Kapitel 09 - Die Ankunft der Lagunari

  • Die Ankunft der Lagunari

    In Ehveros wüteten die Oltremarini. So sah sie also aus, die Rehabilitierung der Verbrecher. Unter dem Schutz ihrer Vorgesetzten, die sich genau wie ihre Männer die Taschen vollschlugen, plünderte man und ließ es sich gut gehen. Vittorio sah den Soldaten zu, die als er sein Schiff über den Draken fuhr. Die Zeit des Mordens und Brandschatzens war vorbei, doch das Plündern hatte gerade erst begonnen.


    Man benahm sich, als stünde das besetzte Land und alles was darin kreuchte und fleuchte zur freien Verfügung. Einige der Oltremarini waren offensichtlich betrunken. Man fraß die Vorräte, raubte die Schmuckstücke, bediente sich an den Frauen und schlief in den Herrenhäusern des Adels. Waren die Oltremarini einmal entfesselt, waren sie kaum noch aufzuhalten und die internationalen Verquickungen waren nur eine Frage der Zeit. Die Krone Ledwicks war wenig begeistert, hatte empört Disziplin eingefordert und das Schreiben war verschollen. Der Duca war weit weg, sollte er sich doch auf seinem Walbeinthron aufregen. Die Oltremarini feierten die Zerstörung.


    Anderthalb Jahre hatte man es geduldet, Boten geschickt, Rechenschaft gefordert, hatte sich Beschwichtigungen angehört. Nun kamen die Lagunari.


    Ledwicks bestens ausgerüstete Vorzeigetruppe, keine Verbrecher, keine Fremdländer - alles reinblütige Ledvigiani. Seit ungezählten Generationen waren sie die Herren des Dhunischen Ozeans.


    Vittorio schmunzelte, dann gab er das Kommando zum Anlanden. Mit einem Knirschen grub der Bug des Truppentransporters sich in den Kies des Flussufers. Er senkte den Daumen und der Anker klatschte ins Wasser. Wenig später war das Drachensegel gefaltet, kraftvoll röhrte das Horn, die leichten ledwicker Kampfstiefel, die beim Schwimmen nicht hinderten, trampelten über die Planke. Die Lagunari in ihren leichten Rüstungen nahmen vor Drakenstein Aufstellung. Die Fahne ihrer Einheit peitschte knallend im Wind.


    Ein zweites Transportschiff schob sich dahinter ans Ufer, es röhrte ein zweites Horn. Ein drittse, viertes, bis es fünf Transportschiffe waren, die ihre Soldaten an Land spien. Gute Ledvigiani, Vollbürger, beäugt von den betont gelangweilten Oltremarini, die keine Anstalten machten, irgendetwas an ihrem Tagesablauf zu ändern. Nur deren ledwicker Befehlshaber wirkten ein wenig nervös.


    Vittorio schrie, gab Handzeichen, sortierte. Seine größte Stärke war Heimlichkeit, doch diese Zeiten waren nun vorbei. Die anderen vier Offiziere hielten es genau so. Die Lagunari stellten ihre Stärke und Disziplin offen zur Schau, als sie den Boden von Ehveros betraten.

  • Fünf Schiffe die angelandet waren und deren Besatzung Aufstellung bezogen hatte. Eine Machtdemonstration des Duca und eine allerletzte Warnung, bevor das losbrechen würde, was die Truppen versprachen. Admiral di Caldera beobachtete von den Zinnen der Feste was sich am Kiesstrand von Ehveros abspielte.


    Ihm unterstand die Flotte der Armata Navale, jene der Hoch- und Tiefsee. Sicomoros Truppen die Oltremarini hatten es endgültig auf die Spitze getrieben. Sie hatten genug Männer verloren und ihr eigentliches Ziel war es gewesen Ehveros Ledwick einzuverleiben. Nun sah es ganz danach aus, als standen sie kurz vor einer Schlacht Ledvico gegen Ledvico. Wobei man das bei den OLtremanrini nicht so genau sagen konnte.


    Gute harte Männer, mit einer schwachen Führung. Sicomoro hatte ihnen freie Hand gelassen, vermutlich sprach der Hass auf Felipe und das was er ihrem Land angetan hatte aus dem Marchesi. Aber soweit durfte es nicht kommen. Letztendlich schadeten sie sich selbst und der alte Gauner würde noch im Nexus über sie lachen. Das was er ihnen angetan hatte, das hatte Alvashek ihm ebenso auf die Rechnung gesetzt. Ein leerer Thron. Nichts war bleiben würde von seinem Haus. Mag kommen was da kommen mag, die Sonne bringt es an den Tag. So auch die Schandtaten dieses unwürdigen Mannes.


    Nun standen sich Ledvico gegenüber und es war nur eine Frage der Zeit, bis es zum Äußersten kam.


    Die Buffalo Bianco - die weißer Büffel - lag nicht unweit von den angelandeten Schiffen der Lagunari. Erhaben lag sie da, so als hätte sie die Ankunft ihrer Schwesterschiffe erwartet. Doch weder die Buffalo Bianco noch ihr Admiral Caio di Caldera hatten erwartet, dass die Laguneri hier anlanden würden. Vielmehr hatte er auf die Einsicht der Oltremanrini gesetzt. Sie hatten es sich letztendlich selbst zuzuschreiben.


    Der Duca hatte es mehrfach im Guten versucht, aber sie hatten nicht hören wollen. Nun würden sie fühlen müssen, falls er nicht noch das Ruder für sie alle herum reißen konnte.


    Caio setzte das Fernglas ab und dachte angestrengt nach. Seine Treue zum Duca stand außer Frage, die Moral der Oltremarini ließ stark zu wünschen übrig. Sie hatten sich zu sehr gehen lassen. Das musste sofort beendet werden.


    "Ein Bote zu den Offizieren der Lagunari und ein weiterer Bote zu Admiral di Sicomoro, es wird umgehend eine Unterredung einberufen. Die Botschaft des Duca ist eindeutig, entweder wir einigen uns hier, oder er sorgt für Ruhe. Das kann nicht im Sinne des Admirals di Sicomoro sein", befahl Admiral di Caldera.


    Und so eilten zwei seiner Untergebenen los, einer zum Admiral di Sicomoro und einer zu den Laguneri.

  • Jetzt kam Bewegung in die Sache. Zufrieden beobachtete Vittorio das entstehende Gewimmel. Den Boten winkte er zu sich persönlich heran.


    Sein Offizier, der Cavaliere Zelindo di Acacia, ließ ihm den Vortritt. Der sehr junge Mann, kaum dem Knabenalter entwachsen, war anwesend, aber delegierte vertrauensvoll, sprich, er war ein Feigling. Den Vater hatte er, wie so viele andere, an den Krieg verloren. Aufgrund seiner extremen Jugend war es sicher nicht das schlechteste, wenn er den erfahrenen Männern den Vortritt ließ.


    Mal sehen, wer da anrückte und was er anbot ...

  • Raffaele Toscaninegri


    Raffaele hatte sich unverzüglich auf den Weg gemacht, als Admiral di Caldera ihn losgeschickt hatte. Laufend machte er sich auf den Weg zu den Lagunari. Toscaninegri schaute sich suchend um, ehe er einen der Offiziere entdeckte. Vor dem Mann kam er zum stehen und grüßte dienstlich.


    "Raffaele Toscaninegri, Angehöriger der Armata Navale, Bote. Mich schickt Admiral di Caldera, er wünscht eine Unterredung mit den Offizieren der Lagunari. Ebenso wurde ein Bote zu Admiral di Sicomoro geschickt, zwecks Klärung der Lage. Dürfte ich Euch bitten, Eure Amtskollegen zusammen zu rufen, damit ich Euch zu unserem Admiral führen kann?", bat Raffaele respektvoll.

  • "Zum Admiral persönlich? Da wird es der Gegenwart des Cavaliere bedürfen."


    Im Dienst zu grinsen war ein Unding, doch sollte man ruhig versuchen, es Vittorio zu verbieten, als er den Boten ins Auge fasste. Das würde ein spannendes Gespräch werden.


    Sein Gesicht war allerdings ernst, als er mit dem Befehlshaber zurückkehrte. Nur widerwillig ließ der viel zu junge Cavaliere Zelindo di Acacio sich aus seinem Versteck im Flaggschiff locken. Eher klein und dünn war er, doch die leichte Lederrüstung, in der man auch schwimmen konnte, saß tadellos. Diese leichten Rüstungen unterschieden sich von den massiven Eisenpanzern, die in Souvagne üblich waren.


    Auf dem Kopf trug er eine gelb-grün gestreifte Kopfbedeckung, die an einen Turban erinnerte, dessen beide Enden lose über die linke Schulter lagen. Die Maske, die ihn als Adligen in Amtsausübung auswies, war golden mit grünen Abzeichen. Das Wappen auf seinem weißen Waffenrock zeigte einen golden blühenden Kranz von grünen Akazienzweigen.


    "Aber wo Sicomoro ist ... da müsst ihr die Oltremarini fragen. Ich schlage vor, dem Duft des Goldes zu folgen."


    Am Ende war auch der Machese Sandro di Sicomoro gefunden. Vittorio hatte ihn noch nie ohne Maske gesehen, was für die meisten Edelleute galt, die man nur anhand ihrer Farben, Wappen und der Verlautbarung ihrer Herolde erkannte. Die Farben Sicomoros waren schwarz und gold, in seinen Kleidern wirkte er hochgewachsen, dürr und die Maske böse. Es verwunderte kaum, dass sein Wappentier der Kormoran war.

  • Admiral di Caldera hatte zum Gespräch gebeten. Nun die Bitte galt zumindest Admiral di Sicomoro, für alle anderen war es eine sanfte Aufforderung. Zwischen den Oltremarini und den Lagunari galt es nun zu vermitteln. Von Caio sah man wie von allen anderen Adligen nicht das Gesicht, mehr noch nicht einmal das Haar. Eine weiße Walbeinmaske verhüllte das Gesicht des Marchesi di Caldera. Fast gänzlich weiß war die Maske. Die linke Hälfte jedoch war golden verziert, so dass sie fast zweigeteilt wirkte.


    Walbein war ein Statussymbol, ein Wal musste erst einmal erbeutet werden. Dazu benötigte man ein Schiff, eine Mannschaft und ausreichend Befehlsgewalt, um eine Jagd zu bewerkstelligen. Das Walbein zeigte die Verbindung zum Meer, das Gold war ebenso Teil des Reichtums und deutete auf dieser Maske das Gold der Zypressen an. Eine schwarze Kapuze rundete die Maske ab, so dass die Persönlichkeit des Trägers völlig hinter dem Amt und der Würde verschwand.


    Caldera hatte schnellstmöglich einen Raum zur Besprechung herrichten lassen, damit man Worte statt Waffen geschwungen wurden. Hoffentlich in die richtige Richtung. Die grimmige Miene des alten Haudegen wurde von der absoluten Neutralität des Blicks der Maske verborgen. Der Wappenrock der Calderas wurde von einer Zypresse und Pinienzapfen geziert. Die Statur des Admirals war kompakt und trainiert. Nicht mehr so wie in seiner Jugend, denn das Alter forderte auch von ihm seinen Tribut, dennoch war er immer noch eine stattliche Erscheinung.


    Raffaele Toscaninegri führte die anderen nach einigen Rückfragen an die Kameraden in den eingerichteten Besprechungsraum.


    "Admiral wie von Euch befohlen melde ich die Ankunft der Offiziere der Lagunari wie die Ankunft von Admiral di Sicomoro", rief Raffaele in einer Lautstärke, als befände sich der Admiral am anderen Ende der Feste. Er stand allerdings nur am anderen Ende des Tisches.


    "Grüße die Herren", grüßte di Caldera, "es gibt dringenden Gesprächsbedarf".


    Caldera machte eine auffordernde Geste Platz zu nehmen. Missmutig beobachtete er dabei Sicomoro, allerdings bewegten sich nur seine Augen, nicht sein Kopf. Ledwicker wussten diese Art der Beobachtung zu erkennen, für sie waren Masken im Adel allgegenwärtig. Ein Fremdländer hätte nur ein starres, künstliches Gesicht gesehen. Sicomoro jedoch war ein alter Hase und Ledvico, er wusste worauf er zu achten hatte.

  • Sandro di Sicomoro faltete seinen hochgewachsenen, hageren Leib zusammen, als er sich setzte. Allein die Tatsache, dass er sich dabei auf die Lehnen des Stuhls stützte, um sein Körpergewicht auf die Arme zu verlagern, verriet, dass er der älteren Generation angehörte. Ansonsten wirkte er, wie die meisten Mitglieder des ledwicker Adels, deren Amt an ein militärisches Kommando gebunden war, schneidig. Jeder ledwicker Adelsspross hatte in seiner Jugend eine mehrjährige Offiziersausbildung bei der Flotte durchlaufen und dort Kommandoerfahrung gesammelt, ehe er zurück ins zivile Leben kehren durfte. Da Caldera und Sicomoro gleich alt waren, kannten sie einander aus dieser Zeit.


    Wenn die Krone rief, musste ein jeder Adliger den Waffenrock wieder anlegen, selbst wenn er sich nach Ablauf der Pflichtzeit der Verwaltung seines Lehens oder geistigen Studien gewidmet hatte. Sandro jedoch hatte das Militär nie verlassen, sondern nur die Kommandoeinheit gewechselt. Von der Flotte war er zu den Oltremarini versetzt worden, wie auch schon sein Vater und Großvater. Er war mit dem Militär verwachsen, die Verwaltung seines Lehens hatte er in die Hände seiner eigenen altgedienten Soldaten gelegt. Kein anderer Marchese stellte bei der Krone so viele Anträge auf Adelung und Entadelung, mit dem offensichtlichen Ziel, sich der alten Cavalieri zu entledigen und sie durch Neuadel aus den eigenen Reihen zu ersetzen. Ein Großteil des Lehen war inzwischen durchseucht von ehemaligen Oltremarini, die keinen Bezug zur lokalen Bevölkerung hatten, aber dafür umso engeren Bezug zu ihrem alten Admirale.


    Ein Nachfare von jenen Rittern, dessen Familie auf Bestreben von Sicomoros Vorfahren hin entadelt worden war, stand dort gegenüber, das alberne Bübchen Zelindo di Acacio an der Seite: Alejandro Alballo. Sandro wusste genau, dass der Kerl nicht Vittorio Pollarotti hieß.


    "Grüße, Admirale", erwiderte Sicomoro finster, den Blick nun auf seinen Gastgeber gerichtet. Dass Caldera sich einmischte und sogar die Lagunari mitgebracht hatte, betrachtete er als persönliche Beleidigung.

  • Admiral di Caldera beobachtete Sicomoro mit Argusaugen. Die alte Muräne mit dem messerscharfen Zähnen schlängelte sich auf den Stuhl. Kaum etwas ließ das Alter dieses Mannes vermuten, aber das hatte Caldera auch nicht nötig, er kannte Sandro seit seiner Jugend. Das was die Zeit dem alten Knochenfisch an Geschmeidigkeit genommen hatte, hatte sie durch List, Tücke und Verschlagenheit wett gemacht. Sicomoro wechselte seine Adligen öfter als seine Unterhosen. Bei der Geschwindigkeit auf dessen Lehen man geadelt und entadelt wurde, wurde so manchem schwindlig.


    Caio sah wie alle anderen das Treiben hinter diesem Spiel. Sandro sicherte sich die uneingeschränkte Treue seiner direkten Untergebenen. Was eigentlich eine natürliche Ordnung sein sollte, war bei Sandro zu einem Machtspiel geworden. Treuer als treu konnte niemand sein, wurde landläufig vermutet. Aber die Ledwicker irrten sich. Ein Untertan der willfähigen Gehorsam leistete, war nicht nur Untertan, er war eine Waffe. Die Männer von Sicomoro lebten gut, sie lebten frei und sie nahmen sich was sie wollten. Sicomoro gewährte ihnen viel und er verlangte viele. Doch dafür genossen sie seinen uneingeschränkten Schutz.


    Diese Männer waren es, die der Muräne ihre Macht verliehen. Männer die sich nicht scheuten nachts oder in dunklen Gassen Kehlen durch zu schneiden, gleich welchen Standes.


    Caldera wusste nicht ob Sicomoro ein Lehen verwaltete oder eine Verbrecherorganisation leitete. Vermutlich beides. Der Blick hinter der Maske von Caio war Packeis und zwar von der Sorte durch die nicht einmal altgediente Admirale fahren wollten.


    "Die Befehle unseres Duca sind auf unerklärliche Weise abhanden gekommen. Die Lagunari wurden entsandt. Ehveros war zu sichern, niemand sprach davon es bis auf den letzten Tropfen Blut auszupressen. Unser Duca war großzügig, aber auch seine Geduld kennt Grenzen Admiral Sicomoro. Weshalb habt Ihr Eure Männer nicht unter Kontrolle? Was geht in Ehveros vor?


    Sprecht bei der Tiefsee, ehe Ihr und die Euren dort landen. Die Lagunari wurden als letzte Warnung geschickt. Bleibt diese Nachricht ungehört, wisst Ihr welcher Befehl als nächster folgen wird. Glaubt mir Admiral, der nächste der auf Eurer Scholle dann entadelt wird, seid Ihr. Berichtet", verlangte Caldera unmissverständlich.


    Caio war auf alles vorbereitet, ebenso gut konnte dies ein Spiel sein. Eine Finte in der die alte Muräne den Schwarm aus dem Palast lockte, damit ein einzelner Pfeilfisch den Leone angriff. Sollte er sich dies wagen, würde der alte Aal lernen, dass auch ein junger Leone kräftige Zähne und Klauen hatte.

  • Bedächtig legte Sandro die Spitzen seiner langen dürren Finger aneinander. Sacht. Er beugte sich ein wenig vor.


    "Entnehme ich Euren Worten die Annahme, ich hätte die Befehle unseres Duca verschwinden lassen? Admirale, Ihr betrübt mich. Von mangelnder Kontrolle kann keine Rede sein - zumindest nicht in Ehveros. Meine Oltemarini tun nur, was man ihnen auftrug. Gegenteilige Anweisungen aus Monleone sind nicht eingetroffen. Jedoch müssen die Boten des Duca dafür die Laguna Azzurra durchqueren, bevor sie in Ehveros anlanden können."


    Er neigte den Kopf zur Seite und blickte Caldera in die Augen. Seine Stimme klang nun fast freundlich.


    "Wenn mich nicht alles täuscht ... seid Ihr derjenige, der für die Sicherheit zur See zuständig ist."

  • "Wie kommt Ihr denn auf eine derartige Vermutung geschätzter Kollege? Nichts dergleichen sagte ich, aber der Umstand scheint Euch nahe zu gehen, ja geradezu zu grämen. In Ehveros liegt keine mangelnde Kontrolle Eurer Oltremarini vor? Das ist also das Bild, dass Eure Männer zeigen, wenn sie unter Kontrolle stehen? Sandro das meint Ihr nicht ernst. Wir beide sind alt genug um zu wissen, dass jede Besatzung gleichbedeutend mit Bereicherung ist. Unser Duca weiß das genauso gut, wie jeder von uns. Unsere Nation hat stets von dem gelebt, was sie bei anderen geerntet hat.


    Jedoch ist Ehveros kein Spielplatz Sandro, diese Scholle soll unser Land retten. Wie viele junge Männer leben noch bei Euch auf der Scholle? Begreift Ihr nicht worum es mir geht? Es geht mir nicht darum, Euch Eure Beute streitig zu machen. Es geht mir darum Euren dürren Hals aus der Schlinge zu ziehen. Ihr, wir, jeder hier hat sich zu verantworten für das was geschieht und was nicht.


    Ehveros soll Ledwick werden, Ihr raubt unser eigenes Land aus. Ihr möchtet das ich für Sicherheit sorge? Genau das tue ich hier, ich sorge sogar für Eure Sicherheit. Deshalb wäre es klug, Ihr würdet mich meine Arbeit machen lassen. Ruft Eure Männer zurück und erinnert Euch an Euren Treueschwur Sandro. Wollt Ihr einen Bruderkrieg? Wollt Ihr das sich unsere Nation gespalten gegenüber steht? Dann hätte Felipe vom Grunde der See aus erreicht, was dieser Kerl erreichen wollte.


    Wie auch immer die Befehle verschwunden oder nicht angekommen sind, jetzt sind sie da. Da Ihr die Kontrolle über Eure Männer habt, seid so gut und gebt uns eine Sachstandsmitteilung. Was genau habt Ihr vor bezüglich der fehlenden jungen Männer? Berichtet bitte", forderte Caldera seinen Amtskollegen auf und ohne ein einziges Mal Sicomoro aus den Augen zu lassen.


    So leicht würde er es Sandro nicht machen, die alte Muräne würde sich nicht in ihren Bau verkriechen.

  • Sandro tippte seine Fingerspitzen mehrmals aneinander. Darüber hinweg musterte er Caldera.


    "Wie genau lauten die Befehle? Bislang vernahm ich nur Beschwerden und haltlose Anschuldigungen. Wenn jemand unsere Nation spaltet, dann doch wohl Ihr. Wie Ihr über mich denkt, ist mir bewusst. Es wurde meinen Vorvätern nie gedankt, welchen Beitrag sie zur Rehabilitierung der Kriminellen leisteten. Dass man für so stille Arbeit wenig Ruhm erntet, im Gegensatz dazu, mit der Armata Navale mit geblähten Segeln gegen den Feind zu ziehen, ist nicht schwer herzuleiten."


    Er seufzte.


    "Doch mich von eurem hohen Schiff aus nun in einen Topf zu werfen mit jenen Männern, denen ich zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft helfe, grenzt an Beleidigung. Ein solcher Umgangston ziemt sich nicht für den Hochadel Ledwicks, es sei denn, ihm ist an eben jener Fehde gelegen, vor der Ihr mich warntet. Und was die jungen Männer betrifft ..."


    Anhand der Falten in seinen Augenwinkeln konnte man ein verschlagenes Grinsen erahnen.


    "... so kann ich mich über einen Mangel nicht beklagen. Irgendwohin müssen die rehabilitierten Männer der Oltremarini nach Ableistung ihres Strafdienstes ja ziehen, ebenso die Fremdländer, welche sich durch treuen Dienst die ledwicker Staatsbürgerschaft verdienten. Viele bitten darum, sich auf meinem Lehen niederlassen zu dürfen und natürlich erweise ich ihnen diesen Gefallen gern.


    Warum genau fragt ihr? Sucht Ihr einen Ehemann für Eure Tochter? Ich könnte Euch einen empfehlen. Oder vielleicht einen schmucken Jüngling gegen die nächtliche Kälte in Eurem einsamen Zypressenwald? Auch da könnte ich vielleicht behilflich sein, wenn Ihr mich freundlich fragt und künftig die Anschuldigungen unterlasst."

  • "Sandro jeder zieht sich den Schuh an, der ihm passt. Das gilt auch für Euch. Wo hat Euch jemand etwas unterstellt? Ihr wurdet etwas gefragt. Nur antwortet Ihr nicht darauf, sondern kramt uralte Dinge aus Eurer Seemannskiste. Welchen Dank hättet Ihr denn erwartet? Und welcher Dank wurde Euch nicht zu Teil? Ihr seid Marchesi, vielleicht solltet Ihr Euch daran erinnern, dass Eure Scholle und das in Euch gesetzte Vertrauen der Dank ist, den Ihr derart vermisst.


    Die Befehle waren eindeutig. Besatzung Sicomoro und Disziplin. Ihr habt Eure Männer nicht nur rehabilitiert, Ihr habt Euch eine Armee geschaffen die Euch treu ergeben ist. Allerdings ist sie scheinbar nur Euch treu ergeben. Eure Treue zum Duca würde ich niemals in Frage stellen Sandro. Ihr würdet sie ebenfalls niemals beflecken, denn sie ist unerschütterlich nicht wahr? Nur leider.... leider kommen die Befehle unseres geliebten Duca bei Euch irgendwie nie rechtzeitig an.


    Fast erscheint es mir, als hättet Ihr nicht nur Schwerverbrecher rehabilitiert, sondern auch Boten von Humus Express.


    Wir haben leider allen Grund zur Klage, was junge Männer angeht. Sie sind rar nach dem was vor der Zwergenfeste geschah Sandro. Schmunzelt nur hinter Eurer Maske und macht Eure Scherze. Mir ist bei diesem Thema noch nie nach Lachen zumute gewesen. Was ich suche ist junges Blut, dass das unsere erhält. Das unserer Familie ebenso wie das all unserer Untertanen auf unserer Scholle. Männer die es nicht gibt Sandro, zeugen keine Kinder. Unser Volk wird mit jeder Generation weniger werden und eines Tages, wird von uns nichts mehr übrig bleiben. Außer die Erinnerung an einen Großherzog, der in einem Krieg der Zwerge die anderen Länder schändlich verraten hat.


    Ihr meint auf die Ehverosser verzichten zu können? Es sind Almanen Sandro, so wie Ihr und ich. Sie haben nichts verbrochen, sie hatten nur einen Großherzog, der den Titel nicht wert war. Ihr solltet wissen, was Felipe von Ehveros uns alle gekostet hat. Weder um meine Kinder noch um mein Bett müsst Ihr Euch sorgen. Eure Sorge sollte Ledwick gelten", antwortete Caio und hätte Sandro am liebsten die Hände um seinen dürren Schlangenhals gelegt.

  • "Besetzung und Disziplin bieten viel Interpretationsspielraum, das müsste sogar Euch einleuchten. Was genau schwebt dem Duca vor? Was sollen meine Oltremarini künftig tun oder unterlassen, um nicht den Zorn des Leone Marino heraufzubeschwören?"


    Sein Lächeln hatte er nun abgelegt, während er den Mann musterte, der seit seiner Jugend zu seinen schärfsten Rivalen gehörte. Vielleicht war er sogar jener, dem in dieser Disziplin die Krone gebührte.


    "Mein Angebot war ernst gemeint. Mein Lehen ist aufgrund der Ansiedelung von ledvigisierten Veteranen aus dem Ausland womöglich das Einzige mit einem Männerüberschuss. Wer einen Mann zu Zwecken der Familiengründung sucht oder zu welchem Zwecke auch immer, darf sich vertrauensvoll an mich wenden und ich stelle gern einige geeignete Kandidaten zur Auswahl."


    Nun wurde Caldera womöglich klar, warum Sicomoro kein Interesse daran hatte, dass die Ledvigiani künftig Ehverosser ehelichen würden. Mit jedem treuen Gefolgsmann, den er in einem anderen Lehen unter die Haube brachte, wuchs sein Einfluss.

  • Clever. Wirklich clever. Hier bot die Spinne ein Faden ihres Netzes an und wollte es noch als wärmende Decke verkaufen. Zeitgleich biss sie jede Alternative tot oder krempelte sie auf ihre Eichung um. Auf der anderen Seite, welche Wahl hatten sie? Entweder schluckten sie den Köder und sicherten ihre eigenen Lehen, in der Hoffnung dass der Einfluss nicht zu groß wurde, oder sie sahen dabei zu wie sie von Generation zu Generation weniger wurden und Sicomoro wuchs.


    Ab einem bestimmten Punkt wäre der Einfluss dann ebenso gegeben. Machtübernahme. Wo keine Männer mehr waren, konnten auch keine Männer aufstehen um die eigene Scholle zu verteidigen. Sicomoro musste nur abwarten, so oder so würde ihm die Macht in den Schoss fallen. Mit Fug und Recht sonnte sich dieser alte Raubfisch in den sonnigen Gewässern seiner Scholle.


    Er hatte es nicht nur clever, sondern auch taktisch sehr klug angestellt. Aber noch war nicht alles verloren und einen eingeschlagenen Kurs konnte man ändern. Manchmal war es auch eine Begebenheit wie ein Sturm, der zu einer Kursänderung zwang. Caldera lehnte sich nun ebenfalls in seinem Stuhl zurück und blickte Sandro milde, ja freundschaftlich an.


    "Wen könntet Ihr denn entbehren? Ihr wisst um unser Problem. Ohne Scheu kann ich Euch sagen, dass wir froh sind, dass unsere Familienmitglieder aus diesem elenden Krieg der Zwerge zurückgekehrt sind. Was Ihr tun könntet, wäre Eure Männer anzuhalten, mit der örtlichen Bevölkerung anständig umzugehen. Das Land wurde nicht zur Plünderung freigegeben, dies ist nicht Eure Scholle Sandro. Und dies sind nicht Eure Leibeigenen. Was immer unser Duca mit Ehveros vorhat, er wird uns rechtzeitig darüber informieren. Hoffen wir auf einen Boten der weder den Oltremarini angehört noch Humus Express.


    Also was bietet Ihr?", fragte Caio offen. Caldera wollte sich ein Angebot von Sicomoro unterbreiten lassen, eines dass er nutzen konnte oder sogar vielleicht nutzen musste.


    Dies galt für seine Scholle und die Kriegsnachwirkungen. An den Befehlen des Duca änderte dies nichts und Caldera war gewillt sie durchzusetzen. Noch konnte man Sicomoro in seine Schranken weisen, noch. Aber mit jedem Jahr das verstrich wurde die Muräne mächtiger und sie schwächer. Dessen war sich Caio ebenso bewusst und das Fatale war, Sandro wusste dies auch.

  • "Wen ich entbehren kann, hängt von dem Zweck ab. Wofür benötigt ihr den Mann oder die Männer? Ich bin sicher, wir finden eine Einigung." Sandro klang nun weniger auf Krawall gebürstet, seine Körperhaltung entspannte sich. "Unter dem Krieg litten wir alle. Sicomoro mehr, als man heute glauben mag, wenn man meine Erfolge sieht. Der entfesselte Draken riss eine tiefe Schneise durch mein Lehen, riss die Pfahlbausiedlungen fort, unsere schwimmenden und hängenden Gärten, die Schiffe, die Wasserbüffel, die Menschen. Wo euch wenigstens die Frauen, Kinder, Kreise und Krüppel blieben, blieb von meiner Bevölkerung fast niemand."


    Einen Moment klang es, als wolle er noch etwas sagen, er rang sichtlich mit sich und sank ein Stück in sich zusammen, dann fuhr die Härte zurück in seinen Blick. Seine Glieder strafften sich wie Bogensehnen, seine Stimme gewann ihren herrschsüchtigen Ton zurück.


    "Unser gegenwärtig privilegierter Zustand wurde Sicomoro nicht geschenkt, Caldera! Wir haben hart dafür gearbeitet und es hat uns viel von dem wenigen gekostet, was uns nach dem Krieg geblieben war. Es ist das Resultat meiner Männer harter Arbeit und der meines Geistes! Das werdet Ihr mir und meinen Oltremarini nicht rauben, Caldera! Eure Piraterie möge sich in Feindesland erstrecken. Dazu gehört, wie sehr Ihr mich auch hasst, nicht mein Lehen! Ihr werdet den Veteranen ihren wohlverdienten Ruhestand in Frieden gönnen!"


    Hart schlug er sich mit der Faust auf die Brust, dort wo sein Herz klopfte, das nun raste vor gerechtem Zorn.


    "Alle wissen, dass Ihr nach meinem Lehen lechzt, welches sich so praktisch an Eures anschließt, um Euer Zypressenholzmonopol auszuweiten! Wenn Ihr meint, es täte Ledwick gut, den fähigsten seiner Admirale derartig zu diffamieren und in den Mauern von Fortezza verschwinden zu lassen, nur weiter so! Wenn Ihr meint, mich in dieser Weise beim Duca anschwärzen zu müssen, nur weil ich mich schneller aus dem Sumpf erhob als Ihr, obwohl ihr mich in Euren feuchten Träumen bereits schadenfroh versinken saht, dann stehen Euch zwei Wege zur Wahl: Das gute alte Duell oder eine formelle Anklage wegen Hochverrats vor dem Duca!"


    Er fuhr herum und starrte nun auch den unadeligen Lagunari-Offizier nieder. Alejandro Alballo, um dessen Feindschaft er wusste. Wahrscheinlich flüsterten er und Caldera sich gegenseitig ins Ohr, wie sie Sicomoro von seinem Mooreichenthron sägen konnten. Sicomoro warf sich rücklings in seinen Stuhl und richtete den Blick hinauf zur Decke.


    "Der Kormoran kreist über der Zypresse", presste er heiser hervor wie ein Gebet. "Und wenn die Zypresse ihre Äste noch so sehr nach dem Licht der Sonne reckt. Der Kormoran wird noch kreisen, wenn die Zypressen längst gefällt sind. Und alle Akazien mit ihnen."


    Der jungen Zelindo die Acacio, der verschüchtert an der Seite von Alballo stand, warf Caldera ob dieser Äußerung einen verzweifelten Blick zu.

  • Caio hörte Sandro zu und als dieser erwähnte, wie der Draken in seinem Lehen gewütet hatte, ballte dieser die Faust und legte sie und drückte sie gegen sein Herz.


    "Ehre den Gefallenen Marchesi Sicomoro. Ihr sprecht wahre Worte, der erzürnte Draken riss eine Schneise der Verwüstung in Euer Lehen aber auch in das Herzen Ledwicks. Euer Lehen liegt in der Mitte unserer Nation, der Draken führt mitten durch Eure Scholle und verzweigt sich in vielen, kleinen Nebenarmen. Ihr habt Recht uns blieben die Frauen, Kinder, Greise und einige junge Männer kehrten aus dem Krieg zurück. Ein jeder gibt sein Bestes, dennoch sind wir zu wenige Ledvico um all das stemmen zu können. Nun einen Schritt nach dem anderen, anders geht es nicht", gab Caio zurück.


    Die gerade noch zugängliche Haltung von Sandro verhärtete sich und in seinen Blick sickerte der kalte Stahl zurück, den er sonst stets zur Schau und in der Seele trug. Einige Sekunden später zog Caldera gleich, als er Sicomoro Gift und Galle speien hörte. Froh um die Maske auf seinem Gesicht atmete Caio tief durch. Der Marchesi starrte Sandro in die Augen. Was ging in diesem Kopf vor?


    Hätte er sich über das Gesicht wischen können, so hätte es Caldera getan, doch das war nicht möglich. Sie trugen die Masken nicht ohne Grund. Caio lehnte sich zurück und gab sein Starren auf. Er fasste sich auf das Gesicht, auf die Maske und zog sie sich samt Kapuze vom Kopf. Mit offenen Blick schaute er Sandro in die Augen. Weder Hass, Groll noch Feindschaft lagen darin.


    "Sind das Deine Worte und Gedanken Sandro? Sie klingen so gar nicht nach Dir. Vielmehr klingt es so, als würde Felipe aus Deinem Mund zu uns sprechen. Hat der Puppenspieler seinen eigenen Herrn gefunden und wurde zur Marionette? Möge uns der Leone beistehen, dass dem nicht so ist.


    Sandro ich habe niemals nach Deinem Lehen gelechzt. Auf dem Zypressenthron Calderas sitzt mein Neffe. Lucca di Caldera, Sohn meines älteren Bruders Merlidoro di Caldera. Unsere Beutezüge haben sich niemals auf ein Ledwicker Lehen erstreckt Sandro. All das was wir anderen nahmen, hatten sie sich vorher zigfach von anderen angeeignet. Wir waren schon immer eine Seefahrernation, wir waren schon immer Piraten, Du genauso wie wir. Aber Piraten haben Regeln und Rechte und wir gehören der gleichen großen Mannschaft an.


    Was lässt Dich annehmen, dass wir Dich ausrauben wollen? Oder besser gefragt, wer lässt es Dich annehmen? Wer flüstert Dir ins Ohr Sandro?


    Alle wissen dass wir nach Deinem Lehnen lechzen? Wer sind alle Sandro? Nenne Namen. Wir können in zig Richtungen unsere Scholle ausdehnen, würden wir unseren Wald erweitern wollen. Weshalb sollten wir Deine Scholle wählen? Weshalb sollten wir jemand anderes seine Scholle streitig machen?


    Falls Du meinen Worten nicht glaubst, glaube der Logik. Mir welcher Streitmacht sollten wir das bewerkstelligen? Mit den von Dir genannten Frauen, Kindern, Greisen und Krüppeln?


    Du hast ein stehendes Heer aus jungen, frischen und kampftauglichen Männern auf Deiner Scholle Sandro. Du bist der jenige der in die Schlacht zieht. Doch weshalb? Wer stachelte Dich dazu auf? Was veranlasste Dich dazu? Wir Sandro lecken unsere Kriegswunden. Und genau dafür benötigen wir die Männer. Unsere Frauen benötigen Männer, damit sie zu Eheleuten und Familien gedeihen können.


    Ich diffamiere Dich nicht Sandro, ich sitze hier damit Du nicht vor den Duca gezerrt wirst. Ich suche eine einvernehmliche Lösung für uns alle. Zudem werde ich mich weder mit Dir duellieren Sandro, noch werde ich Dich beim Duca anschwärzen. Es gibt keine zwei Wege Sandro, es gibt nur einen. Du bekommst Dich wieder ein, rufst Deine Männer zur Ruhe und Disziplin und schreibst dem Duca höchstpersönlich, dass Du die Ordnung wieder hergestellt hast. Du Sandro, niemand sonst.


    Kein Caldera ist mir bekannt, der jemals missgünstig war. Das liegt nicht in unserem Wesen. Raubsüchtig vielleicht, missgünstig niemals.


    Ja der Kormoran wird noch kreisen, wenn alle Zypressen gefallen sind Sandro. Aber sind es noch Kormorane die sich dort in den Himmel schrauben, wenn sie in ganz anderen Nestern geschlüpft sind? Es sind nur Schatten. Erinnerungen daran, was einst Kormorane waren. Schatten die einen toten Zypressenwald überfliegen werden", antwortete Caio erschöpft.

  • "Jeder mit Verstand weiß von Eurem Plan", antwortete Sandro heiser. "Ob Ihr oder Euer Neffe, was spielt das für eine Rolle? Natürlich folgen alle Calderas der gleichen Linie."


    Er rutschte auf dem Stuhl hin und her und fühlte sich sichtbar unwohl dabei, dass Caldera die Maske hatte fallen lassen. Nun saß der Mann nicht mehr als Marchese vor ihm, nicht als Admirale, sondern nur als Caio di Caldera. Sandros Finger krallten sich um die Armlehnen.


    "Wenn ich mir eine Streitmacht schaffe, dann zum Schutz des Wenigen, das ich noch habe. Des Wenigen, das mir nach dem Krieg geblieben ist. Mein Lehen besteht nur aus Männern, aber aus guten und treuen Männern, denn nur jene erhalten einen Platz in meinem eigenen Lehen, alle anderen werden auf das übrige Land verteilt. Ich behalte die Besten und wer sich besonders bewährt, für den bemühe ich mich um eine Adelung. So sind die wichtigsten Verwaltungsposten inzwischen wieder besetzt und die zerstörte Wirtschaft kommt langsam wieder in Fahrt. Wie lange hätte das dauern sollen, hätte ich rein auf ledwicker Blut zurückgegriffen?


    Ihr sprecht von Felipe wie von einem Feind, doch er war nur ein Mann, der das Beste für Almanien wollte und unterlag. Ich teile nicht alle seine Ansichten, aber einige. Nicht wenige meiner Männer stammen aus Ehveros. Ledwick hat ihre Heimat besetzt und nagt ihr das Fleisch von den Knochen, aber ich schenke ihnen und ihren Familien neue Heimat und neue Hoffnung. Sie mögen dem Blut nach keine Ledvigiani sein, doch was bedeutet schon Blut?


    Mein Angebot war ernst gemeint. Wofür braucht ihr den Mann oder die Männer? Ich habe genügend und ich bin sehr interessiert daran, ihnen zu Familie zu verhelfen oder zu einer guten Position."

  • "Das Blut ist es, was uns alle verbindet Sandro. Es ist dass was uns zu dem Macht was und wer wir sind. Eure Männer mögen keine Ledwicker sein, doch ihre Frauen wären es und ihre Kinder wären es damit ebenso. Gleich woher sie stammen, sie würden in Ledwick leben und die Kinder würden als Ledwicker aufwachsen. Niemand hat behauptet, dass Felipe in allen Belangen falsch lag Sandro. Auch ein Verräter kann die Wahrheit sprechen. Auch ein Gauner kann eine milde Gabe darreichen. Kein Mann ist nur gut oder nur schlecht. Selbst wir beide nicht oder?


    Was immer Felipe gewollt haben mag Sandro, es zählt was er getan hat. Magst Du Recht haben und Felipe hat es sogar gut mit Almanien gemeint, dann ist das was er tat noch grauenvoller und abscheulicher. Denn im Namen des Guten werden weit mehr Gräultaten verübt, als im Namen des Schlechten. Jene Männer wähnen sich auch noch im Recht, denn sie glauben an ihre Mission und daran das Richtige zu tun. Sie mögen für das Richtige einstehen Sandro, doch wo der Zweck die Mittel heiligt, bleibt die Wahrheit unbeteiligt.


    Ledwick hat nagt niemandem das Fleisch von den Knochen Sandro und das weißt Du. Falls Dich stört was hier vorgeht, unterbinde es. Es liegt in Deiner Macht und Hand. Nein Ehveros wird Ledwick einverleibt, damit die Bevölkerung auf beiden Seiten überlebt und damit die Nation Ledwick überlebt. Ihr Großherzog ist tot Sandro. Unser Duca lebt! Das dies so ist, verdanken wir einem Wunder. Wer könnte besser als unser Duca Grande Ledvico regieren? Die Ehveroser werden einen neuen Großherzog bekommen, neue Marchesi, neue Hoffnung und ein neues Leben.


    Was die wirtschaftliche Lage angeht Sandro, da hast Du völlig Recht und ein besseres Händchen bewiesen als wir. Du sagst Dein Lehen besteht nur aus Männern, wir haben sehr viele Frauen, Alte und Kinder. Möglicherweise sollten wir uns beide helfen. Deine Männer benötigen Frauen. Und unsere Frauen benötigen Männer.


    Wir benötigen Männer, damit die Bevölkerung auf unserer Scholle nicht ausstirbt Sandro. Davon spreche ich. Junge Frauen soll es möglich sein, einen Mann zu finden. Beiden soll es möglich gemacht werden, eine Familie zu gründen. Die Söhne von Lucca kehrten zurück Sandro, das ist ein großes Glück. Aber beide sind ledig und nicht mehr die selben, die sie einst waren. Aber wer war dies, nach jenem Krieg.


    Lass uns darüber sprechen, wer von Deinen Männern bereit wäre eine Frau zu nehmen und eine Familie zu gründen. Und Sandro, in Deinem eigenen Interesse, ruf Deine Oltremarini zurück. Das ist keine Drohung, es ist ein Rat. Ich möchte Dir nicht schaden", sagte Caio schlicht.

  • "Sie werden zur Mäßigung aufgerufen werden. Oder ist es der Wunsch des Duca, dass sie heimkehren? Dann werden sie es."


    Sandro zitterte und ihm schmerzte das Herz, nicht im übertragenen Sinne, sondern es tat ihm tatsächlich weh, wie immer, wenn er sich aufregte. Unter seiner Maske war sein Gesicht puterrot angelaufen. Er sank etwas tiefer in seinen Stuhl und antwortete eine Weile nicht, während er versuchte, seinen trommelnden Herzschlag zu beruhigen.


    "Gebt mir eine Liste mit der Anzahl der zur Verfügung stehenden Frauen, dazu ein paar Informationen zu ihrem Stand und ihren Lebensumständen und ich werde geeignete Männer vorschlagen. Aber was ist mit Luccas Söhnen, wenn Ihr doch solch einen Frauenüberschuss habt? Die Familiengründung sollte ihnen nicht schwer fallen, es sei denn, eine standesgemäße Hochzeit ist auch unter den gegenwärtigen Umständen Euer Anliegen. Andere sehen das zu diesen Zeiten lockerer, aus purem Mangel an Alternativen.


    Noch etwas. Ihr habt mich Sandro genannt, wie damals", stellte er fest. "Warum?"

  • "Weil ich zu Euch persönlich spreche Sandro, als alter Weggefährte oder wenn Ihr es zulasst sogar als Freund. Was der Duca wünscht ist Disziplin. Die Rückkehr Eurer Männer hatte er nicht befohlen. Weshalb solltet Ihr sie dann zurückziehen? Ihr seht Schatten alter Kamerad, niemand will Euch schaden. Aber seid ehrlich zu Euch selbst, Euch wurde nicht grundlos auf die Finger geklopft.


    Seid nicht stur und bedenkt wen Ihr sonst verärgert. Ist es das wert? Möchtet Ihr den Duca gegen Euch aufbringen? Einen jungen Mann, der täglich für uns alles gibt? Und es doch niemals genug ist? Wir sind alt Sandro und uns fällt die Last manchmal schwer. Dir sicher genauso wie mir. Er ist jung und die Last beugt seine Schultern. Wir sollen die Stütze unseres Duca sein. Seine Säule die seine Welt tragen Sandro.


    Die Liste werde ich Dir von Lucca geben lassen. Was seine Söhne betrifft, nein er legt keinen Wert auf standesgemäße Hochzeit. Er weiß genauso gut wie Du, worauf es ankommt. Giacopo hat nach seiner Rückkehr nicht nach einer Frau gesucht, sondern seine Verletzungen auskurriert. Angelo tat dies ebenso und der jüngste Spross von Lucca hat sich noch nie für Frauen interessiert. Er würde vermutlich einen Eurer Haudegen wählen. Solange er sich im Sattel eines Büffels halten kann, neugierig ist, klebrige Finger hat und reiselustig ist", antwortete Caio und verkniff sich ein Grinsen.