Beiträge von Kakko Korikara

    "Mir ging es gut", antwortete Kakko und obwohl seine Augen noch immer feucht glänzten, lächelte er nun.


    Die Vergangenheit konnte ohnehin nicht geändert werden, warum also sollte Kakko irgendwelche Vorwürfe anbringen? Es gab nichts zu beanstanden, sein Leben war wundervoll, auch wenn er immer gern hatte seine leiblichen Eltern kennenlernen wollen. Nun war das das Kennenlernen seiner Mutter nicht mehr möglich, aber Karasu war hier und das war gut.


    "Ich blieb nicht bei den beiden. Hector von Dornburg wurde mein Vater. Nun habe ich zwei Väter! Das kann nicht schlecht sein." Dass Tomomi nicht mehr war, würde er ein andermal zur Sprache bringen. "Und einen Bruder." Er grinste Kirimar zu.

    Drei Väter fanden sich nun einem Raum, einer davon war sein eigener. In diesem Moment hatte Kakko keine Augen für das Drumherum, nicht einmal mehr für Hector, der ihn großgezogen hatte. Der kleine Arashi sah nur noch seinen Vater. Er war noch kleiner als er selbst, aber seine Haltung zeigte, dass er durchtrainiert sein musste unter seinem kurzen, schwarz-roten Mantel, der wie ein Kegel um seinen Körper hing.


    "Karasu?", fragte Kakko scheu, obwohl er die Antwort kannte. Der Mann sah ihm nicht sonderlich ähnlich, von der Körpergröße und den Proportionen abgesehen, doch so, wie er ihn ansah, musste er es sein. Kakko spürte einen dicken Kloß im Hals. Ein beträchtlicher Teil von ihm war ein kleiner Junge geblieben, der seinen leiblichen Vater zurückhaben wollte. Nun stand dieser Vater vor ihm und reagierte genau so schüchtern wie er selbst.

    "Papa hat diese Tätowierung nicht verdient, ich wollte sie mit dir zusammen vorsichtig abziehen und essen", wisperte Kakko aber anstatt weiter zu bocken, bohrte er sich in die Umarmung seines Vaters hinein. Seine Finger krallten sich an Hectors Kleidern fest. "Kiri hat recht", gab er leise zu. "Es liegt mir fern, dich verlassen zu wollen, du bist mein Papa und ich hab dich so lieb. Gerade bricht alles auseinander, ich wollte mit dir zusammen wohnen und mit Kiri. Und nicht mit ihm."

    "Dagegen spricht, dass ich es nicht will. Aber er wird trotzdem einziehen. Was bleibt mir dann anderes übrig, als zu lernen, allein zurechtzukommen? Das wollte ich ja eh." Er rieb sich traurig sein Auge, bis es rot war. "Na ja." Hilfesuchend sah er Kiri an, als ob dieser ihm verraten konnte, wie es nun weitergehen sollte.

    "Timo mag mich nicht, das spüre ich, ich störe ihn und wisst ihr was - ich störe ihn absichtlich. Du sagst mir, dass ich dich nicht verliere, aber ich werde ausziehen müssen, irgendwo hin, wo ich allein bin. Weil ich nicht mit einem Fremden zusammenleben möchte und schon gar nicht mit dem Aal. Vielleicht werde ich Kirimar auf seinen weiten Reisen begleiten, wenn du mich aus dem Nest stößt, werde an seiner Seite das Jagen und die Kampfkunst erlernen, bis ich als erwachsener Mann und ausgebildeter Schwertmeister, der die Zähne trägt, zu dir zurückkehren kann."


    Er schaute Hector an.


    "Ich habe ja auch gar keine andere Wahl. Und dann werden wir sehen, ob ihr beide noch immer glücklich seid. Wenn ja, so werde ich meine Meinung vielleicht revidieren. Es ist übrigens nicht nur du, der sucht, Hector. Wir alle tun das auf dieser Reise. Kirimar und ich suchen unsere Wurzeln und du suchst deine Bestimmung." Er nickte in Richtung von Timo. "Aber was sucht er?"

    "Mich freuen? Dafür, dass Kiri vor die Tür gesetzt wird? Vielleicht war er für dich nur ein Freund, aber für Kiri warst du mehr. Das wollte er dir zeigen, aber das macht er jetzt nicht mehr. Ich werde das Geschenk aufessen, du hast es gar nicht verdient." Kakko zauderte, as Hector auf das Bett klopfte. Er bockte. Wenn er sich nun zu seinem Vater setze, wäre Kirimar allein. "Ich mag Kirimar und ich wollte ihn nicht nur als Freund von dir, ich wollte, dass er bei uns einzieht", sagte Kakko traurig. "Ist es wegen Tekuro? Und klar hättest du auch mit Kirimar geschlafen, wenn deine Frau noch leben würde, tu nicht so. Du warst noch nie irgendwem auf diese Weise treu."


    Nun schob er sich doch zu seinem Vater aufs Bett und sah ihn eindringlich und todunglücklich an. "Bitte, du machst alles kaputt. Was wird denn dann aus mir?" Schlagartig wurde Kakko bewusst, dass die Zeit kommen würde, da Hector ihn aus dem Kuckucksnest stieß und ihn zwang, flügge zu werden. Diese Zeit würde kommen und das schon sehr bald. "Ich kenne diesen Mann doch gar nicht", sagte er leise. Und er wollte ihn auch nicht kennenlernen, er fand ihn blöd.

    "Ich erhebe Einspruch", platzte Kakko heraus. "Kirimar war zuerst da!" Kakko fand das ebenfalls überhaupt nicht komisch. Wieso verlobt? Und warum mit DEM? "Wenn das ein Witz ist, dann ist er geschmacklos und hat einen langen Bart, Papa! Auch Humor hat seine Grenzen. Du kennst diesen Aal doch kaum. Niemand kennt ihn. Wer ist das überhaupt?! Du wirfst hier zich Jahre einfach weg wegen irgendeiner Schnapsidee."

    Und wie Kakko sich beeilte! Wenig später saßen sie zu dritt auf dem großen Pferd. Kakko hatte den Eindruck, dass Onkel Timo ausgesprochen säuerlich über sein unerwartetes Erscheinen dreinblickte. Recht so. Der sollte sich nur mal nicht zu wohl fühlen zu zweit mit Kakkos Vater.

    "Mein Papa mag ein Sturkopf sein, aber er ist es auf sehr liebe Weise. Tekuro hatte ihn außerdem weggeschickt, Hector kann da nichts dafür. Garlyn ist selber Schuld, wenn er mich ärgert", gab Kakko zurück und schaffte es, dabei rundum lieb und niedlich zu klingen anstatt rotznäsig. Das verdankte er der jahrelangen Übung im Umgang mit seinem Vater.


    "Tekuro und sein Sklave haben sich gepaart, mein Bett war vollkommen schmutzig hinterher und sie hatten nicht einmal den Anstand, es neu zu beziehen. Aber Hector lag in seinem eigenen Bett. Als ich mich dazu legte, schlief er schon und roch nicht nach Tekuro oder Patti. Wobei ich glaube, dass Tekuro selber betrogen wird. Patti ist gar kein echter Sklave, der veralbert ihn nur."


    Er rutschte ein wenig tiefer, da er vor lauter Gemütlichkeit immer müder wurde.


    "Bleibst du hier? Ja, oder? Ob ich mir jemanden in Arashima suche, weiß ich noch nicht. Ich bin vielleicht noch gar nicht reif dafür und außerdem mag ich nur die Milchsklavinnen. Aber die sind nicht zum Vermehren da, weil sie nicht schwanger werden, so lange sie Milch geben. Das haben sie mir erzählt."

    Kakko lächelte breit. Nun war er sehr glücklich. "Danke, dass du an mich glaubst, obwohl ich bis jetzt so ein fauler kleiner Kuckuck war. Hector tut das auch. Es tut gut, euch bei mir zu wissen, an meiner Seite, im Herzen und im Geist. So fühlt sich Familie an. Du wirst bei uns wohnen und es wird schön sein, glaub mir, wir machen es uns richtig gemütlich.


    Wenn er mal wieder Zeit hat, werde ich Hector meine Idee vortragen. Sobald dieser Onkel Timo endlich mal wieder aufgeschlossen hat. Ob sie was Geheimes planen? Oder haben sie zugesperrt, damit Tekuro sich nicht mehr in mein Bett legt mit seinem Sklaven?"

    "Das wäre nicht geschehen, wenn dieses Nest nicht aus lauter Einzelkämpfern bestanden hätte, sondern aus einer Beißerarmee. Wenn ich einst Schlüsselmeister bin ... so werde ich mein Nest genau darauf hin formen. Eine unbezwingbare Einheit zu bilden." Er öffnete kurz die Augen. "Hört sich das gut an oder dumm? Manfredo würde ich gern kennenlernen, Hector erzählt oft von ihm, aber hält ihn irgendwo versteckt."


    Er feixte leise. "Ja, ich meinte seinen Pipimann. Das tat sicher weh."

    "Na, sie alle beide", antwortete Kakko. "Wenn schon, denn schon. Nur von weitem. Ich habe noch nie eine Armee gesehen, nur die Söldner aus Obenza, wie den ollen Garlyn, der ist langweilig. Ich will eine richtige Armee sehen, wie sie marschieren! Sie sind Gabad, die sich zu einer sehr wehrhaften Herde zusammengeschlossen haben. Wie sollte man sie aufbrechen? Vermutlich überhaupt nicht, nur einzeln, das fasziniert mich. Was wäre", er senkte die Stimme, "wenn die Beißer das tun würden? Wenn sie nicht allein auf die Jagd gingen, sondern so? Das möchte ich mir ansehen und das studieren.


    Eine Tätowierung? Aber ich brauche doch den Platz, falls ich selbst einst Schlüsselmeister werde. Wenn, dann muss Papa dabei sein, damit er mir sagen kann, wo noch Platz ist. Überall, meinst du wirklich überall?"


    Kakko kicherte.


    "Was dich nach Arashima zieht, das weiß ich. Das Gleiche wie mich, wie du es sagtest, unser Blut singt. Und unseres singt im gleichen Ton. Diesmal wird die Reise keine Enttäuschung, versprochen!"

    Kakko verwunderte es immer wieder, was andere durchgemacht hatten, während er selbst wie eine Prinzessin auf der Erbse gelebt hatte. "Aber nun ist das vorbei und du hast uns", beharrte er freundlich, ohne die Augen zu öffnen. Er konnte sich nicht vorstellen, warum die Vergangenheit den Blick auf die Zukunft trüben sollte, schließlich war sie vorbei und jetzt war jetzt.


    "Angst ist nichts Schlimmes, sie warnt uns vor Gefahren und davor, uns selbst zu überschätzen. So viel weiß ich bereits. Hector wurde übel mitgespielt während seiner Weihe ... sie ist sehr gefährlich, viele sterben, nur die machtvollsten Schlüsselmeister überleben sie. Er hat sie überlebt.


    Ich würde in Arashima außer meinem Vater auch gern den Kaiser sehen. Nur von weitem vielleicht, aber das würde ich mir wünschen, und die Armee. Und was möchtest du dort?"

    "Na doch, ein bisschen kann ich was dafür. Ich war sehr faul, es war einfach zu schön, so verwöhnt zu werden." Kakko schmunzelte und schloss die Augen, während er sich pudelwohl fühlte. "Aber künftig werde ich anders leben, ich möchte Schwertmeister werden wie Hector und du.


    Schade, dass du mir nicht mehr über deine Eltern erzählen kannst. Vielleicht dann, wenn unsere Füße auf dem gefrorenen Boden von Arashima stehen und der Wind durch die Kleider bis in unsere Seelen hinab fährt. Und du hast immer Hector und mich. Wir werden zu dritt in ein wunderschönes Quartier ziehen, entweder in der Röhre oder anderswo. Wir sind doch eine Familie. Und ich werde nicht nur zwei Väter haben, sondern auch einen großen Bruder - dich."


    Er schob Kirimar einen der Fleischstreifen in den Mund.


    "Ich wusste nicht, dass Hector so viele Ängste durchleben muss. Ich dachte immer, er wäre vollkommen furchtlos."

    Kakko betrachtete gerührt die Tätowierung, die das Gesicht von Hector zeigte. "Das wird ihn sicher freuen. Ein Liebesbeweis, der unter die Haut geht."


    Als Kirimar erzählte, wie er behandelt worden war, legte Kakko beide Hände auf Kirimars Ohren und betrachtete sein Gesicht. "Wenn wir sie dir rund schneiden, dann fällst du überhaupt nicht mehr auf. Oder wenn du einfach die Haare derüber trägst oder ein Stirnband oder eine Mütze? Wer war es? Weißt du seinen Namen? Wir könnten sie beide suchen ... Karasu und ihn."


    Er ließ Kirimar wieder los, stopfte seinen Rucksack hinter sie beide als weiche Lehne und kuschelte sich im Sitzen an ihn. Seine Wolljacke zog er über sie beide. "Hector muss keine Angst haben. Er ist mein Papa und der wird er bleiben."

    Dankbar nahm Kakko die Fleischstreifen entgegen. "Ich möchte nicht hoch, von dort komme ich gerade. Es ist zu laut und immer ist irgendjemand in Spielstimmung. Dabei bin ich so müde, ich würde gern ein wenig ruhen. Darum wäre ein Platz bei den Vorräten schön, wenn du einen kennst."


    Er folgte Kirimar durch den Rumpf der Tordalk. Dunkel war es hier unten, warm und der herzhaft-süßliche Duft von Holz schwebte in der stehenden Luft. Je tiefer sie kamen, umso mehr gesellte sich der stechende Geruch von Teer hinzu, wie in einer Suppe, in die man zu viel Pfeffer gab. Im Gehen aß Kakko einen Fleischstreifen.


    "Was für eine Überraschung ist es denn?", erkundigte er sich, nachdem er heruntergekaut hatte. "In der Kajüte von Papa ist jetzt der Onkel Timo mit drin. Ich habe durchs Schlüsselloch schauen wollen, aber es war verhangen. Du bist der Erste, der mir sagt, dass meine Herkunft wichtig ist ... Hector lehrte mich stets, sie sei vollkommen egal. Aber es fühlt sich anders an. Ein Teil von mir sehnt sich nach Karasu, nach Arashima ... warum hat dich dort niemand gewollt? Warum störte es sie, dass du ein halber Alb bist? Oder war es, weil du jagst?"

    Ein Gespräch unter Freunden

    Kakko rieb sich die müden Augen, während er über das Schiff schlenderte. In einer Hand hielt er seine Wolljacke, auf dem Rücken trug er seinen Rucksack. Die Tordalk war groß genug, dass man sich auf ihr verirren konnte, eine schwimmende Stadt. Und doch war es ihm unmöglich, einen ruhigen Ort zum Schlafen zu finden. Zuerst hatte es sich Tekuro samt seinem Sklaven in Kakkos Bett gemütlich gemacht. Und kaum waren die beiden wieder fort, betrat Onkel Timo die Kajüte und schloss sie hinter sich ab, als wäre es seine eigene. Seit etlichen Stunden nun war er dort, um mit Hector zu reden und Kakko konnte kaum noch die Augen offenhalten.


    Sein Weg führte ihn zur Spielwiese. Dort lagen immer etliche Kissen und Decken, dazwischen wechselnde Leute. Doch als er dort ankam, vergnügten sich gerade zwei Pärchen und eins davon lud ihn ein, mitzumachen, als er sich dazulegen wollte. Dankend flüchtete Kakko, danach war ihm nun wirklich nicht. Auf der Suche nach Ruhe führten ihn seine Schritte die hölzerne Treppe hinab in die Unterdecks. Je weiter er nach unten ging, umso ruhiger wurde die Umgebung. Vielleicht würde er im Frachtraum eine Ecke finden, wo er seine Jacke ausbreiten und den Rucksack als Kopfkissen benutzen konnte, um ein Weilchen zu schlafen.


    Doch selbst in den untersten Tiefen der gewaltigen Riesendschunke gab es außer ihm noch Streuner! Als er näher ging, erkannte er den Mann. Das war doch Kirimar. Was machte der hier unten allein?


    "Hallo, Kiri", grüßte Kakko freundlich. "Hast du auch keinen Schlafplatz?"

    "Wie du wünschst, Papa."


    Kakko ging an seinem Vater vorbei, drückte kurz seine Schulter, nahm die beiden Teller mit und verschwand. Mit etwas Mühe schaffte er es, wieder mit dem Ellbogen die Klinke herunterzudrücken und die Tür mit dem Hinterteil zuzuschieben.