Kapitel 19 - Ein ernstes Wörtchen

  • Ein ernstes Wörtchen

    An der Mole verabschiedete Tazio sich vorerst von seinem Schwiegervater. Er hoffte, dass Maximilien die rasante Fahrt mit dem Trimaran gefallen hatte. Als Ledvigiano war Tazio natürlich ungeheuer stolz auf sein schnelles Schiff, das in vielerlei Hinsicht Halterin etlicher Rekorde war. Während Maximilien noch mit dem Capitano plauderte, henkelte Tazio sich Linhard unter, damit dieser sich nicht verdrückte.


    Er führte ihn über die Piazetta durch die Porta della Carta, die sogenannte Papierpforte, welche das Nadelöhr zum Innenhof des Palasts bildete. Man nannte das Tor so, da es in der Regel für alle offen stand und man hier bei den Wachleuten Schreiben für die Krone abgeben konnte. Auch diente sie als eine Art Informationstand und die Guardianos der Hofgarde, die hier ihren Dienst versahen, mussten allerlei Fragen beantworten können. Als der Duca mit dem ersten Ehemann seiner Frau sich näherte, salutierten sie, auch wenn Tazio in seiner salzwassergetränkten Seemannskleidung gerade nicht sehr aristokratisch wirkte.


    Im Innenhof gab es zwei Trinkwasserbrunnen, einen für die Bevölkerung und einen für den Palast, die aus unterschiedlichen Zisternen unterhalb des Hofes gespeist wurden. Das Volk durfte sich hier frei bedienen. Vom Innehof aus führten mehrere Treppen hinauf in die erste Etage des Palazzo Ducale. Weitere Wachleute neben den untersten Stufen schauten sich genau an, wen sie hineinließen und wen nicht. Dies hier waren keine Guardianos, sondern Pretorianos, die Leibwache der Krone, die man anhand ihrer schwarzen Rüstungen sofort erkannte. Und sie waren weitaus grimmiger und wortkarger als ihre Kollegen von der Hofgarde. Auch sie salutierten, was aufgrund ihrer Rüstung, der Stiefel und der Hellebarde mit einem eindrucksvollen Knall einherging.


    "Ich bringe dich zuerst zu meinen persönlichen Heilern", erklärte Tazio. "Sie werden dich körperlich und magisch untersuchen und je nachdem, was sie sagen, sprechen wir uns gleich danach oder später."


    Gesagt, getan. Linhard musste geschlagene fünf Stunden die unterschiedlichsten Untersuchungen seines Körpers über sich ergehen lassen. Ihm wurden von Dantoine Fragen gestellt, die so persönlich waren, dass er vermuten musste, sie wären Teil seiner Strafe. Gleichzeitig las Aurelien all seine Gedanken zu sämtlichen Gesundheitsthemen aus. Am Ende wussten sie alles und Aurelio übermittelte sämtliche Ergebnisse in Echtzeit an Tazio. Am Ende der Tortur durfte Linhard sich wieder anziehen und die Heilstube verlassen. Auf dem Weg zu ihren Gemächern winkte ein Pretoriano ihn in eine Nische, wo sich ein Alkoven befand. In seinem Inneren befand sich rundherum ein gemütliches Sofa und in der Mitte ein Tisch mit einer kalten Platte zum Naschen und Tee.


    Tazio bat ihn hinein und der Pretoriano verschloss von außen die Holztür. "Und, was hat Dantoine gesagt?" Er wusste alles bereits, aber er wollte es gern noch einmal aus Linhards Mund hören. "Wie geht es dir?"

  • Linhard verabschiedete sich nach der rasanten Bootsfahrt von Maximilien. Gemeinsam machten Tazio und er sich auf den Weg zurück zum Palast. Der Ledvico Palast stand dem von Souvagne in nichts nach. Hätte ihm jemand vor zwei Jahren gesagt, dass er irgendwann den Hof von Souvagne kannte und ebenso den von Ledwick, hätte er nur gelacht.


    Linhard spazierte an der Seite von Tazio durch die Tore, genoss die Landschaft und fragte sich, wie weit er in zwei Jahren gekommen war. Von einem Nichts zum Oberhaupt seiner Familie und Sippe und zu einem Mitglied der Krone. Wobei er sich manchmal trotzdem wie ein Nichts fühlte. Was war seine Titel als Oberhaupt wert? Welche Macht hatte er? Er musste sich auf den neuen Weg verlassen. Lin musste darauf bauen, dass ihm seine Verwandten vertrauten und ihm freiwillig folgten. Vertrauen war so eine Sache im Hause Hohenfelde, aber aller Anfang war schwer.


    Manchmal sehnte er sich nach dem weisen und verrückten Rat von Archibald von Dornburg. Er wusste was die Bestie Dave angetan hatte. Jedenfalls konnte er es sich denken. Lin kannte keine Einzelheiten, keine blutigen Details. Und dennoch war Archibald zu ihm ganz anders gewesen. Die Zeit mit Brandur, Dunwin und Archi vermisste er. Sie waren auf der Flucht, sie waren in Gefahr und waren trotzdem für ihre Widersacher eine Bedrohung.


    Seinen Paps Brandur hatte er seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen. Was aus Dunwin geworden war, wusste er nicht. Und wo sich Archi herumtrieb, entzog sich seiner Kenntnis. Verrill die einst sein Kumpel, sein Kerl und seine Frau gewesen war, lebte größtenteils mit Tazio. Ciel war in Souvagne und damit ebenso weit entfernt, wie Verrill die mit ihm den Tisch teilte. Denn das Bett war zur Zeit Tabu.


    Eigentlich war es wie damals in Shohiro, als er noch bei seinen Eltern lebte. Heute war sein bester Kumpel nicht sein Pferd Noir, sondern ein Drachenhuhn namens Aquila. Das gute Geschöpf hatte ihn sogar einst vor dem Vampirismus bewahrt. Einsamkeit war scheinbar ein Teil seines Lebens, gleich wieviele Personen ihn umgaben. So wie Schimmel in alten Gemäuern, frass sie sich immer wieder einen Weg an die Oberfläche.


    Tazio verstand nicht, dass er wenigstens seine körperlichen Bedürfnisse befriedigen wollte. Lin hing gerade noch seinen düsteren Gedanken nach, als sie wieder im Palast waren und er auf links gekrempelt wurde. Zuerst wurde er von Dantoine untersucht. Dan untersuchte ihn derart gründlich, dass es keine weiteren Geheimnisse gab. Danach war ein Himmelsauge an der Reihe seinen Verstand zu durchforsten. Scheinbar waren beide zufrieden, denn er durfte gehen ohne dass man ihn gebranntmarkt hatte.


    Vor der Hochzeitsnacht mit Verrill war er ebenso untersucht worden. Das er keinen Stempel auf seinen Schinken bekommen hatte war alles. Monarchen oder solche die es werden wollten schienen ein seltsam reges Interesse an Doktorspielchen zu haben. Linhard gesellte sich gesund und verstört zu Tazio in die gemütliche Ecke und nickte dem Pretoriano dankbar für die Führung zu. Lin schaute Tazio an und setzte sich in Zeitlupe.


    "Es ist alles in Ordnung mit mir, mein Körper ist gesund und mein Geist ebenso. Ein lauschiges Plätzchen, wir hatten Zuhause auch einige Alkhoven...", schmunzelte Linhard und sah dabei dem jungen Dunwolf verdammt ähnlich, ohne es zu wissen.

  • "Du hast mehr Glück als Verstand gehabt", sagte Tazio, klang dabei aber nicht mehr so ernst wie bei ihrer Fahrt mit der Verdesca. Hier im Alkoven waren sie ungestört, sogar vor dem Leibdiener des Duca, die Tür war zu. Die Dunkelheit wurde nur von dem Licht, das durch die Holzritzen fiel, ein wenig aufgehellt. Auf eine Lampe hatte Tazio verzichtet, er wollte es schummrig, geborgen und behaglich, als Gegenstück zu der entblößenden Untersuchung


    "Es freut mich, dass es dir gut geht und ich dich nicht auf einer Insel voller Aussätziger dem Tod überantworten muss. Das hätte mir sehr leid um dich getan, aber der Schutz der Bevölkerung und in dem Falle der Familie geht vor dem Vergnügen eines Einzelnen. Es ist aber nicht das Einzige, woran ich in den letzten Stunden gedacht habe. Lass uns über uns reden, Linhard. Ich möchte, dass du Teil meiner Familie bist und dich auch so fühlst. Es soll für dich keinen Grund geben, nach Naridien zu reisen, weil dich hier nichts hält, während du hier gelangweilt deine Zeit absitzt. Dir soll es gut gehen. Sag mir, was ich für dich tun kann."

  • Linhard lehnte sich zurück und genoss die Dunkelheit und die damit verbundene Gemütlichkeit. Es war eine andere Dunkelheit als in ihrem Herrenhaus. Vermutlich bezweckte Tazio die Durchleuchtung wieder gut zu machen, wo man ihn in jede Ritze geleuchtet hatte. Linhard musterte die kalten Platten, aber gleich war immer noch Zeit etwas zu essen. In seiner Familie hatte es niemand eilig damit.


    "Bevor Du mich auf der Insel der Aussätzigen ausgesetzt hättest, hättest Du mich auch einfach des Landes verweisen können. Damit hätten wir beide leben können. Aber ich verstehe den Gedanken dahinter, Gemeinwohl über Eigenwohl. Gut reden wir, dafür haben wir uns schließlich getroffen.


    Bleiben wir gleich bei dem Thema und zwar Sex. Sex gehört zu den grundlegenden Bedürfnissen eines Menschen. Genau wie Nahrung und Luft zum Atmen. Der eine benötigt mehr, der andere weniger. Aber gleich wieviel Sex man benötigt, er ist schlicht ein Bedürfnis. Er ist weder besser noch schlechter als alle anderen Bedürfnisse. Allerdings ist er schlechter zu kontrollieren, da es sich dabei um einen Trieb handelt. Ich bin kein unbeherrschtes Tier, dass seine Triebe nicht unter Kontrolle hätte. Natürlich habe ich mich im Griff, ich kann auch Fasten und stopfe mich nicht mit Essen grundlos voll. Aber fast auf sexueller Ebene sorgt für Unmut.


    Zudem würde mich die ständige Unterdrückung meiner Lust ablenken. Es gibt... Dinge die ich manchmal tun muss, da ist so eine Ablenkung wie dicke Eier das Letzte was man braucht. Aus dem Grund reagiere ich mich in einem Puff ab. Es ist keine Liebe, es ist das Gleiche wie wenn jemand in ein Restaurant geht. Er lässt sich bekochen und isst außer Haus. Was tue ich anderes? Und ich bin nicht der einzige Mann, der so handelt, ansonsten gäbe es keine Freudenhäuser.


    Das ich Dir etwas anderes versprochen habe stimmt. Ich hatte auch vor es zu halten, dass versichere ich Dir. Aber irgendwann war der Frustgrad gewaltig hoch und da habe ich mein Versprechen gebrochen. Es ist nicht so, dass ich es nicht anders versucht hätte. Von Handarbeit bis Puppenspiel war alles dabei, allerdings ist das nicht das gleiche wie mit einer Frau. Aus dem Grund war ich im Freudenhaus.


    Das Du mich als Teil der Familie siehst freut mich Tazio.


    Tja manchmal fühle ich mich neben Euch beiden wie das dritte Rad am Wagen. Das Ihr beiden Vorrang habt, ist verständlich. Ihr beide seid die Krone dieses Landes. Und das Deine Linie fortgesetzt werden muss, steht außer Frage. Du benötigst einen Thronfolger. Am besten zig Söhne, damit auch für den Wennfall gesorgt ist.


    Mir geht es nicht anders, auch wenn ich nicht die Position habe, die Du hast. Aber auch von mir erwartet man, dass meine Linie nicht ausstirbt. Natürlich kann man das auch mit einer Frau hinbekommen, die als Mutter bezahlt wird. Manche Ehen sind nichts anderes, als eine Vereinbarung. Sie gebärt, er bezahlt.


    Was ich benötige? Nichts. Das was käuflich ist, kann ich mir kaufen Tazio. Mir mangelt es an nichts. Wir waren in Naridien keine armen Schlucker. Und andere Dinge kann man nicht kaufen, die bekommt man oder eben nicht. Das klingt jetzt furchtbar destruktiv, aber so ist es nicht gemeint. Es ist einfach ein Akzeptieren. Glücklich ist, der vergisst was nicht zu ändern ist. Sagt mein Onkel öfter, scheint was dran zu sein.


    Vielleicht verstehe ich Dich auch falsch, fangen wir doch andersherum an. Was wünscht Du Dir? Was würdest Du ändern? Was würdest Du in meinem Leben ändern?


    Was mir Spaß macht ist zum Beispiel Aquila, ich liebe das große Biest. Mittlerweile ist sie hier mein Haupthobby geworden. Ich meine es ist nicht schlecht sich gut um seine Haustiere zu kümmern, aber ein sonst ist da nicht viel. Ich bin kein Bücherwurm wie Verrill und trainieren werte ich jetzt nicht als Hobby. Es ist lebensnotwendig", erklärte Linhard freundlich.

  • Tazio griff zu Linhard herüber. Sein Ehebruder bekam die Kraft zu spüren, die in diesen feinen Händen steckte, als sie ihn von seinem Platz zogen. Da Linhard deutlich bulliger war als Tazio, sprach diese scheinbar beiläufige Aktion für sich. Einen Augenblick später lag Linhard an Tazios Seite und sie berührten einander.


    "In Ledvico gibt es keine Freudenhäuser", sagte Tazio mit einem Schmunzeln. "Ebenso wenig in den anderen almanischen Ländern. Offenbar haben nur naridische Männer solch dringende Not. Man kann es ihnen nicht verübeln, wenn man ihre Frauen mit den unseren vergleicht. Ich wünsche mir, dass wir ehrlich zueinander sind und keine Ausreden erfinden, warum wir unser Wort nicht hielten. Wir müssen uns aufeinander verlassen können. Dass du dich wie das dritte Rad am Wagen fühlst, tut mir weh, aber ich muss dir zugestehen, dass du Grund hast für dieses Gefühl. Ich habe mich intensiv um Verrill gekümmert, aber sie nicht um dich. Ich unterhalte mit Ciel eine rege Brieffreundschaft, aber schrieb er dir oder du ihm? Sowohl ich als auch Verrill und Ciel müssen uns wohl der Ignoranz schuldig bekennen. Aber warum hast du mich nicht wenigstens auf die versprochenen Mätressen angesprochen?"

  • Linhard knuffte Tazio und lehnte sich an ihn an.


    "Naridische Männer haben es vermutlich nicht nötiger als Ledwicker oder Souvagner. Es ist ihre Lösung auf das gleiche Problem. Wenn hier ein Mann Bock hat und seine Frau nicht, ist das ärgerlich. Hat er drei Frauen ist es ihm gleich. Und wenn dieser Mann eine Scholle hat, also adelig ist, hat er Leibeigene. Das heißt er hat sein Problem ganz anders gelöst, er ist von Frauen umgeben, die seine Frauen sind auf die er Zugriff hat.


    In Naridien ist das nicht der Fall, Mann und Frau sind dort vor dem Gesetz gleichgestellt. Das eine Gleichstellung nicht immer gleiches Recht für alle in der Realität bedeutet, siehst Du am Personenhandel. Denn der Umkehrschluss ist, wenn Du die gleichen Rechte hast, hast Du die gleichen Pflichten. Wieso sollte man eine Frau besonders beschützen? Sie benötigt in Naridien keinen Ehemann als Beschützer. Sie kann oder soll sich selbst beschützten. Durch den Staat und seine ausführenden Organe oder eben selbst. Welche Frau kann das in der Realität umsetzten?


    Zudem denken die meisten Almanen auch in Naridien noch in anderen Bahnen. In unserer Familie ging man niemals die eigenen Schwestern an. Heißt, man ermordete sie nicht. Aber seine Ehefrau auf Spur zu bringen und sie zu züchtigen, würde Dir keiner verbieten. Wobei unsere Sippe ja nicht wirklich aus Naridien stammt.


    Tja die Mätresse. Zuerst habe ich es ehrlich gesagt schlichtweg vergessen. Als es mir wieder eingefallen ist, kam ich mir blöde vor zu fragen. Wie ein Bittsteller der Euch mit seinem Problem auf den Sack geht. Der passt oder?", lachte Lin leise.


    "Zum Thema drittes Rad am Wagen, da sind wir alle schuld. Ihr hättet anders handeln können, dass stimmt. Ich allerdings genauso, denn ich bin kein vierjähriges Kind, dass beschäftigt werden muss. Ich hätte mir hier ebenso eine Beschäftigung suchen können, oder Freude. Wobei ich Letzteres nicht gut kann.


    Ciel hat mir nicht geschrieben und ich ihm auch nicht. Ich bin nicht so der Typ der Briefe schreibt. Ein einziges Mal habe ich einen Brief geschrieben und zwar an meinen Vater als er verstorben war. Ansonsten sollte man sich vorsehen, mit dem was man schriftlich festhält. Sowas kann gegen einen verwendet werden", grinste Lin.


    "Das geht nicht gegen Ciel, ich würde sagen wir sind Freunde. Wir haben schon so einiges gemeinsam erlebt, von einem meiner angepissten Verwandten bis hin zu Vanos Vergiftungsversuch und meiner vollgeschissenen Buxe", prustete Linhard.

  • Als Linhard sich gegen ihn lehnte, wirkte er erleichtert, fand Tazio. Offenbar fiel es dem Kerl schwer, auf Leute zuzugehen, aber war froh, wenn jemand von sich aus einen Schritt auf ihn zumachte. So legte Tazio freundschaftlich den Arm um ihn.


    "Ein kleines Kind ist eher, wer sich seinen Problemen nicht stellt, sondern vor ihnen davonläuft. Wir liegen jeden Abend zu dritt im Bett, Linhard, ich wollte, dass du bei uns schläfst. Abends ist Freizeit, Zeit für die Familie, Zeit für solche Gespräche, wie wir sie gerade führen. Wenn wir eingeschmiegt in den Kissen liegen, muss man sich dabei nicht einmal in die Augen schauen und kann auch Themen ansprechen, die einem vielleicht peinlich sind. Rede mit mir. Oder wenn wir vor dem Zubettgehen noch gemütlich auf dem Sofa sitzen, dann setz sich doch einfach dazu. Du bist herzlich eingeladen, ich freue mich, wenn du bei uns bist. Oh und du darfst auch Gäste empfangen, lade Ciel doch einfach ein, wenn du ihm keinen Brief schreiben möchtest.


    Im Übrigen hätte ich dich nicht einfach des Landes verweisen können. Ledvico ist nicht Souvagne, wir haben eine blaue Grenze, wie sollen wir den Ozean abriegeln gegen ein und ausfahrende kleine Boote? Die Erfahrung hat gezeigt, dass Verbannte gern wiederkehren unter anderen Namen, aber zum Glück gibt es im Dhunico genügend abgelegene Inseln für Aussätzige und Verbannte.


    Nun zu deinem handfesten Problem. Die Mätressen, die am Palazzo einherwandeln, sind dir ja inzwischen bekannt. Gibt es eine oder mehrere davon, die dein Interesse wecken?"

  • Das Tazio so unbefangen mit ihm umging, freute Lin, dass machte es ihm selbst leichter. Nur das er ständig auf dieser Insel herumritt, war ihm suspekt. Vermutlich gab es überhaupt keine Aussätzigen und Tazio war scharf auf seinen ersten, den er auf die Insel verfrachten konnte.


    "Ja auch damit hast Du Recht, ich habe mir gewünscht wie eine Familie zusammen zu leben. Und dann bin ich ausgerechnet der, der den Mund nicht aufbekommt. In einer Familie sollte man alles besprechen können. Mal Blödsinn um miteinander zu lachen und mal ernste und wichtige Themen. Ich nehme Dein Angebot gerne an. Verrill trifft da keine Schuld, sie ist im Moment mit sich beschäftigt, dass nehme ich ihr nicht krumm. Und wie Du schon korrekt sagst, ich hätte auch mit Euch reden können. Plaudern wir abends, dass wird bestimmt lustig und entspannend.


    Ciel einladen? Warum nicht? Ihr habt ja auch einen wichtigen Grund, warum Ihr ihn einladen solltet. Das neue Großherzogtum, darüber müsst Ihr ebenso mit ihm reden. Da könnten wir beides doch verbinden, sprich das Private und Dienstliche. Es gibt einige hübsche Frauen am Hofe, aber ich kenne sie nicht mit Namen. Die einzige weitere Frau die ich mit Namen kenne ist Verrills Zofe. Die Gesellschafterinnen kenne ich so nicht, aber einige von ihnen sehen verdammt lecker aus. Vor allem die mit den dunklen Haaren und den schwarzen Augen.


    Ach ehe ich es vergesse und um gleich mit der Wahrheit anzufangen. Melville hat Verrill geschrieben. Er wollte sich mit ihr versöhnen. Er möchte keinen Streit mit ihr oder Max, verständlich. Ob sie geantwortet hat, weiß ich nicht. Aber sie wollte ihm neutral zurückschreiben hat sie gesagt. Ich denke Melville hat seine Lektion gelernt. Zwar wollte ich damals den Burschen nicht im Haus haben, aber auf der anderen Seite hatte er Verrill auch beschützt.


    Also laden wir Ciel ein? Vielleicht können wir ja auch mal Anwolf einladen. Wir haben uns zwar versöhnt, aber danach haben wir uns nicht mehr gesehen. Meinen Vater würde ich auch gerne mal einladen", sagte Lin gut gelaunt.

  • "Ob Ciel, ob Anwolf, ob deinen Vater - du kannst jeden aus deiner Familie einladen", antwortete Tazio verwundert. Für ihn klang es so, als ob Linhard das nicht gewusst hatte. "Du hast ja neben unserem gemeinsamen Gemach auch ein eigenes. So, wie ich mein Arbeitszimmer habe, da sind ja auch eine Sitzecke, ein Bad und ein Schlafzimmer angeschlossen. Es ist mehr ein Arbeitsgemach als nur ein Zimmer. Dort habt ihr eure Ruhe oder ihr findet euch in einer Gästesuite zusammen. Der Palazzo Ducale ist groß genug und ziemlich leer im Moment. Kein Vergleich zu dem Gewimmel während der Amtszeit meines Vaters. An Platzmangel leiden wir wahrlich nicht, Lin.


    Ob Verrill sich mit Melville versöhnen möchte, obliegt ihr. Von meiner Seite aus ist dieser Mann genau so als Gast willkommen wie jeder andere geladene Souvagner. Er ist nicht umsonst Comte, er wird sich der Ducachessa gegenüber zu benehmen wissen. Ich hege gegen ihn weder Abneigung noch Groll. Tatsächlich bin ich sogar neugierig auf ihn, da es offenbar eine Zeit gab, in der sie ihm mehr vertraute als ihren eigenen Brüdern.


    Um noch einmal auf das eigentliche Problem zur Sprache zu kommen, such dir eine, zwei oder drei der Mätressen aus, dazu sind sie da. Benenne sie mir und ich sorge dafür, dass sie dir allein zur Verfügung steht beziehungsweise stehen. Wir haben übrigens auch Ruspanti. In Souvagne nennt man sie wohl Lustknaben. Für diese gilt das Gleiche."


    Er erhob sich und trat aus dem Alkoven, wobei er Linhard mit sich herauslotste und ihn unterhakte, als er ihn zurück in ihr gemeinsames Gemach brachte. Vianello trug ihnen die unangetastete kalte Platte hinterher. Vielleicht bekamen sie später Appetit.