Kapitel 1 - Nivas Albtraum

  • - Vom Morast in den Sumpf -
    Nivas Albtraum

    Die Spitzen ihrer Haare kitzelten Niva im Nacken, wo die Haut von einem feinen Schweißfilm überzogen war. In der Grube war es heiß. Die untere Ebene sog die schwüle Hitze auf wie ein Stück Stoff Wasser. Niva konnte sich kaum konzentrieren, so dick war die Luft, die sie atmeten und jeder Gedanke, den sie fassen wollte, war schwer zu greifen. Sie wischte sich mit ihren Handflächen die Strähnen von der Stirn, die dort kleben geblieben waren.
    Ihr Vorhaben war ohnehin schon riskant. Sie und die anderen Kinder hatten sich gegenseitig zu diesem Wagnis angestachelt. Es war kein Spiel, auch kaum eine Wette. Sie wussten alle, dass Jean und seine Leute den Markt fest für sich beansprucht hatten. Aber sie hatten sich dazu entschieden, sich der Herausforderung anzunehmen.
    Und Niva würde sich nicht gegen ihre Gruppe stellen.
    Aufregung kribbelte ihr in der Brust und in den Fingerspitzen, die sie gegen das warme Gestein der Fassade drückte, in deren Schatten sie sich schmiegte. Sie tauschte prüfende Blicke mit Aren, Yroldir und Ahmet, die sich ganz in der Nähe postiert hatten und das Geschehen ebenfalls im Auge hatten, genau wie sie.
    Sie ließen ihre Blicke verstohlen schweifen.
    Sie sahen feilschende Händler, Männer und Frauen, die mit Argusaugen auf die verschiedenen Waren auf ihren Tischen an ihren Ständen achteten. Sie hörten die lauten Stimmen vereinzelter, rufender Marktschreier und sie sahen die Straßenkünstler, die kleine Grüppchen im Halbkreis um sich scharten und von akrobatischen Vorführungen bis hin zu Tricks und Täuschungen alles boten, um sich die Aufmerksamkeit der Vorbeikommenden zu sichern.
    Niva war erleichtert, dass Jean nicht dort zu sein schien und auch seine Schwester konnte sie nirgendwo entdecken. Unter den einzelnen Kindern, die sich auf der Straße aufhielten, sah sie kein Gesicht, das ihr näher bekannt war. Niemand, vor dem sie sich gefürchtet oder geschämt hätte, für das, was sie da tat.
    Aren nickte mit dem Kopf auf eine Personentraube, in deren Mitte sich ein hagerer, gebeugter Mann mit strähnigem Haar und einem tückischen Grinsen auf den Lippen befand, der mit einem anderen, ihm gegenüber sitzenden Mann Karten spielte. Joé der Glückspilz. Er benutzte irgendeinen Trick, um jedes seiner Spiele zu gewinnen, doch niemand hatte bisher aufgedeckt, wie er es es anstellte. Nicht selten brachen nach seinen Spielen wüste Schlägereien aus, sodass die Beteiligten nicht mehr darauf achteten, was sonst noch um sie herum geschah. Sie bemerkten die flinken Kinderhände nicht, die ihnen die Beutel gefüllt mit Talern vom Gürtel stahlen und in ihre Taschen griffen. Manchmal kam Joé mit nichts weiter als einem blauen Auge oder einer aufgeplatzten Lippe davon und saß dann wenige Tage später wieder an einer Ecke und forderte ungehemmt Passanten heraus.
    Den Kindern war das schon häufig zu Gute gekommen. Sie kannten ihre Fische und wussten meistens, wo man am besten darauf wartete, dass jemand anbiss.
    Niva verzog ihre Lippen konzentriert zu einer grimmig anmutenden, feinen Linie. Sie nickte Aren zu und sah nach, ob auch einer der beiden Jungen bereit war mit ihnen zu kommen. Yroldir hob abwehrend die Hand und schüttelte den Kopf. Er würde warten und ihnen zusehen. Im Notfall konnte er vielleicht eingreifen oder weglaufen, je nachdem, wie sehr sich die Lage zuspitzte. Aber Ahmet nickte bereitwillig. Sie warteten noch eine Weile. Und tatsächlich hatten sie Glück.
    Die Faust des breit gebauten, bärtigen Mannes donnerte wenig später auf den kleinen Hocker, auf dem sich die Spielkarten und Einsätze getummelt hatten. Sein Gesicht war vor Wut und verbissener Konzentration knallrot angelaufen. Er spuckte ein paar hässliche Schimpftiraden aus. Unter dem erschrockenen Gemurmel der Zuschauer mischten sich ein paar aufgebrachte, ungläubige Stimmen. Anschuldigungen wurden laut, die von vornherein klar gewesen waren, aber die Leute fühlten sich in ihrem Stolz verletzt, weil Joé schon wieder gewonnen hatte und sie immer noch keinen deut besser wussten, wie das überhaupt möglich war.
    Joé saß bloß da, immer noch lächelte er und Niva glaubte bis über die Distanz ein amüsiertes, vielleicht wahnsinniges Glitzern in seinen Augen erkennen zu können.
    Schon war das wütende Gewinde aus ächzenden, brüllenden und kreischenden Leuten und jeder Menge geschwungener Hiebe und Tritte losgebrochen.
    Die Kinder kamen nacheinander raus, auf die Straße und mischten sich unter die Leute, die sich neugierig dem Tumult näherten. Während Aren darauf setzte, dass der Schmuckhändler nahe der Schlägerei abgelenkt genug war, um sie nicht zu bemerken, drangen Niva und Ahmet weiter in die Masse vor. Niva verlor Ahmet bald aus den Augen, doch sie konzentrierte sich ohnehin angestrengt darauf, was vor ihr lag. Und so schlossen sich ihre Finger schließlich im Vorbeigehen um ein braunes, ledernes Bündel. Sie zitterte ein bisschen vor Nervosität. Eilig durchtrennte sie mit ihrer Klaue die Schlaufe, die das Bündel an dem Gürtel seines Eigentümers gehalten hatte, um sich dann hastig durch die in rege Aufregung versetzte Menge hindurch zu kämpfen, auf der Flucht, bevor die drahtig, hoch gewachsene Frau bemerkte, dass ihr etwas fehlte.
    Als sie es endlich aus der Enge heraus geschafft hatte, begann sie zu rennen, jeder Schritt immer länger und schneller, bis ihre Beine keine Steigerung mehr zuließen. Die anderen schlossen einer nach dem anderen wieder zu ihr auf, bis sie wieder zu viert waren.
    Die Kinder rannten nebeneinander her, während der Aufruhr hinter ihnen zurückblieb und immer gedämpfter wurde. Noch während sie davonliefen, fingen sie lauthals zu lachen an. Ahmet machte sogar einen Freudensprung und Aren jauchzte, Yroldir und Niva sahen sich beflügelt strahlend an und klatschten sich, einer dem anderen, in die Hände. Sie bogen durch ein paar Seitengassen, bis sie schließlich in einer abgelegen Sackgasse endlich zum Stehen kamen.
    Dort begannen sie ihre Beute auszuloten. Es war nicht viel aber es war ein kleiner Erfolg. Stolz und diebische Freude schwollen in jedem von ihnen an, weil sie in fremdem Terrain gestohlen hatten und so problemlos davon gekommen waren.
    <<Ich hab das hier!>> Niva streckte ihren Arm aus und präsentierte den anderen den ledernen Beutel.
    <<Lass mal sehen!>>, rief Ahmet fordernd und Niva lies sich das Bündel von ihm abnehmen. Ahmet wog es für eine kurzen Moment in seinen Händen und zog es dann auf, um neugierig hineinzuspähen.
    <<Das sind mindestens zehn Handelstaler.>>
    Yroldir nahm ihm das Bündel ab, um ebenfalls einen Blick hineinzuwerfen. Die Münzen schlugen klimpernd aufeinander, als er es in seiner Handfläche liegend schwenkte, um selbst die Zahl der Mützen abzuschätzen.
    <<Vielleicht auch dreizehn, nein warte...zwölf...oder doch elf?>>, mutmaßte er ungeschickt, bis Niva das Bündel schließlich wieder an sich nahm.
    <<Nun zeigt doch was ihr habt.>>, verlangte sie gespannt.
    Ahmet grinste siegessicher. <<Seht und staunet.>> Aus seiner hervorgestreckten Faust lies er ein rundes, stumpf glänzendes Ding fallen, das sich an einer Kette drehte, bis es immer langsamer wurde und schließlich nur noch sacht hin und her schwang. <<Eine Taschenuhr!>>, staunte Aren.
    Yroldir beugte sich vor um sich die Uhr näher anzusehen.
    <<Sie hat bestimmt mal richtig hübsch gefunkelt.>>, murmelte er verträumt. Niva legte den Kopf schief und musterte das Ziffernblatt. Sie hatte schon öfter Uhren gesehen, aber sie konnte sie nicht lesen. Die sich fortbewegenden dünnen Stachel waren ihr ein Rätsel.
    Ahmet steckte die Uhr wieder ein. <<Und was hast du Aren?>>, wollte er von dem anderen Mädchen wissen.
    Aren zuckte mit den Schultern und zog beschämt den Kopf ein.
    <<Das blöde Schlitzauge hätte mich fast erwischt...>>, murrte sie beleidigt und zog einen Schmollmund.
    <<Hast du denn gar nichts mitgehen lassen?>>, fragte Yroldir erstaunt. Aren schnaubte und blinzelte ihn fassungslos an. Das Blut stieg ihr in die Wangen.
    <<Du musst dich gerad melden, hä?>>, schimpfte sie und stampfte mit einem Fuß aufgebracht in den Boden, nicht ohne Yroldir dabei wütend nieder zu starren. Ahmet und Niva grinsten sich an, während Yroldir erschrocken zusammenzuckte und das Mädchen mit großen Augen anblickte, bevor er den Blick auf seine Füße senkte. <<Schon gut!>>, gab er schließlich patzig zurück. Aber Aren war nicht so leicht zu besänftigen. Sie wand ihm die kalte Schulter zu und entschied sich ihn zumindest für eine Weile zu ignorieren.
    <<Lasst uns aufteilen, was wir haben. Wie besprochen.>>, schlug Niva vor, <<Ahmet hat die Taschenuhr, also kriegt er nichts weiter. Die ist bestimmt mehr wert, als jeder von uns anderen heute kriegt.>>
    <<Na hör mal!>>, begann Ahmet sich zu beschweren, aber Niva schnitt ihm mit einer schlichten Handbewegung das Wort ab. Sie zählte die Münzen einmal richtig durch. Zehn, wie Ahmet geschätzt hatte.
    <<Yrol kriegt einen, Aren kriegt drei und ich kriege sechs.>>, entschied sie.
    <<Bloß einen Taler?>>, jammerte Yroldir und Ahmet boxte ihn in den Arm.
    <<Sei lieber froh, dass du überhaupt was kriegst.>>
    <<Schon gut.>>, seufzte Yroldir ergeben. Gerade wollte Niva ihm eine Taler in die ausgestreckte Hand legen.

  • Ein leises Lachen erklang, doch es war keiner von ihnen. Es kam nicht einmal von der Straße, an deren Ende sie zusammengedrängt zwischen Sperrmüll hockten, sondern von oben. "Wie aufmerksam von euch, mir die Arbeit abzunehmen. Zehn Handelstaler und eine Silberhainer Relixa." Als sie nach oben blickten, hockte dort auf dem Mauersockel, der die Sackgasse abschloss, ein rothaariger Junge, den sie gut kannten:


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    Er war hager, so wie sie alle und hatte vor einigen Wochen einen eleganten, aber inzwischen zerschlissenen und verdreckten roten Herrenmantel ergaunert. Er blickte hinunter auf das Grüppchen wie ein Raubvogel auf ein Nest von zusammengedrängten Hasenjungen. Sie hatten nur einen einzigen Fluchtweg. Damit, sich am Ende einer Sackgasse niederzuhocken hatten sie ein wichtiges Gesetz der Straße missachtet. Es war fast schon amüsant, die Fehler der Kinder zu beobachten und ihrem Scheitern beizuwohnen. Einst war Jean wie sie gewesen, doch das war inzwischen einige Jahre her. Mit 14 war er kein Kind mehr. Und in den Jahren, die er in der Grube verbracht hatte, hatte er aus seinen Fehlern gelernt. Ein weiterer Fehler war, sich in ein Fremdes Revier zu begeben und dabei so einen Lärm zu veranstalten wie diese vier.


    Er stieß sich ab, flog mit wehenden Rockschößen über sie und landete leichtfüßig hinter ihnen. Damit war der Fluchtweg zum Markt versperrt. Sein Lächeln war erloschen. Sein von Natur aus weißes Gesicht war wie aus Gips, kalt und hart, sein Mund schmallippig. Er streckte die Hand aus. "Das Geld und die Uhr."

  • Niva
    Vor Schreck hatten sie die Luft angehalten. Und währen Yroldir leise und verzweifelt zu wimmern begann und Aren sich mit weit aufgerissenen Augen hinter Ahmets Rücken vesteckte, war Niva erstarrt. In ihrem Kopf hallte der Name des Jungen wieder, der ihnen nun den Weg zur Flucht versperrte, als wollten ihre Gedanken und ihr wild schlagendes Herz sie noch zusätzlich verhöhnen. Sie hatte sich noch nie derart ertappt gefühlt und sie hatte sich noch nie zuvor vor Jean gefürchtet. Sie kannte diesen Ausdruck auf seinem Gesicht gut, aber er hatte noch nie ihr gegolten. Was hatte sie sich bloß dabei gedacht? Sie hörte, wie Ahmet neben ihr wütend knurrte, als Jean nach ihrer Beute verlangte. Seine Fingers schlossen sich fest um die Uhr in seiner Tasche. Auch Niva klammerte sich an ihr Bündel. Sie ließ den Taler, den sie eben herausgenommen hatte, wieder in den Beutel fallen. Sie schluckte.
    <<Das geht nicht.>>, hörte sie ihre zittrige Stimme sagen, <<Du k-kannst das nicht haben.>> Sie schmeckte den Verrat, den sie begannen hatte erst jetzt bitter in ihrer Kehle.
    Sie drückte den Lederbeutel fest gegen ihre Brust und erhob sich. Sie trat einen Schritt von den anderen weg. Sie duckte sich, ihre Muskeln angespannt, machte sie sich zum Sprung bereit. Vielleicht hatte sie eine minimale Chance im richtigen Moment an ihm vorbei zu sprinten, wenn sie es geschickt anstellte. Sie wollte nur noch dort weg. Sie wollte sein Gesicht nicht länger so vor sich sehen.

  • Jean sah ihre duckende Bewegung und reagierte blitzschnell. Doch nicht Niva war sein Ziel. Er packte den kleinen Jammerlappen aus ihrer Gruppe am Arm und riss ihn vor sich. Der Fluchtweg war frei - aber einer ihrer Freunde war nun in seiner Gewalt. Er presste ihm die geschlossene Faust gegen die Kehle. Es war nicht auszumachen, ob er ein kleines Messer, einen Nagel oder sonst etwas darin hielt, aber der Junge spürte etwas, das seinen Hals eindrückte.


    "Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen, nicht wahr? Der Markt ist mein Revier, das ist er seit einem halben Jahr und ich denke nicht daran, mit diebischen kleinen Ratten zu teilen. Was ist los mit dir, Niva? Früher warst du vernünftiger."

  • <<Yrol!>>, schrie Aren und Ahmet wollte sich schon auf Jean stürzen, als Niva ihm vor die Füße sprang. Sie stellte sich zwischen Jean und die anderen. Yroldir hatte angefangen zu heulen, wie ein Kleinkind.
    <<Er will mich töten! Er will mich töten!>>, schluchzte er panisch. Er wehrte sich nicht gegen den Jungen. Wenn Jean ihn nicht so fest gehalten hätte, hätten seine Beine direkt unter ihm nachgegeben.
    <<Hör auf damit! Hör auf Jean!>>, forderte Niva. Sie hatte Angst. Sie wusste, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Ihr Blick huschte zwischen dem freien Weg aus der Gasse hinaus und Jean und Yroldir her. Sie wollte davon laufen und diese verschlossene Kälte in Jeans Augen vergessen. Tränen traten ihr in die Augen. Ihr Herz lag schwer in ihrer Brust. Sie konnte den anderen Kindern nicht einfach den Rücken kehren. <<Bitte, lass ihn los Jean.>>, flehte sie und trat einen Schritt näher an die Jungen heran. <<Niva!>>, wimmerte Yroldir mit bebender Stimme, <<Niva, hilf mir!>>

  • Es war nicht so, dass Jean die Tränen von Niva egal waren. Er war noch nicht so abgestumpft, dass sie ihn nicht mehr berührten. Aber er hatte gute Gründe dafür, sein Revier mit allen Mitteln zu verteidigen.


    Wirklich mit allen? Wie weit würde er gehen, wenn sie nicht so mitspielten, wie er das erhoffte?


    Einen Moment lang huschte Jeans Blick in Richtung der Slums, die westlich von hier lagen. Gleich neben dem Rotlichtbezirk am Hafen. Das wäre der andere Weg, an Geld zu gelangen, wenn der Diebstahl sich nicht mehr lohnte. Wer sich nicht durchsetzen konnte, landete fast immer irgendwann dort. Ganz gleich, wie alt oder jung man war und wie man aussah, für irgendwas war man immer zu gebrauchen. Und das war dann die Endstation. Von dort arbeitete man sich nicht raus, dort gab es keine Flucht, man verkaufte nicht nur seinen Körper, sondern auch seine Seele, seine Zukunft und sein gesamtes Leben. Nein, Jean konnte jetzt und hier keine Gnade walten lassen!


    "Die Uhr", wiederholte er langsam. "Und das Geld. Zehn Taler, ich habe mitgezählt."

  • <<Tu es nicht, Niva.>>, zischte Ahmet. Niva kam noch zwei Schritte näher an die Jungen heran.
    <<Jean, es gibt hier doch genug für alle.>>, versuchte sie ihn zu beschwichtigen, <<Wir teilen mit dir.>>
    Sie schniefte und streckte bittend eine Hand nach ihm aus. <<Bitte Jean. Hörst du? Lass uns teilen.>>

  • "Ihr missachtet meine Grenze, plündert meine Beute und dann erwartet ihr auch noch, dass ich mit euch teile?", höhnte Jean.


    Er wollte das hier nicht. Er war kein Mörder, er war nur ein Straßenjunge wie sie alle. Doch er würde nicht so enden. Sein Weg führte nicht hinab, wie der aller anderen Grubenkriecher, sondern hinauf! Die oberen Ebenen von Ebenza warteten auf die Starken!


    Er riss den Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen. quer über den Hals des Jungen. Die Klinge war nicht lang genug, um ihm wirklich die Kehle aufzuschlitzen, aber der Schnitt war tief, blutete stark und würde hoffentlich für ausreichend Eindruck sorgen. Er ließ den Jungen nicht los, sondern zog sein Kinn nach oben, so dass der Schnitt sich für alle deutlich sichtbar öffnete. Blut rann in dunkelroten Strömen daraus hervor.


    "Umgebracht für zehn Taler und eine Uhr. Du scheinst deinen Freunden sehr viel wert zu sein, Kleiner."

  • <<Yroldir!>>, schrien die Kinder wie aus einem Hals. Nivas Tränen brachen über die Dämme und noch bevor Ahmet sich brüllend auf den überheblichen Jungen hatte stürzen können, hatte Niva es getan. Sie packte Jeans Arme und zu dritt prallten sie auf das raue Pflaster. Niva hatte sich den Kopf gestoßen und sie brauchte einen kurzen Moment, um wieder richtig bei Sinnen zu sein. Aber sie ließ Jean nicht los. Ihre Klauen gruben sich in seine Oberarme. Ahmet und Aren zerrten Yroldir von ihnen weg. Aren beugte sich über ihn und hielt ihn in den Armen. Ängtslich sahen sie dabei zu, wie Niva und Jean rangelten. Man hörte leise Yroldirs Ächzen und Gurgeln. Doch Niva war für alles andere um sie herum taub. <<Was hast du getan?!>>, schrie sie Jean ins Gesicht. Die Gefühle tobten zwiespältig in ihrem Innern und bäumten sich auf. In ihrem Kopf pochte es. Das hier fühlte ich so unglaublich falsch an. Sie drückte ihn so fest sie konnte auf den Boden. Ihre Tränen tropften ihm aufs Gesicht und hinterließen nasse Spuren.

  • Überrascht blieb er auf dem Rücken liegen, während ihre Tränen auf sein Gesicht tropften wie heißer Sommerregen. Über Niva, zwischen den steil aufragenden Häusern, blitzte ein schmaler Spalt des blauen Sommerhimmels. Sie war so schön ... ein Wesen der Dunkelheit, geboren, um in der Grube zu überleben. Niemand hatte hier bessere Voraussetzungen als sie.


    Einen Moment lang spürte er noch einmal ihre alte Freundschaft. Er hatte Niva immer gemocht, in einigen Jahren hätte vielleicht mehr daraus werden können. Doch Obenza verschlang seine Kinder. Die Stadt verzehrte ihre Seelen, ihre Körper wie ein immerhungriges Monster. Jean lag rücklings auf Ebene Null, in der Grube. Er roch feuchtes Pflaster und Pisse, eine aufgeweichte Zeitung vom letzten Monat klebte lag unter seinem Kopf. Er hatte nicht vor, hier zu enden.


    "Den Bruder im Leid verkauft für eine Uhr und ein paar läppische Münzen", höhnte er, um seine Gefühle herunterzukämpfen. "Wie weit ist es mit dir gekommen, Niva? Was ist aus dir geworden? Was ich getan habe, fragst du mich? Ernsthaft? Das Gleiche wie du - überleben!" Damit bäumte er sich unter ihr auf und stieß sie von sich. Der kleine Dolch blitzte zwischen seinen Fingern auf, als er nach ihr schlug.

  • Niva rollte mit dem Stoß auf die Seite. Die Klinge zog einen feinen Schnitt über ihre Wange. Sie presste ihre Fingerspitzen darauf und sah benebelt auf das dunkle Blut herunter, dass daran kleben geblieben war. Verkauft echote Jeans Stimme in ihrem Kopf. Verkauft. Immer neue Tränen kamen nach. Sie wollten gar nicht mehr aufhören zu fließen. Sie wischte sich mit den Handrücken unter den Augen entlang. Sie schluchzte unkontrolliert.
    <<Ich habe niemanden verkauft!>>, stieß sie verzweifelt zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, aber Jeans Stimme drang zu fest zu ihr hindurch, dass zumindest ein kleiner Teil in ihr anfing, ihm zu glauben und beißende Zweifel sähte. Sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, es drohte sie verrückt zu machen. Ihre Schultern bebten.
    <<Hört doch auf!>>, rief Aren ihnen zu, <<Niva, Yroldir geht es immer schlechter!>>
    Niva hörte ihr nicht zu. Zu sehr trafen sie Jeans Anschuldigungen und sie sah nur ihn. Sie erinnerte sich an Momente der Unbeschwertheit. Wie sie zu ihm aufgeschaut hatte. Und sie wusste, dass er recht hatte. Sie alle taten nichts anderes als der andere.
    <<Können wir nicht gemeinsam überleben?>>, murmelte sie leise, aber sie wusste bereits die Antwort darauf. Sie hatten heute etwas Leichtsinniges getan. Das könnte er ihr vermutlich niemals verzeihen. Und wenn Yroldir nun sterben würde, könnte sie ihm verzeihen?

  • Die zwei Straßenkinder standen sich gegenüber. Jean auf der einen Seite, Niva auf der anderen. Hinter ihr Ahmet, der versuchte, sich um ihr schwächstes Mitglied zu kümmern. Tränen und Blut, ein Schwerverletzter, der noch nicht einmal das Kindesalter hinter sich gelassen hatte. Dies war nicht nur ein Überlebenskampf, sondern Krieg. Sie kämpften und starben für Münzen, die vielleicht drei Tage Nahrung bedeuteten und eine Uhr, die sie weit unter ihrem Wert verkaufen würden, damit irgendein Erwachsener, der mehr Ahnung hatte als sie, sich daran bereicherte.


    Jean atmete schwer, seine rechte Faust mit dem Fingerdolch war noch immer kampfbereit erhoben. Warum gaben ihm diese dummen Kinder nicht einfach ihre Beute? Warum ließen sie den Mickerling über die Klinge springen, über Jeans Klinge? War er ihnen so egal? Waren sie so dumm - oder so verzweifelt?


    Jean ließ die Hand ein wenig sinken. "Einverstanden", sagte er ruhig. "Wir teilen." Er kam einen Schritt näher und streckte erneut die Hand mit dem fingerlosen Lederhandschuh aus. "Ich nehme die Unterhainer Relixa. Und du und deine drei kleinen Arschlecker sollen leben."

  • <<Bleib hier Aren.>>, sagte Ahmet leise und drückte ihr die Schulter. Aren strich sanft über Yroldirs Wangen. Sie war ähnlich blass geworden und sie starrte auf den Jungen herab, dem Nebel über der Iris schwebte.
    Ahmet trat neben Niva. Er seufzte und warf Jean die Taschenuhr zu. Bevor er wieder zu den anderen beiden zurück ging, starrte er Niva lange an. Sie wagte nicht ihn anzusehen. Sie schämte sich. Sie blinzelte. Der Adrenalinschub war abgeklungen. Das Pochen in ihrem Schädel intensiviert. Der Schnitt brannte. In ihrer Brust hatte sich Taubheit niedergelegt. Sie hörte Arens leise beruhigendes Murmeln, das sie Yroldir in sein Ohr säuselte.

  • Jean fing die Taschenuhr mit einer Hand. Seine Finger schlossen sich fest darum. "Die Firma dankt." Doch der Triumph, den er zur Schau trug, fand nicht den Weg zu seinem Herzen. Er hatte Niva und einen ihrer Freunde verletzt. Auf den Straßen sah so oft der Beginn von etwas viel Schlimmerem aus. Noch waren sie alle sehr jung. In ein paar Jahren als Erwachsene würden sie einander nicht mehr fragen, was denn los war, warum sie sich so anders verhielten als früher, obwohl sie die Antwort in ihren Herzen längst kannten. Sie würden keine Worte verlieren, sondern nur noch die Dolche sprechen lassen. Damit, die kleine Truppe zu verschonen, ging Jean ein großes Risiko ein, das war ihm bewusst.


    Lässig schlenderte er ein paar Schritte rückwärts, während er die Uhr unter seiner Kleidung in einem Umhängebeutel verstaute. "Ihr versteht natürlich, dass ich das Betreten meines Reviers und den versuchten Diebstahl ahnden muss", sagte er und steckte auch den Dolch ein. "Sonst glaubt am Ende jeder, er könnte sich ohne zu bezahlen am Buffet bedienen. Aber der Tisch ist für mich allein gedeckt. Ich gebe euch eine Woche, um hundert Taler aufzutreiben, um für euren Fehltritt in barer Münze zu bezahlen. In sieben Tagen, zu Sonnenuntergang, treffen wir uns unter der großen Eisenbrücke am Südufer. Nur du und ich, Niva. Wenn du mir die hundert Taler ohne Tricks und Mätzchen übergibst, sei dir und deinen kleinen Freunden die Missachtung meiner Grenze verziehen. Wenn nicht, bezahlt ihr mit Blut."


    Damit drehte Jean sich um und ging in Richtung des Marktes. Einen Moment lang sah man noch seinen roten Mantel zwischen all den Körpern, dann wurde er Teil der Masse und verschwand.

  • Als Nirva sah wie Jean in der Menge verschwand machte sie auf dem Absatz kehrt und rannte zurück zu ihren Freunden. Aren drückte ein Stofftuch auf Yroldirs Hals das sich schon rot färbte und redete auf ihn ein die Augen offenzuhalten. Er ist weg, was sollen wir jetzt machen hörte Sie Ahmet fragen. Ich weiß es doch auch nicht wollte sie sagen, ihre Gedanken rassten und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, sie spürte das ihr Blut die Wange herunterlief, ihre Verletzung war nur ein Kratzer aber Yroldir hatte es schlimm erwischt.


    Myrddin die alte Kräuterhexe schoß es ihr durch den Kopf, vielleicht könnte Sie helfen, sie ist Heute um diese Zeit immer am Markt unterwegs.