Sie kamen gut voran und bald näherten sie sich Goldwasser, der Hauptstadt der Hohen Mark. Goldwasser war unverkennbar besetztes Gebiet. Die Rakshaner hatten Gardinen, Decken und vergleichbares Tuch aus den Häusern geholt und sich daraus Zelte gebaut. Keine sorgfältig verschlossenen Wohnzelte, sondern solche, um tagsüber darunter herumzulungern, Tee zu trinken (es gab aufgrund der Situation keinen Kaffee) und dabei auch bei Regen draußen sein zu können.
Als Jules ankündigte, nach Abschluss ihrer Mission etwas sehr ernstes Privates mit ihm besprechen zu wollen, bekam Khawa einen Moment die Flatter. Erst der Nachsatz, dass es sich um etwas Schönes handelte, beruhigte ihn wieder. »Leute zu erschrecken findest du offenbar lustig«, schmunzelte Khawa. »Soll ich für das Gespräch eine Rüstung anziehen? Dann müsstest du mir allerdings eine leihen, meine ist noch in Rakshanistan.«
Sowohl Almanen, als auch Tieflinge und Rakshaner waren zu sehen, wobei die Almanen in der Überzahl waren. Khawa und Jules wurden entsprechend nicht weiter beachtet, abgesehen davon, dass Khawa wegen seines fehlenden Turbans manchmal schief angeschaut wurde und manch einer dem großen Pferd allzu hungrig nachschaute. Im Großen und Ganzen war es hier jedoch momentan friedlich und vom Krieg wenig zu merken. Sie hielten auf das Anwesen zu. Die Leichname der Familie des verschollenen Großherzogs Roderich steckte noch immer gut sichtbar auf Pfählen vor dem Zugang. Wegen der Kälte hielt die Verwesung sich noch in Grenzen, aber es war dennoch kein schöner Anblick, hingerichtete Zivilisten vorzufinden. Es wimmelte hier von Tieflingen und Rakshanern.
Khawa stieg ab, pickte sich irgendeinen heraus, der ihm passend dafür erschienen und sprach ihn auf Rakshanisch an. Es war seltsam, seine alte Muttersprache wieder zu verwenden und er musste sich dafür konzentrieren. Er hatte sogar das Gefühl, kein Hochrakshanisch mehr zu sprechen, sondern einen intensiven souvagnischen Akzent zu haben.
»Grüße. Wir suchen Euren Anführer.«
Der Rakshaner störte sich offenbar an dem Wort ›eurer‹, denn er guckte ziemlich schief. Er fragte: »Und wer seid ihr?«
»Chevalier Jules de Mireaul, Himmelsauge des Duc de Souvagne und Khawa Laurent Rousseau.« Der Blick des Rakshaners wurde nicht besser. »Mann«, schnauzte Khawa in seinem früheren Befehlston, der allerdings ziemlich seltsam klang mit seinem Akzent. »Wir haben Botschaft von Tarrik Tarkan!«
Das genügte, der Rakshaner nickte. »Folgt mir. Ich bringe euch zu Lexi von der Hohen Mark.«
Khawa rollte gedanklich mit den Augen ob des Spottnamens, der auf den almanischen Adel anspielte. Tatsächlich sah besagter Tiefling kein bisschen fürstlich aus, abgesehen davon, dass er sich eine Krone organisiert hatte. Er wirkte vielmehr, als hätte er die Krätze und Khawa hielt einen Sicherheitsabstand ein. »Grüße«, sagte er nur, da er nicht der Meinung war, einen Hochstapler wie einen Fürsten grüßen zu müssen. »Wir haben Botschaft von Tarrik Tarkan.« Er hielt ihm das kurze Schreiben hin.
Befehl von Tarrik Tarkan
- Abzug der Truppen aus der Hohen Mark -
An den Kommandanten des Südgeschwaders
Lexi von der Hohen Mark
Die Luftstreitmacht und sofern inzwischen eingetroffen auch die Infanterie ist vollumfänglich mit sofortiger Wirkung aus der Hohen Mark abzuziehen und nach Dunkelbruch zu verbringen. Die Hohe Mark ist nicht länger in unserer Hand, doch es war nicht umsonst. Alles Weitere persönlich.
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Lexi las es. »Geht mal kurz raus«, scheuchte er und trieb die Gäste nach draußen. Nach einer Weile kam Lexi von selbst wieder zum Vorschein. »Wir haben uns beraten. Wir werden uns ab morgen nach Festung Dunkelbruch zurückziehen.«