Es fiel Namik unglaublich schwer seine Augen zu öffnen. Die Nacht war aufgrund der Unbequemlichkeit des Lagers nicht unbedingt das was man unter erholsam verstehen würde. Sein Rücken schmerzte etwas und er fühlte, dass er trotz der Decke in der Nacht gefroren hatte. Erst beim zweiten, etwas ungeduldig wirkenden Klopfen und einer Stimme, welche er zunächst nicht wirklich zuordnen konnte, zwang er sich endgültig die Augen zu öffnen, ein oder zweimal zu blinzeln und dann seine Umgebung vollends wahrzunehmen. Die Stimme, welche um Einlass bat, war die von Tulef. “Komm doch einfach rein.”, forderte Namik Tulef verschlafen, wenn nicht vielleicht etwas genervt auf und setzte sich auf. Die Tür öffnete sich mit einem unangenehmen Knarren und der schwächlich wirkende Diener betrat die Kammer mit einem reichlich gedeckten Tablett. “Guten Morgen…”, meinte Tulef beinahe hektisch. “Mein Herr wünscht das Ihr speist und anschließend euch bereitmacht zur Abreise.” Namik hob eine Augenbraue. “Aha…da muss sich dein Herr wohl etwas gedulden. Ich möchte mich gleich in Ruhe waschen.” Tulef wusste wohl anfänglich nicht, was er auf diese Dreistigkeit - zumindest musste er diese Aussage laut seines Gesichtsausdruckes als solche werten - entgegnen sollte. Er fasste sich allerdings und schüttelte bemitleidend den Kopf. “Hütet euch davor, jemals dermaßen respektlos mit meinem Herrn zu sprechen. Er mag zunächst gütig sein. Doch bedenkt, dass seine Güte nicht ins Unermessliche reicht.”, mahnte Tulef mit einer beinahe väterlich wirkenden Sorge. Namik hingegen konnte ein belustigtes Grinsen nicht verbergen. “Ach was, Tulef.” Noch einmal schüttelte Tulef stumm den Kopf, stellte das Tablett auf den Tisch ab und ging schweigend aus der Kammer um nach wenigen Minuten eine Schüssel mit frischem Wasser und ein frisches Tuch zu bringen, welche er auf einen Stuhl abstellte. “Wenn Ihr noch etwas wünscht, ruft nach mir. Ich warte vor der Tür.” Namik beobachtete nichts darauf erwidernd wie dieser die Kammer verließ, erhob sich anschließend noch einmal ordentlich seine Glieder ausstreckend aus seinem Lager und wusch sich zunächst ausgiebig. Freilich nahm er etwas von dem Frühstück zu sich, doch der geringe Appetit machte es ihm unmöglich das vollständige Mahl zu verspeisen - auch wenn dies vielleicht unhöflich erscheinen mochte. Er hörte draußen Schritte und vernahm die Stimme eines anderen Mannes, welche zu Tulef knapp aber bestimmt sprach. Anschließend klopfte es erneut an der Tür und nach einem mürrischen “Hmm….” Namik´s öffnete diese sich schließlich wieder. “Mein Herr, wünscht euch umgehend in den Stallungen zu sehen.” Während er die Worte sprach betrat Tulef den Raum und räumte die Überreste des Frühstücks zusammen. “Ich werde jemanden rufen, der euer Gepäck zu den Stallungen bringt.” Namik musste lachen. “Soweit kommt es noch, Tulef. Ich trage mein Gepäck selbst, danke.” Mit einem Seufzen erhob er sich vom Stuhl, beobachtete einen Moment Tulef´s geübte Handgriffe, welche scheinbar flinker schienen als man seiner gebrechlichen Gestalt zutraute, und meinte dann: “Nun, ich denke, dass wir uns vorerst nicht mehr sehen werden. Pass auf dich auf, Tulef und….” er zögerte kurz um seinen Worte mit Bedacht zu wählen, beließ es aber dabei. Es gab nun mal keine tröstende oder passende Worte für einen Mann, dessen Sohn offenbar keinerlei Interesse für diesen zeigte und scheinbar bereits aus dessen Leben geschieden war. Tulef nickte nur und lächelte leicht dankbar für den Versuch dieser Aufmunterung wohl in dem Wissen, was Namik eigentlich mitteilen wollte. Wahrscheinlich war es Dankbarkeit, die Namik in den glanzlosen Augen des alten Mannes las, dennoch fühlte er sich schuldbeladen. Namik nahm sein Gepäck und klopfte ihm zum Abschied auf die Schulter in der Hoffnung der Mann würde es nicht als respektlos werten und verließ daraufhin mit ihm den Raum.
Tulef führte ihn durch reichlich verwinkelte Gänge bis hin zu einem Ausgang, welcher an den Stallungen grenzte. Die Schlichtheit der unterirdischen Gänge des Palastes ließen es Namik kaum zu, zu glauben, dass die oberen Etagen diesen von außen prachtvoll wirkenden Anwesens dermaßen prunkvoll waren wie man stets behauptete. Tulef begleitete ihn nicht vollends bis zu seinem Herren, sondern verabschiedete sich bereits an dem besagten Ausgang mit einem knappen Nicken und einen warmen Lächeln. Sonnenstrahlen blendeten ihn als Namik das Gebäude verließ und er musste einige Male blinzeln um sich an das grelle Sonnenlicht der am Morgenhimmel stehenden und unbarmherzig wirkenden Wüstensonne zu gewöhnen. In den Stallungen wartete bereits Sal'jil. Die offenkundig aus Höflichkeit gestellte Frage beantwortete Namik mit einem Nicken. “Danke, alles bestens.” Die darauffolgenden Beleidigungen seines Gegenübers nahm er gelassen hin. Ihm war zwar bewusst, dass er diese arrogante Ausgeburt eines Magierbalges sicherlich nicht beneidete und gewiss auch andere Fähigkeiten besaß als einfach nur zu töten, auch wenn er diese nicht auf Anhieb bei Namen nennen konnte, dennoch duldete er dessen Bemerkungen ohne den Versuch etwas zu erwidern. Ihm war bewusst, dass Sal'jil vermutlich damit bewirken wollte, dass Namik sich in seiner Geduld und vor allem Unterwürfigkeit, welche man von ihm als vermeintlicher “Bediensteter” erwartete, übt. Dennoch - das verächtliche leise Schnauben konnte er nicht verbergen. Sal'jil kehrte überraschenderweise in sich und sprach eine Art Gebet, welches Namik nicht kannte und ihn die Stirn runzeln ließ. Der Mann hatte seines Erachtens wahrscheinlich in seinem Leben des Öfteren einen Hitzschlag erlitten. Er beobachtete den unbeholfenen Diener, welcher anfänglich versuchte seinem Herrn auf das für ihn vorgesehene Reittier aufzuhelfen und musste sich ein breites Grinsen verkneifen als dies gehörig daneben ging. Doch das zunächst amüsierende Geschehen artete alsbald vollkommen aus. Spätestens als der Diener in Tränen ausbrach, wurde Namik zum wiederholtem Mal klar, unter welchen Druck die Knechte und Bediensteten hier arbeiten und welche Furcht sie tagtäglich vor ihren Herren doch hatten. Sal'jil war inzwischen außer sich vor Zorn und redete auf den immer mehr in Panik geratenen jungen Mann ein. “Sal'jil, meint Ihr nicht, er hat es nun begriffen? Es wird sicherlich nicht mehr vorkommen. Schließlich ist kein Meister bisher vom Himmel gefallen, nicht?” In der Stimme schwang unbeabsichtigt reinster Hohn mit und er bedachte Sal'jil mit einem vielsagenden Blick. Der Bedienstete nickte hektisch und zustimmend. “Ja, wirklich Herr….es wird nicht mehr vorkommen.” Namik spürte förmlich die Erleichterung, welche den jungen Mann ergriff während Sal'jil sich wieder einmal als “gnädig” erwies. Gleichwohl fragte er sich was der Magier wohl mit “in seiner Schuld stehen” meinte und befahl sich lieber nicht weiter diesen Gedanken auszuführen. Sal'jil traute er mittlerweile wirklich alles zu. Er selbst stieg auf sein für ihn bereit gestelltes Kamel ein wenig unsicher auf. Er war bisher wirklich selten auf den sogenannten "Wüstenschiffe" gereist. Er konnte nur hoffen, dass man sich während seiner Reise um seinen Hengst hier gut kümmern würde. Schließlich und mit gemischten Gefühl, vielleicht auf die Befürchtung, dass er wahrscheinlich nicht mehr dazu kommen würde, sich um das Wohlergehen seines Tieres zu erkundigen brachen sie auf.