Obenza, die Himmelsröhre, Der Ring der Menschenfresser
Timothée Mauchelin
Endlich schlief ihr Bewacher. Timothèe war ein geduldiger Mensch und langes, manchmal jahrelanges, Warten gewohnt. Aber dieser Mann setzte ihn unter Stress, er hatte durch all seine Personae geblickt und wenn er Vendelin in die Augen schaute, war es für den Lotos, als würde er direkt in das Nichts blicken, wo seine Seele sein sollte. Ein verstörendes, ja, beängstigendes Gefühl für jemanden, dessen ganzes Leben ein Schauspiel gewesen war. Doch nun schlief Gideon friedlich im Bett des gemieteten Zimmers und Timothèe saß allein draußen auf der Bank, die an der Hauswand stand und genoss die Stille der Nacht. Alejandro gesellte sich zu ihm. Vendelin gefiel es nicht, dass er diesen Namen nun kannte, für ihn hatte der alte Soldat Vittorio bleiben sollen. Er hatte nicht darum gebeten, seinen wahren Namen zu erfahren und ignorierte ihn verärgert.
»Wie geht es deinen Daumen?«, fragte Alejandro, als er sich zu ihm setzte. Ungefragt legte er den Arm um ihn, nahm seine Hand und küsste ihm den Verband.
»Ich kann sie nicht mehr bewegen und daran wird sich wohl auch nichts mehr ändern.« Als Alejandro ihm die Hand so liebevoll küsste, erweichte Vendelins Herz ein wenig und er lehnte sich an ihn. Er stupste mit der Nase und erhielt einen Kuss mit dem Mund. »Endlich Ruhe«, flüsterte er dann.
»Aber ich glaube, das zählt unter Körperverletzung, wenn das der Krone zu Ohren kommt.«
»Seit wann ist Schlaf schädlich? Ihm fehlt nichts.«
Küssend und schmusend genossen sie die Zeit, die sie für sich hatten.
Archibald von Dornburg
Eine dunkle Gestalt in einem schwarzen Ledermantel gehüllt erschien wie aus dem Nichts und hockte sich zu den beiden. Er musterte sie aus seinen seltsam blau-grünen Augen und seine blutleeren, dunklen Lippen verzogen sich zu einem Schmunzeln. "Hier seid Ihr also, Ihr zwei Turteltäubchen", sagte Archibald mit einem lauernden Unterton und schnappte sich eine Hand von Timothee. Ausgerechnet am Daumen packte er seinen Verbündeten und musterte das Werk. "Das ist leider keine Körperverletzung mein lieber Kollege, das ist Dir geschehen, weil Du nicht schnell genug das Weite gesucht hast. Raubtiere mein Freund sollten eigentlich vorsichtiger sein. Dein wundes Däumchen kann Dir doch der Hofmagier richten, versuch es mit ihm. Ansonsten müsste auch einer der normalen Heiler eine Chance haben. Sei froh dass es nicht der Zeigefinger ist, so kannst Du noch Nasebohren", lachte Arch leise und wurde schlagartig ernst. "Was treibst Du in Naridien? Du suchst doch wohl nicht eine alte Lady? Wo ist Dein feuriger Freund?", hakte Arch nach und schaute sich sichernd aus den Augenwinkeln um.
Timothée Mauchelin
Der Schmerz sorgte dafür, dass Vendelin jeden Muskel anspannte. Alejandro sprang auf, packte zu und bog Archibalds Finger auf, ehe er sich drohend vor ihm aufbaute. Er kannte den Kerl nicht und nahm ihn als Angreifer wahr. Wie auch immer das ausgehen würde, mindestens einer von beiden wäre am Ende schwer verletzt, so dass Vendelin »Setz dich«, kommandierte. Alejandro starrte den Naridier an und sichtlich widerwillig ließ er sich erneut auf der Bank nieder. »Danke der höflichen Nachfrage, Archibald, aber ein Heilmagier kann mir nicht helfen und ein Heiler hat es vergebens versucht. Gideon hält ein Schläfchen, da er mir ein wenig zu aufdringlich war und wird in siebeneinhalb Stunden bestens erholt wieder erwachen. Und das ist es auch, was mein Begleiter mit Körperverletzung meinte, nicht diese Lappalie an meinen Daumen. Ja, ich habe Fehler gemacht. Aber ich erinnerte mich an deine Einladung und dachte, ich nehme sie in Anspruch, um mich ein wenig von dem Unbill zu erholen.«
Archibald von Dornburg
Archibald musterte Timos Begleiter interessiert und öffnete freiwillig die Hand, um ihm keinen weiteren Anlass für einen Streit zu geben. "Du bist hier in Naridien, ist es nicht gleich was außerhalb der Grenzen geschieht? Oder gilt das nur für Fremdländer, wie man sie in Souvagne nennt? Jemanden eine gute Portion Schlaf zu spendieren, ist keine Körperverletzung. Es sei denn, er schläft für immer. Sieben Stunden, das ist ausreichend Zeit. Dazu sollten wir allerdings umgehend aufbrechen Timo. Und was ist mit Deinem zahnlosen Begleiter? Können wir ihm vertrauen?", fragte Archibald und erhob sich mit einer geschmeidigen Bewegung. Er musterte den unbekannten Mann. Er war schnell, gut trainiert und stand gut im Futter. Er wäre ein ernstzunehmender Gegner. Aber für solche Wenn-Fälle hatte er seine dritte Gestalt. Allerdings hatte Archibald nicht vor, das halbe Stadtviertel in Alarmbereitschaft zu versetzen, solange dies nicht notwendig war. "Gehen wir, die Nacht ist jung und ich könnte auch etwas zu essen vertragen. Allerdings muss ich wissen, ob er vertrauenswürdig ist. Falls nicht, soll er neben Deinem Freund mit Zündelproblem warten. Hast Du etwas, das als Gastgeschenk durchgehen könnte?", fragte Arch und musterte dabei Alejandro freundlich.
Timothée Mauchelin
Vendelin schüttelte milde lächelnd den Kopf, als Archibald Alejandro musterte. »Dieser Mann gehört zu mir. Gideon, der oben schläft, wäre ein gutes Gastgeschenk, aber dann kann ich nicht mehr nach Souvagne zurück. Sollte ihm etwas zustoßen, wird dies mir zu Lasten gelegt. Ich bin nicht sicher, ob Vittorio hier uns begleiten sollte. Ja, er ist vertrauenswürdig. Aber es ist nicht immer angenehm, alles über sein Gegenüber zu wissen. Manche Dinge lässt man lieber unerwähnt.« Er blickte Alejandro an, der eine Weile abwartete, ehe er den Blick von Archibald wendete, um Vendelin in die Augen zu sehen. Nachdenklich, Vendelin liebte diese schwarzen, wie Miesmuschelschalen glänzenden Augen.
»Will ich wissen, was ihr vorhabt?«, fragte Alejandro.
»Ich denke nicht«, antwortete Vendelin ehrlich.
»Dann geht es mich auch nichts an. Ich bleibe bei Gideon und beschäftige ihn, falls ihr euch verspätet.« Damit ließ er ab von Vendelin und lehnte sich auf der Bank zurück. Vermutlich gefiel ihm nicht, den Mann ziehen zu lassen, den er erst vor kurzem wiedergetroffen hatte.
Vendelin musste sich eingestehen, dass es ihm auch nicht gefiel. Auch fänd er ein wenig Verstärkung nicht schlecht, doch er ging nicht davon aus, dass man Alejandro als etwas anderes als eine wandelnde Mahlzeit betrachten würde. Er selbst war zwar bekannt, aber trug keine Zähne und hatte zu wenig Einfluss, um ihn zu schützen.
Vendelin erhob sich. »Lass uns gehen.«
Archibald von Dornburg
Archibald nickte knapp zur Bestätigung. "Brechen wir auf und Du bleibst hier. Dein Partner hat Recht, es gibt Dinge die möchtest Du nicht wissen. Und da Du sie nicht weißt, wärst Du vor Ort in Gefahr. Timo scheint Dir großen Wert beizumessen, nun mir ergeht es mit einer anderen Person nicht anders. Jene ist Timo bekannt, wir sind also bei einem Patt. Er schweigt und ich schweige. Sorge ist unbegründet, ich bringe Dir Deinen Mann wohlbehalten vor Sonnenaufgang zurück. Aber dafür müssen wir aufbrechen und zwar jetzt", sagte Archibald und machte eine eindeutige Handgeste.
Arch wartete nicht länger, sondern er brach auf. Der Weg von Shohiro bis nach Obenza war weit und so führte von Dornburg Timo kurzerhand zu den Kutschenständen. An den einfachen Fuhrwerken marschierte er vorbei, denn sie hatten es eilig. Ihre Zeit rann unaufhörlich davon. Arch nahm in einer guten Kutsche mit schnellen Pferden Platz und wartete ab, bis sich Timo zu ihm gesellt hatte. Einen Augenblick später schlossen sich schon die Türen, der Tritt wurde hochgeklappt und die Peitsche knallte. Zügig ging es voran, denn Zeit war Geld in Naridien. Und nach Zeit wurde der Kutscher bezahlt, jedoch nicht danach wie lange er unterwegs war, sondern wie kurz. Ein Eildienst per Kutsche, der seinem Namen Ehre zu machen hatte. Die Fahrt war rasant und schon bald kam Obenza in Sicht. Die typischen gewaltigen Bauten, die geh Himmel ragten, waren jedem bekannt, auch jenen die sie noch nie zuvor gesehen hatten. Archibald stieg aus der Kutsche, bezahlte den Mann und gab ihm ein ordentliches Trinkgeld. Knausrig zu kleinen Leuten zu sein, war nicht seine Art. Zudem hatte sich ein Raubtier mit der Masse zu bewegen. Wer negativ auffiel wurde leichter angeschwärzt. Wer schon auffallen musste unter den Schäfchen, sollte es positiv tun. So war ihm Schweigen und Beute gewiss, nicht anders handhabte es sein Sohn, den alle nur das Grauen von Obenza nannten. Und das obwohl sein Revier weitaus größer war und sich nicht nur auf Obenza beschränkte. Archibald marschierte durch schmale, dunkle Gassen die jeder mit ein bisschen Verstand gemieden hätte. Ein Messer schien hier niemals fern, ein Beutelschneider schien an jeder Ecke zu lauern. Aber so wie bleiche Gesichter aus den Schatten der Häuserzeilen auftauchten, so verschwanden sie auch wieder. Und dann standen sie genau vor dem Gebäude, dass Timo so sehnlich betreten wollte - die Himmelsröhre. Ein heruntergekommener Hochbau, den nur das Glück vor dem Einsturz bewahrte. Der Tag schien nicht mehr fern, wo er in sich zusammen brechen und alle die dort wohnten unter sich begraben würde. Und genau jenes Gebäude betrat Archibald. Er schritt in den seltsamen Bau hinein und führte Timo tief hinab, bis sie an einem schmalen Gang ankamen der seltsam verziert war und sich in der Dunkelheit verlor. An den patschenden Geräuschen und an der klammen Kälte der Luft, spürte er, dass hier überall Wasser sein musste. Sie waren vermutlich einige Etagen unter der Erde. Archibald blieb vor einer gewaltigen Tür stehen und hämmerte dagegen. Der Türschlitz wurde aufgezogen. »Was hast Du mitgebracht?«, fragte die unsichtbare Stimme. In der kalt-nassen Finsternis hatte die Stimme etwas unwirkliches und unheimliches. "Hunger Bruder!", antwortete Arch leichthin. "Hast Du Deinen Begleiter zum Essen eingeladen?", folgte einen Moment später die Frage und Belustigung schwang in der Stimme mit. "Nein, er ist einer von uns. Er ist hier um die Baronin zu besuchen", erklärte Arch. Der Türschlitz wurde wieder zugeschoben, dann hörte man wie schwere Riegel beiseite gewuchtet wurden. Die Tür öffnete sich erstaunlicherweise lautlos und schwang einen spaltbreit nach innen auf. Archibald schlüpfte hinein und war verschwunden.
Timothée Mauchelin
›Wunderbar‹, dachte Vendelin. ›Er ist in Spielstimmung.‹ Das konnte gut für ihn sein und in gemeinsamen Genuss münden, oder fatal. Was von beiden, entzog sich seiner Macht. Vendelin machte sich keine Illusionen darüber, dass es nicht in seiner Kontrolle lag, ob er die Himmelsröhre wieder in einem Stück verließ, völlig egal, wer er draußen war. Wenn er diese Tür durchquerte, war er der Gnade ihrer Bewohner ausgeliefert. Jeder Mensch mit Verstand kehrte an dieser Stelle um, spätestens bei der Frage des Türpostens. Es sei denn, er verspürte ein solches Sehnen, dass des unheiligen Schutzes dieser Wände bedurfte, die den Feind genau so draußen hielten wie die ›Gäste‹ im Inneren. Vendelin schob die Tür auf und trat ein.
Archibald von Dornburg
Jemand schloss mit einem Krachen hinter Timo die Tür. Als er einen Augenblick im völlig dunklen Raum stand, gewöhnten sich langsam seine Augen an die Finsternis. Es war nicht wirklich finster, er begann die Umrisse seiner Umgebung zu erkennen. Einen langen Flur an dem seitlich zig Türen abgingen und eine weitere schwere Tür etwas versetzt zu der, vor der er stand. Ein älterer Mann musterte ihn aus milchigen Augen und lächelte dann freundlich. So freundlich wie ein Hai lächelte, oder Archibald. "Ein Gast der Bestie für unsere liebste, oberste Mutter? Du sollst die Baronin kennenlernen, folge mir. Du bist sehr alt, alt genug um Dir die Zähne zu verdienen. Wann bist Du aufgewacht mein Freund, oder schläfst Du immer noch?", fragte der Alte und ging mit erstaunlich sicheren Schritten vor. "Du wirst Dir schon bald Deine Zähne verdienen, wenn Du der Bestie folgst. Komm. Die Bestie hat schon einige hergeführt und herführen lassen, aber ich meine Dich habe ich hier bereits einige male gesehen, wenn mich meine alten Augen nicht trügen", sagte der Alte und sperrte die schwere andere Türe auf und führte sie in einen Gang, der in jedes Adelshaus gepasst hätte, aber den man garantiert nicht unter einer Müllhalde erwartete. Die Tür wurde hinter ihnen geschlossen und der alte Mann führte sie weiter. Sie passierten Aufenthaltsräume mit Spieltischen, eine Küche aus der es verführerisch duftete und ihnen eine freundliche, kleine, kugelrunde Frau gut gelaunt entgegenblickte. Vorbei ging es an einer Bibliothek mit Bücherregalen und großen Ohrensesseln, sie passierten einen Raum, der den Anschein eines Wohnzimmers hatte, bis auf den Umstand, dass neben der normalen Einrichtung auch Streckbänke und andere Foltergeräte anwesend waren. Als sie in einen Wartesaal ankamen, war dieser auch nicht sonderlich anders, als ein üblicher Wartesaal, bis auf die Verankerungen die in den Wänden eingelassen waren um Sklavenketten zu halten. "Die Baron wird Dich zu sich rufen, so wie sie jeden ruft, sobald sie Zeit für ihn hat. Setz Dich hin. Was zu essen? Oder etwas zu trinken?", fragte der Alte freundlich. "Ich nehme einen Becher gewärmtes Gewürzblut und für meinen Gast, nun was immer sein Herz begehrt", säuselte Archibald und musterte Timo fast liebevoll, so liebevoll wie ein Metzger ein Steak betrachten würde.
Timothée Mauchelin
»Guter Mann, mein Erwachen ist viele Jahre her. Ich möchte Eure Zeit nicht damit vergeuden, es auszurechnen. Die Zähne hätte ich schon vielfach verdient, allein sind sie nicht angeraten in meinem weltlichen Berufsstand. Euer Gedächtnis täuscht Euch nicht, wenn es das ist, weshalb Ihr mich so mustert. Ich bin hier bekannt als Onkel Timothèe und Lieferant souvagnischer Spezialitäten. Es ist allerdings einige Jahre her, da ich mich persönlich blicken ließ, die Gründe liegen auf der Hand.« Er ließ sich wie aufgefordert neben Archibald nieder. Dessen Blick erwiderte er streng. »Womit verdiene ich deinen Appetit? Eine Tasse kalte Suppe, wenn es sich einrichten lässt, mit guter Fleischeinlage.«
Archibald von Dornburg
Der alte Mann hörte Timo aufmerksam zu, als dieser seinen Namen erwähnte hellte sich sein Gesicht auf. "Onkel Timothee, ja doch da klingelt es bei mir. Ich wusste, dass ich Euch schon einmal gesehen habe. Eine kalte Suppe und warmes Würzblut, ich bin gleich wieder da meine Herren", grinste der Alte vergnügt und entblößte dabei selbst seine messerscharfen Zähne. Archibald verschränkte seine langen Finger und schaute Timo unverholen an. "Genereller Hunger Timo aber der Blick galt nicht Dir persönlich, sondern vielmehr dem, was Du zu liefern imstande warst. Dein Geschenk war außerordentlich köstlich. Die Ruine wird mir stets in wundervoller Erinnerung bleiben. Meinem lieben kleinen Nathan hingegen wohl ehr nicht. Was genau möchtest Du von der Baronin?", fragte Archibald und nahm seinen Becher Würzblut von dem alten Kerl entgegen. Gleich darauf bekam Timo seine Suppe serviert. "Wohl bekommts", sagte der alte Mann und ließ die beiden allein. "Guten Hunger, oder wie man bei Euch sagt Bon Appetit", grinste Arch und trank einen Schluck. "Möchtest Du mal probieren?", bot der Vampir an.
Timothée Mauchelin
Timothèe entspannte sich etwas. Er griff nach Archibalds Becher und kostete. »Hm, gut gewürzt.« Danach wandte er sich seiner eigenen kalten Suppe zu, die er schweigend genoss. Er aß sie sehr langsam und kostete jeden Löffel aus. Nach der Hälfte der Schüssel erst antwortete er. »Ich möchte mit der Baronin über die zu erwartenden Lieferengpässe sprechen. So etwas muss einkalkuliert und darauf reagiert werden, damit niemand hungern muss. Aber vielleicht können wir beide uns ebenfalls die Zeit des Wartens sinnvoll vertreiben. Ich spreche einfach ganz offen. Du hast eine ledige Tochter, die aufgrund ihrer Neigungen schwer unter die Haube zu bekommen ist, ich habe einen Sohn. Einen einzigen Sohn und dieser ist mit einem Mann verheiratet. Mit ihm endet meine Linie, wenn noch einige Jahre mehr ins Land gehen. Kurzum, ich halte um eine Nacht mit deiner Tochter an, um ein gemeinsames Kind, welches ich nach der Geburt zu mir nehmen und für es Sorgen würde. Natürlich für eine gebührende Aufwandsentschädigung, da deine Tochter einige Zeit nicht jagen wird. Ich würde sie mit dem versorgen, wonach ihr verlangt plus finanzielles Auskommen.«
Archibald von Dornburg
Archibald trank in aller Ruhe sein Blut und hörte Timothee mit absoluter Neugier zu. "Ich habe mehrere Kinder, aber ich nehme an Du sprichst von Derya? Ja Derya kommt sehr nach ihrem Vater, also nach mir. Leider nicht was ihre Vorsicht anbelangt. Ein Kind soll sie Dir austragen. Das lässt sich einrichten, an welche Aufwandsentschädigung hast Du gedacht? Einst hatten wir vor, dass sich ihre Fähigkeiten mit denen von Linhard mischen. Aber die Lin Larve ist weich, trotz aller Hohenfelde Härte. Du hingegen bist einer von uns. Wie steht es mit Deinem Sohn? Trägt er Zähne? Erzähl mir mehr davon, ich bin ganz Ohr und offen interessiert. Bei solchen Verhandlungen gibt es keine Spielchen und keine Rückzieher", antwortete Arch freundlich.
Timothée Mauchelin
»Von Derya sprach ich, korrekt. Archibald, wir beide stammen aus Familien, die sich auf gefährliche Spiele verstehen. Doch hier geht es nicht darum, jemanden beiseitezuschaffen, sondern um das Gegenteil. Um den Erhalt einer guten Linie. Würde mein Sohn die Nacht vollziehen, wäre dies freilich noch besser, eine Generation Vorlauf. Aber ihm darf nichts geschehen, es ist mein einziger Sohn und er ist tödlich, aber kein Beißer! Ich dachte zum einen an eine finanzielle Aufwandsentschädigung und eine entsprechende Versorgung mit essbaren Sklaven für die Zeit, in der sie das Kind unter ihrem Herzen trägt, damit es gut gedeiht.«
Archibald von Dornburg
"Das verstehe ich doch Timo. Du möchtest nicht Deinen Sohn verlieren, sondern ein Enkel dazugewinnen. Dein Sohn macht keine Anstalten sich eine Frau zu suchen, also hast Du den Part für ihn übernommen. Derya war bereit das Kind von Linhard auszutragen. Sie wird auch für Deinen Sohn bereit sein. Was seine Sicherheit angeht, entweder übergibt er ihr die Gabe, oder sie muss sich sichern lassen. Ansonsten kann ich für nichts garantieren. Alles andere wäre schlichtweg gelogen. Ich selbst habe über mich im Fressrausch keinerlei Kontrolle gehabt. Also wie ist es Dir lieber? Versorgen müsstest Du sie, dass ist richtig. Hochschwanger wird sie kaum jagen können. Die finanzielle Aufwandsentschädigung versüßt den Pakt. Damit könnte sie sich ein neues Häuschen kaufen. Möchtest Du sie während der Zeit sehen, wo sie Dein Enkel austrägt? Das wäre sicher möglich, Du bist einer von uns", gab Archi zurück.
Timothée Mauchelin
Timothèe lächelte etwas breiter. »Mein Sohn ist mit deinem Enkel verheiratet. Mit einem Sohn Deryas. Wir sind also bereits eine Familie, nur leider fehlt es noch an einem Verbindungsstück zur Blutsverwandtschaft. Es wäre gut, wenn Derya gesichert wäre, denn ich vermute, dem Jungen wird es nicht gefallen, zu sehen, wie sie verzückt ihre Zähne in das Organ eines Mannes schlägt, das mein Sohn in diesem Augenblick zu nutzen gedenkt. Sie sollte seine Zuwendung genießen und hinterher speisen, wenn er wieder fort ist. Natürlich würde ich Derya gern hin und wieder sehen, wenn es sich einrichten lässt und mit ihr sprechen, ob sie alles hat, was sie benötigt und wie es ihr und dem Kleinen geht. Aber ich verstehe auch, dass sie eine Jägerin ist, die ihre Unabhängigkeit braucht, darum sprach ich nicht von Heirat, sondern einem Kinde.«
Archibald von Dornburg
"Das ist eine überkreuzte Verbindung. Dein Sohn schwängert also die Mutter seines Mannes um ein eigenes Kind zu zeugen? Der Mann Deines Sohnes, wäre der Ziehvater und zeitgleich der Halbbruder von dem Kind. Nun mir soll es Recht sein, ich habe nichts dagegen unsere Blutlinie zu verbinden. Ganz im Gegenteil, es wäre mir sogar sehr recht. Ich werde es Derya so weitergeben, sie wird sich sicher über diese Form von Zuwendung freuen. Das Du das Kind in Deiner Obhut großziehen möchtest, ist nicht nur Dein Wunsch Timo, meiner ist es ebenso. Und anders wäre es auch nicht möglich. Keiner von uns ist in der Lage seine eigenen Kinder aufzuziehen. Die schlimmste Bedrohung für unsere Kinder, sind wir selbst. Das war bei mir so, das ist bei Derya so und so wird es auch bei Deinem Enkel und Schwiegersohn sein. Ich werde ein Treffen arrangieren Timo. Auf die Familie", sagte Arch und hob seinen Becher.
Timothée Mauchelin
»Auf die Familie«, bestätigte Timothèe und eine riesige Sorge fiel von ihm ab wie der berüchtigte Stein von der Seele. Er hob seine Suppenschüssel und Menschenblut und Menschensud warfen kleine Wellen, als die Gefäße erklangen, gefolgt vom leisen Schlucken und Schmatzen der beiden Menschenfresser. Timotheè war nicht länger Vendelin. Er war ganz der gefährliche Onkel, der sich nun mit einem Stofftaschentuch die Mundwinkel tupfte. Oder war es nicht vielmehr Vendelin in einem ihm genehmen Gewand, ganz wie Moritz, der sich Patrice erschaffen hatte? Nur, dass Timothèe keine Geisteskrankheit verspürte. »Mein Schwiegersohn hält sich mir gegenüber bedeckt, obgleich er sich sonst sehr offenherzig gibt. Er misstraut mir zutiefst. Bei mir jedoch wäre das Kleine sicher, ich habe auch meinen eigenen Sohn aufgezogen und er erfreut sich bester Gesundheit.«
Archibald von Dornburg
Archibald musste breit grinsen. "Nun was Du so beste Gesundheit nennst, hatte er sich nicht gespalten? Das klingt schon gruselig und das sage ich. Allerdings fehlt ihm körperlich soweit nichts, er ist vollständig und intakt. Hat keine Bissspuren oder sonstiges. Wie kommt das Misstrauen Dir gegenüber von Deinem Schwiegersohn zustande?", hakte Arch neugierig nach.
Timothée Mauchelin
Timothèe stellte die leere Suppenschüssel auf einen freien Stuhl. »Er ist ein guter Schauspieler, das muss man ihm lassen. Ich sagte ja, kerngesund, du kannst ihn dir vorher einmal anschauen, er ist ein hübscher junger Mann. Aber wie die Zwillinge von Derya gepolt sind, ist dir unbekannt? Dann sind sie auch gegenüber anderen so vorsichtig, nicht nur gegenüber mir. Caillous Misstrauen mündet daher, da ich seinen Ziehvater beiseiteschaffte, der mir im Weg war.«
Archibald von Dornburg
"Ja da sind manche recht eigen und sogar bisweilen nachtragen. Das ist mir durchaus bewusst. Nein wie meine beiden Enkel von Derya ticken ist mir nicht wirklich bekannt. Ich hörte einiges, habe dafür aber keine Beweise. Von daher wäre alles nur Hörensagen Timo. Aber ich gehe bei dem Vater davon aus, dass sie vermutlich auch eine weiche Seite haben können. Der letzte souvagnische Schwanz den Derya erbeutete, das ist der Vater der Zwillinge. Marquis de la Grange. Er hat erstaunlicherweise sogar überlebt, nun sonst wäre er jetzt nicht mit seinen Kindern zusammen. Aber ich wollte nur aufführen, dass der Umstand mich damals erstaunt hat. Dein Sohn trägt Dein direktes Blut und meine Tochter ebenso. Es sind zwei Beißer die sich verbinden werden", sagte Arch mit einem gewissen Anflug von Stolz in der Stimme.
Timothée Mauchelin
»Der gute Marquis!« Timothèe wirkte nun amüsiert. »Das erklärt vielleicht seine chronische Verstimmtheit. Dann gehört auch er zur Familie. Die Zwillinge wirkten sehr glücklich, ihren Vater zu treffen. Das darf man nicht zerstören. Ein Ziehvater wäre dort ohnehin ein lästiges Ärgernis gewesen.«
Archibald von Dornburg
"Sie sollen ihn behalten, wenn sie mit ihm glücklich sind. Wer bin ich das zu zerstören? Das könnte nur geschehen, wenn mich der Marquis bedroht. Gezwungenermaßen sozusagen, ansonsten werde ich als Großvater meinen lieben Enkelchen doch nicht den Papa rauben... wofür gibt es Mama?", grinste Archibald.
Timothée Mauchelin
»Nur von Pascal sollte sie die Zähne lassen. Er ist kein Beißer, aber er wird helfen, seinen Sohn großzuziehen und ist, nicht zu vergessen, der Mann ihres Sohnes. Sie will doch ihr Baby nicht unglücklich machen.« Timothèe blickte in Richtung der Tür. Die Baronin ließ sich Zeit, aber das hatte ihnen neben der Kräftigung auch die Zeit gegeben, die Pläne zum Fortbestand der Linie zu besprechen.
Archibald von Dornburg
"Das mein lieber Timo, dass war ein Scherz, Derya hat keinerlei Interesse mehr an dem guten Marquis. Das war sie haben wollte, hat sie bekommen. Und er ist sicher nicht nachgewachsen. Das vermute ich jedenfalls. Du wirkst ungeduldig, bleib entspannt, iss noch etwas die Baron hat alle Zeit der Welt und sie muss vielen Leuten lauschen. Ganz ähnlich Deinem Duc. Aber sieh nur, da kommt ja wieder unser alter Scharfzahn", sagte Archibald und deutete auf den alten Kerl, der sie hereingelassen hatte. Der alte Mann gab ihnen ein Zeichen und sie folgten ihm in ein Zimmer, dass exquisiter nicht hätte eingerichtet sein können. Samtene Tapeten, schwere Brokatvorhänge, Teppiche so dick, dass man darin einsank und kein Schritt zu hören war. Als sie eintraten blickten sie auf eine uralte, dürre Frau die wie ein Raubvogel in ihrem Ohrensessel hockte. Trotz ihrer trüben Augen war ihr Blick erstaunlich wach und scharf. Sie trug extrem teure Kleidung, ihr Haar war kunstvoll zu einer Hochsteckfrisur aufgetürmt und goldenen Spangen hielten es, wo es hingehörte. Ihre scharf geschnittenen Gesichtszüge mussten in ihrer Jugend wunderschön gewesen sein. Aber jetzt strahlte sie etwas anderes aus, Macht. Diese Frau war hier das Oberhaupt, dem sich alle beugten. Warum, dass konnte Timo nur vermuten, allein des Geldes wegen war es nicht, auch wenn er hergekommen war um geschäftliches zu besprechen. Diese Frau hatte es nicht nötig hier zu leben. Jedenfalls nicht aus finanziellen Gründen. Man spürte die Bedrohung die von dieser knorrigen alten Frau ausging. Ein irrationales Gefühl, wenn man sich ihren Körperzustand und ihr Alter vor Augen rief, aber das Gefühl war da und es log nicht. Ihre schmalen Lippen teilten sich zu einem Lächeln, dass nicht den Anblick ihrer Zähne preisgab. "Willkommen", sagte sie mit fester Stimme.
Timothée Mauchelin
Timothèe verneigte sich vor der alten Frau, so wie er einst vor der Duchesse das Haupt geneigt hatte. Vielleicht lag es an dieser Erinnerung, dass er sich trotz der Bedrohlichkeit in der Gegenwart der Baronin wohler fühlte, als er sollte. »Madame, Baronin, wie darf ich Euch ansprechen?«, fragte er, ohne den Blick zu heben. »Habt dank für die vorzügliche Bewirtung. Ich bin Euch vielleicht noch bekannt als Onkel Timo, wenngleich es lang her ist, dass mein Weg mich persönlich in Eure Hallen führte.«
Archibald von Dornburg
Die Baronin: "Beides ist mir recht. Die Bewirtung war nur ein kleiner Imbiss um die Wartezeit etwas zu versüßen. Natürlich erinnere ich mich an Euch. Was führt Euch nach so langer Zeit zu mir? Etwa ein Schutzbedürfnis oder vielleicht ein Geschäft?", fragte die alte Frau milde. Sie genoss es, wenn man nicht nur ihrem Alter huldigte, sondern auch ihr Ansehen achtete. Timothee hatte alles richtig gemacht und sich respektvoll verhalten. Die Baronin leitete schon so lange diesen Ring der Menschenfresser, dass sie sich fragte, ob sie jemals etwas anderes getan hatte. Selbstverständlich hatte sie das, aber dies hier war sie, ihre wahre Natur. Sie war die Mutter dieses Rings.