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Eine undichte Stelle im Orden der Bluthexer
Gregoire Verrill de Souvagne
Zerbino öffnete seinem Herrn sofort die Tür und verneigte sich lautlos vor Ciel. Greg gab weiter die Führung und ging bis in sein Wohnzimmer durch, wo Lin immer noch auf dem großen Sofa schlief. Er rüttelte ihn sanft wach. »Wach auf Linhard, mein Bruder möchte mit Dir sprechen«, sagte Greg. Lin blinzelte Greg verschlafen an und schaute sich dann orientierungslos um, ehe ihm einfiel, wo er lag. »In Ordnung wo ist er?«, gähnte Lin. »Er steht hinter mir«, grinste Greg.
Linhard
Linhard setzte sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen und richtete seine Kleidung, die total verkrubbelt war. Aber daran ließ sich jetzt nichts ändern. Immerhin hatte er seinen gewaltigen Schwips auf dem Sofa ausgeschlafen. »Guten Morgen, entschuldigt meine Aufmachung«, sagte er zu Ciel.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel setzte sich auf einen Sessel, der in der Nähe des Sofas stand und wartete darauf, dass Linhard sich notdürftig zurecht gemacht hatte. »Ich entschuldige sie. Ich bin gekommen, um mit Ihnen über ihre magische Verwandtschaft zu sprechen.«
Linhard
»Was möchten Sie denn wissen?«, fragte Linhard, während Zerbino allen einen Kaffee bereitstellte. Linhard nahm den Kaffee dankbar entgegen und trank einen großen Schluck. Greg nickte seinem Diener zu und setzte sich mit seinem Kaffee in die Mitte, so dass er auch nonverbal deutlich machte, dass er zu ihnen beiden stand und sie quasi verband.
Ciel Felicien de Souvagne
»Mein Bruder hat mich darüber in Kenntnis gesetzt, dass neben Geistmagiern auch mehrere Nekromanten von nicht unbeträchtlichen magischen Fähigkeiten in Ihrer Famile vertreten sind. Ist Ihnen bekannt, dass kürzlich ein Dekret erlassen wurde, welches die Ausübung der Nekromantie innerhalb von Souvagne untersagt und die Umschulung aller Nekromanten vorsieht?«
Linhard:
Linhard musterte Ciel über den Rand seiner Tasse und schüttelte langsam den Kopf. »Nein dass war mir nicht bekannt. Was bedeutet das für uns? Oder besser gesagt, was bedeutet dies für die betroffenen Magier?«, hakte Lin nach. Er musterte Ciel aufmerksam.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel ließ seine Tasse unangetastet. »Das bedeutet, dass die praktische Anwendung ihrer nekromantischen Fähigkeiten, egal welcher Natur, eine kriminelle Handlung ist und entsprechend geahndet wird.«
Linhard
Linhard nahm erneut einen Schluck Kaffee um sein breites Grinsen zu verbergen. »Gilt das für jeden Nekromanten und ausschließlich für jene ja?«, hakte er freundlich nach. »Ich mache mich nicht lustig über Euch werter Schwager im Gegenteil. Ich finde die Vorstellung geradezu... erheiternd. Das sind Neuigkeiten die mich persönlich nicht stören. Ich wurde in meiner Familie dafür missachtet, da ich kein magische Gabe besitze. Warum soll es nicht mal umgekehrt sein? Wieso sollte die vermeintliche Macht nicht Schwäche bedeuten? Zumal jeder Nekromant eigentlich mal ein Geistmagier war, bis ihn etwas korrumpierte... so sagt es mein Onkel. Aber nicht jeder Nekromant ist schlecht, dass kann ich Ihnen beschwören. Mein Vater war ein Nekromant und er war der einzige der das Leben liebte, der mich liebte und mir ein Leben ermöglichte. Ich möchte niemanden in Misskredit bringen, aber Ihr solltet auch Eure eigenen Adligen über den Umstand informieren, Ihr habt Nekromanten unter ihnen - von einem weiß ich. Ich werde persönlich mit ihm sprechen, denn ich möchte nicht, dass er denkt ich hätte ihn ans Messer geliefert. Gleichgültig was einst war, er zeugte mich und er versuchte am Ende meinem Vater das Leben zu retten. Momentan kann er Euch keinen Schaden zufügen. Erstens würde er das nicht, er kämpfte ein Leben lang mit seinen eigenen Dämonen - in Gestalt seines Vaters und zweitens ist er sehr krank. Er hat seine Macht irgendwie meinem Vater gegeben und wäre dabei fast gestorben. So hat er einst auch seinen Bruder gerettet. Dieser hatte einen Reitunfall und wäre fast gestorben. Von daher, er ist nicht so wie man vermuten könnte. Aber er liebt Ghule. Einst besaß er 149 Ghule, jetzt nicht mehr. Drum lasst mich bitte mit ihm persönlich reden. Ich habe Euch das nur offenbart um völlig ehrlich mit Euch zu sein. Gewährt mir dies bitte. Ich weiß dass er mich nie so lieben konnte, wie man seinen Sohn lieben sollte. Aber dennoch verbindet uns etwas«, bat Lin
Ciel Felicien de Souvagne
»Mir geht es nicht darum, Ihnen oder Ihren Verwandten Angst zu machen, Monsieur von Hohenfelde und es lag mir fern, Ihnen zu drohen, falls es sich danach anhörte. Aber wir müssen ehrlich miteinander sprechen. Wir werden bald miteinander verwandt sein und Sie Teil unserer Familie. Mir ist es wichtig, Sie über die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen der Magie zu informieren, damit niemand, der Ihnen am Herzen liegt, in Schwierigkeiten gerät. Natürlich gibt es eine Übergangsfrist, denn es gibt auch in Souvagne Nekromanten, welche sich bislang völlig legal unter uns bewegten. Bald wird dies nicht mehr so sein. Ich bin jener, der damit beauftragt wurde, Souvagne von dieser unter dem Deckmantel der Magie verpackten Leichenschändung reinzuwaschen und ich werde sehr gründlich dabei sein. Wenn Sie dies wünschen, bin ich ihnen gern behilflich bei der Organisation geeigneter Umschulungsmaßnahmen für Ihre Verwandten.«
Linhard
»Ihr Angebot nehme ich gerne an, zumal ich auch niemanden umschulen könnte. Ich vermute es wird leichter sein, den Schritt zu akzeptieren, wenn meine Verwandten die Information aus neutralen Munde hören. Oder besser gesagt aus dem Mund des zuständigen Gesetzes. Mir könnte man da einen gewissen Eigennutz unterstellen. Auf was müssen sie denn umschulen und wie? Ich werde Ihnnen helfen so gut ich es vermag, aber ich bin kein Magier«, sagte Linhard.
Ciel Felicien de Souvagne
»Es wird nicht nötig sein, dass ich mit Ihren Verwandten persönlich spreche, was nicht heißt, dass ich es in dem Falle nicht tun würde. Ich arbeite bereits an der Verschriftlichung der Details, wo unter anderem auch die Frist genau definiert wird so wie das zu erwartende Strafmaß bei Missachtung des Gesetzes. Da die Nekromantie aus der Geistmagie erwuchs, ist es am sinnvollsten, auf eine der verwandten Disziplinen umzuschulen, also entweder Geistmagie selbst oder Bluthexerei, die auch unter Blutnekromantie bekannt ist, wobei ich diesen Begriff ablehne. Die Wahl obliegt letztlich dem Magier, von der Sache her wäre auch Elementarmagie denkbar oder Natur- oder Heilmagie, aber besonders gefördert wird in diesen Tagen die Bluthexerei.«
Linhard
Linhard schaute Ciel durchdringend an. »Und Ihr beherrscht diese Art der Magie, oder jemand der Euch bekannt ist?«
Ciel Felicien de Souvagne
»Mir obliegt die Obhut über die magischen Belange unseres Landes. In Naridien würde man mich wohl den Zaubereiminister nennen. Entsprechend unterhalte ich Kontakte zu den Köpfen der magisch befähigten Bevölkerung. Warum fragen Sie?«
Linhard
Linhard dachte angestrengt nach, wie er sein Ansinnen neutral verpacken konnte. Allerdings war dies bald seine Familie und er wollte ein Familienmitglied retten - eigentlich nicht eines - sondern DAS Familienmitglied. »Ich benötige einen Bluthexer und jemanden zu heilen, der mir am Herzen liegt«, antwortete Lin ehrlich.
Ciel Felicien de Souvagne
»Die Bluthexer dienen niemand anderem als der Krone und somit Souvagne. Sie, Linhard, werden Teil der großherzoglichen Familie sein. Somit wären die Voraussetzungen erfüllt, sollte es um einen nahen Verwandten von Ihnen gehen. Um wen handelt es sich und welcher Art ist seine oder ihre Verletzung? Krankheit vermag die Bluthexerei nicht zu kurieren.«
Linhard
Linhard starrte Ciel in die Augen. »Lehnt es einfach ab, falls Ihr nicht helfen wollt, aber bestraft mich nicht indem Ihr mich des Landes oder aus Eurer Familie verweist. Nun falls Ihr mich als Teil der Familie seht - die betreffende Person wäre mein Adoptivvater. Seine Krankheit ist keine - er ist... tot. Und das kann ich nicht akzeptieren. Ich sollte, ich müsste, aber ich will es nicht. Ich weiß von den Bluthexern und ich weiß wozu sie in der Lage sind, drum kann ich nur darum bitten. Ihr würdet einen Mann das Leben schenken, der Zeit seines Lebens aufgrund seiner Familie nie eines besaß. Er kämpfte genau dafür, dass die Familie eine wird, dass niemand mehr in Angst leben muss vor den eigenen Verwandten. Er nahm sich meiner an und ich kämpfte an seiner Seite. Von seinem ganzen Leben von den 62 Jahren lebte er einige Monate, von meinen 18 Jahren lebte ich ebenfalls einige Monate - es war die Zeit die wir teilten. Und aus dem Grund werde ich ihn zurückholen. Ich hoffe Ihr versteht dies«.
Ciel Felicien de Souvagne
Ciel erwiderte den Blick Linhards. »Mein lieber Schwager«, sagte er freundlich. »Ich werde Sie nicht für eine Frage bestrafen. Ich werde sie Ihnen beantworten. Ich darf Ihnen versichern, dass der Name Blutnekromantie absolut irreführend ist. Bluthexerei ist dazu in der Lage, Untote abzuwehren oder zu beseitigen und körperliche Verletzungen zu kurieren. Sie ist nicht in der Lage, Menschen vom Tod zurückzuholen. Niemand kann das, nicht einmal ein Nekromant, denn dieser kann nur ein Scheinleben schaffen. Es tut mir sehr leid, dass Ihnen mitteilen zu müssen. Aber der Tod ist ein Teil des Lebens, den wir alle akzeptieren müssen.«
Linhard
»Dann danke ich für die offene Antwort, samt Aufklärung. Vielleicht gibt es einen anderen Weg, der weder die eine noch die andere Nekromantie benötigt. Mir wurde dies mitgeteilt und ich hielt es für glaubwürdig. Tja vielleicht ist es so, möglicherweise ist der Tod Teil des Lebens. In unserem auf jeden Fall, was die Familientraditionen anbelangt. Ich hoffe das wird sich ändern. Man sollte das Leben mit leben sprich lebendig genießen. Es ist allzu schnell vorbei und der Tod wartet leider auf jeden. Drum sollte man nicht vorher mit ihm herumspielen, als hätte man irgendeine Macht darüber. Die einzige Macht die wir haben ist ihn zu bringen nicht wahr? Wie leicht kann man jemanden töten? Ich kenne hunderte Arten jemanden schnell, sauber, grausam, oder kaltblütig zu töten - aber ich kenne keine einzige Möglichkeit, genau das rückgängig zu machen. Zerstören geht leicht, wiederaufbauen ist eine Kunst. Und völlige Wiederherstellung ist wohl nicht möglich. Nun dann werde ich mich auf andere Art damit befassen müssen, dass mein Vater lebendig bleibt - sei es auch nur in meiner Erinnerung«, antwortete Linhard höflich. `Lüge Schwager - ich weiß was Deine Hiwis können, aber wenn nicht mit Deinem Befehl, dann durch meine Hand. Ich bekomme schon noch meinen Blutnekro´, dachte Lin betrübt.
Ciel Felicien de Souvagne
Linhard war ein Meister der Selbstbeherrschung, das erkannte Ciel, als er dessen Mimik beobachtete. Er selbst war ein Meister der Analyse. Das Spiel der Gesichtsmuskulatur und die Artikulation waren absolut kontrolliert und Linhard leistete sich nicht den kleinsten Ausrutscher. Seine Worte - absolut korrekt. Linhard hatte ihm genau die Antwort serviert, von der er glaubte, dass Ciel sie hören wollte. Das war vielleicht der einzige Fehler. Sein Schauspiel war zu perfekt. Er hätte die Illusion einflechten müssen, dass die Fassade hier und da bröckelte, dass er um Fassung ringen müsste, als er von seinem verstorbenen Vater sprach. Stattdessen präsentierte er Ciel eine vollkommene Maskerade. Ciel nickte verständnisvoll. »Ich wünsche Ihnen alles Gute. Es tut mir leid um Ihren Vater, er war, so wie Sie von ihm sprechen, ein guter Mann und ich bin sicher, er wäre stolz auf Sie. Eine Frage habe ich noch. Wo haben Sie dieses Gerücht gehört? Wer hat ihnen das wann und an welchem Ort mitgeteilt?«
Gregoire Verrill de Souvagne
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen Schwager, ich habe so viele Gerüchte und vermeintliche Wunder gehört, nun es war die Jagd nachdem Einhorn - oder dem Quellcode des Lebens, Ihr versteht? Wenn man verzweifelt ist, ist man bereit jeden Strohhalm zu ergreifen, jede Mähr zu glauben und jedes Märchen für bare Münze zu nehmen... in der Hoffnung eines davon möge keine Mythe sein, sondern funktionierene Magie. Aber diese war es leider nicht. Ich danke Euch für Eure tröstenden Worte. Sollte es mir wieder einfallen, wo ich diese Mythe aufgeschnappt habe, werde ich es Euch wissen lassen. Was die Nekromantie anbelangt und deren Verbot werde ich meine Verwandten durch meinen Onkel vorbereiten lassen, er wird sie mental informieren. Entschuldigt die Mühe und Umständlichkeiten, wir waren hier um neu anzufangen und nicht um jemanden zur Last zu fallen«, sagte Linhard ergeben, während er Ciel genaustens musterte. Der Mann war nicht dumm, er war nicht nur Adel, er war nicht mal Hochadel nahm man es genau - er war Royalist. Wenn einer wusste wie man aushorchte und jede Spitzfindigkeit zu deuten wusste, dann waren es Royalisten. Lin fühlte sich ziemlich unwohl dass er überhaupt das Thema angeschnitten hatte. Er hoffte er hatte keinen Mist gebaut und mit beiden Händen voll in den Nachttopf gegriffen. Er musste mit Archibald oder Dunwin reden. Sie würden wissen was zu tun war. Und er musste mich Dave und Urako reden, er war mehr als froh um seinen Stab. Was er an Lehre hatte, fehlte ihm an Jahren und die hatten »die alten Hasen« auf dem Buckel. Allen voran Dunwin.
Ciel Felicien de Souvagne
»Sie fallen niemandem zur Last«, versicherte Ciel. »Und zumindest für meinen Bruder sind Sie bereits eine Bereicherung. Für den Rest der Familie und des Landes hoffentlich auch bald.« Das Ablenkungsmanöver von Linhard war recht plump verglichen mit der vorherigen Rafinesse. Er wurde unsicher. Ciel hatte ins Schwarze getroffen. Der Mann wusste sehr genau, woher er die Information hatte. Und vermutlich ahnte er, dass Ciel als Verantwortlicher für Zauberei selbst über magisches Talent verfügte. Es war ein gegenseitiges abschätzen, vortasten, ablenken und falsche Fährten legen. Ciel machte dies Spaß, es war fast wie ein Spiel zwischen ihm und seinem Schwager. Einen Moment lang vergaß er darüber sogar, wie Ernst die Tatsache war, dass es irgendwo in seinem Orden eine undichte Stelle gegeben haben musste oder immer noch gab und genoss es einfach, als würden sie miteinander Karten spielen. Linhard wich zurück, er wollte gehen. Ciel würde ihn nicht weiter bedrängen. Momentan würde ein Weiterbohren nichts bringen und er wollte keine Feindschaft. Linhard hatte aus Liebe zu seinem Vater heraus in diese Richtung geforscht. Ciel musste nur aufpassen, dass Linhard die Nase nicht zu tief in Angelegenheiten steckte, die ihn nichts angingen. Er würde darüber nachdenken und ein andermal mit ihm darüber reden. Er erhob sich. »Danke für das aufschlussreiche Gespräch«, sagte er freundlich. »Ich wünsche euch beiden noch einen schönen Tag.« Er blinzelte Greg kurz zu und verließ den Raum.