Der neue Leibdiener des Prince
Ciel bittet seinen neuen Leibdiener um ein persönliches Gespräch. Es geht diesmal nicht um organistatorische Belange, sondern um Ferrau selbst. Dessen viele blaue Flecken machen dem Prince Sorgen. Doch auch andere Sachen bereiten Ciel Kopfschmerzen. Ferrau erhält die Erlaubnis, vollkommen offen zu sprechen und offenbart Dinge, die Handlungsbedarf erkennen lassen. Das persönliche Gespräch führt jedoch auch dazu, dass der Herr und sein neuer Diener einander besser kennen lernen, damit es hoffentlich bald ein Miteinander wird und nicht nur ein Nebeneinander.
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Ciel Felicien de Souvagne
Ciel war bettfertig und es war der Uhrzeit nach an der Zeit, sich schlafen zu legen. Stattdessen trieb ihn Rastlosigkeit. Viel war geschehen in letzter Zeit. Zu viel auf einmal, wenn man sein Nervenkostüm fragte. Anstatt sich in das Bett zu legen, schlenderte er eine Weile barfuß im Zimmer umher, trat ans Fenster, sah hinaus, zog es wieder zu und setzte seine langsame Wanderung fort. Nebenan hörte er, wie Ferrau sich selbst bettfertig machte. Sein Diener war sicher müde, auch für ihn war es eine anstrengende Zeit gewesen. Dennoch entschied sich Ciel dafür, dass Ferrau ihm noch ein wenig Gesellschaft leisten sollte, anstatt zu schlafen. Ciel trat an die Tür der Kammer und öffnete sie sachte. Laut genug, als dass Ferrau ihn hörte, aber er wollte ihn auch nicht erschrecken, indem er plötzlich hineinplatzte. »Ferrau?«
Ferrau
Der neue Leibdiener von Prince Ciel zog sich gerade sein schlichtes, kurzes Leinenhemd über den Kopf, das er immer im Bett trug als er die Stimme seines Herrn hörte. Er kämpfte einen Moment mit dem Hemd und widmete sich dann Ciel. »Ja Herr?«, fragte er nervös.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel betrachtete erschrocken Ferraus Gestalt. Der sichtbare Teil der Haut war von Blutergüssen unterschiedlicher Größe verunziert. Der Prince kannte seinen neuen Diener bislang nur in langer Kleidung und fragte sich, wie alt die Flecken wohl sein mochten. »Leiste mir noch ein wenig Gesellschaft. Ich möchte mich mit dir unterhalten.«
Ferrau
Der Leibdiener folgt dem Blick von Ciel, schaute an sich herunter und versuchte ein entschuldigendes Lächeln. »Ja gerne, wie Ihr wünscht. Möchtet Ihr dass ich Euch etwas zu trinken oder zu essen hole?«, fragte Ferrau freundlich.
Ciel Felicien de Souvagne
»Nein, danke, es sei denn, du möchtest selbst etwas, dann hole dir, was du benötigst.« Er ging vor und setzte sich auf sein Sofa, wo er auf seinen Diener wartete. Als er herzu kam, wies Ciel mit der Hand auf das andere Sofaende, damit Ferrau sich dort hin setzte und nicht auf einen Stuhl.
Ferrau
Er nahm sich seinen Teebecher mit und folgte Ciel. Dort angekommen setzte er sich mit dankbarem Nicken auf den zugewiesenen Platz. »Worüber möchtet Ihr denn reden? Ich hoffe Ihr seid zufrieden. Ich habe mich die ganze Zeit wirklich bemüht und bin sehr froh hier zu sein, wenn ich das sagen darf«, erklärte Ferrau und nahm einen Schluck Tee.
Ciel Felicien de Souvagne
»Ich bin sehr zufrieden mit dir, Ferrau. Dass du dir Mühe gegeben hast, habe ich bemerkt und auch ich bin froh, dich zu haben. Ich möchte mich mit dir über dich unterhalten. Wir kennen uns nun schon lange, seit du meinem Bruder dienst, und doch kennen wir uns von der Sache her eigentlich überhaupt nicht. Das soll sich ändern, ich möchte gern wissen, mit wem ich mein Leben teile. Den Diener habe ich kennen und schätzen gelernt, nun möchte ich den Menschen kennenlernen.« Ciel verkniff es sich, ihn zu Anfang gleich auf die Flecken anzusprechen. Sie sahen nicht nach einem Unfall aus und er wollte Ferrau nicht damit überrumpeln. »Wer warst du, bevor du der Diener meines Bruders wurdest?«
Ferrau
Er war etwas überrumpelt von der Frage. Ein solches Interesse war er nicht gewöhnt, aber er freute sich sehr über das Lob. Ferrau dachte angestrengt nach, aber was besonders Interessantes hatte er leider nicht aus seinem Leben zu erzählen. Er hoffte er langweilte Ciel damit nicht. »Vielen Dank für das Lob Herr. Nun mein Leben war nicht besonders, spektakulär und ich habe auch keine besonderen Annekdoten die ich zum Besten geben kann. Ich war vorher in der Küche tätig. Als kleiner Junge arbeitete ich in der Küche als Küchenjunge, später arbeitete ich gemeinsam mit meinen Eltern als normales Küchenpersonal. Unsere Familie arbeitet schon lange am Hof. Und da ich meinen Job bis dahin gut erledigt hatte, stieg in in den Service auf. Viele aus der Küche haben so den Aufstieg geschafft Herr. Dass freut einen nicht nur selbst, sondern auch die Eltern. Da ich stets höflich und zuvorkommend war, ging ich vom Service zur Dienerschaft über. Und irgendwann war ich Eurem Bruder zugeteilt. Als normaler Diener, versteht mich nicht falsch. Er beorderte mich dann in den Stand seines Leibdieners. Aber leider kamen wir überhaupt nicht miteinander aus. Ich weiß nicht woran es gelegen hat. Es fing eigentlich gut mit uns an«, erklärte Ferrau.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel hörte sehr aufmerksam zu. Auch, wenn Ferrau behauptete, sein Leben sei nicht spektakulär verlaufen, waren dies Informationen, die Ciel halfen, seinen neuen Leibdiener zu ergründen und zu verstehen. »Hat er dich selbst zu seinem Leibdiener ernannt? Gab es ein Ereignis, das dazu führte, dass ihr beide euch nicht mehr gut verstandet, obwohl es doch gut anzufangen schien?«
Ferrau
Ferrau zuckte mit den Schultern. »Das habe ich mich auch oft gefragt. Nun ich hatte nichts Besonderes geleistet in dem Sinne, bitte versteht mich nicht falsch. Ich möchte meine Leistung nicht hervortun, dass ich genau deshalb zum Leibdiener ernannt wurde. Nein, ich servierte seinen Abendtee und Euer Bruder entschied spontan einfach so. Es hat also keinen besonderen Anlass gegeben, der uns verband. Aber das hatte ihn auch nicht gestört oder mich. Ich habe mich geehrt gefühlt. Aber Euer Bruder ist manchmal ... ehm ja ... er ist ... schwer zu verstehen. Als Leibdiener ist es meine Pflicht seine Wünsche zu kennen. Aber leider äußert er sie nicht immer genau. Und bitte, ich möchte nicht über Euren Bruder lästern, aber er ist manchmal jähzornig«, flüsterte Ferrau.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel betrachtete Ferrau für seine Verhältnisse sanft, was bedeutete, dass ein wenig von der neutralen Maske wich, die er sonst für jeden trug, außer für jenen jähzornigen Dreaux und wenige andere enge Verwandte, wenn sie sich ausnahmsweise Zeit für ein wenig Menschlichkeit nahmen abseits ihrer vielen Pflichten. Wirklich als ihn selbst kannte ihn jedoch niemand anderer als Nathan, der nun ausgerechnet Dreaux diente. Bei dem Gedanken wurde Ciel traurig und gleich darauf wütend auf sich, weil er während eines Gesprächs mit Ferrau an Nathan dachte und sich davon durcheinander bringen ließ. Er verbannte seinen früheren Diener aus seinem Kopf und widmete sich ganz Ferrau. »Du darfst offen sprechen, ich bitte dich darum. Dass mein Bruder nicht immer einfach ist, weiß jeder und ich selbst bin es auch nicht. Was wir hier besprechen, wird diesen Raum nicht verlassen. Was ist geschehen, Ferrau?«
Ferrau
Er nahm einen großen Schluck Tee und schaute dann Ciel ernst an. »Wenn Euer Bruder wütend ist, ließ er es an mir aus. Oder wenn ich in seinen Augen etwas falsch gemacht habe. Ich verstehe, dass er oder ihr manchmal sehr viel Stress habt. Dass Ihr das nicht einfach ablegen könnt. Ich meine schaut, ich habe den ganzen Tag viel zu arbeiten. Aber es ist nie so, dass ich alles hinwerfen mag, weil ich nicht weiter weiß. Es ist viel Arbeit, ja. Sehr viel. Aber ich weiß was ich tun muss. Ich weiß dass wenn der Wäscheberg eingeräumt ist, mein Tagewerk getan ist. Von meinen Entscheidungen hängt nichts ab. Wo ich Eure Socken hinlege, interessiert niemanden. Ich muss sie am anderen Morgen für Euch bereitlegen und finden. Aber manche Eurer Entscheidungen lasten schwer. Das verstehe ich. Manche Dinge möchte ich nie entscheiden müssen. Ihr auch nicht. Und wenn Euer Bruder etwas nicht entscheiden mag, dann wird es jemand spüren, dass er nicht wollte. Das er sich gezwungen sieht. Aber ich zwang ihn zu nichts. Und als er anfing mich zu treten, dann habe ich mir immer mehr Zeit mit den Botengängen gelassen und den Besorgungen. Was es schlimmer machte. Denn nun unterstellte er mir, absichtlich zu bummeln. Es war keine Unterstellung, er hatte Recht. Aber ich bummelte nie aus Faulheit, sondern aus Angst vor ihm. Ich verstand doch, dass er selbst Angst hatte. Euer Bruder fürchtete den Tag wo er auf dem Thron sitzen musste und jede noch so kleine Entscheidung von neuem Geschirr am Hof bis zum Leben eines Mannes in seiner Hand lag. Leute werden versuchen ihn zu manipulieren, Leute versuchen jetzt schon ihn für sich zu gewinnen. Euch bestimmt ebenso. Er wird heiraten, wer taktisch passend oder förderlich ist. Vielleicht wird er eine Zweitfrau haben, die er mag. Vielleicht. Auch davor fürchtet er sich. Das verstehe ich alles und ich höre auch zu. Aber warum erzählt er es mir, wenn er über all das seine Wut an mir auslässt? Wenn ich was zu sagen hätte, was ich nicht habe, dann hätte ich gesagt, wenn Dir was nicht passt - sag einfach mal Nein. Aber das steht mir nicht zu. Und ihm auch nicht. Aber ich finde deshalb muss man mich nicht treten. Gut ich habe auch Fehler gemacht, aber man kann mit mir reden. Ich weiß, dass ich kein Anrecht darauf habe, nicht geschlagen zu werden. Als mein Herr hat er das Recht der Züchtigung, aber ich habe vorher nichts verbrochen. Manchmal war er genau da Gegenteil. Ich weiß nicht, was mit ihm ist. Ich glaube, er wollte mir das gar nicht gesagt haben und war böse auf mich. Oder auf sich, weil er es erzählt hat. Aber ich schwöre, bis auf Euch habe ich niemandem was gesagt«, antwortete Ferrau.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel musste das Gesagte auf sich wirken lassen. »Danke für dein Vertrauen. Es wird, wie gesagt, unter uns bleiben.« Er setzte sich etwas gemütlicher auf das Sofa und betrachtete die gemalten Efeuranken an seiner Zimmerdecke. Er verstand ansatzweise, was in Dreaux vorgegangen sein musste. Auch er selbst war großem Druck ausgesetzt, doch es war ein Bruchteil dessen, womit der Kronprinz umzugehen hatte. Ciel schlug nicht, er schrie dafür oder war beleidigt. Er machte seinem Bruder keine Vorwürfe. Vielleicht schämte Dreaux sich sogar dafür, was er getan hatte, doch das spielte keine Rolle. Ferrau war sein Leibdiener gewesen und Dreaux konnte mit ihm tun und lassen, was er wollte. Nun war Ferrau seiner und er war für sein Wohl verantwortlich. Ciel setzte sich wieder auf. »Ich möchte alles sehen. Bitte zeige mir die übrigen Blutergüsse.«
Ferrau
Ferrau nickte stumm und stellte vorsichtig seinen Teebecher ab. Dann zog er sein Hemd und seine Hose aus, so dass er nackt vor seinem Herrn stand. Er drehte sich einmal ganz langsam um sich selbst, so das Ciel in angucken konnte. Ciel sah die meisten Flecken an den Oberarmen und Beinen. Dreux musste ihn also geboxt, oder meist getreten haben. Einige Flecken waren alt und fast verschwunden, einige waren frisch. »Darf ich mich wieder anziehen?«, fragte Ferrau leise.
Ciel Felicien de Souvagne
»Ja«, sagte Ciel. Das waren verdammt viele Flecken und einige davon waren sehr groß. Er wartete, bis Ferrau sich wieder angekleidet hatte und neben ihm saß. »Wie ist es geschehen? Und wie oft? Ich möchte das wissen. Morgen wirst du das Benito zeigen. Wo die Blutergüsse herkommen, wird er sich als Heiler denken können, aber er hat nicht zu fragen. Er soll sie nur behandeln.«
Ferrau
»Er hat micht meist vors Schienbein oder vor den Oberschenkel oder die Hüfte getreten, wenn ich was falsch gemacht habe oder wenn ich zu langsam war. Ich kann Euch nicht sagen wie oft. Manchmal haben wir uns wochenlang gut verstanden und dann kam wieder ein Tag, da kam er mit sehr schlechter Laune Heim und ich wusste, das alles falsch sein würde. Ihr habt Khawa nie gezüchtigt nicht wahr? Oder Nathan? Fabien wurde auch nie gezüchtigt. Manche andere Leibdiener schon, aber wenn ein Herr sonst sehr erbost ist ohrfeigt er einen oder schlägt einem auf die Hände. Ich habe versucht, es ihm recht zu machen. Manchmal hat er auch versucht, es recht zu machen, wisst Ihr? Dann hat er machmal extra was übersehen, wo er sonst wütend geworden wäre. Ich habe nicht gewusst, ob ich ihn fragen darf. Ich hätte gerne mal mit ihm gesprochen. Aber wisst Ihr, wenn ich ihn um eine Aussprache bitte und er empfindet das als ungebührlich, was passiert dann? Lässt er mich von Domi auspeitschen und in die Wäscherei werfen?«, fragte Ferrau.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel betrachtete Ferraus Gesicht. Es schien eine der wenigen Stellen zu sein, wo Ferrau nicht hin geschlagen worden war. »Die Flecken sind nur dort, wo Kleidung darüber liegt. Ich vermute, er hat dich nur dann gezüchtigt, wenn es niemand sah? Bis auf das eine Mal, als auch ich anwesend war, habe ich davon nicht gewusst. Aber da waren mein Bruder und ich ... nicht ganz nüchtern. Ich dachte, es sei ein Ausrutscher gewesen. Nein, ich habe nie einen meiner Diener geschlagen. Aber ich möchte mich nicht als jemanden mit weißer Weste hinstellen, ich kann auf andere Weise strafen. Ich hoffe nur, dass Dreaux mir Nathan nicht so zurichtet wie dich. Ich werde doch mit ihm über seine Launen reden müssen. Aber ich werde nicht unser Gespräch erwähnen, ich werde ihn aufgrund des Trittes in Ehveros darauf ansprechen. Aber um deine Frage zu beantworten: Nein, ich werde dich nicht schlagen.« Er sah Ferrau fest an, als er dies versprach. »Was mich wundert - Dreaux sprach davon, dass Vater dich ihm zugewiesen hätte, gegen seinen Willen. Du erzählst mir, er selbst hätte dich ausgewählt.«
Ferrau
»Ja aber es ist wahr. Ich wurde ihm als Diener zugewiesen, nicht als Leibdiener. Also wie soll ich Euch das erklären. Ihr habt doch sicher auch Diener die sich um das Tägliche kümmern, nicht wahr? Das machen Eure Leibdiener nicht. Die kümmern sich nur um Euch selbst. Um Euer Wohlbefinden. Nur wenn Ihr sie besonders schickt, kaufen sie ein oder erledigen sowas. Sagen wir ihr möchtet unten aus der Küche ein Brot, da läuft nicht Nathan für Euch, es wird gebracht, Nathan nimmt es entgegen und gibt es Euch. Es sei denn er muss es selbst tun. Vielleicht lag es daran, dass Euer Bruder mit mir als Wahl unzufrieden wahr und er es als Wink verstand von Eurem Vater? Sprich als Wink, sich endlich einen Leibdiener zu nehmen? So wie wenn Treffen mit Familien oder jungen Damen vereinbart werden, um etwas Konversation zu halten. Natürlich wird da geredet, aber es wird auch getestet, ob die beiden zusammen passen. Diese Treffen war er genauso leid wie die Suche nach einem Leibdiener. Vermutlich dachte er, ich wäre ihm so aufs Auge gedrückt worden und er sagte sich, dann nehme ich den halt, dann gibt Vater Ruhe. Das kann ich nur vermuten. Wobei er hätte doch merken können, dass ich ihm nichts Böses möchte. Manche Tage hatten wir sogar richtig viel Spaß und gelacht. So hätte es doch immer sein können, wisst Ihr? Dass wir zusammenhalten. Ob er mich vorher nun wollte oder nicht, an manchen Tagen hat es doch geklappt und ich war gut genug. Ich weiß nicht, was er für einen Leibdiener sucht. Am besten einen, der Gedankenlesen kann und Beine aus Granit hat«, murrte Ferrau.
Ciel Felicien de Souvagne
»So könnte es natürlich gewesen sein. Nun, das Problem hatte ich nicht, da ich eher dazu neige, zu viele Leibdiener zu haben als zu wenige. Was sich auch als gut erwiesen hat, denn erst verschwand mir Khawa und nun auch noch Nathan. Ich werde wieder einen zweiten Leibdiener dazuholen, damit du auch Pausen einlegen oder dich erholen kannst, wenn du krank bist. Und falls mir einer von euch wieder abhanden kommt, stehe ich nicht plötzlich ohne Leibdiener da. Das sind keine Aufgaben, die man irgendeinem beliebigen anderen Diener anvertraut. Aber erst einmal werden wir beide uns aneinander gewöhnen, ehe ich nach dem zweiten Diener Ausschau halte. Du wirst mir dabei helfen, ihn auszusuchen, damit ihr miteinander auskommt.« Ciels Unruhe hatte sich noch verstärkt. »Meinst du, dass Dreaux Nathan schlagen wird?«, fragte er und nun konnte man deutlich die Sorge in seiner Stimme hören.
Ferrau
Ferrau dachte lange über die Frage nach und schaute Ciel dann in die Augen, obwohl dies unziemlich war. Er tat dies aber, da er wusste was Nathan ihm bedeutete. Vorsichtig legte er einige Finger auf die Hand seines Herrn. »Ich weiß es nicht. Das tut mir leid. Sie schienen sich auf Anhieb zu mögen. Nathan sah nicht aus wie ein Notnagel«, flüsterte Ferrau.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel war nicht böse darüber, dass Ferrau es wagte, ihm in die Augen zu sehen. Gerade bei so einem persönlichen Gespräch war er froh darüber, dass Ferrau nicht mit der Wand sprach oder mit Ciels Nase. »Ich würde es Nathan anmerken, wenn so etwas geschehen würde«, sagte er, um sich selbst zu beruhigen. »Doch, das würde ich. Was er anders macht als du, kann ich auf Anhieb gar nicht sagen, abgesehen davon, dass er ein überdurchschnittlich ängstlicher Mensch ist. Hast du dich als Notnagel gefühlt? Was frage ich, natürlich hast du das. Für mich bist du das nicht, ich habe dich entgegen aller Empfehlungen meines Bruders aus freien Stücken ausgesucht.«
Ferrau
Ferrau nickte. »Ich war eben da. Ich habe mich geehrt gefühlt, wisst Ihr? Aber es gab keinen Grund hierfür. Normalerweise wird man doch der Leibdiener, weil jemand sagt, ihm vertraue ich. Oder bei ihm fühle ich mich wohl, ich möchte gerne, dass er mein Liebdiener wird. Oder Ihr hättet nur Gutes über mich gehört. Das Ihr Euch denkt, oh er ist fleißig, das kann was werden. Aber im Grunde war es so - ich kam rein: »Du bist ab heute mein Leibdiener.« So, das wars. Darf ich fragen, woran Ihr Eure Leibdiener aussucht? Fleiß, Loyalität, Sympathie oder alles oder etwas anders?«, fragte Ferrau. »Wenn Ihr möchtet, das ich bei der Wahl helfe, werde ich das sehr gerne machen. Aber ich muss wissen, was Euch wichtig ist, Herr. Nun ich denke Nathan ist sehr klug. Das kann es auch sein. Ich bin in der Küche bei meinen Eltern aufgewachsen. Ein Diener der in der Bibliothek aufwuchs, hat da sicher mehr zu bieten. Wobei er die Bücher einsortiert und nicht alle liest«, sagte Ferrau und verkniff sich ein Grinsen.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel musste schmunzeln. »Du hältst Nathan für klug? Andere halten ihn für, ich zitiere: Ein kleines Dummchen. Ich habe ihn mir ausgesucht, als wir beide noch Kinder waren. Er ist genau so alt wie ich, wir waren zwölf. Vielleicht hast du schon von der Geschichte gehört, wie er meinem Vater vorsang und es vermasselte. Mein Vater war erzürnt. Die Duponts wurden dank Nathans Gesangesdarbietung entadelt und verbannt. Er stand da mitten im Thronsaal, allein, und weinte. Um ihn herum all die Erwachsenen mit ihren förmlichen Mienen. Ich nahm in bei der Hand und nahm ihn mit. Er tat mir leid und ich freute mich, dass er genau so alt war wie ich. Ich wollte ihn unbedingt behalten und später als Leibdiener haben, also wurde er entsprechend ausgebildet. Ja, es war eine Mischung aus Sympathie und Mitleid. An seine Eignung verschwendete ich damals keinen Gedanken. Bei Khawa war es wohl ähnlich. Er lag da, im Schlamm, ein besiegter Feind, dem Tode geweiht. Er hatte alles verloren, seine Männer waren gefallen und er war der Letzte und flehte um das bisschen Leben, das ihm geblieben war. Drum nahm ich ihn mit und nachdem ich ihn eine Weile beobachtet hatte, war es für mich eine schöne Beschäftigung, aus dem einstigen Wilden einen guten Leibdiener zu machen. Und das wurde er. Bei dir ...« Er schmunzelte. »Ich glaube, es war wieder die selbe Mischung. Dreaux trat dich und von da an wollte ich dich haben.«
Ferrau
Ferrau kratzte sich kurz am Kopf. »Ich lag noch nie auf dem Schlachtfeld, ich wurde hier am Hof geboren. All unsere Vorfahren dienten in der Küche. Ich hätte darum bitten können zurückzugehen, aber was hätte ich sagen sollen? Und hätte er es erlaubt? Vielleicht suchte er einen Prügelknaben statt einem Leibdiener. Aber Prügelknaben sind in Souvagne verboten, Dank Eures Vaters. Ja die Geschichte von Nathans Gesang habe ich gehört. Er war ein Geschenk. Ein schlagartig unwillkommenes Geschenk. Stellt Euch vor, ich schenke Euch einen Hund und ihr findet das Tier erbärmlich. Ihr wollt es nicht. Wie man über Euch denkt, wird man spekulieren. Wie der Hund fühlt, interessiert keinen. Das sind wir, Herr. Auch wir definieren uns über unser Körbchen, auch wenn Ihr entscheidet wo es steht oder ob Ihr es uns wegnehmt. Nur soll es doch beides sein, Herr und Hund, sowie Herr und Diener. Wer keinen wünscht, soll sich keinen anschaffen. Ihr hattet mir erlaubt, offen zu sprechen. Manchmal hatte ich gewünscht, Euren Bruder einmal zurückzuschlagen, ein einziges Mal. Aber ich habe es nie getan. Er war trotzdem mein Herr und ich hatte Angst ihn zu verletzten. Und ich hatte Angst um meine Eltern und auch um mich. Was geschehen wäre, wäre ja klar. Ich wäre auf dem Block gelandet. Aber wisst Ihr, auch eine Maus beißt irgendwann zu, wenn man sie in die Ecke drängt. Ich habe aber nicht gebissen, ich habe mich versteckt. Hier in den Gängen oder habe Arbeiten gemacht, die nicht nötig waren. Ich wünschte, das wäre nicht nötig gewesen. Ich bin froh, dass Ihr niemanden schlagt. Nun vielleicht kommen wir ja gut miteinander aus, wo Ihr sonst schon hart im Nehmen seid. Wobei Euer Bruder Khawa sehr mag. Er sagte immer, man fühlt ob es der richtige Diener ist und bei mir fühlt er nichts«, antwortete Ferrau ehrlich.
Ciel Felicien de Souvagne
»Ich wünsche nicht, dass du dich mit einem Hund vergleichst!«, antwortete Ciel barsch. »Du bist keiner. Du bist auch nicht mein ... Anhängsel!« Er merkte, dass er wütend wurde, dabei wollte er das nicht werden. Keinesfalls wollte er Ferrau nun ebenfalls in die Ecke drängen, wo dieser sich ihm geöffnet hatte. Er griff kurz nach Ferraus Hand und drückte sie, damit Ferrau merkte, dass er nicht auf ihn als Person böse war. »Ich möchte nicht, dass du dich als so wenig wahrnimmst«, sagte er leiser. »Nathan und ich, wir waren eine Symbiose. Ich gab den Ton an und doch brauchte ich ihn so sehr wie er mich. Eine solche Symbiose kann man nicht auseinanderreißen, ohne dass es extrem schmerzhaft für beide ist. Ich sehe das spirituell. Einen guten Leibdiener spürt man, da bin ich sicher. Da gebe ich meinem Bruder recht. Dreaux hat nicht nach dem Gefühl entschieden, sondern nach irgendetwas anderem. Du und Dreaux, ihr wart nicht eins. Ihr wart zwei. Ein guter Leibdiener ist ... wie sage ich das am Besten, ohne dass es seltsam klingt!«
Ferrau
»Er ist ein Stück von Euch selbst, der Schatten seines Herrn. So sagt es Fabien. Ich Danke Euch für die freundlichen Worte. Ich werde solche Vergleiche nicht wieder anführen, das verspreche ich Euch. Nun, ich denke man merkt es wie bei jeder Beziehung, wisst Ihr? Das kennt Ihr doch sicher auch. Manche Leute mag man grundlos sofort, manche kann man grundlos nicht leiden. Man kann sie nicht riechen. Euer Bruder muss warten, bis er jemanden riechen kann oder sich wohl fühlt. Ich habe wirklich versucht, dass er sich bei mir wohl fühlt. Fühlt Ihr Euch wohl und sicher?«, fragte Ferrau.
Ciel Felicien de Souvagne
»Ich wurde anders erzogen als meine Brüder. Sehr viel geistiger. Du bist nun ein Teil von mir und ich von dir und darum werde ich dir ein Geheimnis verraten, über das du jedem gegenüber Stillschweigen wahren musst. Selbst von meiner Familie wissen es nur meine Eltern und Dreaux, seit er Duc ist. Und meine ehemaligen Leibdiener. Ich bin magisch veranlagt und habe eine entsprechende Ausbildung genossen. Ich werde dir bei Gelegenheit erklären, was es damit auf sich hat. Damit hängen die vielen Narben an mir zusammen, über die du dich sicher schon gewundert hast. Es sind rituelle Narben. Für den Augenblick genügt es zu wissen, dass bei der Ausbildung sehr viel Wert auf einen starken Geist gelegt wird, dem sich der Körper unterzuordnen hat.« Er betrachtete Ferrau noch immer nachdenklich. Er war nicht sicher, wie viel er ihm sagen konnte oder sollte. Es war wirklich dringend an der Zeit, dass sie beide mehr voneinander erfuhren. »Wenn dir etwas sehr hoffnungslos erscheint - zu wem betest du?«, fragte Ciel unvermittelt. Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Ja, ich fühle mich sehr wohl in deiner Gegenwart.«
Ferrau
»Ich bete zu Ainuwar, wie es mich meine Mutter gelernt hat. Er ist der höchste Gott. Sozusagen der Vater der Götter. Müsst Ihr Euch dies selbst antun im Gebet? Herr ich verstehe nichts von Magie, sie ist etwas das die Himmelsaugen benutzen und einige andere Magier. Aber mit Magie verbinde ich die Himmelsaugen. Ainuwar schenkte ihnen die Gabe, damit sie über uns wachen. So erklärte es mir meine Mutter. Sie sehen durch die Augen der Vögel und erfahren alles. Vielleicht ist das auch Unsinn, aber so wurde es mir erklärt. Darf ich eine Narbe anfassen? Es freut mich dass Ihr Euch gut bei mir fühlt. Was immer Ihr anbetet, ich werde schweigen. Selbst wenn es der Abgrund ist«, schwor Ferrau.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel schmunzelte. Ferrau wäre nie von selbst darauf gekommen, genau so wenig wie jeder andere. Er rutschte etwas näher an seinen Diener heran und zog den Ärmel zurück, damit Ferrau die Narben betrachten und anfassen konnte. »Nur zu, schau es dir genau an, das ist mir lieber, als wenn du es verstohlen tust und dich vielleicht ekelst. Mein Gott trägt menschliche Gestalt. Es war Nathan, zu dem ich betete.«
Ferrau
Ferrau hielt mitten in der Bewegung inne. »Oh ich verstehe. Ich ... ich schweige, seid Euch dessen sicher. Manchmal kommt es dazu und es muss schwer sein so zu leben. Aber vielleicht ist es auch die schönste Art so zu leben. Ihr könnt offiziell nicht dazu stehen, da er ein Leibeigener ist, Herr. Aber ich denke bei Gefühlen spielt der Stand keine Rolle. Ihr liebt wen Ihr liebt. Und es geht mich nichts an, was Euch beide entzweite. Nur solltet Ihr dann Euren Bruder für Euren ehemaligen Geliebten um Mäßigung bitten. Vielleicht verstehen sie sich aber auch sehr gut. Das habt Ihr schön gesagt Herr, dass ist seine sehr große Liebeserklärung jemanden zu einem Gott zu erheben und anzubeten. Mein Vater betet meine Mutter auch an. Sie sind glücklich miteinander und arbeiten auch Hand in Hand, aber auf einer Augenhöhe, da ist eine Ehe möglich«, sagte Ferrau leise.
Ciel Felicien de Souvagne
»Er ist nicht mein Geliebter gewesen«, sagte Ciel. »Ich halte mich fern von fleischlichen Begierden, um meinen Geist nicht zu schwächen. Ich glaube daran, dass man ihn mir gesandt hat, dass er ein übernatürliches Wesen in einer fleischlichen Hülle ist. An Nathan ist nichts, aber auch gar nichts Bösartiges. Er ist absolut rein gewesen. Kein Mensch kann so gut sein. Vielleicht war es Ainuwar, der ihn sandte, vielleicht ist er sein Bote, vielleicht stieg er von allein auf Asamura hinab. Aber er war für mich bestimmt. Ich weiß es. Es war so viel mehr als eine plumpe Körperlichkeit. Wie sieht es mit dir aus? Liebst oder begehrst du jemanden?«
Ferrau
»Oh das meint Ihr, verzeiht. Nun manche tragen doch den göttlichen Funken in sich und sind von reiner Unschuld erfüllt. Sie wissen es selbst nicht oder können es sich nicht erklären. Meist haben sie eine Aufgabe oder eine Person. Das sagt man so. Ob an solchen Legenden etwas dran ist, weiß ich nicht Herr. Ich habe niemanden. Früher als ich jung war mal die eine oder andere Schwärmerei, aber es ist nichts draus geworden. Und nun habe ich meine Aufgabe als Diener, jetzt sogar als Leibdiener. Für die Suche bleibt da wenig Zeit. Das ist keine Kritik, es ist einfach so. Entweder findet man in unmittelbarer Nähe jemanden, oder per Zufall. Dennoch ist die Arbeit schlauchend aber sie kann auch erfüllend sein. Man geht abends zu Bett und schläft gut. Man hat sein Soll erfüllt und der nächste Tag kann kommen. Ich muss dazu sagen, ich suche auch niemanden. Ich erledige einfach meine Aufgabe. So hielt ich es immer. Es passiert was passieren soll, Herr. Wenn Ihr dem Glück hinterher jagt, ist das wie mit allem Wild das gejagt wird. Es flieht. Drum versuche ich einfach abzuwarten, bis mein Stückchen mir zufällt«, antwortete Ferrau.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel wurde nun sichtlich unruhig. Er zog seinen Arm weg und schob den Ärmel wieder darüber. Einen Moment schaffte er es noch, so zu tun, als wäre er lediglich etwas nervös, doch dann gewann etwas in ihm die Oberhand. Er drehte sich zu Ferrau um. »Wenn du jemanden findest, dann musst du gehen. Ich will, dass du ehrlich bist. Ich will kein zweites Mal hintergangen werden.« Er wurde nun richtig wütend. »Muss denn jeder hier von Begierde getrieben sein? Warum könnt ihr nicht glücklich sein ohne all das? Ich gebe euch alles, was ihr wollt, ihr lebt wie die Made im Speck, euch geht es besser als allen Dienern, die ich kenne! Ich erfülle euch jeden nur möglichen Wunsch! Warum reicht es trotzdem nicht? Warum, Ferrau? Muss ich meine Gemächer zu einem Bordell umbauen lassen, damit du glücklich bist? Soll ich selber mich zu einer Hure machen, damit man mich nicht behandelt wie ein paar abgetragener Schuhe?«
Ferrau
Der Leibdiener schüttelte langsam den Kopf. »Ihr sprecht von Sex. Ich spreche von der anderen fehlenden Hälfte, Herr. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Wer nur Sex sucht, holt ihn sich unabhängig von seinem Stand. Wenn Ihr die Worte gestattet. Zwei Personen können ohne Sex hervorragend glücklich sein. Zwei Personen können ohne Zuneigung nur mit Sex niemals glücklich sein. Zudem würde ich Euch davon nicht erzählen, sondern sollte ich jemals eine Person finden für die ich so empfinde, würde ich Euch um Erlaubnis fragen. Wenn wir einander so gut verstehen, wieso sollte ich Euch das verschweigen? Andere Frage, wenn ich in 20 Jahren niemanden gefunden habe, wieso glaubt Ihr, geschieht dies ausgerechnet jetzt? Das ist nicht logisch, Herr. Und ich werde Euch niemals hintergehen oder bestehlen oder betrügen. Glaub mir, auch Domestiken haben eine Ehre. Wir haben alles, wir müssen nicht rauben. Das ist schändlich und so etwas hat noch niemals wer aus unsere Familie getan. Nicht mal in die Töpfe der Herren gegriffen. So etwas gehört sich nicht. Man kann mir viel nachsagen, aber so etwas nicht. Ich bin nicht der schnellste Diener und gewiss nicht der Schlauste, aber ich bin ehrlich«, sagte Ferrau mit etwas Trotz in der Stimme.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciels Anspannung wich ein wenig von ihm. Er atmete langsam aus, um sich noch weiter zu beruhigen. »Du brauchst mich nicht um Erlaubnis fragen - du wirst von mir niemals eine Erlaubnis erhalten. Du gehörst mir, mit allem Drum und Dran und mit allem, wer und was du bist. Es wird dir bei mir so gut gehen, wie es einem Leibdiener nur gehen kann, dafür gebe ich dir mein Wort. Im Gegenzug erwarte ich absolute Loyalität, auch emotional wie körperlich. Wenn es dir so wichtig ist, dass du ohne Partnerschaft nicht meinst leben zu können, teile mir das mit. Dann werde ich dich aus meinem Dienst entlassen und dann magst du tun, was du für richtig hältst. Aber so lange du mein Leibdiener bist, wird das nicht geschehen.«
Ferrau
Ferrau war etwas verwirrt und das sah man ihm auch an. »Aber ich möchte doch bleiben. Ich verstehe es nicht, Herr. Ich hatte nie eine Partnerschaft, ich habe nie eine gesucht, ich habe nie eine per Zufall gefunden und bis jetzt bin ich in Eurem Dienst glücklich. Wenn das Eure Bedingungen sind, werde ich mich fügen. Ich muss dafür nichts ändern. Es bleibt wie es ist. Ich diene Euch, so gut ich kann. Und vielleicht verstehen wir uns dann eines Tages ebenso gut, wie Ihr Euch mit Euren anderen Dienern verstanden habt. Nathan lasse ich außen vor, da er für Euch eine andere Bedeutung hat«, sagte Ferrau freundlich.
Ciel Felicien de Souvagne
»Bitte schenk mir einen Tee ein«, bat Ciel. Er musste sich dringend beruhigen. »Dass das Thema mir so nahe geht, ist nicht deine Schuld. Man hat Nathan befleckt. Es ist, als hätte man in einem Tempel vor dem Altar auf den Boden gespuckt. Man hat ihn entweiht. Und man hat mich nicht gefragt. Er hat mich nicht gefragt. Er wusste, was er mir bedeutet, er war alles für mich. Nicht im Sinne körperlicher Begierde. Kurz vor ihm ging Khawa ... ich habe Angst, Ferrau. Dass du der Nächste bist, der mich im Stich lässt.«
Ferrau
Er reichte seinem Herrn seinen Teebecher. »Nehmt einfach einen Schluck. Ihr müsst dies nicht betonen. Liebe heißt nicht begehren, Herr. Eure Mutter liebt Euch auch, begehrt Euch aber nicht. Man kann sehr wohl jemanden lieben, ohne je Sex zu wollen. So lieben wir nicht viele Personen, aber einige Ausgewählte schon. Solange Ihr mich behaltet, werde ich Euch nicht verlassen. Aber wer hat denn gewagt, Nathan zu beflecken? Es ist Hibiskustee Herr, der wird Euch schmecken«, sagte Ferrau aufmunternd.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel nahm den Becher und trank einen Schluck. »Danke. Es war Fabien.«
Ferrau
Der Leibdiener starrte Ciel erschüttert an. »Das hätte ich ihm niemals zugetraut. Bellamy ja, aber Fabien? Na kann den Leuten nur vor den Kopf gucken«, antwortete Ferrau und rieb sich seinen Hals.
Ciel Felicien de Souvagne
»Bellamy?« Jetzt war Ciel verwirrt ob des Vergleichs. »Oh, das meinst du. Nein, es war im gegenseitigen Einvernehmen, das ist ja das Schlimme!«
Ferrau
»Nun Bellamy wirkt sehr wie soll ich es sagen, respekteinflößend und herrisch. Aber Fabien ist kein gewalttätiger Mensch. Ich dachte, weil Ihr besudelt gesagt habt, dass es nicht freiwillig ablief. Herr, sind die beiden ein Paar? Ich möchte Euch nicht quälen, aber das fragt man sich dann doch. Ich werde an Eurer Seite bleiben, sorgt Euch nicht«, erklärte Ferrau.
Ciel Felicien de Souvagne
»Ich weiß es nicht, ob sie ein Paar sind, Ferrau ... ich habe nicht danach gefragt. Ich will es gar nicht wissen. Ich habe mich nur seither gefragt, was Fabien hat, dass ich nicht habe. Zwölf Jahre - hingeschmissen für was?«
Ferrau
»Wenn sie ein Paar sind, Herr, dann für vollkommene Nähe. Seelisch, geistig und körperlich. Wenn sie kein Paar sind, dann nun ja, es tut mir sehr leid, für 5 Minuten Befriedigung? Vielleicht solltet Ihr fragen. Wisst Ihr, es schmerzt jemanden so zu verlieren, der einem wie ein bester Freund ja sogar ein Bruder war. Aber wofür Ihr ihn verloren habt, ist doch nicht ganz unwichtig. Für nur etwas Spaß nebenbei, dann sage ich Euch - lasst ihn laufen. Er war es nicht wert. Für wahre Liebe - lasst ihn ebenfalls laufen und gönnt es ihm. Ich weiß, Ihr empfindet nicht so. Aber er empfindet dann nicht wie Ihr. Das einzige was Ihr tun könnt, ist in dem Fall es hinzunehmen und ihm zu gönnen. Sonst schadet Ihr nur Euch selbst, es wird Euch zerfressen. Ihr vermisst ihn, Ihr wollt ihn zurück, Ihr wollt ihn nicht teilen, all das wird dann immer wieder hochkommen und Euch wehtun. War es nur für Sex, dann seid Ihr zu Recht dermaßen enttäuscht. Aber glaubt Ihr, Nathan wäre so? Glaubt Ihr, er hätte Euch betrogen, um Euch zu verletzten? Ich glaube nicht, dass er Euch bewusst verletzt hat, Herr. Und Fabien würde Euch auch nicht verletzen. Wobei er mit Euch nichts zu tun hat. Ihr könnt nur getrennter Wege gehen oder vielleicht miteinander reden. Aber ich weiß keinen weiteres Rat, nur eine Bitte. Wenn Ihr Euch versöhnt, schickt mich nicht fort oder zurück«, bat Ferrau.
Ciel Felicien de Souvagne
»Ich werde dich nicht wieder fortschicken«, stellte Ciel klar. »Es hatte einen Grund, dass wir uns begegnet sind und dass Dreaux dich vor meinen Augen trat. Die Götter würfeln nicht. Es war mehr als Schicksal, es war Bestimmung. Denn es geschah unmittelbar bevor Nathan sich mit Fabien traf. Es hat so sollen sein. Eine Ära ist zu Ende, eine neue beginnt. Nathan ist fort, Khawa ist fort. Dreaux ist Duc. Der Krieg ist vorbei. Alles ändert sich schlagartig. Und während dies geschah, trafen wir uns. Glaubst du daran, dass dies nur Zufall ist? Drum ist es nur folgerichtig, dass ich ihn ziehen lasse. Es ist eine Prüfung des Schmerzes. Und ich werde sie bestehen.«
Ferrau
»Nein Herr, wie könnt Ihr das fragen? So wie einige zu Herren geboren sind, so sind andere zu Domestiken geboren. Dies ist ebenso gewollt. Ein Herr ohne einen Diener, ein Diener ohne einen Herrn - beides darf nicht sein. Nur die Richtigen müssen sich finden. Ich glaube Ihr habt Recht, dass dies einen Grund hatte. Vorhersehung, Schicksal, nennt es wie Ihr es möchtet, Herr. Wird Euer Vater zurückkehren? Ich hoffe sehr. Falls er zurückkehrt, wird er auf den Thron zurückkehren? Was meint Ihr?«, wagte Ferrau zu fragen.
Ciel Felicien de Souvagne
»Vater ist manchmal schwierig einzuschätzen.« Ciel merkte, dass er die ganze Zeit die Tasse von Ferrau umklammert hielt, trank noch einen Schluck und stellte sie ihm wieder hin. »Vater ernannte Dreaux zum Duc, was bedeutete, er wähnte sich selbst in Lebensgefahr. Ich hoffe sehr, dass er heil zurückkehrt. Es wäre zwar sehr unüblich, wenn Dreaux dann Duc bliebe. Aber Vater trifft manchmal auch unübliche Entscheidungen, wenn er sie für richtig hält.« Er war immer noch nicht ganz wieder ruhig. Aber er war nicht mehr wütend. Ferrau hatte es geschafft, mit behutsamen Worten seinen Zorn verfliegen zu lassen. Das bestätigte Ciels Auffassung, dass er der Richtige für ihn war.
Ferrau
»Euer Vater wird zurückkehren. Im Grunde ist er auch unser aller Vater, auch wenn dies nun Euer Bruder sein soll und ist. Dies ist keine Respektlosigkeit. Aber Euer Vater ist nicht nur Euer Vater, er ist für die meisten immer noch der Duc, unser Großherzog, unser Anführer und er weiß zu kämpfen. Aber was viel wichtiger ist, Euer Vater hat Grips. Nur leider hat Euer Vater auch sehr viel Milde. Er hätte lieber einige Soldaten mehr mitnehmen sollen. Wobei Euer Bruder, also Duc Dreux, Euren Vater gewissen herausholen würde, sollte ihm Gefahr drohen. Manchmal muss man wohl unübliche Entscheidungen treffen, oder? Ich denke er entschied so für Euch und Euren Bruder da er Euch liebt. Gleichgültig dem Stand, alle guten Eltern tun dies. Redet doch mit Eurem Vater, sobald er zurück ist. Vertraut Euch ihm an. Oder sprecht einfach zur Beruhigung mit ihm. Das habe ich früher getan, mit meinen Eltern meine Probleme besprochen. Gut sie waren nicht so weitreichend, aber es hat mir trotzdem geholfen. Ich würde Euch auch begleiten wenn Ihr das wünscht. Ich habe Duc Maximilien selten sehr nah erlebt. Euch früher ebensowenig, das ist schon was Besonderes und nun diene ich Euch. Würdet Ihr mit Eurem Bruder reden, dass wir nicht im bösen Blut auseinander gegangen sind? Das wäre mir wichtig«, bat Ferrau.
Ciel Felicien de Souvagne
»Was möchtest du denn, das ich mit Dreaux für dich bespreche?«, fragte Ciel. »Und wegen der anderen Sache ... ich glaube nicht, dass es Sinn macht mit jemandem darüber zu reden. Es versteht niemand, sie würden mich am Ende noch für verrückt erklären. Die Einzigen, die es vielleicht verstünden, sind die Brüder vom Orden des Lebens. Doch die geht es nichts an. Es genügt mir, wenn ich mit dir darüber gesprochen habe. Du musst Bescheid wissen und über alles im Bilde sein. Wir müssen offen miteinander reden können. Wenn nicht wir, wer dann? Mit wem sonst sollte ich offen sprechen? Es ist, wie du sagst, die meisten Menschen hegen Hintergedanken. Ich kann mich mit keiner Frau des Hochadels unterhalten, ohne dass jeder eine mögliche Hochzeit im Hinterkopf hat.«
Ferrau
»Ihr könnt als Sohn zu Eurem Vater sprechen, privat. Das dachte ich. Wenn Euch etwas schmerzt, soll er es als »Papa« wissen. Er ist neben dem Amt auch ein Mensch. Schaut Herr, er blieb für Euch dort. Wie Ihr sagtet, er ernannte Dreux zum Duc. Was heißt das übersetzt? Geht, lebt, ich halte sie auf. Diesem Mann könnt Ihr privat alles sagen, es gibt keinen größeren Liebesbeweis als sich für sein Kind zu opfern, Herr. Und mir dürft Ihr gerne alles anvertrauen. Es bleibt unter uns, ich schwöre es bei meiner Ehre. Und ich freue mich sehr darüber, dass Ihr Euch mir anvertraut habt. Ich möchte darum bitten, dass Ihr Euren Bruder bittet nicht mehr böse auf mich zu sein. Das er versucht es neutral zu sehen. Versteht mich nicht falsch, er ist der Duc und wer möchte schon den wütenden Duc gegen sich stehen haben? Nun gut, vielleicht sieht er es nun auch anders. Nachdem genau das geschah, was er all die Zeit sich wünschte - mit Eurem lebenden Vater an seiner Seite als Ratgeber, wohlgemerkt und zeitgleich am meisten fürchtete. Nur eines fürchtete er mehr, den Thron allein besteigen zum müssen und Euer Vater wäre ... fort. Vielleicht hat es sich, wie sagt man, relativiert. Wer bin ich schon für Euren Bruder oder für Souvagne? Aber trotzdem möchte ich keinen Streit so stehen lassen. Sagt ihm bitte von mir, dass ich mich gerne mit ihm aussöhnen möchte«, antwortete Ferrau.
Ciel Felicien de Souvagne
»Ich werde es ihm ausrichten. Ich wollte ja ohnehin mit ihm sprechen, damit Nathan nicht das Gleiche wiederfährt. Ich bin wütend auf ihn, aber nicht so wütend, dass ich ihm wünsche, dass man ihm so etwas antut, wie es dir wiederfuhr. So etwas wird dir gegenüber nie wieder geschehen. Und vielleicht ist eine Aussöhnung ja tatsächlich möglich, jetzt, wo ein wenig Distanz zwischen euch ist. Ob ich mit meinem Vater sprechen werde, darüber muss ich noch nachdenken. Wie er mir wehtat, als er mir Khawa wegnahm, hat er nicht verstanden, obwohl ich es ihm erklärte, stattdessen glaubte er, ich hätte mich über ihn lustig gemacht. Er ist ein guter Vater, war ein guter Duc, aber manche Dinge sieht er völlig anders als ich.«
Ferrau
Ferrau nickte verstehend. »Ich weiß, manchmal ist dies so. Aber selbst wenn er nicht versteht Herr, er ist einer der wenigen Vertrauten von Euch. Und vielleicht begreift er die Tragweite von Khawa genau dann, wenn Ihr ihm Nathan erklärt so wie mir. Ich habe es vorher auch falsch verstanden und nun dennoch begriffen. Ihr wart auf einer völlig anderen Ebene der Brüderlichkeit verbunden, Ihr wart für einander auserkoren. Nicht als Geliebte, nicht als Paar - als Brüder, als Weggefährten. Das wird Euer Vater verstehen. Ich möchte Euch nur diesen Rat geben, Geschwister und Eltern sind das was bleibt, sie sind doch letztendlich alles, was wir haben. Wenn wir großes Glück haben, gesellen sich Freunde als Vertraute hinzu. Sagt dies Eurem Vater. Vertraut mir. Ich Danke Euch für Eure Offenheit, Eure Freundlichkeit und auch für Euren Schutz Herr. Wenn Ihr mögt, können wir öfter miteinander sprechen. Oder ich kann Euch über Neuigkeiten informieren. Mögt Ihr Gesellschaftsspiele? Dann könnten wir Abends etwas spielen, Karten falls Ihr mögt. Euer Bruder mochte das. Falls nicht, auch gut, dann reden wir sobald Ihr Bedarf habt. Ich wünsche Euch jedenfalls dass wir gut zusammenfinden werden. Und dass Ihr die Traurigkeit loswerdet«, sagte Ferrau freundlich.
Ciel Felicien de Souvagne
»Ich werde in Ruhe darüber nachdenken, ob und wenn ja, wann ich mich ihm öffne. Und ob dazu überhaupt eine Notwendigkeit besteht oder ob es nicht alles nur komplizierter machen würde. Vielleicht lasse ich ihn einfach in seinem Glauben. Du möchtest nun ins Bett, nicht wahr? Es war ein langer Tag und ich habe dir dein Bisschen Schlaf vorenthalten. Lege morgen eine Mittagsstunde ein. Vormittags wirst du zu Benito gehen wegen der Blutergüsse. Dass wir zueinander finden werden, dessen bin ich sicher. Ich glaube nicht an Zufälle. Ich glaube an den göttlichen Plan. Und wir sind ein Teil davon. Ich mag Spiele, die den Geist schulen. Vielleicht kannst du mir einige Neue beibringen. Ich danke dir für das Gespräch und den halben Tee. Schlaf nun, Ferrau.«
Ferrau
Der Leibdiener stand auf und verbeugte sich. »So werde ich es halten Herr, ich werde Euch Offizierskat beibringen, das macht Spaß und Ihr müsst logisch und taktisch denken. Tragt nicht zuviel allein mit Euch herum. Notfalls tragen wir es zu zweit. Ich werde Euch unterrichten was der Quaksalber, ich meine Heiler, sagte. Schlaft gut, Herr und grämt Euch nicht mehr. Wir finden eine Lösung«, versicherte Ferrau, verbeugte sich erneut und ging zurück in seine Kammer.
Ciel Felicien de Souvagne
»Schlaf auch gut, Ferrau«, sagte Ciel, der sich über die freundlichen Worte zum Abschluss freute, wenngleich sie nicht vermochten, ihn gänzlich zu beruhigen. Er trank Ferraus Tee aus, den dieser hatte stehen lassen, und legte sich in sein Bett, um auch ein wenig zu schlafen, wenn es ihm gelingen sollte.