umgeben von schlichten Stühlen. In der Ferne hörte man das dumpfe Rauschen der Kanalisation und ganz nebenbei stank es auch beinahe unerträglich. Irgendwo tropfte Wasser von der kahlen Decke des Raumes. Sein Blick wanderte zu dem augenscheinlich jungen Mann, welcher auf einen der schlecht verarbeitete Stühle saß und unwillkürlich musterte Namik diesen. Obwohl Stoff noch die Augen des Mannes bedeckten und er somit nur ein Teil des Gesichtes erkennen konnte, befand Namik ihn als recht gutaussehend. Selten hatte Namik bisher Männer erblickt, welche man wirklich nachsagen konnte, dass diese von Schönheit gesegnet waren und offensichtlich war der Gesandte einer dieser Männer. Kleidung aus den feinsten Stoffen, welche Namik sich wohl niemals in seinem Leben hätte leisten können und zahlreicher Schmuck aus purem Gold zierten den offenkundig gepflegten Körper. Nachdem Esadh die Augenbinde abgenommen hatte, konnte Namik auch dessen Augen erkennen, welche wie erwartet das Gesamtbild des Gesichtes perfektionierten. Ohne irgendwelche überflüssige Förmlichkeiten ließ sich Namik von Esadh dem Gesandten vorstellen, bemerkte wie dieser ihn oberflächlich musterte und dann nur mit einem "In Ordnung" zustimmte. Diese Art und Weise missfiel Namik. Er sollte für seine Dienstleistungen zahlen und ihn nicht anhand seines Erscheinungsbildes urteilen, ob dieser nun für seine Absichten geeignet war oder nicht. Anderseits war dies auch das gute Recht des Mannes und völlig gleich ob es Namik unangenehm war wie ein Vieh auf dem Markt begutachtet und anschließend als nützlich befunden zu werden, musste er es hinnehmen - immerhin zahlte dieser Mann eine beträchtliche Summe. Ein gut gefüllter Geldbeutel wechselte den Besitzer und Namik staunte nicht schlecht als der Mann, welcher es auch nicht wirklich für nötig befand sich einmal vorzustellen, den Handschlag seines Kameraden ignorierte. Die Verachtung, die sich in den Augen des Fremden widerspiegelte war unübersehbar. Schließlich wandte sich der Mann erneut Namik zu und der Befehlston der daraufhin folgte, gefiel Namik überhaupt nicht. Er schien ihn für einen Menschen niederer gesellschaftlicher Herkunft oder für einen Leibeigenen zu halten, aber er war weder das eine noch das andere. Sich in allen Maßen zusammenreißend obwohl es ihm brodelte erwiderte er dessen Augenkontakt, etwas herausfordernd. „Würdet Ihr denn so freundlich sein, euch einmal vorzustellen?“ Namik bemühte sich seine aufkommende Wut in Zaum zu halten und sich gelassen, wenn auch selbstsicher zu geben. Esadh wandte sich inzwischen vom Geschehen ab, lief zu einem schäbigen, beinahe in sich zusammenfallenden Schrank auf der linken Seite des Raumes und entnahm diesen einen Krug gefüllt mit einer rotfarbenen Flüssigkeit, welche einen angenehmen süßlichen Duft verströmte. Des weiteren nahm der Attentäter einen schmucklosen Becher aus Ton aus dem Schrank, befüllte diesen mit der Flüssigkeit und schlenderte dann langsam wieder zu dem Gesandten hinüber. „Ihr seid sicherlich durstig.“, brachte Esadh in seiner freundlichsten Stimmlage hervor und reichte ihm den Becher. „Befeuchtet eure Kehle doch etwas mit diesem köstlichen Wein.“ Der Wein roch intensiv nach einem Gemisch aus Kirsche, Blaubeere und südländischen Gewürzen. Namik entging nicht, dass Esadh sich bemühte die Stimmung etwas aufzulockern.