Auf dem Palastgelände des Großherzogs befanden sich mehrere Heilstuben. Für jede soziale Schicht und jedes Fachgebiet gab es Spezialisten. Es gab Heiler für das Gesinde und Heiler für den Adel, erfahrene Feldscher für die Gardisten und heilkundige Hebammen für die Frauen und Kleinkinder. Für die Familie des Ducs de Souvagne stand Benito zur Verfügung, ein extrem fähiger, aber auch etwas gewöhnungsbedürftiger Mann. Gelegentlich kümmerte er sich auch um nahestehende Personen der großherzoglichen Familie, wie deren Leibdiener, wenn man diese aus besonderer Sorge zu ihm persönlich schickte.
Ciel de Souvagne hatte Nathan stets wegen jedem noch so kleinen Schnupfen zu Benito geschickt und nie zu einem anderen Medicus. So ging Nathan auch diesmal zu ihm, auch ohne die Anweisung seines neuen Herrn erhalten zu haben. Er dachte nicht weiter nach, als seine Füße ihn dorthin trugen, sondern handelte aus Gewohnheit. Erst, als er an die Tür von Benitos Heilstube klopfte, fiel ihm ein, dass er vielleicht besser nur zum Gesindeheiler hätte gehen sollen. Weder hatte er eine Anweisung erhalten, den großen Benito höchstelbst zu behelligen, noch war er sonderlich krank. Tee und Fieberumschläge konnte ihm auch jeder andere Heiler verordnen, dazu brauchte es nicht solch eine Koryphäe.
Doch es war zu spät - Nathan hatte schon geklopft. Er hoffte, dass niemand die Tür öffnen würde, damit er schnell wieder verschwinden und einen gewöhnlichen Heiler aufsuchen konnte, anstatt den unheimlichen Benito.