Beiträge von Janko

    Janko wich all die Zeit über nicht von Ansgars Seite. Marcella hatte Recht, sein Herr war wirklich sehr krank und dünn und sah älter aus, als er aussehen sollte. Es hatte ihn schwer erwischt.


    "Was ist mit Dan?", erkundigte er sich. "Er ist doch Heilmagier. Zwar gehört er nun Linhard, aber sicher würde der Euch die Dienste seines Heilmagiers zur Verfügung stellen."


    Ansgar hakte sich bei Marcella ein, da sie ihm den Arm angeboten hatte. Das zierliche Fräulein könnte Ansgar nie und nimmer halten, wenn der zusammenklappte, aber vermutlich ging es ihr um die hilfsbereite Geste. Doch Ansgar war vorausschauend genug, sich auch bei Janko einzuhaken, falls ihm doch die Beine versagten. Janko half seinem Herrn an den anvisierten Platz bei seinem Sohn Anwolf und brachte dann allen Vieren das Stück Kuchen, um das Anwolf gebeten hatte. Geschickt balancierte er die viert Teller. Er reichte erst Ansgar eines, dann Anwolf, dann Marcella und das letzte behielt er selbst.

    Es schmerzte, zu sehen, wie Ansgar sich für so eine einfache Handlung, wie das Aufstehen aus einem Sessel, quälen musste. Er, der sonst jemand war, der vor Vitalität nur so strotzte, der seinen Lebenswillen und seine Bereitschaft, für dieses Leben zu kämpfen, hinaus in die Welt brüllte. Er wirkte alt und müde von einer unbekannten Bürde. War es wirklich nur das Exil? Niemand war hier, um dem Kranken zu helfen. Janko verkniff sich, Ansgar zu sagen, dass er ruhig sitzen bleiben konnte. Er war nicht hier, um ihn zu bevormunden - das hätte ihm ohnehin nicht zugestanden - sondern um ihm dabei helfen, sein Leben so, wie er es wünschte, leben zu können. Janko trat an seine Seite, griff ihm unter den Arm und half ihm, sich zu erheben. Die Schwäche seines Herrn gefiel ihm gar nicht.


    Er fragte sich, ob es wirklich nur die Strapazen des Exils waren, die so an ihm gezehrt hatten und ärgerte sich darüber, Dantoine nicht mitgebracht zu haben. Doch der Heiler gehörte nicht mehr Ansgar, genau genommen tat es auch Janko nicht mehr. Doch wer wäre er, seinen Herrn wegen bürokratischer Formalitäten im Stich zu lassen? Die Frage, warum Ansgar ihn zurückgelassen hatte und warum es ihm so schlecht ging, würde er ihm ein andermal stellen. Jetzt musste er helfen.


    "Wer ist hier in Souvagne für die Sorge um Eure Person zuständig - ich nehme doch an, dass es Diener in diesem Hause gibt? Ich würde mit dem Zuständigen gern ein paar Worte reden."

    Er erfuhr von Dave, wohin Ansgar verschwunden war. Er erfuhr es über einen Traum, in dem der Geistmagier zu ihm sprach und Janko hatte keine Zweifel, dass dies mehr als ein gewöhnliches Traumgesicht gewesen war. In einer Familie von Nekromanten zu dienen, machte einen erhaben über derlei Zweifel.


    Für Janko stand außer Frage, was nun zu tun war. Ansgar war sein Leben lang von Dienern umsorgt worden und wer konnte wissen, was für Diener es im fernen Almanien gab? Die Menschen in diesem Land würden mit den Bedürfnissen eines gebürtigen Naridiers überfordert sein. Bei Ansgars erstem Schreianfall würden sie die Flucht ergreifen und ihn allein lassen, wenn er sie am dringendsten benötigte. Die quälende Frage war nur, warum Ansgar ausgerechnet seinen Leibdiener nicht ins Exil mitgenommen hatte. Er würde es erfahren, in einem Monat, wenn alles gut kam.


    Es war eine lange, eine sehr lange Reise. Janko durchquerte zu Pferd Naridien vom Süden bis zum Norden, indem er der Salzstraße folgte. Er war derart langes Reiten nicht gewohnt und nach der ersten Woche konnte er sich kaum noch im Sattel halten. Er wechselte aus Verzweiflung in den Damensitz, was es zeitweilig etwas angenehmer machte. Dann ging er dazu über, das Tier den Großteil der Strecke am Zügel zu führen. Bald waren seine Füße voller Blasen. Am schwierigsten jedoch gestaltete es sich, überhaupt nach Almanien einzureisen, denn das Land befand sich noch immer im Kriegszustand. So war es wenig verwunderlich, dass der allein reisende und gut gekleidete Janko in der Hohen Mark zusammengeschlagen und bis auf die Unterwäsche ausgeraubt wurde. Als er sich vom geforenen Boden aufrappelte, hätte dies fast sein Ende bedeutet. Das Pferd war weg, seine Kleider waren weg, sein Geld war weg. Er hatte nichts mehr als die lange Unterwäsche am Leibe. Sein Glück war, dass er sich bereits nahe der souvagnischen Grenze befand, wo der Krieg bislang am Grenzwall abgeprallt war. In Souvagne würde man ihm helfen, als Leibdiener eines Adligen. Janko stellte sich vor Kälte zitternd, mit zwei blau geschlagenen Augen, einem fehlenden Zahn und erfrorenen Füßen als Ansgars Leibdiener vor. Die Wachen reagierten sofort. Sie ließen ihm ein heißes Bad ein, gaben ihm anschließend notdürftige Kleider und Schuhe und versorgte seine Wunden. Auch eine Essensration gaben sie ihm mit auf dem Weg, zusammen mit zwei bewaffneten Begleitern, die sich vergewissern sollte, dass Janko auch wirklich war, wer er zu sein behauptete, denn Papiere hatte dieser natürlich nicht mehr. Und endlich, nach weiteren Tagen, erreichte Janko das neue Anwesen seines Herrn, wo man ihn willkommen hieß. Die Soldaten verabschiedeten sich beruhigt und Janko trat ein.


    Ohne sich zu waschen, zu rasieren oder die schmutzigen Schuhe auszuziehen, eilte Janko sofort zu Ansgar. Er erschrak, als er sah, wie krank sein Herr aussah, weiß und zerknittert. Das Exil hatte offenbar stark an ihm gezehrt.


    Janko, zerlumpt, zerbeult und stinkend, in den abgetragenen Kleidern einer souvagnischen Grenzwache gewandet, verneigte sich vor Ansgar.
    "Herr, zu Euren Diensten."