Es war ein Moment der Stille. Die Soldaten hatten ihren Vormarsch gestoppt, standen schweigend im Licht der aufgehenden Sonne. Schild reihte sich an Schild, gezackte Speere ragten wie Reißzähne aus den Lücken hervor. Auf der anderen Seite hatte ein Kommandant, wenn man ihn denn so nennen konnte, schon fast verzweifelt eine Gruppe Milizen auf dem Dorfplatz um sich geschart. Nur wenige waren geblieben, als sie die anrückenden Alben bemerkt hatten. "Ich habe doch gesagt ihr sollt vorrücken?!", blaffte Vokarit seine Schar aus der hinteren Reihe heraus an. Er hatte den Befehl erst gegeben, nachdem er sich selbst von der Disziplin in der Linienformation ein Bild gemacht hatte. Eigentlich war er bis dato zufrieden gewesen. "Der Feind nimmt Aufstellung, Herr.", erklärte einer der Soldaten schon fast kleinlaut. Vokarit begegnete der Aussage nur mit einem vernichtenden Blick. Grob schob er sich in die Mitte der Linie, rempelte die umstehenden Soldaten zur Seite. 'Glauben die wirklich, dass sie das überstehen?!', fragte die Stimme in Vokarits Kopf. "Nundenn...", brummte der Alb und zog sein Schwert. "Gehen wir.". Strammen Schrittes marschierte er in Richtung der Miliz, seine Männer folgten. Die Schlachtlinie der Frostalben rückte geordnet vor, sie hatten es lange genug auf dem Exerzierplatz geübt. Aus der Ferne zeigte Vokarit mit dem Schwert auf den gegnerischen Kommandanten. Wahrscheinlich, so schätzte Vokarit, ist das der Dorfvorsteher. Der zusammengewürfelte Haufen rückte daraufhin enger zusammen, anscheinend wollten sie ihren Anführer schützen. Schließlich kam es zu den ersten Kampfhandlungen. Hier und da preschte einer der Milizen schreiend aus der Gruppe hervor, hieb grob auf den ein oder anderen Schild ein, nur um anschließend von der Routine der Soldaten niedergestreckt zu werden. Lächerlich, fand Vokarit. Als mehr und mehr seiner Männer in den Kampf verwickelt wurden nahm Vokarit seinen Helm ab. Sein langes Haar wehte schwach im Wind und leise fiel der Helm zu Boden. "Ihr habt hier etwas, was ich gerne hätte!", rief Vokarit nun über die Geräusche des Kampfes hinweg dem gegnerischen Anführer zu. Dieser reagierte nicht und so setzte sich Vokarit wieder in Bewegung. Er ging direkt auf den Mann zu, eine Handvoll Soldaten folgte ihm und wehrte dabei diejenigen ab, die Vokarit zu nahe kamen. "Ich bin gekommen um mir das hier zu holen!", führte der Alb seine Erklärung fort und sein Finger kreiste einmal von Haus zu Haus. Weiterhin hatte er den Dorfvorsteher mit seinem kalten Blick fixiert. Mit festem Schritt ging Vokarit weiter auf sein Ziel zu ohne langsamer zu werden. Der Kampflärm verebbte langsam hinter dem Frostalb und schließlich stand niemand mehr zwischen ihm und dem Kommandant der Miliz. Dieser umklammerte den Griff seines schartigen Schwertes, hatte Schweiß auf der Stirn und war mehr als blass im Gesicht. Abschätzend zog Vokarit eine Augenbraue hoch. Der Mann schrie etwas und hieb nach dem Kopf des Frostalben. Vokarit lehnte sich nach links, sodass der Schlag ins Leere ging. "Tztztz.", kommentierte der Frostalb kopfschüttelnd. "Das war wohl nichts.". Der Mann nahm eine Verteidigungsstellung ein. "Jetzt ich.", zischte Vokarit, machte einen Ausfallschritt an seinem Gegner vorbei, wirbelte anschließend herum und mit einem Rückhandschlag fand seine Klinge ihr Ziel.
Lange hatte die Verlegung des Lagers nicht gedauert. Vokarit hatte die Durchsuchung der Häuser befohlen, ebenso ließ er die Umgebung mit Hilfe von Spähtrupps auskundschaften. Einige wenige Bewohner waren nicht geflohen und hatten sich versteckt, wurden jedoch aufgegriffen und am Dorfplatz unter Bewachung gestellt. Gegenwehr gab es mittlerweile keine mehr, zu groß war die Furcht vor den Alben. Der Bannerträger der Einheit brachte Vokarit auf Stand. "Herr, wir haben die Häuser durchsucht und die Vorräte zusammengesammelt. Alles ist nun in dem Lagerhaus dort vorne untergebracht.". Vokarit nickte. "Diese Bewohner dort hatten sich versteckt, vielleicht finden unsere Späher noch weitere von ihnen. Sie sollten jedoch keine Gefahr mehr darstellen, Herr.". "Stellt Posten auf. Verlegt die restlichen Befestigungen und sichert die Zugänge hier ab. Wir bleiben erst einmal hier.". Der Bannerträger salutierte. "Ach und nochwas.", begann Vokarit und schaute zu den übrigen Dorfbewohnern. "Lasst sie am Leben, aber passt auf sie auf. Ich werde noch mit ihnen reden. Falls einer versuchen sollte zu fliehen...". Er brauchte seine Anweisung nicht weiter ausführen. 'Wirst du etwa weich?!', fragte die Stimme. "Wir können sie noch brauchen.", gab Vokarit zurück. Der Bannerträger war etwas irritiert, dass Vokarit den letzten Satz etwas über die Schulter hinweg gezischt hatte, reagierte aber nicht weiter darauf. "Wir werden sie am Abend zu Euch bringen, Herr.", bestätigte der Soldat und machte sich auf den Weg um die Anweisungen seines Vorgesetzten weiterzugeben.
Anschließend schaute sich der Frostalb das Dorf selbst einmal genauer an. Die Unterkünfte für die Soldaten wurden zugeteilt, eine Waffenkammer improvisiert und die Reste des Heerlagers verstaut. Vokarit ließ sich eine Karte des Dorfes anfertigen und über den Verlauf des "Umbaus" informieren. Schon bald würde er ein befestigtes Lager sein Eigen nennen können.
Zufrieden betrat er schließlich das Haupthaus, wo er die kommende Zeit wohnen würde.
Hier hatte sich bereits viel getan. Die persönliche Habe von Vokarit war schon vor Ort und nach wenigen Stunden hatte er sich häuslich eingerichtet. Schließlich nahm er an dem großen, schweren Schreibtisch Platz und begann seinen Tagesbericht zu schreiben. Es wurde zwar nicht explizit von ihm verlangt, aber dennoch hielt Vokarit die Ereignisse in eigenen Worten in seinem Notizbuch fest.
Schließlich klopfte es an der Tür und der Bannerträger kam herein. "Mein Herr, die gröbsten Arbeiten sind abgeschlossen.", teilte er seinem Vorgesetzten mit. Vorakit hielt einen Moment inne, schaute dann von seinen Notizen auf. "Nuharis, ich kann mich nicht entsinnen "herein" gesagt zu haben.". Noch bevor der Soldat eine Antwort geben konnte fuhr Vorakit fort. "Aber ich verzeihe dir, heute ist schließlich ein guter Tag gewesen. Sind die Dorfbewohner bereit für eine Unterhaltung?". Nuharis nickte. "Ja, Herr, wir haben sie in der großen Halle versammelt. Ihr könnt sie einzelnd befragen oder zu allen sprechen, ganz wie es Euch beliebt.". Daraufhin erhob sich Vorakit und schwebte schon fast mit wehendem Umhang in Richtung Nuharis und der Tür. "Nun, dann wollen wir sie doch nicht warten lassen.", entgegnete er und machte sich auf den Weg zu der Versammlungshalle.
Die Luft war stickig. Das gefiel Vokarit gar nicht. Die versammelte Menge stand schweigend da, einige beäugten die Wächter misstrauisch, andere starrten einfach nur zu Boden. Der Frostalb begrüßte die Gruppe, ob sie ihn verstehen konnten war ihm dabei herzlich egal. Er hielt eine kurze Ansprache, worin er über die Besetzung des Dorfes und den Verbleib der Soldaten redete. 'Du, die verstehen dich nicht.', höhnte die Stimme in seinem Kopf während er sprach. Einen kurzen Moment musste sich Vokarit aufgrund dieser Ablenkung wieder sammeln, kniff drei Sekunden lang die Augen zusammen und verharrte in seiner Position. Anschließend setzte er seine Ansprache fort, als sei nie etwas gewesen. Trotzdem fiel dem Frostalben auf, dass sich die Leute kurze, fragende Blicke zuwarfen. Als er geendet hatte wollte Vokarit mehr über die Gefangenen wissen. Jeder wurde einzelnd vor den Frostalben gezerrt und mit Händen und Füßen erklärten die Leute, welcher Tätigkeit sie nachgingen. Diejenigen, mit denen Vokarit nichts anfangen konnte, überstellte er seinem Bannerträger. Sollte er doch zusehen, wie er diese Arbeitskraft am besten verteilen könnte. Schließlich fiel die Aufmerksamkeit von Vokarit auf eine junge Frau mit langem, schwarzen Haar. Sie hatte sich anscheinend im nahegelegenen Wald versteckt, denn sie war stark verdreckt und blutete an der Stirn. Tatsächlich hatte sie eine etwas längere Verfolgungsjagt durch das Unterholz hinter sich, allerdings war sie offensichtlich nicht erfolgreich gewesen. "Nuharis, was hälst du von einem Mundschenk?", fragte Vokarit und überging so die lächerlichen "Erklärungsversuche" eines Bauern. "Herr, bitte verzeiht, aber der Wirt dieses Dorfes fiel als er sich unserer Schar in den Weg stellte.". Vokarit verdrehte die Augen. "Ich meine nicht den Wirt, ich meine sie dort.". Er zeigte auf die junge Frau, deren Augen größer wurden als sie merkte, dass über sie gesprochen wurde. Der Bauer vor Vokarit hingegen schaute verwirrt zwischen ihr, Vokarit und Nuharis hin und her. "Wenn wir Gäste haben kann doch kein stinkender Wirt für Getränke sorgen. Soll sie das doch machen.". Nuharis salutierte und zog die schwach protestierende Frau nach vorne, während zwei Wächter den Bauern zur Seite drängten. "Sie soll mir etwas zu trinken bringen während ich hier bin. Habt aber ein Auge auf sie.". Kurze Zeit später kehrte Nuharis mit der jungen Frau zurück, die mit wackeligen Schritten ein Tablett mit Karaffe und Kelch bei sich trug. Vokarit bekam sein Getränk, nichts wurde verschüttet. So zog der frühe Abend ins Land und schließlich hatte der Alb genug gehört. Für die Gefangenen war ein Haus zu eine Art Gefängnis umfunktioniert worden, einige gingen noch den ihnen zugeteilten Arbeiten nach. 'Pass auf, dass dich deine neue Freundin nicht irgendwann vergiftet.', meinte die Stimme. "Falls doch gehst du wenigstens mit drauf.", gab Vokarit zurück. Die nahestehende Wache wusste mit dieser Aussage nichts anzufangen, wagte es jedoch nicht weiter nachzufragen.
Zurück im Haupthaus ließ sich Vokarit noch einmal die Wachpläne zeigen und nahm sich vor in der Nacht noch einen Rundgang zu machen. Seine neue Dienerin stand regungslos und etwas verloren mitten im Raum. Schließlich ging Vokarit einen Schritt auf sie zu, sie hingegen wich zurück. "Was glaubst du, was ich mit dir mache?!", brummte Vokarit und schüttelte den Kopf. Er ging zu einer kleinen Waschschüssel, nahm den Lappen heraus und warf ihn der Frau zu. "Mach dich erst mal sauber, mir so unter die Augen zu treten ist schon schlimm genug. Danach zieh dir erst mal etwas ordentliches an.". Sie schien zu verstehen was der Frostalb wollte und kam seinen Anweisungen nach, auch ihre Wunde wurde verbunden.
Die Nacht brach herein und nach einer kurzen Ruhephase machte sich Vokarit auf den Weg zu dem ersten Posten, der, so hoffte er für ihn, seiner Aufgabe mit völliger Hingabe nachkam. Bei dieser Gelegenheit könnte Vokarit ja auch nach dem einen Spähtrupp fragen, dessen Rückkehr bisher noch ausstand...