Beiträge von Bhajan de Dupont

    Dass die Großherzogin ihn seit einer Ewigkeit nur schweigend anstarrte, wurde Bhajan unheimlich. Vielleicht war die Frau in Wahrheit ein Ghul und stellte sich vor, wie sie aus seinem Gesicht eine köstliche Sülze zubereiten konnte. Bhajan fasste sich an die stoppelige Wange und ging einen Schritt zurück.


    "Ach, wisst Ihr was ... es ist nicht so wichtig. Macht Euch keine Umstände. Ich wusste ja nicht, dass unser Vorschlag so ungelegen kam. Vergesst einfach, was ich sagte, wir kümmern uns allein."


    Mit wehenden Lumpen eilte er aus dem Saal, begleitet von Kalenian und Benjamin. Sie schwangen sich auf ihre struppigen Grauschimmel und ritten davon.

    "Majestät?", fragte Bhajan, der schon lange schweigend dastand und der Antwort der Großherzogin harrte.


    Langsam taten ihm die Beine weh. Er wechselte einen unsicheren Blick mit Kalenian und Benjamin. Er fragte sich, ob er etwas Falsches gesagt hatte oder ob die junge Frau seiner einfach überdrüssig geworden war.

    "Wenn ich einen Vorschlag unterbreiten darf, Majestät", sprach Bhajan. "Wenn ihr uns vertraut, dann weist uns ein geeignetes Le`en an der Küste zu. Anschließend braucht Ihr Euch keine weiteren Sorgen mehr um den Bau und um die Organisation mehr su machen. Wir lebten in einer Burg, in der nunmehr geschleiften Gewitterfeste und wissen, worauf beim Burgenbau zu achten ist. Wenn ihr das wünscht, dann werden wir den Bau der Burg samt befestigtem Kriegshaften leiten.


    Wir sind seit vielen Generationen in der Verwaltung von Ländereien geübt und unseren Freien, Leibeigenen und allen anderen ging es immer sehr gut. Jedoch wäre ein Startkapital oder eine Ausrüstung für den Anfang wünschenswert, da wir nichts weiter mitnehmen konnten aus Souvagne, als das, was wir am Leibe tragen."

    Als Ricarda von den Bannern der Adelshäuser sprach und ihnen zuprostete, prosteten die Duponts zurück. Sie wandten hernach die Köpfe, um die vielen Wappen zu betrachten, oft bunt und fantasievoll gestaltet, die meisten ein Spiegel des Namens. So war es auch bei den Duponts, wennauch nicht sogleich offensichtlich. Darum erklärte Bhajan ihr Wappen kurz.


    "Es wäre uns eine Ehre, unser Wappen zwischen denen der anderen Adels`äuser su sehn! Unsere schwarze Wolke stand einst für den immerwährenden Rauch aus der Esse unserer Schmiede, denn Dupont bedeutet 'Schmied' auf altasameisch. Der Name verweist bereits auf das `andwerk, welches wir über die Jahr`underte in `öchster Vollendung ausübten, so dass sogar der Duc unsere Dienste in Anspruch nahm. Leider steht die schwarze Wolke jedoch seit einigen Jahren für das Unglück, das über unserer Familie schwebt und wurde deswegen ergänzt um den Blitz. Wir `offen, dass diese Pechsträhne nun ein Ende findet, werte Majestät und das Banner der Duponts bald wieder an Verlässlichkeit, die Treue zur Krone und solide almanische `andwerkskunst erinnert und nicht an eine vom Schicksal gebeutelte gefallene Chevaliersfamilie."


    Kalenian und Roland feixten. Die beiden alten Herren hatten beide bereits ein Bier zu viel getrunken und folgten dem Gespräch nur am Rande. Offenbar ging es wohl darum, wie Kalenian beim Lanzenstechen von Roland besiegt worden war und anstelle von in den Sand von seinem Pferd aus rücklings in die Zuschauer gestürzt war, weil die Bahn zu schmal bemessen war. Das hatte für einige Lacher und gebrochene Knochen bei den Gästen gesorgt, aber Kalenian war dafür schön weich gefallen. Pech war nur, dass eine Geliebte des Gastgebers unter den Zerquetschten gewesen und es hernach mit ihrem Liebreiz vorbei gewesen war. Bhajan war es Recht, er gönnte seinem Vater die Entspannung nach allem, was sie durchgemacht hatten. Er war nun das Familienoberhaupt ihres Zweiges und kümmerte sich um die Verhandlungen. Benjamin, derjenige von ihnen dreien, der am heftigsten vom Unglück gestraft war, schwieg, aber er lauschte aufmerksam.


    "Die Burg und das dazuge`örige Lehen werden wir sehr gerne in Eurem Namen verwalten und schützen, Majestät", fuhr Bhajan fort. "Wie weit sind die Planungen vorangeschritten? Wenn Ihr das wünscht, werden wir uns auch um die Beaufsichtigung der Bauarbeiten kümmern oder um die Planung selbst, sollte diese noch in den Kinderschu`en stecken."

    Das abendliche Treffen fand im Rittersaal statt. So nannte man in den meisten Burgen den großen Gemeinschaftsraum, in dem eine lange Tafel stand, an der man zusammen speiste. Meist war dies der größte Raum des Anwesens. Auch die Gewitterfeste der Duponts hatte einen solchen Rittersaal gehabt, doch war er weitaus weniger warm und freundlich gewesen als dieser hier. Die dunklen Holzmöbel waren hochwertig, an den Wänden hingen die Banner der ehveroser Adelshäuser. Ein großer Kamin sorgte für Wärme und ein angenehmes Licht, unterstütz von wagenradgroßen Kerzenleuchtern. Die Speisen waren vorzüglich. Die drei Duponts sahen nun um einiges zivilisierter aus als noch vor wenigen Stunden, sie hatten gebadet und sich rasiert, sich das Haar zurechtgemacht und die bereitgelegte Kleidung angelegt. So machten sie gleich einen viel standesgemäßeren Eindruck. Nach dem Essen saß man noch bei einem guten Bier aus der örtlichen Brauerei beisammen und sprach miteinander. Kalenian hatte sich neben Roland gesetzt, die beiden kannten einander. So sprach Bhajan erneut zu Ricarda von Ehveros.


    »Im Namen meiner Familie möchte ich unseren Dank für die köstliche Bewirtung und die erwiesene Gastfreundschaft aussprechen, Majestät«, sprach Bhajan. »Unser einst weit verzweigtes Geschlecht ist durch die Verbannung leider auseinandergerissen worden. Die Widrigkeiten in den Sümpfen von Ledwick `aben ihr Übriges dazu beigetragen, die Familie zu dezimieren. Viele sind leider nicht geblieben und wir drei sind leider ohne Geleit.


    Kalenians Frau starb friedlich aufgrund ihres Alters. Die Frau meines Bruders, erlag der Cholera während der Verbannung und einer ihrer Söhne fiel bei einem Gefecht gegen die Souvagner. Wir, ähm, das ist uns etwas unangenehm, `aben uns als Raubritter verdingen müssen, da passiert so etwas leider. Der andere Sohn, Maxime, lebt noch, aber ist nun ein Krüppel, darum `aben wir ihn in Souvagne belassen. Seine Schwester Manju gibt auf ihn Acht. Dass unsere eigene liebe Schwester ebenso durch das Schwert eines Souvagners starb, `aben wir Euch ja schon berichtet. Infolge all dieser tragischen Ereignisse sind wir nur zu dritt angereist, Kalenian und seine Söhne. Die anderen Verwandten sind zurück`altend in ihren Entscheidungen. Sie entstammen der Linie von Kalenians Bruder Calvin, einst ein großer Krieger und kunstfertiger Schmied. Unsere Familie schmiedete die Staatsinsignien des Ducs, wusstet Ihr das? Das Reichsschwert, das Szepter, nach dem Tode Calvins scheuen sie Risiken. Man müsste sie überzeugen.


    Aber ... wir sind einer `eirat mit den Töchtern von Ehveros durchaus nicht abgeneigt. Eine `ochzeit schafft Verpflichtungen gegenüber den so miteinander verbundenen Adelsgeschlechtern, unsere Treue wäre dann auch auf dem Papier garantiert. Und würde uns zudem `elfen, `ier Fuß zu Fassen.


    Darf ich fragen, wo wir wohnen und wie wir unseren Lebensunter`alt erstreiten dürfen?«

    << Unter der schwarzen Wolke


    Wolkenbruch


    Wie es sich für einen Tag gehörte, an dem eine Familie auseinanderbrach, regnete es in Strömen. Es war ein heftiges, warmes Sommergewitter. Drei Chevaliers kämpften sich unter diesen Bedingungen Kilometer um Kilometer mit ihren Pferden vorwärts. Außer Landes zu kommen, ohne dass man an der Grenze ihre Personalien aufnahm, hatte sich als nicht ganz einfach erwiesen. Der Mauerbau wurde unerbittlich vorangetrieben. Im Norden und Westen war kaum noch ein Durchkommen, aber im Süden gab es noch eine grüne Grenze. Die kleine Gruppe schlüpfte an dieser Stelle von Souvagne hinüber nach Ehveros.


    Einige Tage später trafen drei schwarz und grau gewandeter Rittersleute in Drakenstein ein. Sie ritten auf struppigen Grauschimmeln und trugen rostige Kettenrüstungen und Waffen, waren auch ansonsten kaum standesgemäß anzuschauen. Ihre Gesichter waren unrasiert, die schwarzgrauen Haare fettig. Man sah anhand der Gesichter, dass die drei Männer miteinander verwandt sein mussten, aber auch ihre einheitlich grauen Wappenröcke trugen dies zur Schau: Eine schwarze Gewitterwolke prangte über der Brust und ein Blitz verlief über den Bauch. Einer der beiden war schon um die 70 Jahre alt, die anderen beiden mochten um die 50 Sommer und Winter gesehen haben. Ihr Haar war von Silber durchzogen, doch sah man noch deutlich, dass es einst rabenschwarz gewesen war.


    Vor dem Palast von Drakenstein gaben sie ihre Pferde bei den Ställen ab. Einer der Jüngeren winkte einen Dienstboten herbei und sprach mit ihm. Kurz darauf kam jemand, der die drei Chevaliers in den Palast führte. Die drei schauten sich interessiert um. Der Palast der Großherzogin von Ehveros war rustikaler als der Palast des Ducs, den sie gewohnt waren. Er sah mehr aus wie eine Burg. Den Duponts gefiel es, es erinnerte sie an ihre alte Heimat. Mit Wehmut gedachten sie des Verlusts, doch vielleicht bot die Zukunft ganz ähnliche Freuden wie die finsteren Hallen ihrer Gewitterfeste.


    Zwei Gardisten öffneten für sie die schwere Prunktür zum Thronsaal. Großherzogin Ricarda von Ehveros saß stolz auf dem Thron, flankiert von der Leibgarde. Bei ihr stand ihr Herold. Eine Zofe konnten die Duponts auf den ersten Blick nirgends sehen.


    In respektvollem Abstand fielen die drei zerlumpten Chevalier auf ein Knie. Bhajan, der sich in der Mitte der drei befand, ergriff das Wort.


    »Eure Majestät, mein Name ist Bhajan von Chevaliersgeschlecht der de Duponts. Der souvagnische Stand des Chevalier entspricht dem Ritterstand in Ehveros. Dies sind mein Vater, Kalenian und mein Bruder Benjamin de Dupont. Wir möchten in Eurem schönen und weitgerühmten Land um Asyl ersuchen.


    Duc Maximilien de Souvagne verbannte unsere Familie einst aufgrund eines schrecklichen Missverständnisses aus der `eimat. Man `at uns der Majestätsbeleidigung bezichtigt, unsere Burg geschliffen, unser Wappen aus den Schriftrollen getilgt und unsere Familie über die Grenze gejagt wie Verbrecher. Mein Onkel Calvin, unser e`emaliges Familienober`aupt, starb bei dieser `etzjagd. Ebenso meine liebe Schwester Bianca und mehrere unserer Kinder. Nach Jahrzehnten der Verbannung, in der wir uns wie Verbrecher in den Sümpfen von Ledwick verbergen mussten, gewährte der Duc uns Gnade. Spät, zu spät für viele von uns, die nun bei den Gräbern Ru`e ewige fanden.


    Ein Teil unserer Familie nahm diese sogenannte Gnade an und kehrte in die einstige `eimat zurück. Wir jedoch können das Unrecht, was man uns angetan `at, nicht verzeihen. Wir wünschen nicht, unter einer solchen Regentschaft zu leben, die solche Grausamkeiten zulässt und den gekränkten Stolz über Menschenleben stellt.


    Darum möchten wir Euch, Majestät, unsere Dienste und unser Schwert anbieten.«


    Keiner der Drei wagte es, den Blick zu heben, als sie auf die Antwort von Ricarda warteten.