Moni verbeugte sich erneut vor dem Duc und folgte ihrem Mann nach draußen. Massimo wartete vor dem Thronsaal und so wie er schaute, hatte er alles andere als gute Laune. Monique konnte ihn auf eine Art verstehen, für ihn war es ein ganz besonderer Tag und genau da hatte Khawa mit ihm einen Streit angefangen. Wobei es eigentlich nur eine Neckerei gewesen war. Massimo hätte sie mit einem Schulterzucken oder sogar einem Lachen abtun können. Ebenso hätte er die Rosinen auch zurückwerfen können. Aber Massimo wäre nicht Massimo der Läuterer, wenn er nicht jeden Fehltritt als persönliche Kriegserklärung werten würde.
In einigen Situationen hatte er ihrer Meinung nach durchaus Recht, wie bei dem schrecklichen Überall des fliegenden Wildpinklers. Zu anderen Begebenheiten war es pure Situationskomik, wenn er lautlos und gedanklich vom Leder zog. Vor allem als er sich über die Ausführungen von Großherzog Felipe aufgeregt hatte. Nur hatte Ihr Liebster wohl vergessen, dass er Gast im Hause des Großherzogs Felipe war und dieser nicht bei ihm. Ein Schmunzeln konnte sie sich da nicht verkneifen und den meisten anderen anwesenden Magiern während der Verhandlung war es ähnlich ergangen. Sie sah an ihren Augenwinkeln, dass die Magier um Fassung rangen.
Dann hatte Massimo noch zu allem Überfluss beschlossen, seine sonstige essenstechnische Mäßigkeit an dem Tag völlig über Bord zu werfen und hatte einfach alles verschlungen, was nicht niet- und nagelfest war. Massimo hatte so viel gegessen, das man gut und gerne einen neuen Menschen aus ihm hätte schnitzen können, oder sogar zwei. Er hatte fast alles gegessen, bis auf die Tischdecke und die Servietten. Aber das lag vermutlich am faden Geschmack, nicht an dem Willen ihres Mannes, es nicht doch zu versuchen. Sie selbst fand die Anekdote köstlich und zum Lachen. Zudem hatte sie selbst auch beherzt zugegriffen, denn die dargebotenen Speisen und Getränke, die Felipe ihnen serviert hatte, waren außerordentlich köstlich gewesen.
Aber neben all der manchmal notwendigen Ernsthaftigkeit seiner Wut, oder auch der Situationskomik die sie mit sich brachte, war der Streit mit Khawa etwas völlig anderes.
Dies war kein Streit mehr, dies grenzte schon an eine Fehde, eine Vendetta.
Wie weit wollten Massimo und Khawa das Spiel treiben?
Irgendwann gab es für beide kein Zurück mehr, ohne dass sie die Waffen ziehen mussten. Der Gesichtsverlust vor dem anderen wäre viel zu hoch und keiner von beiden war gewillt nur einen Millimeter nachzugeben, oder gar einen Schritt auf den anderen zuzugehen. Alte Feindschaften saßen oft tief, manche wurden sogar von Generation zu Generation weitervererbt. So hatten die Personen die heute in Fehde lebten, oft nicht mal mehr den Hauch einer Ahnung, warum ihre Familie sich dermaßen bis aufs Blut hassten. All das Unglück, dass eine Fehde mit sich brachte, begann oft mit einer unbedachten Äußerung oder einem Scherz den eine Person in den falschen Hals bekam. Gemischt mit dem Stolz mancher Adliger wurde genau das zu einer hochgradig explosiven Mischung.
Das ihr Mann weit mehr erlebt hatte, als er ihr erzählte, war Monique durchaus bewusst. Sie hatte seinen Körper nicht nur gesehen, sie hatte die Narben und Verletzungen gespürt, als sie sich berührten. Massimo de la Cantillion hatte alles andere als ein friedfertiges Leben geführt. Er lebte von, mit und durch das Schwert. Und leider dachte er oft genug damit.
Aber Khawa erging es nicht anders. Er hatte genauso stets ein Leben im Kampf geführt und letztendlich hatte ihn der Krieg an den souvagnischen Hof gespült als Kriegsbeute von seiner Hoheit Prince Ciel. Andere hätten vermutlich den Rakshanischen Wilden wie ein bösartiges Tier ausgestellt, um die Feindschaft gegen den Feind zu untermauern, gegen den sie in den Krieg zogen. Nicht so Prince Ciel. Er war wie sein Vater ein Mann mit weiser Voraussicht, auch wenn diese völlig anders gelagert war. Entgegen aller Stimmen hatte Khawa eine Chance gegeben, denn er sah mehr in ihm, als die anderen. Und der junge Prince sollte Recht behalten. Khawa mauserte sich vom Wilden zu einem Leibdiener, von einem Leibdiener zu einem Freien und letztendlich sogar von einem Freien zu einem Adligen. Diese Ernennungen erfolgten nicht, ohne vorherige, entsprechende Leistungen.
Warum sahen das die anderen, nur ihr Mann nicht.
Vermutlich lag der persönliche Hass auf die Rakshaner und besonders auf Khawa bei Massimo zu tief. Aber auch die Duponts hätte er verachten müssen. Sie hatten Schande über sich gebracht, indem sie den Duc persönlich beleidigt hatten. Und es wäre dem Duc ein leichtes gewesen, auch die Cantillions zur Rechenschaft zu ziehen, denn sie waren die oberen Lehnsherrn der de Duponts. Allerdings bestrafte Maximilien meist nur die Schuldigen selbst, von Sippenhaft hielt er nichts. Es sei denn eine Sippe war als ganze schuldig. Und dann geschah das Undenkbare, sie wurden auf der Heimreise von Ehveros nach Souvagne, genau von jenen ehemals Adligen Dupont festgesetz und in Geiselhaft genommen.
Und entgegen jeder Vermutung, sprach ihr Mann, ihr Massimo sich für die Begnadigung der Duponts aus! Sie hatten einen Fehler begangen, aber die Familie nun dermaßen leiden zu sehen, war sogar Massimo nahe gegangen. Monique war sehr stolz auf ihren Mann, dass er sich für die Duponts eingesetzt hatte. Er war weit mehr als nur über seinen Schatten gesprungen.
Konnte er Khawa nicht genau dass gewähren, was er den Duponts gewährt hatte?
Eine zweite Chance?
Um mehr hatten Khawa und Jules nicht gebeten. Massimo sollte sich persönlich die Gedanken des Rakshaner anschauen und sich davon überzeugen, dass er seine Einstellung geändert hatte. Für Monique war Liebe – Liebe, Partnerschaft – Partnerschaft und eine Beziehung – eine Beziehung unabhängig der Personen die sie führten. Denn es war alles dasselbe nur mit anderen Protagonisten. Massimo war zu Khawa nur so streng, da er sich vielleicht selbst nicht eingestehen wollte, dass sich der Rakshaner geändert hatte. Es war so leicht, für alles „den Wilden“ verantwortlich zu machen. Hatte sich der Wilde tatsächlich gewandelt, dann fehlte Massimo sein Feindbild. Sein geliebter, verhasster Feind, ohne den er scheinbar nicht auskam und gar nicht auskommen wollte. Aber Khawa war kein Feind mehr, denn der Duc hatte ihn in den Adelstand erhoben. Ob das Massimo nun gefiel oder nicht, es war eine unumstößliche Tatsache.
Monique ging zu ihrem Mann und berührte ihn kurz am Arm. Sie wollte ihn nicht verägern, denn damit würde sie weder sich noch Khawa oder Jules einen Gefallen erweisen.
„Massimo gib Khawa bitte seine Chance. Schau damit gibst Du Euch beiden eine Chance auf einen Neuanfang. Niemand verlangt, dass Ihr Freunde werden müsst. Aber wie der Duc schon sagte, sollte je eine Zusammenarbeit nötig sein Schatz, dann musst Du auch mit Khawa zusammenarbeiten können. Und er wird nicht grundlos geadelt worden sein. Ich verstehe Deinen Groll, Du hast eine Ewigkeit gegen sein Volk gekämpft. Aber Du hast mir doch selbst erzählt Schatz, dass Du des Kämpfens müde bist. Schau Du musst niemanden bekämpfen, wenn Du Deine Lieben beschützen möchtest. Du musst Wache halten mit Deinen neuen Männern, kämpfen müsst Ihr doch nur, wenn eine Gefahr droht. Und droht uns allen eine Gefahr, dann wird auch Khawa seinen Betrag leisten, diese Gefahr zu bekämpfen. Souvagne ist nun auch seine Heimat, hier hat er seinen Grund und Boden, seinen Mann, sein Zuhause. Warum sollte er all das gefährden wollen Massimo?
Das einzige was Du dem Mann ankreiden kannst, ist einen sehr absonderlichen Humor, aber mit Verlaub Massimo, den hast Du auch. Ich sage nur Ehveros und was redet Felipe ununterbrochen. Du warst in seinem Haus und nicht umgekehrt Schatz. Schau Du hast den Duponts Ihren Fehltritt verziehen, obwohl sie uns gefangen genommen haben. Du hast gesehen wie schlecht es ihnen geht. Jeder von uns ging davon aus, dass Du versuchen würdest sie in den Abgrund zu schicken. Aber das hast Du nicht getan. Du hast für die Familie gesprochen, Du hast von Deinem eigenen Fehler gesprochen und Du hast um ihre Begnadigung gebeten Massimo. Und das hat mich sehr stolz auf Dich gemacht.
Gewähre Khawa die gleiche Begnadigung, für ihn und für Dich selbst. Bitte. Höre Dir wenigstens an was er zu sagen hat, oder was er denkt. Vielleicht war sein Benehmen vorhin nichts weiter , als ein dummer Scherz um seine nervösen Nerven zu beruhigen. Wenn dem so war, kannst Du das gerne mit Deinem Verhalten in Ehveros gleichsetzen. Da waren Deine Nerven auch angespannt wie Drahtseilband. Bitte gib Dir einen Ruck und lies Khawa aus. Und dann Massimo entscheide so, als siehst Du den Mann in dem Moment zum ersten Mal, denn das hier ist doch ein ganz anderer Khawa, als jener Räuber, der vor Euch im Dreck lag und um sein Leben flehte. Tue es für uns alle, lies und entscheide neutral um mehr bitte ich Dich nicht“, sagte Moni liebevoll.