Beiträge von Caillou Langeron

    "Pascal ist immer noch nicht schwanger, Opa", entgegnete Caillou bedauernd. "Ich hab´s versucht, Milli hat´s versucht ... dafür ist Pascal seinerseits Vater geworden. Einen kleinen Corvin hat Derya ihm geboren. Kräftig und gesund, er hat dein schwarzes Haar und deine hellgrünen Augen geerbt. Manchmal überspringen solche Eigenschaften eine Generation. Habe ich einen Hunger! In diesem Nest bin ich zum ersten Mal zu Gast. Mal schauen, was ihr hier zu bieten habt."


    Er löste die Leine des mitgebrachten Sklaven, der sich allerdings nicht vom Fleck rührte, und rollte sie zusammen. Sie wanderte in die Hosentasche, die nun eine fette Beule formte. Die Augen des Sklaven ruhten auf dem haarigen Kollegen und ließen ihn nicht aus dem Blick, so lange er sich in seiner Sichtachse bewegte.

    Nur wenig später gab es erneuten Aufruhr im Eingangsbereich: Besuch war eingetroffen. Caillou, einer der Piranha-Zwillinge, gab sich die Ehre. Stinkend und ungepflegt wie eh und je, nahm der junge Rotschopf nach seiner Ankunft wie selbstverständlich im Gemeinschaftsraum auf einem Sofa platz und krähte einen lauten Gruß in die Runde. Zufrieden sah er sich um.


    Er war nicht allein.


    Vor ihm auf dem Boden, an einer feingliedrigen Silberkette mit einem gut gepolsterten, hellgrünen Lederhalsband um den Hals, saß ein nackter Sklave. Dieser war in einem guten Ernährungszustand, trainiert, ohne bullig zu sein, dabei wirkte er gesund und in jedem Fall deutlich gepflegter als der Mann, der ihn an der Leine führte. Sein lockiger brauner Pferdeschwanz duftete nach süßem Parfum. Er schien keine Furcht zu verspüren, zumindest ließ seine Körpersprache dies nicht erkennen, kannte aber augenscheinlich seinen Platz. Eine tiefe, Haifischartige Bissnarbe prangte zwischen Hals und Schulter.


    "Hey", rief Caillou, "hat irgendwer Zeit für einen weit gereisten und hungrigen Gast? Allein isst es sich nicht gut."


    Abgesehen davon hatte er noch nicht einmal etwas zu Essen serviert bekommen.

    Am Nachbartisch standen Caillou und Camille. Sie diskutierten mit herumzeigenden Spießchen über ein paar Antipasti, nur um am Ende beide das Gleiche auf ihre Teller zu legen, als hätten sie vorher ausgehandelt, was sie nun essen wollten. Ein Wunder, dass sie überhaupt zwei Teller nahmen und nicht gleich einen. Caillou sah so verlottert aus wie immer. Sein feuerrotes Haar stand zu Berge und er stank wie ein angebrannter Kompost. Camille wirkte auf den ersten Blick, als hätte er sich herausgeputzt, doch wenn man genau hinsah, entdeckte man, dass ihm hinten das Unterhemd heraushing und seine Schuhe ungeputzt waren. Er roch kaum besser als sein Zwillingsbruder, nur, dass bei ihm noch die geruchliche Komponente von parfumiertem Haarwasser hinzukam, die das olfaktorische Ensembel eher verschlimmerte als verbesserte. Als sie ihre Diskussion beendet hatten, stellte Caillou die Frage, ob sie den Eunuchen Amias nur verprügeln oder ihn gleich im Ozean versenken sollten. Was die beiden betraf, war alles wie immer.

    Caillou Langeron


      Kurzfakten


      Größe: 1,79 m
      Haarfarbe: rot
      Augenfarbe: blau


      Bild: Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.







      Aussehen


      Als der Abend zur Nacht wurde, gesellte sich Caillou zu ihnen, heute nicht in Feuerwehrkluft, sondern in jener Stoffkleidung, in der er sich im Alltag bewegte. Seine abstehenden Ohren waren gerötet von der Kälte, das rote Haar stand fettig nach oben. Er trug eine braune Hose mit kaputten Knien und eine viel zu kurze Jacke, so dass sein schwarz-weiß-gestreifter Strickpullover von hinten zu sehen war. Von vorn erst recht, denn er trug die Jacke trotz der Kälte offen, dazu einen riesengroßen orangefarbenen Schal und ebensolche Handschuhe. Die Stiefel waren wieder offen, so dass er schlurfte. Dezent sah anders aus und kein Lotos sollte so aussehen, nicht einmal als Persona.




      Charakter


      Caillou kam absichtlich um mehr als zwei Stunden zu spät. Er sah es gar nicht ein, warum er sich für die anderen beeilen sollte, genau so wenig wie er es für notwendig hielt, sich zu rasieren, das Haar zu kämmen oder zu waschen. Er war schließlich kein Bittsteller. In seinen heruntergekommenen, wild zusammengewürfelten Kleidern hätte Caillou gut nach Naridien oder Obenza gepasst. Er sah aus wie ein Penner und roch auch so. Er setzte sich auf das Geländer, wobei er ein Bein herunterhängen ließ und auf der Ferse des anderen hockte, drehte sich eine Rauchstange und zündete sie an.




      Geruch


      Pascal schmiegte sich an ihn, roch seinen typischen Geruchscocktail aus Lagerfeuerrauch, Schweiß und Alkohol und heute beruhigte ihn, was er sonst als Gestank empfunden hatte. Pascal schloss die Augen und fiel in einen tiefen Schlaf.




      Religion


      Brüllend peitschte das Feuer hinauf in den Nachthimmel, funkenspeiend, ein Tanz zu einer göttlichen Musik, für menschlichen Ohren nicht zu hören. Aufrecht stand Rakshors Jünger, das Gesicht in Licht getaucht, den Rücken in Schatten liegend. Er hielt die Hände vor dem Bauch verschränkt, das Gesicht ein Ausdruck tiefer Ehrfurcht und blickte starr in die Feuersbrunst. Durch das Tosen hörte Caillou das Schreien von verbrennenden Pferden. Vor seinen Füßen lag die leere Schnapsflasche. Die Tiere - sein Opfer. Das Inferno - sein Gebet. Caillou war eins mit seinem Gott.




      Zwillingsbrüder - Caillou und Camille


      Camille war ein weißblondes Abbild seines Zwillingsbruders. Feuer und Wasser, so nannten sie sich selbst.Camille war das scheinbare Musterkind der beiden Zwillinge. Im Gegensatz zu Caillou badete er regelmäßig und hatte dafür auch eine Begründung. Blonde Schmuddelhaare wirkten seiner Meinung nach schlimmer als es bei dunklen oder roten Haaren der Fall wäre.







    Das Kapitel spielt einige Monate voher - zu der Zeit, als Pascal die Persona "Louis" spielte. Ich habe es allerdings erst jetzt verfasst, weshalb es an dieser Stelle erscheint. In der finalen Version der Geschichte wird es vor dem Kapitel "Louis" stehen.



    1



    Feuerherz
    191 nach der Asche. Herbst. Wildnis nördlich der souvagnischen Grenze.


    Ein einsamer junger Mann stapfte durch die von der Sonne verbrannte Steppe. Dass es der Zeit nach schon Herbst sein sollte, merkte man hier noch nicht. Die Luft flimmerte vor Hitze und nirgends gab es Schatten, nur ein endloses Meer von vertrocknetem gelbem Gras. Nur wenige konnten dieser kargen Einöde das Nötigste zum Überleben abringen. Andere wussten sich anderweitig zu helfen. Die Steppe war das Territorium der Rakshaner, die seit Monaten die nördlichen Lehen ausplünderten, doch der Wanderer trug die sommerliche Reisekleidung eines Souvagners, wenn auch ziemlich verstaubt vom stundenlangen Marschieren. Eine dünne Kapuze schützte sein Haar vor dem wehenden Sand und ein gemustertes Tuch verdeckte Nase und Mund. Die Verschleierung diente zum einen dazu, den Staub aus der Atemluft zu filtern und zum anderen entsprach es den rakshanischen Vorstellungen von Anstand, als Mann sein Gesicht zu verschleiern, auch wenn der Rest des Körpers um diese Jahreszeit nahezu nackt belassen wurde. Mit der gleißenden Sonne hatten die dunkelhäutigen Rakshaner keine Probleme, ganz im Gegensatz zu Caillou mit seiner weißen Haut. Lange Kleidung sollte den Schaden in Grenzen halten.
    Caillous Rucksack war so schwer, dass er sich ein Packtier gewünscht hätte, doch in der Nähe der Rakshaner war es schwierig, ein solches unter Kontrolle zu halten. Dem allgegenwärtigen Raubtiergeruch ihrer Reithyänen hielten nur ausgebildete Schlachtrösser stand, ohne durchzugehen, und ein solches besaß er nicht.
    Ein Hyänenreiter zeigte sich auf einer Sandwehe und beobachtete ihn aus der Ferne. Ruhig, gelassen. Er wusste, dass Caillou ihm hier weder entkommen noch gefährlich werden konnte. Ein großer Hund vermochte einem Menschen schon in Angst zu versetzen, doch die Hyänen der Rakshaner waren so groß wie kleine Pferde.
    Als Caillou weitermarschierte, näherte der Reiter sich mit seinem Tier im Trab. Als er den Fremdling fast erreicht hatte, blieb er ein weiteres Mal mit seinem Tier stehen und schaute ihn sich aus einigen Metern Entfernung an. Er schien zu überlegen, was er nun tun sollte. Anhand seines muskulösen Körperbaus und der Narben auf seiner braunen Haut war zu vermuten, dass es sich um einen Krieger handelte, der als Späher patrouillierte. Er trug keine Rüstung, war aber mit einem Hornbogen bewaffnet, der am Sattel der Hyäne bereit hing, ebenso mit einem knöchernen Krummdolch. Die Pfeile trug er in einem Köcher am Gürtel. Auf der nackten Brust baumelte an einem Lederband ein Silberlöffel, dessen kunstvoll verzierter Griff seine souvagnische Herkunft verriet. Womöglich war der ehemalige Besitzer des Löffels auch der Besitzer des Pferdes gewesen, aus dessen Fell der Lendenschurz des Rakshaners hergestellt worden war. Hinter ihm auf dem Sattel festgezurrt entdeckte Caillou nun ein Bündel Feldhasen. Vielleicht war er auch nur auf der Jagd gewesen.
    Caillou blieb nun ebenfalls stehen. Er grüßte den wartenden Reiter auf rakshanische Weise, indem er mit den Fingerspitzen gegen den verschleierten Mund tippte und dann gegen seine Stirn. Nach einem Moment der Verwunderung erwiderte der Rakshaner die Geste und stieg ab. Zu Fuß kam er heran, während seine Hyäne wartete.
    »Grüße von mir zu dir. Wie ist dein Name, Wanderer?«, erkundigte er sich.
    »Ich heiße Fajrokoro«, stellte Caillou sich auf Rakshanisch vor. Der Name bedeutete Feuerherz. Wie alle Lotos beherrschte er die beiden Weltsprachen in allen Dialekten und zudem Demonai. »Grüße auch von mir zu dir.«
    »Eskir Kilat«, stellte sich nun auch der Rakshaner vor.
    ›Eskir der Blitz‹, übersetzte Caillou gedanklich. Die meisten Rakshaner trugen bildhafte Namen.
    »Wohin führt dich dein Weg?«, erkundigte Eskir sich. »In diese Richtung erwarten dich Gefangenschaft und Tod. Besser, du kehrst um.«
    »Die Richtung stimmt. Ich möchte zu deinem Tarrik.«
    »Khawa Steppensturm empfängt keine almanischen Gäste«, antwortete Eskir bedauernd und es wirkte tatsächlich so, als ob es ihm aufrichtig leid tat und er sich für die nicht erwiesene Gastfreundschaft schämte.
    »Es wäre zu unser beider Vorteil, wenn er es würde. Wir beide dienen dem selben Gott«, informierte Caillou ernst.
    Eskir starrte wie vom Donner gerührt an. »Ich diene Rakshor nicht.«
    »Äh, was?«, fragte Caillou verwundert. »Und Khawa?«
    »Kein Rakshaner dient Rakshor. Rakshor verabscheut Sklaverei. Weißt du denn nicht, dass er selbst einst Sklave der Tamjid war, ehe er sich und uns alle befreite und sich zur Göttlichkeit erhob? Wir ehren ihn, ja, aber wir sind nicht seine Diener.«
    »Wieder was gelernt, Rakshor dient man nicht, man ehrt ihn«, sinnierte Caillou. »Wir wissen wenig über euch. Ich hatte mich extra belesen und mache scheinbar trotzdem alles falsch. Bringst du mich nun zu Khawa? Ich habe einen ganzen Rucksack voller Geschenke für ihn.«
    »Das wird ihn nicht überzeugen. Es kann sein, dass er dich nicht mehr gehen lässt, wenn du den Standort unseres Zeltdorfes gefunden hast.«
    »Töten lassen wird er mich nicht?«
    Eskir zuckte mit den Schultern. »Wenn die Hyänen Hunger haben oder er die Geschenke haben will, ohne mit dir reden zu müssen, dann vielleicht. Ich sagte ja, kehre besser wieder um. Aber ich kann dich ja nicht zwingen.«
    »Das Risiko ist es mir wert. Ich denke, nach einem kurzen Gespräch wird er seine Meinung ändern.«
    »Das kann schon sein«, gab Eskir freimütig zu. »Aber in deinem Rucksack könnte sich alles Mögliche befinden, darum empfängt er eigentlich keine Boten in seinem Zeltlager und schon gar nicht persönlich. Höchstens außerhalb durch einen Sprecher. Du könntest zum Beispiel die Köpfe von Pestkranken mit dir tragen, um uns alle anzustecken. Alles schon erlebt und selber ausprobiert. Auf die Weise haben wir Festung Eyshamary geknackt. Aber wenn es dir so wichtig ist ... lass mich mal nachsehen. Dann schaue ich, ob ich ein gutes Wort für dich einlegen kann.«
    Vermutlich wollte der Kerl vielmehr prüfen, ob der Inhalt für ihn selbst lohnenswertes Diebesgut war. Andererseits hatte Caillou keine wirkliche Wahl, wenn er sein Vorhaben wie geplant umsetzen wollte. So setzte er den Rucksack ab und öffnete ihn. Eskir durchwühlte das Hauptfach und alle Seitentaschen. Anschließend tastete er Caillou ab und überprüfte seine Kleidung. Kurz darauf zog er ein mechanisches Feuerzeug aus Caillous Hosentasche und schaute es sich interessiert an.
    »Das ist nur ein Feuerzeug, kein Mordinstrument«, antwortete Caillou, doch der Rakshaner spielte damit herum und testete, wie es funktionierte.
    »Khawa kann dich nicht empfangen«, bekräftigte Eskir und ließ die kleine Flamme einige Male hervorzüngeln. Er wollte das Feuerzeug als Wegezoll.
    »Du kannst das Feuerzeug behalten, ich habe noch ein zweites«, sprach Caillou daher freundlich.
    »Vielleicht hat Khawa doch Zeit für dich«, antwortete Eskir und ließ das Feuerzeug in einem kleinen ledernen Gürtelbeutel verschwinden. »Folge mir. Khawa soll sich einfach selber anschauen, ob er deine Geschenke möchte.«
    Caillou folgte Eskir, der mit seiner Hyäne voran trottete, durch die Steppe. Nach zwei weiteren Stunden erreichten sie das Zeltlager. Die Zelte hatten nicht die Dachform, wie sie souvagnischen Zelten eigen waren, sondern waren halbkugelförmig und ziemlich unordentlich und verstaubt. Einige verschwanden zur Hälfte unter Sand und Gras, das darüber wuchs. Sie standen hier wohl schon eine Weile. Während in einem souvagnischen Feldlager alle Zelte in Reih und Glied standen, waren diese hier alle durcheinander und jedes sah anders aus.
    Die Hyänen keckerten und schnupperten in Caillous Richtung. Wenn ein solches Tier auf einen unbewaffneten Mann losging, hatte dieser keine Chance. Und Caillou roch fremd, nach Eindringling. Eskir schickte sein eigenes Tier nun fort und führte den Gast die Trampelpfade entlang, die sich gebildet hatten. Die frei laufenden Hyänen mussten von ihren Besitzern scharf zurechtgewiesen werden, damit sie Abstand zu ihm hielten und manche wurden nun mit Erdankern festgepflockt, da sie nicht hören wollten. Diese Hyänen waren aggressiver als jene auf dem Markt. Es waren reine Kampfhyänen, die nicht in einem Zeltlager mit herumlaufenden Kindern leben konnten. Ihre Mäuler waren so groß, dass Caillous Kopf mühelos hineingepasst hätte und die Zähne so groß und dick wie angespitzte Kerzen. Während diese Tiere in Souvagne bestenfalls in einem Bestiarium bewundert werden konnten, da sie als unzähmbar galten, lebten die Rakshaner mit ihnen, als seien es nur zu groß geratene Hunde. Caillou wurde zu einem Lagerfeuer geführt, wo sich nach einer Weile des Wartens der Anführer des Trupps einfand.
    Die Gruppe, mit der er sich näherte, trug allesamt verschiedenfarbige Turbane mit Gesichtsschleier und dazu Lendenschurze aus Fell, die bis zu den Knien reichten. Hals und Oberarme waren mit Ketten geschmückt, an denen bisweilen merkwürdige Gegenstände als Schmuckstücke hingen. Einer hatte sich abwechselnd Muttern und Abstandhalter für Schrauben aufgefädelt, ein weiterer lauter erbeutete Ohrringe, ein noch minderjähriger Junge trug eine getrocknete Kröte um den Hals, die offenbar als Zwischenmahlzeit dort hing, denn sie war angeknabbert. Einige Ketten waren aber auch hübsch und aus bemalten Knochenperlen gefertigt.
    Khawa Steppensturm unterschied sich optisch kaum von seinen Männern. Er trug eine Kette aus dunklen Raubtierkrallen, vermutlich von Riesenhyänen stammend, die sich einmal locker um das Halsstück seines Turbans zog und bis auf Schultern und Brust reichte. Auch um die muskulösen Oberarme trug er mit Krallen verzierte Lederbänder gewickelt. Seine Haut war gleichmäßig hellbraun getönt und seine Augen genau so hell. Wimpern und Brauen waren ebenfalls braun. Es war ersichtlich, warum man ihn Khawa nannte - Kaffee. Er warf Eskir einen durchdringenden Blick zu, war aber zu anständig, dessen Handlung vor dem Fremden zu kritisieren.
    »Ich habe unseren Gast Fajrokoro durchsucht, Khawa«, erklärte Eskir entschuldigend. Dafür, dass er hier mit dem Anführer eines berüchtigten Plündertrupps sprach, klang der Tonfall sehr vertraut, fast flapsig. Caillou gefiel das. Auch freute er sich darüber, dass Eskir ihn als Gast bezeichnet hatte und somit darauf verwies, dass er ihn nicht als Gefangenen hergebracht hatte.
    »Ich trage einen Rucksack mit Flüssigem Feuer auf meinem Rücken«, sprach Caillou an Khawa gewandt. »Geschenke für Euch, Khawa Steppensturm, dem sein Name vorauseilt.« Er verneigte sich so tief es der Rucksack erlaubte.
    Khawa beachtete ihn nicht, sondern wandte sich wieder an Eskir. »Du hast sein Gepäck und seine Kleidung durchsucht?«
    »Die Durchsuchung war vollständig, es ist alles in Ordnung. Er hat auch keine Pestbeulen und keine Pocken oder Blattern.«
    Khawa nickte knapp. Erst jetzt sprach er mit Caillou persönlich. »Warum bringst du mir Geschenke, Fajrokoro und warum trägst du einen rakshanischen Namen? Und hör auf, mich mit Ihr anzusprechen. Ich bin offensichtlich keine Gestalt aus zusammengewachsenen Zwillingen, sondern nur eine einzige Person.«
    Als Caillou sich in der Absicht, sich zu entschuldigen, erneut verneigte, erhielt er gleich den nächsten Anraunzer.
    »Und hör auf, Eskir dauernd deinen Arsch zu zeigen.«
    Caillou beschloss, dass es am besten war, einfach stehen zu bleiben und auf weitere Gesten zu verzichten. »Verzeihung, es ist in meinem Land üblich, sich zu verneigen, wenn man sich gegenüber einem Vorgesetzten entschuldigt und war nicht als Beleidigung gedacht. Es kommt nicht wieder vor. Ich komme zu dir, weil ich fühle, dass meine Seele rakshanisch ist. Mein eigenes Volk ist mir fremd. Die Rakshaner auf der Kirmes haben mir Rakshor nahegebracht. Ich wusste sofort, das ist mein Gott und mein Volk. Und darum bin ich hier.«
    »Für einen Rakshaner hast du ziemlich souvagnische Manieren.« So wie Khawa das sagte, war das kein Kompliment. »Aber unser Volk steht jedem offen. Wir weisen niemanden ab, denn Rakshors Funke schlummert nicht nur in den Menschen aus unserem Land. Rakshor selbst war ein Mischling aus Tamjid und Almane. Das Chaos kann in jedem schlummern. Hierauf kommt es an.« Als Khawa auf sein Herz tippte und damit unbeabsichtigt die selbe Geste verwendete, wie Caillou sie oft nutzte, wusste dieser, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. »Du musst allerdings beweisen, dass es dir ernst ist. Entweder durch Heirat oder durch deine Taten als Krieger an unserer Seite. Du musst das Blut deines eigenen Volkes vergießen, damit wir sehen, dass du uns keine Lügen erzählst. Wenn du nur heiraten willst, stehen die Chancen allerdings auch gut. Eine Frau, die eine Weißhaut in ihrem Harem hält, genießt Ansehen und du hast sogar grüne Augen. Zwar nicht blau, aber grüne sind auch sehr selten hier. Frisches Blut hat noch keinem Volk geschadet. Almanen sind bei einigen von unseren Frauen sehr beliebt.«
    Unter seinem Schleier grinste Caillou gequält. Dass bei den Rakshanern die Frauen sich die Männer erwählten und ganze Harems hielten, wenn es ihnen möglich war, davon hatte er schon gehört. Viele Männer bedeutete, viele Plünderer in der Familie zu haben, um die Versorgung sicherzustellen. »Eure Frauen sind sicher wunderschön. Ich möchte mich allerdings lieber als Krieger beweisen. Bitte sieh dir meine Geschenke an.«
    »Unsere Frauen sind nicht nur schön, sie sind auch klug und geschickt. Doch nicht jedem ist der Weg als Mann eines Harems beschert. Und der Weg des Kriegers ist zweifelsohne ebenso nützlich.«
    Khawa nickte Eskir zu. Der half dem Gast nun, seinen schweren Rucksack abzusetzen und öffnete ihn für seinen Anführer. Als Eskir die Schnüre löst und der Rucksack auseinander sank, kamen lauter volle Glasflaschen zum Vorschein, in denen eine transparente Flüssigkeit schwamm, die auf den ersten Blick wie Wasser aussah.
    Khawa lächelte spöttisch. »Das ist nicht dein Ernst, Fajrokoro. Das mag bei Waldalben funktionieren oder bei Arashi. Dass du mir hochprozentigen Alkohol wie einem Idioten als ›Feuerwasser‹ unterzujubeln versuchst, fasse ich als Beleidigung auf. Mir sind die Tücken von Schnaps bekannt, ich lasse mich nicht abfüllen und dann zu Dummheiten hinreißen. Pack deinen Rucksack und verschwinde, bevor ich dir deine Flaschen geöffnet in den Hintern stopfe.«
    Caillou schüttelte den Kopf. »Du missverstehst mich, aber ich hatte ja auch noch gar nichts weiter dazu gesagt. Ich habe nicht gelogen, als ich sagte, dass ich auf eurer Seite stehe. Euch abzufüllen ist nicht der Sinn meines Geschenks. Erlaubst du mir, den wahren Zweck zu demonstrieren?«
    Khawa überlegte kurz, dann nickte er.
    Caillou zog eine der Flaschen hervor. »Dann bitte ich alle, ein paar Schritte zurückzutreten und den Kreis zu erweitern.« Während die Rakshaner der Bitte nachkamen, entkorkte Caillou die Flasche, tränkte einen Stoffstreifen mit Alkohol und stopfte ihn in die Öffnung. Dann entzündete er ihn und hielt die brennende Flasche über seinen Kopf empor.
    »Eine Lampe«, stellte der Junge mit dem Frosch um den Hals erfreut fest. »So was wie eine Fettlampe, nur mit Schnaps! Das ist hübsch!«
    Caillou aber schleuderte die Flasche inmitten der Feuerstelle, wo sie an einem Stein zerbarst. Ein Brüllen erklang aus den Flammen und das Feuer blähte sich zu einem lodernden Ball auf, der eine Hitzewand in alle Richtungen schob. Einige der Rakshaner fielen nach hinten auf das Gesäß, doch da zog sich der Feuerball schon wieder zusammen.
    »Feuerwasser«, wiederholte Caillou.
    Khawa, der noch auf den Füßen stand, starrte fasziniert in das Lagerfeuer, das wieder unschuldig vor sich hin flackerte. Schnapsbrennerei beherrschten die Rakshaner so wenig wie das Keltern von Wein oder das Brauen von Bier. Ihr einziges alkoholhaltiges Getränk bestand aus vergorener Milch. Dieser Trick, der für einen Souvagner so einfach war, machte auf Khawa großen Eindruck.
    »Das Feuerwasser macht seinem Namen alle Ehre«, sprach Khawa. »Ich wusste nicht, dass es tatsächlich brennen kann. Ich habe mich in dir getäuscht. Das ist ein gutes Geschenk.« Er nickte anerkennend. »Aber es genügt nicht, um zu beweisen, dass du wahrhaftig ein Jünger des Rakshor bist.«
    »Nein«, bestätigte Caillou und zog ein zusammengefaltetes Papier aus einer Seitentasche. »Darum sind aller guten Dinge drei. Hier ist Nummer zwei für dich.«
    Er hielt Papier in Khawas Richtung. Nach kurzem Zögern nahm der Rakshaner ihm das Papier aus den Händen. Khawa faltete es gerade auseinander und starrte darauf. Er starrte so lange, dass Caillou sich fragte, ob er überhaupt erkannte, was das war, oder ob er es für ein abstraktes Gemälde hielt.
    »Es ist eine Detailkarte der nördlichen Lehen von Souvagne«, erklärte Caillou daher. »Das Lehen vom Comte de la Cantillion, aus dessen Haus auch Massimo de la Cantillion stammt, der euch das Leben hier schwer macht. Ein harter Brocken ist dieser Mann, ein erbitterter Streiter Ainuwars. Doch was nützt ihm alle Tapferkeit, wenn List und Tücke seine Gegner sind? Das Lehen seiner Familie schließt die beiden Chevalier-Lehen Brisay und Dupont ein. Insbesondere die Topografie von Dupont, das genau an der Grenze liegt, dürfte für dich von Interesse sein.«
    Khawa antwortete noch immer nicht, da er auf die Karte starrte, als wolle er sie auswendig lernen. Wahrscheinlich spielte er gerade gedanklich verschiedene taktische Möglichkeiten durch, die sich aus dem, was er sah, ergaben.
    »Was ist ein Lehen?«, fragte er, ohne aufzusehen.
    »Äh, ein Verwaltungsbezirk. Souvagne ist untergliedert, damit jeder weiß, für welches Stück Land er zuständig ist.«
    Khawa nickte, sah allerdings nicht aus, als ob er das wirklich begriffen hatte.
    »Und einen letzten Beweis werde ich erbringen, damit du siehst, wie ernst es mir ist«, sprach Caillou feierlich. »Ich persönlich werde teilhaben an eurem nächsten Raubüberfall, wenn du es gestattest. Nun bin ich zwar weder ein ausgebildeter Krieger noch ein Hyänenreiter, doch ich werde euch anderweitig unterstützen. Wenn es etwas gibt, mit dem ich mich auskenne, dann ist es Feuer. Ich führe die Flammen wie andere das Schwert. Ich werde mithilfe der gefüllten Flaschen das Feuer so legen, dass es euer mächtigster Verbündeter wird. Gewähre mir diese eine Gelegenheit, meine Treue unter Beweis zu stellen und dein Trupp wird reich beladen mit Beute wieder heimkehren. Doch am wichtigsten ist, dass ihr am Ende um einen machtvollen Verbündeten reicher seid. Ich kann nicht immer hier bei euch in der Steppe bleiben. Doch wenn ihr mir vertraut, so werde ich euch von Souvagne aus mit allen Informationen, die ich beschaffen kann, unterstützen und wann immer möglich, auch mit der Macht der Flammen.«
    Khawa sah von der Karte auf und musterte ihn durchdringend aus seinen braunen Augen. Lange überlegte er diesmal, ehe er seine Entscheidung fällte.
    »Du wirst unser Lager bis dahin nicht verlassen«, befahl der Rakshaner. »Damit ich sichergehen kann, dass du keine Dummheiten begehst. Wir beide planen gemeinsam den nächsten Ausflug über die souvagnische Grenze. Ich höre mir an, was du zu diesem Landstrich zu sagen hast und ich erkläre dir, wie ich mir den Überfall mithilfe der Karte und deinen Feuerkünsten vorstelle. Im Kampf werden wir sehen, ob du wirklich das Blut deiner ehemaligen Brüder zu vergießen bereit bist. Bin ich nach dem Überfall mit deiner Arbeit zufrieden, ist dir mein Dank gewiss und wir sprechen über eine weitere Zusammenarbeit. Wenn nicht, schneide ich dir eigenhändig die Kehle durch.«
    »Nicht nur zufrieden ... du wirst begeistert sein«, versprach Caillou mit glühenden Wangen. »Mein Leben lege ich hiermit in deine Hände, Khawa Steppensturm.«
    Dessen Gesicht wirkte zufrieden, als er die Karte zusammenfaltete und einsteckte. Er blickte nun etwas freundlicher drein. »Damit ist es vereinbart. Such dir einen Platz in unserem Kreis, Fajrokoro, und trink mit uns einen Mokka.«

    Caillou Langeron
    Der vereinbarte Treffpunkt war die Kneipe zum Wabbligen Walter. Man trat auf der Straßenseite durch das Gebäude hindurch und wenn man aus dem Hinterausgang trat, gelangte man auf die hölzerne Veranda. Überdacht von einem Holzgitter mit Weinranken konnte man hier das ruhige Panorama des Flusses genießen, mit Blick auf die Auen und das gegenüberliegende Ufer. Es war eine billige Fischkneipe im Stadtzentrum, doch es ließ sich hier gemütlich sitzen, weshalb sie sich in den unteren Bevölkerungsschichten rund um die Uhr besonderer Beliebtheit erfreute. Caillou kam absichtlich um mehr als zwei Stunden zu spät. Er sah es gar nicht ein, warum er sich für die anderen beeilen sollte, genau so wenig wie er es für notwendig hielt, sich zu rasieren, das Haar zu kämmen oder zu waschen. Er war schließlich kein Bittsteller. Als er die Kneipe betrat, wusste er, dass der Duc von endlos vielen verborgenen Wächtern geschützt werden würde, völlig egal, ob er vorgab, sich tatsächlich zu einem vertraulichen Gespräch verabredet zu haben. Caillou konnte diese Absicherung nicht vorweisen, doch er wäre kein Lotos geworden, wüsste er sich nicht auf andere Weise zu helfen. Er vermutete, dass Maximilien draußen auf der Veranda zu finden sein würde und wenn nicht, so würde er dort noch gemütlich eine rauchen. Während er in seinem Tabakbeutel kramte, trat er durch den Hinterausgang hinaus. Seine Sinne waren jedoch hellwach.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Auf den ersten Blick wirkte alles ganz normal, die Gäste vom Wabbligen Walter unterhielten sich angeregt, jeder saß vor seinem Bier oder widmete sich seinem Essen und möglichen Begleitern. Der einzige extrem auffällige Gast war ein feuerroter Tiefling, der seinen breitkrämpigen Hut neben sich auf einen anderen Stuhl gelegt hatte und an einem Wein nippte. In einer Ecke erkannte Caillou den Duc in der Begleitung seines Leibdieners und eines Himmelsauges. Bei dem Himmelsauge war klar, dass er sich nicht nur auf die Magie verließ, was seine Statur und seine Narben anging. Der Mann fixierte Caillou und zog fragend eine Augenbraue hoch.


    Caillou Langeron
    In seinen heruntergekommenen, wild zusammengewürfelten Kleidern hätte Caillou gut nach Naridien oder Obenza gepasst. Er sah aus wie ein Penner und roch auch so. Er setzte sich auf das Geländer, wobei er ein Bein herunterhängen ließ und auf der Ferse des anderen hockte, drehte sich eine Rauchstange und zündete sie an. Der Duc war es, der etwas von ihm wollte. Caillou würde ihm nicht den Hof machen. Wenn der Kerl nicht von seinem hohen Ross herunterzusteigen gedachte, würde Caillou wieder gehen und dann ... ja, mal schauen. Je nachdem, wie er sich fühlte. Er ließ Rauchschwaden zwischen seinen Zähnen und aus der Nase hervorsteigen und blickte auf die gegenüberliegenden Häuser.


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    Das Himmelsauge legte leicht den Kopf schief, eine Sekunde später spürte Caillou wie so dicht jemand hinter ihm stand, dass er dessen heißen Atem auf seinem Nacken spürte. »Du wirst erwartet, also beweg Dich rüber, sonst endet das hier bevor es begann«, sagte ein Mann hinter ihm, während Jules Caillou das flascheste freundlichste Lächeln schenkte zu dem er im Stande war. Der Duc musterte Caillou ebenso, aber an seinem Gesicht war nicht abzulesen was er dachte. Sein Leibdiener schaute nun ebenfalls in seine Richtung und flüsterte Maximilien etwas ins Ohr, ohne das der Duc darauf antwortete oder die Miene verzog. »Geh«, sagte der Mann hinter Caillou.


    Caillou Langeron
    »Freundchen, überleg dir deinen Tonfall«, antwortete Caillou und als einer der ganz wenigen war er in der Lage, einem Himmelsauge ohne Furcht vor magischen Angriffen direkt in die Augen sehen zu können, wovon er nun Gebrauch machte. »Ich bin nicht hier, um zu kriechen, sondern weil Menschen sterben werden, wenn du und die anderen da mich nicht so behandeln, wie ich das erwarte. Ich habe vorgesorgt. Wir haben drei Stunden Zeit. Wenn ich bis dahin nicht wieder meiner Wege gehen kann, macht ihr euch ziemlich unglücklich.« Er drängte sich an dem Himmelsauge vorbei, wobei er es mit der Schulter streifte, ehe er sich in etwas Abstand gegenüber von Maximilien setzte. So nah war er dem Duc seit seiner Vereidigung nicht mehr gewesen. »Meine Bedingungen. Erstens. Timothee, sofern er hier in der Kneipe ist, hat sich bis auf mindestens zwei Kilometer Distanz zu entfernen. Zweitens. Maximal drei Stunden Zeit, danach gehe ich unbehelligt und unverfolgt meiner Wege. Drittens, meine vollständige Begnadigung und Rehabilitierung von all meinen Taten. Dafür bin ich bereit, den Thronerben von Ehveros zu offenbaren. Und vielleicht noch einige andere Dinge.« Er rauchte weiter, wobei der den Duc aufmerksam musterte.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Das Himmelsauge funkelte Caillou an, ließ ihn aber auf Jules nonverbalen Befehl hin seiner Wege ziehen, denn sie wollten schließlich verhandeln und nicht sich in kleinkarrierten Minimachtkämpfen das Leben zum Abgrund machen. Maximilien beobachtete Caillou derweil, wie er kurz mit dem Himmelsauge sprach und sich dann zu ihm gesellte. Ohne ein Wort des Grußes fing der seltsame Bursche die Verhandlung an. Max ignorierte das pubertäre Verhalten des kleinen Feuerteufels, er hatte drei Söhne, es brauchte schon mehr um ihn aus der Fassung zu bringen. »Hallo Caillou, schön dass Du es doch noch einrichten konntest. Deine Bitten haben wir vernommen und kommen auch unverzüglich auf den Punkt. Deine persönlichen Dispute mit Timothee sind für uns nicht von Belang. Diese klärst Du bitte in eigener Zuständigkeit. Für uns bist Du zur Zeit Ansprechpartner, Timothee stellte lediglich den Kontakt her. Dein Zeitgefühl mag Dich trügen junger Caillou, aber wir haben noch eine Stunde, zwei davon hast Du nutzlos verstreichen lassen. Für unser Dafürhalten ist es schon bedauerlich wie wenig Wert so manch eine Person wie unter anderem Du auf Ihr persönliches Wohlbefinden oder gar Überleben legt, aber sei es drum. Dein Drittens wird interessant. Bevor wir genau dazu kommen können erwarten wir zu erfahren, von welchen Taten Du genau begnadigt werden möchtest. Dies hier ist eine Verhandlung auf Gegenseitigkeit. Nicht wir sind Bittsteller auch nicht Du, unsere Personen erhoffen sich etwas voneinander. Gibst Du nichts, werden wir nichts geben. Und das Du dann noch unbehelligt Deiner Wege ziehen kannst, wird ad acta gelegt. Das dürfte Dir klar sein. Also etwas mehr Respekt Caillou, Dir wäre sicher sehr unwohl wenn wir unseren völlig ablegen, glaube es uns. Wir hören, was sind die Anklagepunkte die gegen Dich vorliegen. Was hast Du verbrochen? Gestehe Deine Taten, von denen wir Dich freisprechen sollen. Und erkläre uns, weshalb Du einen Freispruch wünscht. Dies muss schließlich eine Bewandnis haben. Ansonsten hätte sich jemand wie Du nach Naridien absetzen können, passend gekleidet bist Du schon und der Hauch der naridischen Unzulänglichkeit umweht Dich auch wie ein Anti-Parfüm«, schmunzelte der Duc freundlich.


    Caillou Langeron
    »Brandstiftung, allesamt. Es ist nicht wichtig, wie oft ich wann und wo die Flammen entfesselt habe. Eine Entfesselung allein würde bereits meinen Tod bedeuten. Ich bin hier, weil ich wieder nach Souvagne einreisen und durch die Straßen der Städte gehen will, wie es mir beliebt, ohne darum fürchten zu müssen, dass ich auf dem Scheiterhaufen lande. Wann ich dereinst sterben sollte, muss meine eigene Entscheidung sein, wenn ich schon die ersten Jahre meines Lebens an den ganzen Scheiß hier verlor. Wie mein Leben begann, lag nicht in meiner Hand. Aber das Ende wird es.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien hörte Caillou zu und musterte ihn genau. »Wir fragen uns weshalb Du den Scheiterhaufen fürchtest, wenn Du das Feuer so liebst. Du würdest doch letztendlich in Deinem Element aufgehen. Ob etwas relevant ist, entscheiden wir. Was sollte uns dazu veranlassen so eine Person wie Dich weiter in Souvagne herumstreifen zu lassen? Es gibt beileibe bessere, ehrliche und treuere Untertanen die sich nichts zu Schulden kommen ließen, die gleiches verdient hätten aber durch Deine Hand starben. Was sollte Dich so außergewöhnlich machen, dass man Dich von Deinen Schandtaten lossagt und Dir Absolution erteilt? Das Wissen um einen Thronerben eines fremden Landes? Das alleine reicht nicht aus uns zu überzeugen. Nun es ist allerdings richtig, dass der Beginn Deines Lebens nicht in Deiner Hand lag. Aber niemand von uns kann sich aussuchen, wann, ob und als was er geboren wird. Wie wir sterben können wir uns ebenso wenig aussuchen, nur wie wir leben wollen in gewissen Grenzen. Aber wir sind nicht hier um das Leben an sich in philosophischen Ergüssen zu ergründen. Und Deine Beweggründe werden nicht diese Tiefe haben. Wir vermuten keinen tiefen Ozean hinter Deinem Wunsch, ehr eine flache Pfütze der Egozentrik. Also was begehrt Dein kleines Egomanen-Herz oder wen, dass Du Deinen Hals aus der Schlinge ziehen möchtest? Caillou spiele mit den Kameraden Deiner Kragenweite und Deines Alters, unsere Geduld ist endlich«, sagte der Duc.


    Caillou Langeron
    Caillou sah Maximilien in die Augen und verzog das Gesicht in gespieltem Bedauern. »Mein lieber Max. Deine Zunge ist scharf wie ein Schwert, doch dein Tellerrand hat das Ausmaß eines Hexenkessels. Du hinterfragst erschreckend wenig für ein Mann deines Amtes. Strenge deinen Kopf an. Wiederhole deine eigenen Worte und überlege, ob das, was du da so ironisch fragtest, nicht vielleicht tatsächlich der Wahrheit entsprechen könnte.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Max schmunzelte. »Nun unsere Zunge ist momentan noch völlig harmlos, dass versichere ich Dir. Denn wir gebrauchen sie noch. Bedauerlich für Dich wäre es, würden wir einen einzigen Befehl geben. Aber sei unbesorgt, noch haben wir nicht die Absicht davon Gebrauch zu machen, Du bist auf irritierende und belustigende Weise unterhaltsam. Nun unsere Person hinterfragt wenig, da es für uns kaum etwas zu hinterfragen gibt, außer jene Informationen die uns nicht vorliegen. Das zeigt doch wie wunderbar informiert wir sind nicht wahr? Wir sollen also für bare Münze nehmen, dass das was wir sarkastisch negierten tatsächlich der Wahrheit entsprach. Nungut, wem gehört Dein Herz?«, hakte Max nach.


    Caillou Langeron
    »Zwei Menschen und keiner von beiden hat eine Hinrichtung verdient, ganz im Gegensatz zu mir«, antwortete Caillou. »Keine deiner Todesdrohungen machen mir Angst. Für mich ist der Scheiterhaufen das anvisierte Ende. Nicht heute, nicht hier, aber irgendwann, durch eigene Hand. Aber ich will allein in die Flammen treten und keinen von ihnen mit mir nehmen.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Eine ehrliche Selbstsicht, nun wir hören. Wenn diese beiden Personen unschuldig sind, werden sie auch nicht behelligt. Weshalb sollten wir sie zum Tode verurteilen? Es ist keine Straftat geliebt zu werden. Wir bedrohten Dich nicht mit dem Tode, wir hielten einen Fakt fest. Aber lassen wir diese Erläuterungen. Du liebst zwei Personen, Du möchtest sie nicht in Deine Verbrechen hineinziehen und Du möchtest selbst entscheiden, wann Dein Ende gekommen ist. Nungut, rede weiter. Weshalb möchtest Du in Souvagne bleiben? Aufgrund dieser beiden Personen? Benenne sie uns und beschreibe sie uns, was sie außergewöhnlich macht. Wir möchten Deine Sichtweise auf sie hören. Den beiden geschieht nichts, unser Wort darauf«, erklärte Max.


    Caillou Langeron
    »Das Gesetz sieht ihren Tod vor, so wie meinen, da sie von meinen Taten wussten und darüber schwiegen«, gab Caillou zu bedenken. »Sie wussten alles, fanden es furchtbar, doch waren machtlos. Sie konnten mich nicht aufhalten und ihr Schweigen war mein Garant, zu überleben. Dein Wort, sie trotzdem zu verschonen, bevor ich weiterspreche.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Max neigte leicht den Kopf. »Nur Verschweigen ist Mittäterschaft, aber manchmal ist es auch einfach Hilflosigkeit der Liebe. Wir gaben Dir die Versicherung bereits, aber um des Friedens Willen - keinen der beiden wird ein Leid geschehen. Wir sprechen sie von der Mittäterschaft frei. Du kannst frei über sie sprechen, Du hast unser Wort. Unser Wort ist Gesetz Caillou«, antwortete Max.


    Caillou Langeron
    »Mein Zwillingsbruder Camille und mein Ehemann Pascal Langeron. Sie sind der Grund dafür, warum ich zurückgekehrt bin und meine Absolution erreichen wollte. Das ist nun hinfällig, wenn sie ohnehin von der Mittäterschaft freigesprochen werden. Es gibt aber noch einen anderen Grund. Piep, piep.« Er schaute einmal um sich. »Meine Sichtweise auf die zwei. Ich mache es kurz: Wo ich das Herz bin, ist Camille die Vernunft. Wenn ich der Hass bin, ist Pascal die Liebe. Warum interessiert dich das?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Max schüttelte den Kopf. »Warum? Nun damit wir uns ein Bild von Dir als Person machen können. Wir werten alles, das heißt alles was für und gegen Dich spricht Caillou. Kein Souvagner ist rein gut oder rein böse. Jede noch so gute Person hat ihre heimlichen Schwächen und Unzulänglichkeiten. Und selbst der grausigste Massenmörder hat ein letztes gutes Viertel und wenn er kleine Welpen aus der Gosse rettet. Kein Wesen ist rein schwarz oder weiß und genau dies zu sehen, ist Aufgabe eines Duc. Hinter die Maske zu blicken, die jeder Souvagner trägt, gleichgültig ob bewusst oder unbewusst. Nicht nur die Tat, sondern auch der Grund ist ausschlaggebend. Ein Beispiel - ein Mann tötet ein Kind. Man würde sagen er ist ein Mörder. Das ist bis dato richtig. Und seine Tat ist zu verdammen. Was ist, wenn das Kind derart krank war, dass es sich grausam in den Tod quälte. Ist er nun immer noch ein grausamer Mörder oder ein liebender Vater? Wenn er es aber tat um an das Erbe des Kindes zu kommen, was ist er dann? Ein einfacher Mörder oder ein widerwärtiger Erbschleicher? Und was ist, wenn dieser Mann gar nicht der Vater war, sondern von jemanden beauftragt wurde und mit dem Kind persönlich nichts zu tun hat? Was ist er dann? Wertet man es als neutralen Mord - aber Mord? Wertet man seine Persönlichkeit als kaltblütigen Geschäftsmann? Oder wertet man ihn als Dreck der sich für so etwas hergibt, wofür andere selbst zu feige sind? Du siehst, die gleiche Tat kann tausend verschiedene Hintergründe haben die für oder gegen eine Person sprechen Caillou. Und darum interessiert uns genau das«, antwortete Max.


    Caillou Langeron
    »Es spricht für dich, dass du dich darum mühst, in mir irgendetwas Gutes zu finden, aber abgesehen davon, dass ich ein treuer Anhänger Rakshors bin und durchaus zu Liebe fähig, ist da nicht viel. Das ist das Schicksal von unsereins.« Caillou lächelte freudlos. Seine vorherige Andeutung hatte Maximilien nicht verstanden oder bewusst überhört. Caillou wagte jedoch nicht, in Gegenwart all der Zuhörer noch deutlicher zu werden.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Ein treuer Anhänger Rakshors? Seltsam, was gibt Dir dieser Gott? Außer dass er das Chaos gutheißt, da er selbst nicht zu Ordnung in der Lage ist? Möchtest Du wirklich seinen Lehren folgen? Hast Du gesehen wie seine Anhänger leben? Seine Freiheit Caillou ist die Freiheit des bettelarmen Mannes. Du wärst frei von allem, Du würdest im Dreck unter offenem Himmel schlafen. Du würdest hungern, Du würdest darben und alles wofür um zu leben wie es die Natur plante? Nun Du würdest dann nicht leben wie es die Natur plante, sondern ein wahnsinniger Gott. Die Natur samt Ainuwar schenkten uns den Verstand um ihn zu gebrauchen, um im Zusammenhalt zu leben, sie schenkte uns ebenso den Fleiß. Vielleicht solltest Du in diesem Gott keine Erlösung oder Antwort suchen. Möglicherweise hat dieser Gott nur eines zu bieten, vernichtenden Neid auf all jene die genau dies schufen, was ihm verwehrt blieb. Denn mein lieber Caillou, selbst Dein so geliebtes Feuer folgt den Gesetzen, den Gesetzen der Naturlehre oder etwa nicht? Wer Feuer für pure Zerstörung und Chaos hält, hat wohl noch nie an einem wärmenden Feuer vor dem Kamin gesessen, den Kerzenschein bei einem guten Buch genossen oder eine warme Mahlzeit gespeist. Jegliche Zivilisation beruht auf der Grundlage des Feuers. Das des Verstandes und des tatsächlichen. Nun das Du fähig bist zu lieben, glauben wir Dir. Denn auch Liebe enthält Feuer, ebenso die Leidenschaft. Wir bemühen uns nicht nur für Dich, wir bemühen uns um jeden Souvagner. Aus diesem Grund sind wir hier. Denn auch der fremde Thron samt Thronerbe könnte sich auf Souvagner auswirken. Also sprich«, sagte Max.


    Caillou Langeron
    »Max!« Caillou lachte schallend und breitete seine Arme aus. »Sieh mich an! Meinst du allen Ernstes, ich weiß nicht, was es bedeutet, unter freiem Himmel zu schlafen? Ich habe am Feuer von Khawa Steppensturm gesessen und mit ihm gemeinsam gespeist, als er seinen Namen noch verdiente! Die Rakshaner haben übrigens das Zelt schon erfunden, nur so als kleinen Tipp. Und normalerweise hungern sie auch nicht, sie teilen sich eben ein, was sie haben und wenn sie mehr brauchen, wissen sie es sich zu organisieren oder schlachten ein paar Hyänen. Rakshor gibt uns Freiheit, wo Ainuwar nichts als Mauern kennt. Das ist der Unterschied. Übrigens ... interessierst du dich für Geschichte? Mich hat die Rehabilitierung der Agenten der Autarkie ziemlich nachdenklich gemacht, aber dich scheinbar nicht.« Er sah kurz in Richtung von Maximiliens Begleitern und nickte dann kaum merklich in Richtung Tür, zum Zeichen, dass sie gehen sollten.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien machte eine nicht zu deutende, komplizierte Handgeste ehe er aufstand. Ohne jene Geste hätte Caillou bestenfalls zig Schwerter an der Kehle gehabt, oder man hätte ihn direkt durchbohrt. »Wir werden unter vier Augen mit Caillou sprechen«, erläuterte Max an niemand bestimmten. Er deutete Caillou an vorzugehen, er würde ihm folgen. Fabien schaute Max fast panisch an, wagte aber nicht einen Einwand zu erheben. »Wir folgen Dir, gehe vor«, sagte Max ruhig und legte für Sekunden seinem Leibdiener die Hand auf die Schulter als Beruhigung.


    Caillou Langeron
    Caillou blickte den Leibdiener an. »Ich will nur mit ihm reden. Ich habe nicht vor, ihn abzumurksen. Das würde nichts bewirken, außer, dass der Thronerbe nachrutscht. Ein wenig mehr Verstand darfst du mir zutrauen, Fabien. Ich tu deinem Zuckersternchen nichts.« Er zwinkerte ihm zu. Dann gab er den Weg vor. Er führte Maximilien einen Trampelpfad zwischen Brombeerbüschen entlang, die Böschung hinunter zum Steilufer des Flusses. Etwas weiter unten war ein flaches Stück Strand, wo im Kreis der wilden Dornenhecke eine verborgene Lagerfeuerstelle war. Flaschen verrieten, dass man sich hier abends gern zum Trinken traf. Tagsüber war hier jedoch niemand. Die Brombeerbüsche verhinderten, dass sich jemand aus irgendeiner Richtung unbemerkt nähern konnte und den Pfad hatte Caillou im Blick, als er sich auf einen Baumstamm setzte. »Ich muss sehr vorsichtig sein, denn was immer ich dir sage, ER wird es merken. Du kannst nicht reagieren, ohne dass er auf mich schließt und meine Tat straft, indem er andere an meiner Stelle büßen lässt. Er weiß Dinge von mir, die niemand erfahren soll und umgekehrt verhält es sich bei mir genau so. Für jedes geplatzte Geheimnis wird er eines von meinen platzen lassen. Ich hatte gehofft, du kommst endlich mal von selber drauf, als die Agenten rehabilitiert wurden, aber Pustekuchen.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien schaute sich um, das er nicht so leicht abzumurksen war, durfte schon Parcival feststellen. Aber darum ging es hier nicht, sondern um irgendetwas das zwischen den Zeilen lag und er aus welchem Grund auch immer nicht lesen konnte. Nun möglicherweise konnte Caillou dazu beitragen, den Schleier zu lüften. »Nun dann erleuchte uns mit Deinem Wissen, wir wissen tatsächlich nicht wovon Du gerade sprichst«, antwortete Max ehrlich.


    Caillou Langeron
    »Dann streng deinen Kopf an«, bat Caillou und beugte sich ein wenig vor. »Wiederhole die Kurzfassung. Was geschah am Tag des Sturzes? Wer stürzte da wen?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Max setzte sich in den Sand und dachte angestrengt nach. »Am Tag des Sturzes der Agenten... hmm... Die Agenten der Autarkie wurden von den Himmelsaugen für ihren Verrat an der Krone hingerichtet und zwar alle. Ausnahme ihre Kinder. Es wurde eine Grundreinigung vorgenommen, sozusagen wurde alles auf Stand Null gesetzt wie es bei uns genannt wird. Das heißt es ist niemand mehr übrig, der von den Personen real durch eigene Erlebnisse berichten könnte. Einerseits sind die Kinder noch da, aber ihnen wurde bis dato die Erinnerung geraubt. Das heißt wäre Agentin Erna Dosenbrot hingerichtet worden, hätte es keine Person mehr gegeben, die Erna zu Lebzeiten kannte, da man sie aus den Analen der Weltgeschichte Souvagnes wie ein Geschwür entfernte. Stand Null oder Mut zum scharfen Schnitt genannt, als Befehl. Und was soll das mit Dir zu tun haben? Wir sehen da keinen Zusammenhang, die Kausalität erschließt sich uns nicht. Du warst kein Agent - was Dein Alter schon beweist und Du warst kein Agentensohn«, erklärte Max.


    Caillou Langeron
    »Du sprichst von zwei Konfliktparteien«, erklärte Caillou und hob zwei Finger. »Aber es waren drei vor Ort!« Er klappte einen dritten Finger aus. »Wer war der Schlüssel, dass es zum Sturz der Agenten kam?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Max schüttelte minimal den Kopf. »Das können wir Dir nicht beantworten Caillou zu dieser Zeit war unser Vater noch Duc de Souvagne, wir wissen es nicht«, gestand Max. »Aber ich vermute anhand Deiner Erläuterung, es waren die Lotosse oder einer jener Männer. Dazu müsste ich in den Familienarchiven nachlesen. Allerdings werden solche Dinge nur selten hervorgeholt, meist nur dann wenn die Vergangenheit die Gegenwart beeinflusst oder zur Klärung beiträgt. Kläre uns auf«, bat Max.


    Caillou Langeron
    »Der Schlüssel war ein Lotos unter dem Decknamen Pascal! Er unterwanderte die Agenten der Autarkie. Er belieferte die Himmelsaugen mit allen Informationen, die sie benötigten, damit sie die Agenten besiegen konnten. Er ermittelte die Truppenzusammensetzung, Bewaffnung, bevorzugte Taktik, persönliche Stärken und Schwächen der einzelnen Mitglieder, ausführliche Persönlichkeitsprofile, Einsatzgebiete, Aufträge, Erfolgsquoten. Nicht alles davon leitete er weiter, nur das, was ausreichte, um den Himmelsaugen zum Sieg zu verhelfen. Es war eine der umfangreichsten Ermittlungsarbeiten aller Zeiten und eine der besten, es war eine Meisterleistung. Und scheinbar ist es Pascal trotz seiner entscheidenden Position in dieser Angelegenheit gelungen, sich aus der offiziellen Geschichtsschreibung herauszuhalten, was gut zu ihm passt. Entscheidend ist, dass Pascal letztendlich der Sargnagel der Agenten der Autarkie war. Und jetzt die große Frage. Nachdem die Wahrheit über die Geschehnisse dieser Zeit ans Licht gekommen sind, dass die Agenten unschuldig waren, hast du dich danach je gefragt, auf welcher Seite eigentlich der Orden des Stählernen Lotos stand?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Nein das haben wir uns nie gefragt, da wir weder den stählernen Lotos noch andere Orden mit der Aufklärung des Verrats in Verbindung gebracht haben. Die Orden sollten für sich stehen, jeder darum bemüht zum Schutze und Erhalt der Krone, Souvagnes selbst und des Volkes zu dienen. Aber aus Deiner Beschreibung hören wir, dass es Seiten gab. Und persönlich weiß ich seit einiger Zeit, dass es weder um die Agenten noch um die Himmelsaugen ging, es ging um eine Frau, die die Macht an sich reißen wollte und dazu die Himmelsaugen nutzte. Und zwar über zwei hochrangige Mitglieder. Eines davon später sogar das Ordensoberhaupt der Himmelsaugen, ein anderer ein Doppelagent der die Agenten überwachte und zeitgleich Himmelsauge war. So gesehen könnte man dann schon von Seiten sprechen. Die Seite meiner Mutter versus dem Rest von Souvagne, allen vorran meinem Vater. Denn letztendlich ging es ihr darum, meinen Vater und seine Söhne - einschließlich mich ermorden zu lassen. Meinen Vater und meinen Bruder ließ sie ermorden, es ist ihr und ihren Verschwörern also gelungen. Ich lebe noch. Was möchtest Du mir also sagen? Das Pascal ein Mitverschwörer ist? Das ich mich vor ihm hüten sollte? Oder das er seinen Job so gut machte, dass er keine Erwähnung fand? Erstes wäre beunruhigend, zweites ist Fakt Caillou. Ein Agent spielt die stille Rolle um den Frieden und die Sicherheit zu wahren, die Büttel, Garde und so weiter die offene Rolle. Also was möchtest Du mir sagen? Sprich Klartext«, forderte Max.


    Caillou Langeron
    »Dieser Pascal ist längst tot. Er starb am Tag, als seine Aufgabe ihr Finale fand. Aus Sicht der Agenten war es ein unerhörter Verrat. Aus Sicht der Himmelsaugen gute Zuarbeit. Aus Sicht des Stählernen Lotos eine Meisterleistung. So gut, wie Pascal recherchiert hat, muss er gewusst haben, dass die Agenten unschuldig waren. Die Frage ist, warum er das Wissen nicht an den Duc weitertrug? Dafür gibt es mehrere mögliche Antworten. Hass auf die Agenten? Unwahrscheinlich, wenn du mich fragst, er war zu gut, um sich derart von seinen Emotionen steuern zu lassen. Eine Gegenleistung durch jene, die den Sturz der Agenten in Auftrag gab, ist sehr viel wahrscheinlicher, meinst du nicht auch?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Max dachte über das Gesagte lange nach. »Nun da stimme ich mit Dir völlig überein. Wer so gut ist, hätte auch herausgefunden, was die Agenten ermittelt haben. Und nicht nur das, mit dem Aufdecken des Verrates der Duchesse hätte er zeitgleich die Unschuld der Agenten bewiesen. Sie wurden schließlich des Verrates beschuldigt um den wahren Verrat zu verdecken. Die Frage ist dann, wie Du korrekterweise aufführst, weshalb verschwieg er genau das. Die zweite Frage ist, verschwieg er es, oder trug er es an die Himmelsaugen weiter und sie verschwiegen es? Wobei es wie Du schon sagst, seine Aufgabe gewesen wäre, den Duc persönlich über den Verrat seiner Frau zu informieren. Irgendeinen persönlichen Vorteil wird er daraus gezogen haben, sonst wäre es unsinnig so etwas zu verschweigen. Hass auf die Agenten? Glaube ich nicht. Hass auf meinen Vater aufgrund des eigenen unfreien Lebens als Lotos? Möglich. Aber mein Vater oder ich leben nicht wesentlich freier, auch wenn das so scheinen mag. Persönliche Bereichung - sehr wahrscheinlich, nur in welcher Form? Was bekam er, was ein Lotos begehrt und nicht hat? Mir fällt nur eines ein, aber das gibt es für kein Geld der Welt - eine Seele«, sagte Max sanft.


    Caillou Langeron
    »Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein Antimagier keine Seele hat - nicht alle Lotos sind Antimagier«, rief Caillou in Erinnerung. »Ich bin einer. Ob es Pascal war, weiß ich nicht. Da die Agenten keine Magier waren, wäre es nicht nötig, einen Stumpfen auf sie anzusetzen. Ich vermute viel eher, es geht nicht um das, was die Duchesse ihm als Lotos gewähren konnte - sondern es geht um einen Dienst, der die unteren Schalen betrifft. Ich halte es für keinen Zufall, dass ausgerechnet ein Nachfahre dieses Pascal heute das Oberhaupt unseres Ordens ist. Aber reicht Machtgier von Pascal allein aus als Grund, nach der Pfeife der Duchesse zu tanzen? Nicht bei einem dermaßen fähigen Kopf wie dem von Pascal. Und hier ist der Punkt, wo ich nicht mehr weiterkomme.« Caillou sah Maximilien offen an. »Ich habe den Kampf längst verloren, Max. Ich bin hier, um Schadensbegrenzung zu betreiben.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Es reicht weit weniger aus, glaube mir Caillou. Parcival war ein fähiger Kopf, ein brillianter Stratege, ein exellenter Magier, ein Souvagner mit Herz und dennoch tanzte er nach der Pfeife der Duchesse, weil er in ihrer Hand zum harmlosen und zahnlosen Liebes-Trottel mutierte. Wer behauptet, dass Frauen keine Macht haben irrt. Und weil sie genau jene zerstörerische Macht haben, die uns zu Wachs in ihren Händen machen kann, werden sie niemals weltliche Macht erringen dürfen. Ihr anderer Liebhaber Quennel oder mit weltlichen Namen Corentin la Caille war ebenso machtvoll wie Parcival, aber er war genauso durchtrieben wie die Duchesse. Wer dort von beiden wen ausnutzte, ist die große Frage. Vermutlich nutzten sie sich gegenseitig dermaßen aus, dass man dort keine Grenze ziehen kann. Du meinst er wollte das eines seiner Kinder Oberhaupt des Ordens wird? Wie sagt man so schön? Ich glaube nur an jene Zufälle, die ich selbst arrangiert habe. Du bist hier um Schadensbegrenzung zu betreiben? Dann betreibe sie, rede offen. Was genau denkst Du und was befürchtest Du? Wir sind so allein, wie wir sein können Caillou, mehr als dass und einem offenen Ohr kann ich Dir nicht bieten. Um helfen oder entscheiden zu können benötige ich Infos«, erklärte der Duc.


    Caillou Langeron
    »Ich kann dir nicht sagen, wer Timothèe wirklich ist, aber ich kann dir sagen, dass der Mann mich am Sack hat. Ich frage zu viel, denke zu viel nach und vermutlich in eine Richtung, die ihm nicht schmeckt. Im Orden ist er als Velasco Macault bekannt, aber ich will einen Besen fressen, wenn das alles ist. Pass auf. Als Pascal, der im Orden Soel Macault hießt, fiel, war Velasco aka Timothèe gerade einmal 12 Jahre alt. Sein eigener Tod hatte Pascal einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht, ein Zwölfjähriger kann keinen Orden führen. Darum wurde zunächst Janou Langeron das neue Oberhaupt. Du hörst es an seinem Namen, er war der Vater von meinem Bruder und mir. Nun ist nicht schwer zu erraten, was geschah. Mein Vater starb eines unnatürlichen Todes, und zwar starb er durch einen Großbrand im Hauptquartier des Ordens. Was ist nun die Schlussfolgerung daraus?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Nun ich würde sagen, da sägte jemand am Thron Eures Ordens. Dein Vater ist tot, wärst Du somit Ordensoberhaupt? Oder ist es nun Timo? Aber es erscheint etwas zu offensichtlich, so dass man sich auch hier fragen müsste. Agenten versus Himmelsaugen - der Lotos war die dritte unsichtbare Macht. Macaults versus Langeron - wer ist die dritte unsichtbare Macht?«, hakte Max nach.


    Caillou Langeron
    »Die dritte Macht, das ist jene, die ich nicht identifizieren kann. Ich stecke fest und hier enden meine Recherchen und meine ganze Arbeit. Timothèe hat mir meine Grenzen aufgezeigt und ich komme nicht raus. Großbrand - und schon haben wir einen Schuldigen. Ich bin bekannt dafür, ein Ketzer zu sein, bekannt dafür, die Flammen zu lieben, wobei Liebe ein zu schwaches Wort ist. Tiefe Ehrfurcht, wenn die orange Flammenwand sich hoch in den Nachthimmel türmt. Das spürt man hier.« Er tippte auf sein Herz. »Und nicht zuletzt bin ich bekannt dafür, und daraus habe ich nie einen Hehl gemacht, den Orden und die Krone von Souvagne zu hassen. Ich hasse das ganze Land, mir sind nur leider ein paar Menschen wichtig, die leider hier wohnen und auch nicht dazu zu bringen sind, es zu verlassen. Nicht einmal, wenn Timothèe im selben Land wohnt. Jedenfalls war damals klar, wer den Flammentod von Janou zu verantworten hat. Ich sollte brennen, samt meinem Bruder. Nicht, weil ich automatisch in die Fußstapfen meines Vaters getreten wäre - es geht nicht nach der Blutlinie - sondern weil ich natürlich ahnte, wer dahintersteckte und er mich als potenzielle Bedrohung wahrnahm. Ich könnte Rache schwören. Nur hier hat leider ein anderer Lotos dem guten Timo einen Strich durch die Rechnung gemacht und das nicht einmal mit Absicht - mein Mann.« Caillou grinste. »Denn nachdem Timothèe erfuhr, dass sein Sohn mit mir verheiratet ist, sah er zähneknirschend von meiner Beseitigung ab. Gift und Galle hat er gespien!« Caillou lachte. »Aber so, wie es aussieht, ist meine Schonfrist vorbei oder sein Sohn ist bei ihm in Ungnade gefallen. Er sagte, ich solle mich selbst ans Messer liefern, bevor er nachhilft und hier bin ich.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Max schaute Caillou durchdringend an. »Wenn das den Tatsachen entspricht, habe ich einen Feind der Krone gerade auf den Weg zu einer sehr mächtigen Waffe geschickt... Merde. Gut, nichts was man nicht bereinigen könnte. Frage - weshalb hasst Du uns und dieses Land? Aus welchem Grund? Nur weil Du ein Pyro bist, musst Du nicht jeden Brand gelegt haben. Melville ist ebenso einer oder der Vater von Fabien...«, antwortete Max ruhig, obwohl er sich alles andere als ruhig fühlte.


    Caillou Langeron
    »Ich hasse es, weil hier alles vorherbestimmt ist! Ich hatte keine Kindheit, keine normale Familie! Jeder Atemzug ist hier geregelt. Für jeden Furz gibt es eine Verordnung. Ich gehöre jemandem! Wie krank ist das? Ich habe das Gegenteil erlebt in Rakshanistan und danach eine Zeitlang in Naridien gelebt. Ich kenne das Gegenteil von Souvagne, mit all seinen Schatten, aber auch mit seinem Licht. Meinst du, die Rakshaner sind unglücklich in ihrer Steppe? Die lachen uns aus, weil wir einen Zaun bauen, der uns von unserem Nachbarn abschirmt, anstatt eine gemeinsame Feuerstelle. Sie sind wie eine riesige Familie. Sie haben ihre eigenen Probleme, sicher. Aber dennoch sind sie frei.« Caillou betrachtete Maximilien, der so anders aussah als er selbst. Wie lange hatte es gedauert, den Duc dermaßen zurechtzumachen? Der Mann kämmte sich noch nicht einmal die Haare selbst. Aber trotz allem musste Caillou zugeben, dass Maximilien so real vor ihm im Sand sitzend weniger unsympathisch war, als er ihn in seinen Gedanken erlebt hatte. »Was geschieht nun mit mir?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Erzähle mir davon, ich höre Dir als Max zu nicht als Duc, erzähle mir von ihrer Sicht und ihrer angeblichen Freiheit. Mich interessieren solche Dinge um entweder den Kurs anzupassen oder mich selbst zu bestärken. Was soll mit Dir geschehen, noch reden wir. Und noch reden wir beiden als reine Privatpersonen, ich spreche als ICH zu Dir, nicht als Duc - nicht als Souvagne«, antworte Max.


    Caillou Langeron
    »Freiheit bedeutet Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Wenn ein Naridier es in seinem Leben zu nichts bringt, so ist es seine eigene Schuld. Wenn in Souvagne ein hochintelligenter, fähiger Leibeigener nichts anderes bleibt als ein Bauer oder Hilfsarbeiter ... dann ist das die Schuld eines anderen. Selbst wenn er noch so hart arbeitet, er wird nie etwas anderes sein als das, wozu er geboren wurde. Ist das etwa Gerechtigkeit? Für mich bedeutet Gerechtigkeit, die Früchte zu ernten für meine Arbeit. Dicke Früchte für gute Arbeit, kleine Früchte für Faulheit. Das ist Gerechtigkeit. Du solltest das mal ausprobieren. Du kennst nur deine eigene Sicht. Lass dich absichern und dann lebe mal eine Woche unter Rakshanern. Es wird dir vorkommen wie Urlaub und das ist es auch. Irgendwann aufstehen, so lange Liegen bleiben, wie man will, zusammen Kaffee trinken, den ganzen Tag gammeln und am Feuer reden, essen, trinken. Nur zu den Überfällen ist harte Arbeit angesagt, danach wieder wochenlang Pause. Es ist herrlich. Natürlich fühlt es sich an. Souvagne hingegen drückt wie ein enges Korsett.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Diese Sicht ist ebenso einseitig Caillou. Eine Mauer kann man von zwei Seiten sehen. Der eine sagt sie sperrt uns aus, der andere sagt sie sperrt mich ein und ein dritter sagt sie beschützt mich und hält den Feind draußen. Alle drei Äußerungen können korrekt sein, nicht wahr? Zum Thema Verantwortung. Die einen sind zu Herren geboren und die anderen zu Domestiken. Es ist ein Irrglaube von bösartig und fehlgeleiteten Kräften zu behaupten dass alle Menschen gleich wären. Herr und Gesinde beiseite geschoben, auch dann sind nicht alle Menschen gleich. Der eine ist klüger, der andere ist handwerklich begabter, ein dritter mag gar nichts taugen, der nächste ist körperlich toppfit, der andere hinfällig, die Menschen sind manigfaltig. Wie kannst Du von fünf ganz unterschiedlichen Personen also behaupten sie wären gleich und damit zu gleichen Leistungen fähig? Wie kannst Du davon ausgehen, dass sie somit die gleiche Chance haben und das gleiche verdienen müssen im Wege der Freiheit? Ist es nicht vielmehr unfair den Benachteiligten gegenüber ihnen Gleichheit zu unterstellen um ihnen dann Faulheit und eigenes Versagen vorzuwerfen, nur weil sie Deiner Norm oder zum Beispiel der naridischen Norm nicht entsprechen? Sie waren nicht faul, sie waren eben nur nicht in der Lage gleiches zu erfüllen wie eine andere Person. Weil sie nicht gleich sind, es nie waren und nie sein werden. Dies wird nur vom Rat behauptet. Du warst faul, deshalb bist Du arm, deshalb lebst Du in der Gosse. Du hast es verdient. Das ist keine Freiheit, damit zieht sich der Rat als Regierung aus der Affaire und schiebt dem Betroffenen die Schuld zu. Die Schuld die eigentlich der Rat trägt, da er diese Person nicht ihrer Befähigung entsprechend eingeteilt hat und ihre Befähigung oder Minderbemittlung nicht beachtete. Das ist keine Freiheit Caillou. Zum Thema Geburtsrecht oder wie ich es nenne Bestimmung. Natürlich ist es wahr, ein Großteil der Bevölkerung bleibt genau das, wozu sie geboren wurde. Der Leibdiener Leibdiener, der Duc eben Duc. Der Sohn eines Schneiders wird Schneider, der Sohn eines Duc wird Duc. Aber hat der Sohn eines Schneiders durch seine Familie nicht alle Voraussetzungen um es zu einem guten Schneider zu bringen? Nehmen wir hier wieder die Befähigung. Mag er meisterlich sein oder ein Stümper, sein Vater wird ihm dennoch alles beibringen können und wollen. Die meiste Zeit verbringen die angeblichen freien Menschen damit, ihre Bestimmung zu finden. Es heißt es gibt zwei wichtige Tage im Leben, der Tag Deiner Geburt und der Tag an dem Du erfährst wieso. Kurzum Deine Bestimmung, warum Du auf der Welt bist. Bei uns fällt genau jener Teil weg, die Geburt gibt Dir Deine Bestimmung mit auf dem Weg. Was ist daran schlimm zu wissen wohin man gehört? Ist es nicht vielmehr so, dass es Sicherheit vermittelt, wenn jeder seinen festen Platz im angestammten Gefüge kennt? Souvagne köntne man auch mit einem Konstrukt vergleichen. Wenn alle Rädchen chaotisch durcheinander liegen, wird nichts geschehen, es ist funktionsuntüchtig. Wenn aber jedes Rädchen seinen Platz innehat, wird das Konstrukt einwandfrei laufen. Hast Du schon einmal Bienen gesehen? Fragt die Biene warum sie arbeitet und nicht die Königin losfliegt und sammelt? Warum hat alles in der Natur eine feste Struktur? Alle funktionierenden Staaten, ob menschliche oder tierische beruhen auf der gottgegebenen und somit natürlichen Ordnung der Hirarchie. Schon mal ein demokratischen Ameisenhaufen entdeckt? Oder ein Wolfsrudel? Eine Schafsherde die über den Weg abstimmt und einen Rat einberufen hat? Wenn etwas funktionieren soll, benötigt es die eine Stimme, die letztendlich die Entscheidung fällt - ein Rat Caillou sind viele Stimmen und letztendlich spricht keiner. Denn niemand von ihnen kann persönlich habhaft gemacht werden. Wer ist aus dem Naridischen Rat Naridien? Wer fühlt sich persönlich mit dem Land dermaßen verbunden dass er für es spricht? Ich wüsste niemanden. Wer sticht mit persönlichem Gesicht daraus hervor? Ratsherr... ja wer? Wer ist Ducca von Ledwick? Jeder kann ihn benennen. Wer ist Duc von Souvagne? Jeder kann ihn benennan. Wer ist Herrscher von Naridien? Wer herrscht in Naridien? Wer oder was herrscht dort wirklich? Das was Du als Freiheit empfindest Cailou ist wirklich das was Du selbst erkannt hast, einmal etwas Urlaub vom Leben bitte. Ausschlafen kann ich auch oder Urlaub machen, oder den lieben Gott mal einen guten Mann sein lassen. Aber Müßiggang ist aller Laster Anfang, für immer geht das nicht. Denn dann würde nicht mehr ich regieren, sondern die Anarchie. Im kleinen mag so ein System wie das der Rakshaner funktionieren, aber im Großen ist es schon zum Scheitern verurteilt. Denn wenn jeder abstimmen darf, wer welches Stück vom Kuchen bekommt ist es ganz natürlich dass jeder erstmal seine Sippschaft bedenkt. Eine Person die neutral betrachtet, verteilt auch so Caillou. Und vielleicht solltest Du Deine Existenz nicht auf Deine nicht vorhandene Kindheit reduzieren. Das könnte ich ebenso, tue es aber nicht. Wenn ich ständig aufzählen würde, was mir fehlt, hätte ich sehr viel zu tun. Dafür kann ich aber aufzählen was ich alles habe und wofür ich dankbar bin. Und so mancher von Dir aufgeführte unfreie Leibdiener hat mehr als sein Herr. Er hat weder Existenzsorgen noch Nöte. Dafür hat sein Herr zu sorgen und sich notfalls den Kopf zu zerbrechen. Deine Aufgabe wurde Dir in die Wieg gelegt, wie mir meine. Du kannst Dich dagegen wehren, Du kannst Dich sträuben, Du kannst wider Deiner Geburt und Bestimmung leben - aber damit wirst Du nur zu Deinem eigenen Feind und Du wirst selten Glück finden. Glaube mir das, ich habe es selbst eine Zeit versucht und keinen Hehl daraus gemacht. Folge Deiner Bestimmung und Du folgst Dir selbst. Es hat alles seinen Grund Caillou, vielleicht sogar der dass Du zündelst, alles hinterfragst und Dich sogar bockig zeigst. Dennoch bist Du Souvagner, dennoch bleibst Du ein Lotos und vielleicht ist es gar nicht so verkehrt auch mal über den Tellerrand meines Hexenkessels zu schauen. Gutes nehme ich gerne an, Schlechtes schaue ich mir an und freue mich darüber dass es bei uns besser läuft. Und was das Korsett angeht, ein Korsett schnürt nicht nur ein, manchen ist es eine tragende Stütze«, antwortete Max freundlich.


    Caillou Langeron
    »Alles Ansichtssache. Ich räume ein, dass du doch mehr nachdenkst, als ich dachte, Max. Aber wir kommen auf keinen gemeinsamen Nenner, wenn du behauptest, jemanden festzunageln, würde ihm Sicherheit bieten. Wie sicher bin ich im Orden? Ich bin ein ausgebildeter Spion und Attentäter und kann nicht einmal mich selbst schützen. Ich kann aber auch nicht fliehen. Ich hätte gern gelebt wie die rakshanischen Kinder. Und als Erwachsener einfach die Ehe mit meinem Mann genossen. Stattdessen ... ja. Stattdessen ... nahm er eine Persona an, die ihn bis heute einnimmt. Und ich blieb praktisch als Witwer zurück. Bestimmung? Verurteilung trifft es eher. Ich hätte gern wenigstens meinen Mann zurück, bevor ich abkratze, was nicht mehr allzu lange hin ist, wenn es nach Timo geht.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Nun und ich hätte gerne meinen Bruder zurückgehabt aus persönlichen Gründen und auch deshalb um der zu sein, der ich gerne geworden wäre. Dem ist aber nicht so. Also können wir darüber jammern, was uns angetan wurde, oder das Beste daraus machen. Ich persönlich stehe nicht sonderlich auf Jammerlappen, auch wenn ich einige Zeit gejammert sprich getrauert habe. Aber dennoch bin ich dann meiner neuen Bestimmung gefolgt. Ich denke nicht dass es meinem Bruder oder meinem Vater gefallen hätte, wenn ich in Selbstmitleid ertrunken wäre. Zudem wäre das Jammern auf gewaltig hohen Niveau. Und Du? Was ist mit Dir? Du behauptest keinen Ausweg zu haben, aber dennoch bist Du hier und verlangst genau jenen Weg oder etwa nicht? Ergo - es gibt einen«, sagte Max.


    Caillou Langeron
    »Ach, erst fragst du und wenn ich antworte, bin ich ein Jammerlappen«, lachte Caillou. »Ich bin hier, weil ich hier sein muss. Ich sagte doch, dass Timothèe mich dazu zwingt und versuche lediglich, ihm noch so gut es geht eins reinzuwürgen. So etwas fällt ihm leicht, er muss sich dafür nicht im Mindesten anstrengen. Es liegt ihm im Blut. Ich verlange keinen Ausweg, sondern habe gebeten, meinen Bruder und meinen Mann nicht für meine Taten zusammen mit mir büßen zu lassen. Und dass ich einfach gern noch einmal was von meinem Mann hätte, war einfach ein Beispiel dafür, wie scheiße hier alles ist. Er ist hier irgendwo, ich weiß es, auch wenn ich ihn noch nicht gefunden habe. Ich finde ihn schon, dafür brauche ich dich nicht.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Falsch, ich sagte wir können darüber jammern. Du bist aber hier. Also scheinst Du ja nicht zu jammern, sondern etwas zu unternehmen oder? Mir die Worte im Munde umzudrehen versuchten schon weitaus talentierte Personen, unter anderem meine Söhne Caillou. Nun wenn Du mich nicht für das Auffinden Deines Mannes benötigst und es von mir nicht hören möchtest, werde ich selbstverständlich schweigen. Du hast von mir als Privatperson wie auch als Duc mein Wort, das weder Deinem Mann noch Deinem Bruder etwas geschieht. Weshalb also die Absolution, wenn Dir alles gleich ist? Und warum möchtest Du frei durch Souvagne streifen, wenn hier alles Scheiße ist? Ich könnte Dich aburteilen und verbannen, damit wäre Dir sogar mehr geholfen«, bot Max mit einem Schmunzeln an.


    Caillou Langeron
    »Wichtig war, dass ich sie von dem Fallbeil befreie, dass wegen mir über ihnen schwebte. Und ich wollte das eigentlich bewirken, ohne dir dafür von ihrer Existenz berichten zu müssen. Sobald wir lieben, sind wir unwahrscheinlich verwundbar, erpressbar, formbar, Marionetten. Wenn du weißt, wo er ist, würde ich das gern erfahren. Ich vermisse ihn. Danach verschwinde ich wieder außer Landes. Du bist mich dann los. Was du mit den Informationen anfängst, die ich dir gegeben habe, ist deine Sache.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Damit hast Du absolut Recht, Liebe macht uns immer erpressbar. Aber sie formt uns auch meist zu besseren Menschen, manchmal sogar so, dass man fast zu einer anderen Person wird. Vielleicht der die man sein soll, nichts ist grausamer als Einsamkeit. Patrice diente in der Leibgarde und ist nun bei den Beißern zu finden. Einem Stab meines Sohnes Ciel. Du bist am Zug«, gab Max zurück.


    Caillou Langeron
    »Ich weiß, dass er bei Unitè B war, ich habe ihn einige Male aus der Ferne gesehen, aber Unitè B ist inzwischen zur Hälfte aufgelöst und Pascal war nicht mehr dabei«, sprach Caillou besorgt. »Die Beißer also. Wo haben sie ihr Hauptquartier?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Du bist am Zug Caillou, dann reden wir weiter. Du weißt was Du wissen musst. Den Rest sage ich Dir gleich, sobald Du mir das gesagt hast, wofür Du hergekommen bist. Sprich das Treffen vereinbart hast. Also den Thronerben und Du bekommst auch den Rest der Info. Dein Mann ist sogesehen immer noch Teil der Garde«, sagte Max.


    Caillou Langeron
    »Meine Zielperson. Antoine Davout. Schön versteckt in der Schwemme von Agentensöhnen. Sein wahrer Name lautet Antonio von Ehveros oder würde es lauten, wenn sein Vater ihn anerkannt hätte. Manchmal haben auch Großherzöge ihre finsteren Geheimnisse und wenn ein solches Geheimnis einen handfesten Beweis hinterlässt, tja ... wäre die betreffende Dame nicht gerade die Oberin eines Klosters gewesen, hätte er den Spross vielleicht anders behandelt.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Auch Großherzoge sind letztendlich Menschen die ein Amt bekleiden und das je nach Befähigung mehr oder minder gut. Nehmen wir Roderich als Beispiel, kann man froh sein dass Ainuwar ihn als Fehlproduktionen zurückrief. Andere hingegen bemühen sich redlich Caillou. Antoine Davout, der Name sagt mir nichts. Beschreibe mir den Mann und sage mir alles was Du von ihm weißt. Quitt for quo - Deine Info, Patrice lebt mit den Beißern normalerweise auf dem Rübenhof. Der Rübenhof gehört nun den Beißern, er wurde ihnen von Davet geschenkt. Dem Sohn von Quennel - oder Corentin la Caille, genau jenem Agenten und Himmelsauge. Zufall? Tja, manchmal schließen sich gewaltig große Kreise nicht wahr? So groß, dass all dieses Grauen trotzdem etwas Gutes hervorbrachte, Davet ist mein Halbbruder. Also war meine Mutter nicht nur schlecht. Jedenfalls was das angeht«, antwortete Max.


    Caillou Langeron
    Caillou brach in schallendes Gelächter aus. »Die Götter haben einen merkwürdigen Sinn für Humor. Boldiszàr ist der Sohn von Agent Berzan. Davet ist der Sohn von Himmelsauge Quennel. Uns Pascal ist der Enkel von Pascal. Alle drei Parteien von 168 erneut am selben Fleck! Eine spannende Mischung. Aber Pascal bändelt nicht mit Boldiszàr an, oder? Wer weiß, was noch alles zutage tritt, wenn man Timothèe zur Abwechslung mal an seinen Eiern zieht.« Noch immer feixend schüttelte er den Kopf. »Antoine Davout ist Mitte 30, knusperbraune Haut mit braunen Augen, dazu blondes Haar, gutaussehend. Kräftig gebaut, etwas einfältig, hat aber das Herz auf dem rechten Fleck. Er ist ein Typ, auf den viele Frauen abfahren. Er wurde als Baby im Waisenhaus Saint Aumery untergebracht. Nachdem er das Kinderheim verlassen hatte, lief er seinem Lehnsherren davon und lebte fortan als Obdachloser in ganz Souvagne, bevorzugt aber in der Hauptstadt. Ich musste ihn ja leider hier zurücklassen, als ich floh und er ging mir verloren. Darum weiß ich nicht, was nun aus ihm geworden ist«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Ja es kommt noch besser. Boldiszar der Sohn von Berzan ist verheiratet mit Silvano dem Sohn von Mercer. Aus dem Grunde wurde erst erneut wieder das alte Thema aufgegriffen, weil wir uns fragten, weshalb sich die beiden Söhne der beiden Rädelsführer vereinen. Nun sie taten es aus tatsächlicher Liebe, sie kannten ihren wahren Hintergrund nicht. Richtig, die Söhne der Agenten sind dort vereint mit dem Sohn des Mannes der sie zur Strecke brachte und ihre Eltern tötete. Wobei dieser Sohn genauso unter seinem Vater litt, wie die Kinder der Agenten. Wo man bei Parcival noch von einem Liebeskranken Trottel sprechen kann, muss man bei Corentin schon von einer ausgewachsenen Natter ausgehen. Er war eine noch hinterhältigere Schlange als meine Mutter und das muss man erstmal bringen. Du meinst Penner-Toni? Ja den kenne ich, ich habe ihm sogar rehabilitiert aufgrund eines vermeintlichen Diebstahls. Den er offiziell nie beging, aber dennoch begangen hat. Ich rauche ja kein Mähabschnitt. Aber er war eine arme Sau also habe ich anstatt ein drittes Auge zu öffnen beide zugedrückt. Er ist gemeinsam mit Gilbert Jardine unterwegs. Gilbert nahm sich seiner an und bildet ihn nun zum lustigsten Büttel aller Zeiten aus«, grinste Max.


    Caillou Langeron
    »Richtig, Penner-Toni!«, freute sich Caillou. »Finde ich gut von dir, wirklich. Toni ist auch wirklich ein netter Kerl. Aber der als Büttel? Na ja, besser denn als Thronerbe. Andererseits ... er kennt die Probleme der einfachen Leute. Er kennt sie alle. Mit den richtigen Beratern wird das vielleicht.« Caillou zuckte mit den Schultern. »Man darf keinen emotionalen Bezug zu seinen Zielobjekten aufbauen. Mir egal, Toni ist mein Freund und bleibt es. Der Sohn von Mercer also auch noch. Max, sei ehrlich. Du glaubst nicht wirklich daran, dass das Zufall ist! Nicht bei diesen Kalibern!«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Nein daran glaube ich nicht, aber ich glaube auch nicht daran, dass sie sich verabredet haben. Das haben sie nicht. Was immer dahinter steckt, wer immer dahinter steckt ist eine Nummer größer als ein weltliches Wesen. Oder er ist so gut versteckt, dass wir ihn bis jetzt noch nicht sehen. Irgendwer hat seine Finger im Spiel und weiß die Partie über zig Generationen zu spielen. Und scheinbar hat er, sie oder es die Macht dazu sogar Personen von meinem Rang über das Brett zu schieben nach Belieben, oder er den Bauer oder den König zieht - es scheint ihm keine Mühe zu bereiten. Und so wie die Dinge liegen und so weit wie die Dinge reichen, glaube ich auch nicht an eine Person. Dafür umspannt das einen zu langen Zeitrahmen. Rein schnell überflogen sind das bereits zwei bis drei Generationen. Also ist unser Feind entweder ein uralter Tattergreis, eine Wesenheit oder ein geheimer Orden. Toni soll kein Büttel werden, Toni soll nur glauben dass er ein Büttel wird und es tatsächlich versuchen. Er ist beschäftigt, er ist unter Aufsicht, er verdient ehrlich sein Brot. Und falls er es tatsächlich zum Büttel schafft - herrlich. Und wenn nicht? Kein Beinbruch, so war es ja von Anfang an einkalkuliert«, gestand Max. »Lass Deine Sichtweise auf die Dinge hören Caillou. Nebenbei, etwas zu hinterfragen ist nicht schlecht, wo alles das Gleiche denken, wird nicht mehr gedacht. Du wärst ein guter Berater, lass Dir das gesagt sein«.

    Caillou Langeron
    »Meinen Rat will doch niemand hören. Mein Leben lang höre ich mir an, wie unmöglich ich bin. Wen sollte ich denn beraten? Ich bin nur ein Lotos, der trotz allem immer noch seine verfickte Arbeit macht. Und sei es aus Hass gegenüber Timothèe. Meine Meinung zu dieser Verstrickung ist durchwachsen. Pascal hat beispielsweise ganz bewusst so sein Zielobjekt gewählt. Er wusste, wer Bellamy und Boldiszàr sind. Sein Großvater ist damals über Berzan an die Pläne von Mercer Desnoyer herangekommen. Und er hatte vielleicht das Gefühl, dass er die Arbeit seines Großvaters zu Ende bringen muss. Er wollte es unbedingt und hat sogar unsere Ehe damit ruiniert. Aber man darf nicht vergessen, dass er der Sohn von Timothèe ist. Und somit vielleicht in Wahrheit nur dessen Werk dient. Aber was es mit Timothèe auf sich hat, was er wirklich zu tun hat mit dieser Personenkonstellation oder auch nicht, das kann ich nicht sagen. Ich komme einfach nicht an noch mehr Informationen über ihn heran. Dass er unter Velasco Macault registriert ist, bedeutet, dass Pascal ebenso unter einem Macault registriert ist. Aber das blockt er völlig ab. Der arme Kerl hat erst sehr spät erfahren, dass Timo sein Vater ist. Lustig fand er das nicht, drum kann er diese Persona nicht leiden. Er war als kleiner unwissender Knilch mal in Timo verliebt.« Caillou feixte. »In diesen Ekelbatzen. Das mit Toni ist schwer anständig von dir!«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Nun ich habe nach Deinem Rat gefragt, wenn ich möchte das mir jemand nach den Mund redet, befehle ich genau das. Dann kommt man allerdings nicht weiter, wenn man ein Problem lösen muss. Für Beratung sind Berater da. Wenn ich Seelenstreichler benötige bitte ich meine Frauen oder meinen Leibdiener. Gleich wie wir es drehen und wenden Caillou, da fehlt ein Stück. Und genau dieses Puzzlestück würde uns Aufschluss über die Verstrickungen geben. Oder neue Fragen aufwerfen, mit seiner Enthüllung. Das er seinen eigenen Vater liebte, auf diese Art... nun das wird ihm sicher zugesetzt haben. Wobei er davon zu jener Zeit sicher nicht wusste. Das zu seiner Entschuldigung. Warum sollte ich auch nicht zu Toni anständig sein? Ein Mann wahrer Größe buckelt vor keinem anderen Regenten aber er zertritt auch keinen Wurm. Was würde es beweisen, würde ich Toni erledigen? Wem würde ich damit etwas beweisen? Und war Toni nicht schon am Ende? Was würde man sich selbst in seiner Situation erhoffen von der obersten Person des Landes. Gerechtigkeit? Güte? Gnade? Vielleicht eine Chance? Also warum sollte ich ihm nicht genau das geben? Er hat seine Chance verdient, was er daraus macht obliegt ihm. Was genau fand Pascal über die Konstellation heraus? Hat er Dir davon erzählt? Was genau beabsichtigte Mercer bevor ihm und Berzan der Verrat unterstellt wurde? Als sich Boldi und Vano zusammentaten, haben Ciel und ich genau das versucht zu ergründen. Zurück zu Toni, ich bin sicher dass er sehr erstaunt sein wird, wer er ist. Folgich ist er Prince von Ehveros, sogar Kronprince«, grinste Max. »Der kann mir die Rose eigentlich bezahlen der Sauhund«, lachte Max.


    Caillou Langeron
    »Er hat sich in Grund und Boden geschämt dafür. Pascal wusste es nicht. Er hielt Timo lediglich für seinen Mentor und das ist auch, was er heute noch glauben will. Mit dem Morice darunter zu reden ist schwierig bis unmöglich. Der weiß mehr über Velasco. Mehr über Soel. Er weiß aber auch, dass er seinen eigenen Vater liebte und darum bin ich statt seiner zeitlebens mit Pascal verheiratet gewesen. Entweder du versuchst, an Morice heranzukommen, oder du presst die Wahrheit aus Timothèe selbst heraus. Ob es das fehlende Puzzleteil ergibt, weiß ich nicht, aber irgendwas stinkt da. Ich bin an der Grenze meiner Fähigkeiten angelangt. Ich beiße auf Granit. Beraten kann ich dich immer - wenn ich im Land bin. Meistens bin ich allerdings im Exil.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Es muss ein fehlendes Teil geben, selbst wenn es vielleicht nur unbedeutend eingegriffen hat, es hat dem ganzen eine gewaltige Eigendynamik verpasst. Dir ist bewusst unter welchen Umständen oder Zuständen Dein Ehemann lebt? Und das sogar freiwillig? Und wo genau im Exil lebst Du? Ich werde Dich nicht verfolgen, ich frage aus Neugier«.


    Caillou Langeron
    »Hier und da. Naridien, Almanien, selten noch Rakshanistan, seit Khawa nicht mehr dort ist. Die Knochen seiner Truppe bleichen in der Steppe und die wenigen Hinterbliebenen haben sich verstreut. Was für Umstände meinst du? Patrice spricht nicht mit mir - weil Patrice mich nicht kennt. Darum weiß ich fast nichts über ihn.« Caillou lächelte kurz. »So ist das. Er wollte ganz und gar diese Persona werden. Und scheinbar ist es ihm gelungen.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Es ist ihm zu gut gelungen, aus diesem Grund wollte ich ihn festsetzen und einweisen lassen in einen Tempel der Heilung. Er dient einem Beißer als Gespiele, er ist sozusagen sein Sexspielzeug. Abgerichtet um einer Gruppe als Sexsklave zu dienen. Das ist er geworden, so leid mir das für Dich tut. Er wurde nicht gut behandelt, sie haben ihn wie ein Tier behandelt, schlechter als ein Tier. Was mein Sohn in den Beißern sieht, weiß Ciel allein. Möge er sich nicht irren. Möchtest Du Deinen Mann wiedersehen? Naridien scheint auf einige Leute eine seltsame Anziehungskraft zu haben. Wiederum scheint Almanien an sich und Souvagne im Besonderen eine Anziehungskraft auf Naridier zu haben. Ich gebe zu, manche Sichtweisen von ihnen sind nicht verkehrt, was mir mein Schwiegersohn schon bewiesen hat oder auch Du«.


    Caillou Langeron
    Caillou wandte den Blick ab, als könnte er Maximilien damit versehentlich aufspießen und starrte auf den Fluss. Eine Weile sagte er nichts, doch seine Kiefermuskeln arbeiteten. Dann sah er wieder zu Maximilien. »Er betäubt sich«, teilte er das Resultat seiner Überlegungen mit. »Um das zu vergessen, was ihn plagt, braucht es scheinbar solche harten Mittel. Sich mit Drogen zu betäuben war noch nie sein Ding, er trinkt nicht mal Alk. Die Beißer glauben vielleicht, dass sie mit ihm spielen, doch das geht von ihm aus, da bin ich sicher. Alles andere kann ich mir bei ihm nicht vorstellen. Er ist sehr viel stärker, als es nach außen den Anschein hat. In Wahrheit ist wohl vielmehr er es, der mit ihnen spielt, davon kannst du ausgehen. Er ist es, der sich eine Horde Sklaven hält, die sich alle nur um ihn kümmern, wollen wir wetten? Na, wir werden sehen, wie er auf mein Erscheinen reagiert. Wir haben uns einige Jahre nicht gesehen.« Er lächelte Maximilien an. »Du kannst echt nett sein, Max.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    »Ob er mit ihnen spielt oder sie mit ihm, gleich wer dort der Drahtzieher ist, er macht Pascal kaputt und genau das wollte ich verhindern. Aber ein äußerst unfähiges Himmelsauge hat das Verhindern, verhindert. Wir können froh sein, wenn es nicht wild in der Gegend umherdenkt und versehentlich wen mit Migräne oder tränenden Augen plagt. Tja so eine Form von Sex ist auch eine Art Rausch oder Betäubung, wie Du schon sagst. Schau Dir Melville an, von der Fresssucht zur Sexsucht. Aber eine Sucht bleibt es dennoch, er hat nur Pest gegen Cholera getauscht, gesund geworden ist er nicht dadurch. Im Gegenteil er zog sogar andere mit hinein, die mit seinen Problemen bis dato nichts zu tun hatten. Ob Du Pascal je wiedersiehst, kann ich Dir nicht einmal beantworten. Möglicherweise gibt es Pascal nicht mehr, darauf solltest Du Dich gefasst machen. Auf den Dolchstoss des Blickes, wenn Dich Dein Mann anschaut und Du findest in seinem Blick kein Wiedererkennen. Wappne Dich dagegen. Es wird dennoch Deine Rüstung knacken, aber die Wucht des Aufpralls ist gemindert. Das ist der einzige Rat, den ich Dir mit auf den Weg geben kann Feuerläufer. Dito, das Kompliment gebe ich gerne zurück, Du bist auch ganz umgänglich«, grinste Max.


    Caillou Langeron
    Caillou nickte und sein Lächeln verschwand. »Ich kenne niemanden, der dermaßen tief in seinen Personae steckt wie er. Anfangs diente es einem guten Schauspiel, dann wurde es die Flucht vor dem Orden mit seinen Lügen, hinein in das Leben, das er gern hätte. Sogar ich blieb auf der Strecke zurück. Ich werde mich darauf gefasst machen, dass unter Patrice kein Pascal mehr zu finden sein könnte. Dafür, dass du versucht hast, ihn vor sich selbst zu retten, gebührt dir mein Dank, auch wenn es nicht gelang. Danke, Max. Ich werde mal nach ihm schauen. Besser, ich bringe das gleich hinter mich. Ich kann sowieso jetzt an nichts anderes mehr denken.« Mit sehr besorgtem Gesicht erhob Caillou sich.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Max erhob sich ebenso und schaute Caillou lange und ernst an. »War schön und aufschlussreich mit Dir zu sprechen. Lass die Zündhölzer zukünftig wo sie sind Caillou, auch andere Menschen da draußen haben einen Pascal den sie lieben und nicht in Flammen aufgehen sehen wollen«, erklärte Max und klopfte sich den Sand von der Kleidung. »Du hast Wort gehalten, also werden wir ebenso unser Wort halten - wir erteilen Dir hiermit Absolution. Gehe unbehelligt und in Frieden Caillou Langeron. Solange Du auf fiedfertigen Wegen innerhalb Souvagnes wandelst, sei Dir unser Wohlwollen gewiss«, erklärte der Duc.


    Caillou Langeron
    »Ich muss die Brandsätze noch entschärfen, die ich zur Sicherheit gelegt habe«, fiel ihm ein. »Die drei Stunden dürften bald rum sein.« Er zog seine Taschenuhr und klappte sie auf. »Noch nicht ganz, mit eingerechnetem Puffer ergibt sich noch genügend Zeit. Und ein weiteres Mal Danke, ich hatte nicht unbedingt damit gerechnet, heute hier lebend herauszukommen. Ich gebe mein Bestes. Mögen deine Wege frei von Lügen sein. Auf dass du den Menschen, die dich umgeben, vertrauen kannst. Drück mir die Daumen, dass Pascal mich wiedererkennt.« Caillou beeilte sich, den Trampelpfad die Böschung hinauf zu steigen und machte sich auf den Weg zum ersten Versteck.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Max schaute Caillou hinterher und schmunzelte. »Ich bin der Duc Caillou, wir können niemandem vertrauen... fast niemandem. Ausnahmen bestätigen die Regel...«, antwortete Maximilien dem bereits verschwundenen Caillou ehrlich, ehe er sich selbst zurück zu dem Wabbligen Walter begab und sich wieder auf seinen Platz setzte. »Er wurde rehabilitiert. Schickt sofort einen der fähigsten Männer nach Obenza. Die Daten soll Euch umgehend Davard von Hohenfelde übermitteln. Zielperson Derya de Littneaux. Ferner sind die Littneaux sofort zu bereinigen. Umsetzen, sofort«, befahl Maximilien. Jules nickte gehorsam und gab die Befehle sofort weiter. »Aufbruch und abrücken«, befahl Maximilien. Wäre Caillou noch anwesend gewesen, hätte er mitbekommen, dass der gesamte Wabblige Walter nun geräumt wurde und die Personen gleich wie sie aussahen mit Maximilien die Taverne verließen. Jules bezahlte den Wirt für die Ausfälle, dann brauch er ebenso auf.