Beiträge von Mantione de Mancini

    Der Keim des Käptn - 236 n.d.A.



    Alt war er geworden, grau aber nicht gebeugt. Seine besten Tage lagen schon weit hinter ihm. Wieder einmal war es die Rache, die ihm am Leben erhielt. Sie war zu seinem Lebensinhalt geworden.


    Rache um jeden Preis!


    Fest umklammert hielt er ein Schmuckstück in seiner Hand, so unerbittlich umklammert, dass es sich in seine Handfläche grub.


    Er war schon immer ein rast- und ruheloser Geist gewesen und so war es ihm auch gelungen uraltes Wissen aufzuspüren. Er hatte kaum eine Ahnung davon, was es war. Aber eines wusste, er, damit würde er seinen Mann retten.


    Möglicherweise nicht auf die Art, wie es sich sein Schatz erhoffen würde, aber jene Existenz, die die alten Schriften versprachen, waren für ihn mehr Verheißung als Abschreckung.


    Die Lösung war ein Schiff.
    Ein Schiff war immer die Lösung, dass wusste Silvano.


    Die Schriften besagten - dass ein Schiffsgrundgerüst die Funktion eines Skeletts übernahm. Jenes musste mit zusätzlichen Antriebsaggregaten hergestellt werden und mit einer Schicht aus gereiften Syntfleisch, Knochen und Panzerung überzogen werden. Das Syntfleisch wurde aus der Spende des Schöpfers gezogen und reifte in speziellen Behältern heran, bevor es auf das Schiff implantiert beziehungsweise gepflanzt wurde.


    Nun das Gerüst hatte er gefunden. Einige dieser seltsamen gewaltigen Metallskelette lagen an einem Ort, der sein Verständnis überstieg. Es war eine Tempelruine, das vermutete er, denn alles hatte den Anschein angebetet worden zu ein. Domartige Gewölbe, die Skelette die wie Relikte aus einer anderen Welt erschienen.


    Vano hatte das gewählt, was seinem Lieblingswesen am nächsten kam, dem Walhai.
    Die Wahl war vor langer Zeit getroffen worden und er war den Anweisungen der Schriften gefolgt. Was immer er dort tat, er wusste es nicht, aber er tat es dennoch.


    Den Rest erledigten Maschinen die in einem seltsamen Singsang zueinander sprachen. Heute waren sie verstummt. Das Wesen dass sie geschaffen hatten, lag wie ein bleicher, toter Riesenfisch vor ihm.
    Silvano berührte die Nase des Giganten mit seiner alten, faltigen Hand.


    Leben kam in den Koloss, an der Seite wo man die Kiemen vermuten würde, öffnete sich ein kreisrundes, riesiges Loch. Ohne zu zögern stieg er hinein. Sanftes Leuchten leitete ihn, während die Dunkelheit hinter ihm wieder zusammenschlug. Es war ihm gleich, hier gab es nichts, was er zu fürchten hatte.


    Licht.
    Ein matter gelber Schein, der an Bernstein erinnerte.


    Vano drückte mit Behutsamkeit und Liebe den Muschelanhänger in die zähe Masse, den er in der Hand gehalten hatte. Kaum das der Anhänger darin verschwunden war, härtete sie außen etwas aus und der bernsteinfarbene Kern wurde von gewaltigen Stahlarmen in eine Halterung gehoben.


    Zeitgleich stieg ein zweiter Kern, eine ovale Kammer, genau vor dem ersten aus den Tiefen des Schiffes empor. Mit einem sanften Zischen öffnete sich die Kammer. Vano wusste was er zu tun hatte. Er entledigte sich aller Kleidung und stieg in die Kammer hinein.

    Das Leben hatte ihm nie etwas geschenkt.
    Aber mit seinem Leben würde er das größte Geschenk unterbreiten.


    Die Kammer schloss sich, verriegelte und wurde zurück in die Tiefen des Schiffes gezogen. Für einen winzigen Moment konnte er sehen, wie der Kern über ihn zu strahlen begann. Sein Blick verschwamm durch die Flüssigkeit, aber er hielt ihn fest auf den Kern gerichtet, der nun sanft pulsierte.


    Das Schiff erwachte zum Leben, während seines in der Flüssigkeit verlosch.


    Als die Luke sich über der Brutkammer schloss, erwachte Boldiszar Seele in ihrer neuen Gestalt. Er spürte Vano und er fühlte zeitgleich dessen Verlust. Ein stummer Schrei entrang sich ihm, den niemand hören konnte.


    Doch sein Schrei verhallte nicht ungehört.


    Tief in der Kapitänskapsel, in der Flüssigkeit die einst sein Ehemann gewesen war, regte sich der Keim des neuen Lebens - ihr Kind, sein Käptn.



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