Der raue Stein bohrte sich in seine Kopfhaut. Robere stand in der Zelle und drückte seine Stirn gegen die Wand. Es gab kein Fenster, zwischen dessen Gitterstäben hindurch er in die Freiheit hätte schauen können. Vollständige Dunkelheit seit ungezählten Tagen. Robere war für den Augenblick kein Leibgardist mehr, der das Leben des Ducs mit dem eigenen schützte, nicht länger der zweite Mann von Unitè B, der wie eine unbezwingbare eiserne Statue neben der Tür des Thronsaals Wache stand. Er war ein Sträfling in einem Leinenlumpen, unrasiert und mit klebrigem Haar, den man in das letzte und tiefste Verlies geworfen hatte, wo er nicht einmal die verzweifelten Rufe der Mitgefangenen hörte. Er war allein mit dem Abgrund, der von allen Seiten nach ihm griff. Rüstung und Waffen hatte man ihm genommen. Ob er sie je zurückerhalten würde, wusste er nicht. Die Stelle an seinem Kopf, die er gegen die Mauer presste, war inzwischen taub. Er trat einen Schritt nach vorn, bis seine Brust den Stein berührte und drehte den Kopf zur Seite. Er drückte die Wange an die Wand und ein paar Krümel rieselten herab. Ein Bett, um sich hinzulegen, gab es nicht. Dieser Raum war bis auf ein stinkendes Loch für die Notdurft völlig leer. Robere musste im Stehen schlafen, damit ihm das Ungeziefer nicht in die Ohren kroch. Durch das kleine Gitterfenster der Tür drang muffige Verliesluft, die nach Schimmel stank.
Am schwersten wog weder die Angst vor der Strafe noch die Finsternis, sondern die völlige Abgeschiedenheit von der Außenwelt. Außer den Männern seiner Einheit gab es niemanden in Roberes Leben. Er hatte keine Eltern, die ihren Sohn vermissen würden, keine Familie, die zu Hause auf ihn wartete. Sein zu Hause war nur eine Kammer im Bedienstetenflügel des Palastes, um selbst den Urlaub bei seinen Kameraden verbringen zu können. Sein Leben war seine Einheit und dort hatte man ihn herausgerissen. Er war wie ein schlagendes Herz außerhalb seines Körpers. Robere betete nicht dafür, dass er die Bestrafung überlebte. Er betete dafür, dass man ihn - falls er überlebte - nicht endgültig aus Unitè B warf für sein Vergehen.
Robere tastete nach der Tätowierung auf seiner rechten Hand. Er konnte sie in der Dunkelheit nicht sehen, doch er spürte die leichten Erhebungen, wo die Tinte ihm unter die Haut gestochen worden war. Der schwarze Skorpion war so tätowiert, dass eine Schere auf dem Zeigefinger lag und die andere auf dem Daumen, so dass das Tier sich kampfbereit zu bewegen schienen, wenn Robere die Finger spreizte oder zur Faust ballte. Es war die Hand, mit der er seine Waffe führte und die selbst zur Waffe werden konnte. Jene Hand, die das Gesicht eines Menschen zu einer blutigen Masse verarbeiten, ihn gegen eine Wand pressen und sich um einen Hals legen und zudrücken konnte. Die Hand, die ungezählte Männer so fixiert hatte, dass es kein Entkommen vor dem Stich des Skorpions gab. Aber weder Stachel noch Scheren nützten ihm jetzt etwas. Der Panzer war es, der nun seine Härte unter Beweis stellen musste. Robere ließ die Hände sinken, lehnte sich gegen die Wand und wartete.