<< Fäden des Schicksals - Vanjas Vorgeschichte
Der Dolch und der Pilgerstab
Vanja von Wigberg
Vanja war lange zu Fuß gereist. Der schwarze Mantel der Priesterschaft von Zeit und Raum war verdreckt und zu einem dunklen Grau verblichen. Die blaue Chaperon, die ihn etwas schrullig wirken ließ, war noch immer feucht vom letzten Regenguss. Vanja hatte gute Gründe, keine Mitfahrgelegenheit auf einem der zahlreichen Ochsenkarren und Planwagen zu nutzen, welche der dem endlosen grauen Band der Salzstraße folgten. Seit geraumer Zeit steckte er nun in Shohiro. Das Anwesen der Wigbergs war von Fremden bewohnt, verkauft, renoviert, verschandelt. Aber so war das, manchmal musste man alle Brücken hinter sich abreißen und die Trümmer in alle Himmelsrichtungen verstreuen, um die Spuren zu verwischen. Vor so einer verwischten Spur stand Vanja nun erneut. Nicht nur der Hauptwohnsitz, auch das Anwesen seines Verwandten Osmund war nicht mehr das, was es einst war. Kein Leben zeigte sich hier. Vanja ließ müde die Schultern sinken. Gern hätte er gerastet. Er beschloss, bei den Nachbarn zu fragen, ob jemand wusste, wo Osmund nun weilte. Doch als Vanja vor dem Geisterhaus stand, dem Wohnsitz eines entfernten Verwandten mit dem Namen Hohenfelde, waren auch hier keine Zeichen von Leben zu finden. Dass die gesamte Sippe den Hauptwohnsitz gewechselt hatte, war ihm bekannt, doch dass bereits restlos alle Habseligkeiten und Verwandten über die Mauer gebracht worden waren, hatte er nicht gewusst. Erschöpft setzte er sich auf die Treppe. Für den Fall, dass jemand ihm spenden wollte, stellte er seinen Becher vor sich auf die Straße. Als reisender Pilger, wie seine Gewandung ihn auswies, war es einfacher, die Herzen der Menschen zu erweichen und Vanja hatte ein freundliches Gesicht. Für ein Abendbrot würde es reichen. Vielleicht ließ sich auf diese Weise sogar ein Strohsack zum Schlafen für diese Nacht mieten.
Davard von Hohenfelde
Ein Mann hatte es sich auf der Hintertreppe gemütlich gemacht. Das der Pilger ausgerechnet ihr Haus ausgesucht hatte um sein Glück zu finden, war nicht nur paradox, es musste sich um einen der berühmten Witze der Götter handeln. Hier fand man nichts, außer den Tod. Und den fand man auch nur, wenn man ausreichend dafür bezahlte. Jedenfalls war dies einst so gewesen. Heute weilte die Gilde der Geister in Souvagne, in einem ähnlichen Geisterhaus. Allerdings unter neuem Namen und abgesichertem Tätigkeitsfeld. Nun eine Raubkatze blieb eine Raubkatze, ob sie auf eigene Faust loszog, oder ob sie angeheuert als Mäusemörder die Ratten vom Hof erledigte. Solange die Krallen und der Verstand scharf blieben, war alles in Ordnung. Ein Schatten fiel auf Vanja als er es sich gemütlich gemacht hatte. "Die Leute sind es gewöhnt, dieses Haus zu meiden. Es sei denn sie sind krank", sagte Dave und reichte Vanja eine Bierflasche.
Vanja von Wigberg
Die Augen, ungewöhnlich braun für ein Mitglied seiner Familie, richteten sich auf das dargebotene Bier. Vanjas Lippen zogen sich zu einem Lächeln auseinander, als er zugriff. »Auf mich wirkt das alte Haus sehr einladend, scheint es doch manch Geheimnis zu bergen, das es zu ergründen gibt. Jedes alte Haus hat seine Geschichte und dieses Fundament verweist auf einen tiefen und verzweigten Keller. Habt Dank für das Bier, Ainuwar segne Euch, mein Sohn.« Vanja sprach fließend Rakshanisch, doch seinen souvagnischen Dialekt vermochte er nicht ganz zu vermeiden. Er öffnete die Flasche, stieß wie ein routinierter Biertrinker mit dem anderen an und nippte das sprudelnde Nass in winzigen Zügen. Er kostete den würzigen Geschmack voller Genuss aus. »Ah, lang ist es her, dass solch Köstlichkeit meine Zunge benetzte. Seid Ihr wohnhaft in diesem schönen alten Gemäuer? Oder könnt ihr mir sagen, ob jemand von den Bewohnern der verlassenen Ecke dieses Viertels noch in der Nähe zu finden ist?«
Erst, nachdem Vanja seinen Appetit ein wenig gestillt hatte, betrachtete er sein Gegenüber. Den ersten Blick überließ er stets dem anderen, damit er den Eindruck vom harmlosen Gottesmann verinnerlichen konnte, ehe auch Vanja sich die Zeit nahm, sein Gegenüber mit den Augen zu untersuchen. Nicht aufdringlich, keinen taxierenden Raubtierblick, sondern viele kleine, freundliche und wohldosierte Blicke, die immer eine andere Stelle betrachteten und in seinem Kopf das Gesamtbild formten. Den Gesichtszügen nach könnte es sich bei dem Mann um den Besitzer des Hauses handeln oder um einen von dessen Verwandten. Er sah nach Hohenfelde aus mit seinen hohen Wangenknochen und dem fast schwarzen Haar. Am meisten aber brachte sein leises und überraschendes Auftreten aus dem Nichts Vanja auf diesen Gedanken.
Davard von Hohenfelde
Dave hockte sich neben den scheinbaren Gottesmann und trank sein Bier mit einem Schluck zur Hälfte aus. "Oh lassen wir Ainuwar lieber aus dem Spiel, er hält nichts von mir und ich nichts von ihm. Er hat mich vor langer Zeit verlassen. Also habe auch ich ihm den Rücken gekehrt. Sagen wir, es war eine einvernehmliche Trennung", schmunzelte Dave und schaute hinaus auf den breiten Bach, der hinter ihrem Haus vorbeifloss. "Der Herr von Gegenüber zog zuerst nach Souvagne, zog dann allerdings zurück nach Naridien. Sein Hobby die Nekromantie war nicht gut gelitten im Großherzogtum. Seine Begleiterin, die ebenfalls dort weilte, lebt immer noch in Souvagne. Die Frau ist sehr alt und sehr vergesslich. Vermutlich hat sie das Dekret schon längst wieder vergessen dass sie zurück nach Naridien ziehen sollte. Nunja wer kann es ihr verdenken? Wir alle werden alt... wenn nichts dazwischen kommt", lächelte Dave freundlich und nahm noch einen Schluck Bier. "Hier in diesem Haus wohnte Pavo der Heiler, ein guter Mann. Gläubig wie ihr, für manche zu gläubig. Auch er zog mit den seinen nach Souvagne. Möchtet Ihr eine Kellerwohnung mieten, oder weshalb erkundigt Ihr Euch danach? Das Haus gegenüber ist das meine", sagte Dave und nickte in eine unbestimmte Richtung. "Wen von den alten Bewohnern sucht Ihr denn? Osmund?", fragte Dave und schaute den Pilger unverwandt an. Was ihm sein Blick verriet war nichts besonderes. Der Mann war unscheinbar, unauffällig. Eine graue Maus vor einer grauen Wand. Man sah ihn und hatte ihn schon vergessen. Demzufolge musste er hochgefährlich sein, ein Kollege, ein Assassine oder etwas in dieser Art. Niemand gab sich unbewusst derart unauffällig. Dies war eine Kunst. Natürlich beherrschten auch einige sehr scheue Menschen dieses Verhalten, aber sie sprachen dabei andere nicht offen, freundlich und ohne jede Scheu an. Und sie setzten sich auch nicht auf die Türschwelle einer Mörderbande und erkundige sich nach Folterkellern um sieben Ecken. Dave wandte den Blick ab, schaute erneut in scheinbare Fernen und tastete per Magie nach seinem Sitznachbarn.
Vanja von Wigberg
Die entsandten Gedankenfäden spürten einen Moment die Frage, die dem Priester durch den Kopf ging, ob sein Gegenüber vielleicht davon zu überzeugen war, ihm etwas zu Essen zu spendieren. Als Vanja merkte, dass jemand ihn magisch betastete, spielte er an den aktuellen Gedanken anknüpfend eine Reihe kulinarischer Möglichkeiten durch, auf die er gerade Appetit hatte. Auf Holzkohle gegrillte Dorade mit Zitrone, geriebene Möhren mit Apfelstückchen, Rührei mit gebratenem Speck, Nudelsuppe mit Hähnchenbrustfleisch, duftendes Kümmelbrot aus dem Steinofen, eine saftige Orange von der Küste Ledwicks, ein Cocktail mit Kokosmilch und Ananassaft, dazu einen Schuss weißen Rum ... der Priester schien ausgesprochen hungrig zu sein, denn der Gedankenfaden ebbte nicht ab, wie lange der Magier auch wartete, er las nur Essen, Essen und noch mehr Essen, hier und da ein Getränk. »Ja, nach Osmund habe ich gesucht, doch er ist nicht mehr hier. Und als ich ihn nicht fand, versuchte ich mein Glück bei seiner Verwandtschaft im Geisterhaus. Seid ihr ein Bekannter von Osmund oder nur ein Nachbar? Weit bin ich gereist und meine Füße sind müde. Und nun muss ich feststellen, dass ich vor verschlossener Tür stehe, wo ich Gastfreundschaft erhoffte«, seufzte Vanja ein wenig theatralisch.
Davard von Hohenfelde
Dave schenkte dem Priester ein amüsiertes Grinsen. "Wenn Ihr nicht auf Euch acht gebt, werdet Ihr bald auch Osmunds Umfang haben. In welchem Verhältnis steht Ihr zu ihm? Das wäre doch viel interessanter zu erfahren. Stellt Euch doch nur einmal theoretisch vor, ein als Mann Gottes verkleideter Meuchler fragt sich durch die Nachbarschaft um den guten Osmund zu töten. Und der nichts ahnende Nachbar würde ihn auch noch verraten, ja damit gerade zu ans Messer liefern. Wäre dies nicht... grauenvoll? So ganz ohne Münze die den Schmerz lindert? Aber da Ihr Euren Bettel-Becher hier stehen habt, werdet Ihr vielleicht anders für eine kleine Information bezahlen. Wo Ihr allein durch die weite Welt irrt, verlassen von allen Verwandten und um Eure Aufrichtigkeit unter Beweis zu stellen. Was habt Ihr im Angebot guter Mann? Tauschen wir doch Informationen. Wie war Euer Namen?", fragte Dave lächelnd.
Vanja von Wigberg
Vanjas freundliches Schmunzeln zog sich amüsiert zu einem breiten Lächeln auseinander bei dem Gedankenspiel, das sein Gegenüber ihm darlegte. Das Umeinander-Herumschleichen, welches sie beide vollführten, war lehrbuchreif - kein Wunder, waren ihre Familien doch Meister dieses Fachs. »Spätestens jetzt sollte es uns beiden dämmern, dass wir keine Feinde sind. Dun-Haru-Mar, mein Sohn.« Mitten in der endlosen Kette von Speisen, Nahrungsbeilagen, Nachtischen und Cocktails tauchte ein Name auf: Vanja von Wigberg.
Davard von Hohenfelde
"Dun-Haru-Mar Bruder, eine Ewigkeite habe ich niemanden mehr auf diese Weise gegrüßt. Das letzte Mal als ich den Gruß hörte war als Segnung auf meiner Hochzeit, die mein lieber Onkel schrottete als er versuchte den Nexus losbrechen zu lassen. Ja, er und mein lieber Neffe, herzensgute Leute. Wobei sie sind es tatsächlich geworden, oder versuchen es redlich", lachte Dave leise. `Davard von Hohenfelde, na dann willkommen in Shohiro. Das ist das Geisterhaus, von hier aus operierten wir einst. Nun nicht mehr. Osmund ist mit der Sippe wie bereits angedeutet nach Souvagne gezogen. Da man dort Nekromantie nicht schätzt, es sei den Brandur der Zauberhafte zaubert... musste Ossi das Land verlassen. Was er auch tat. Wohin? Keiner weiß es. Vermutlich irgendwohin wo ein schöner Friedhof und ein guter Goldschmied in der Nähe ist. Du kennst ihn ja. Und eine Taverne darf auch nicht weit entfernt sein, Ossi ist ein bequemer Lich. Komm mit ins Haus, es gibt zwar nicht mehr viel hier, aber einiges ist noch da. Es gehört uns nach wie vor, aber unser Hauptquartier ist nun woanders. Und wir arbeiten anders. Was hat Dich hierher verschlagen? Irgendwelche Dinge die Du absaugen sollst? Vielleicht kann ich helfen. Für eine kleine Gefälligkeit, kann auch als offene Rechnung stehen bleiben. Man weiß schließlich nie, wann man einen Gefallen braucht, nicht wahr Bruder?´, fragte Dave und machte eine einladende Geste.
Vanja von Wigberg
Vanja ließ sich ins Haus geleiten. Neugierig schaute er sich um. »Bei den Hohenfeldes war ich noch nie zu Gast«, sagte er mit seiner normalen Stimme, als Davard die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. »Von euren Kellern erzählt man sich die dollsten Dinge, aber ich werde nicht danach fragen. Bitte sei so gut und ziehe dich aus meinen Gedanken zurück, es fühlt sich immer ein wenig an, als würde ich nackend dem Gespräch beiwohnen, während mein Gegenüber bekleidet ist, wenn ich ausgelesen werde. Osmund hat Souvagne also wieder verlassen, sieh an. Dass Brandur sein Amt weiter ausüben darf, ist ganz einfach zu erklären und kein Geheimnis. Er ist kein Lich, ergo keine Gefahr für die Anwesenden. Er soll mit seinem Wissen als Dozent die Novizen gegen die Gefahren der Nekromantie wappnen. Das ist der offizielle Grund. Aber der kleine Prince Ciel nimmt seine verbotenen Dienste gern für sich in Anspruch. Wer möchte dem Prinzlein verbieten, das Gesetz zu übertreten, dass er selber schuf?« Vanja gluckste amüsiert. »Nur, dass Brandur den Geist seines Bruders in einem Mitglied des Hochadels versteckte, fand die Krone wenig amüsant. Da hat der gute Mann auf die Finger bekommen. Aber seinen Kopf trägt er immer noch auf den Schultern! Das soll ihm einer nachmachen. Mich verschlug die Flucht nach Naridien, Davard. Man wünscht nicht, dass ich mein Priesteramt weiter ausübe.«
Davard von Hohenfelde
Dave zog sich behutsam aus Vanjas Gedanken zurück. "Eine Gewohnheit der Vorsicht Vanja. Brandur ist zwar kein Lich, aber ich würde ihn nicht als ungefährlich bezeichnen. Er und Linhard haben es immerhin geschafft, den alten Wegen abzuschwören und ein neues Zeitalter einzuleuten. Sagen wir mal die Zeiten der Leichenkeller sind vorbei. Sie möchten andere Wege gehen. Vielleicht ähnlich Eurer Wege? Nun dagegen spricht nichts. Es ist ein Hohn bei den Hohenfeldes von einer Familie zu sprechen. Familie bedeutet einander beizustehen und nicht einander umzubringen. Ihr habt es richtig erkannt und richtig gemacht. Ihr haltet zusammen, jeder von Euch findet bei Euch seine Niesche. Ihr richtet Euch nur gegen Feinde. Denn je mehr Ihr seid, je stärker seid Ihr. Was nützt es uns, wenn wir nur noch 10 Magier wären, dafür aber die mächtigsten? Rück einer mit 500 Stümpern an, die nur ein bisschen können, werden auch die 10 Mächtigsten fallen. Irgendwann ist jeder erschöpft, oder wird fahrig, es wird immer etwas geben. Und das Problem der 10 Mächtigsten wäre, sie kämpfen nicht gemeinsam um zu überleben. Sie kämpfen gemeinsam und offenbart einer von ihnen eine Schwäche töten ihn die anderen 9. War gerade so eine gute Gelegenheit. Dabei übersehen sie, dass sie sich damit selbst töten, da sie sich das eigene Wasser sprich das Überleben abgraben. Sie erhöhen nicht ihre Chance, sie vermindern sie. Die Gruppe ist immer stärker als der Einzelne Vanja. Ich habe meine Familie verlassen, aber los wirst Du sie nie. Wie sagen sie immer? Es singt in Deinem Blut. Das mag sein, so wie Linhard seinen Weg wählte, habe ich auch meinen eigenen Weg gewählt. Ich bin ihm zwar gefolgt und ich halte seine Ideen für gut, aber ich bleibe lieber auf Abstand. Brandur beschwor meinen Vater auf meiner Hochzeit. Er hat ihn in Aimeric de la Cantillion versteckt. Er hat ihn sogar dann noch schützen wollen, als es um Archibald ging. Lange Rede, es ist viel passiert. Es gab viel Kampf, aber nun herrscht Friede in der Familie. Jedenfalls so, wie es ihn niemals zuvor gab. Also schaue ich mir das Ganze aus sicherer Entfernung an und ich hoffe sie meinen es ernst. Nun Souvagne ist eine Monarchie. Der Duc erlässt die Gesetze, natürlich hält er sich an seine eigenen Gesetze - er müsste es nicht, aber er macht es. Allerdings kann er die Gesetze auch jederzeit ändern, wenn sie ihm nicht passen. Klingt nach Willkür, ist es aber nicht, da sie in Almanien ziemlich rechtschaffen damit umgehen. Es ist eben alles geordneter, straffer, bewachter. Gleich wo in Almanien. Nun zu Dir und Deiner Familie. Du bist also tatsächlich Priester und man hat Dich rausgeworfen. Wie um alles in der Welt hast Du das angestellt?", fragte Dave und führte Vanja in die Küche. Er stellte ihm Brot, Dauerwurst, Butter und Hartkäse vor die Nase und legte ein Messer dazu. "Bedien Dich. Eine Notfallration, aber sehr lecker", sagte er freundlich.
Vanja von Wigberg
»Du machst einen Priester sehr glücklich!« Als Davard sich aus seinem Geist zurückzog, konnte Vanja endlich aufhören, ihn mit belanglosen Gedanken zuzumüllen. Einen anderen Schild hatte er nicht, im Gegensatz zu Vendelin. Stattdessen konnte er es sich nun wahrhaftig schmecken lassen. Er war so hungrig, dass er es an Tischmanieren mangeln ließ, aber das würde sein Gastgeber ihm nachsehen. »Man war mit meiner Arbeit nicht zufrieden.« Er lächelte etwas gequält und lutschte sich die Finger ab. »Wir sind eine Sippe und wie du richtig sagst, sollten wir nicht als Rivalen oder Schlimmeres gegenüberstehen, sondern Seite an Seite. Darum werde ich dich nicht belügen, sondern dir sagen, dass ich nicht offen sprechen kann. Deine Geister arbeiten nun als Fantomes für den Duc. Vielleicht ist dir das Eine oder Andere ja schon bekannt?«
Davard von Hohenfelde
"Schau an, also ein vollwertiger Wiggi, was soll mir denn bekannt sein? In- oder Ausland betreffend? Da musst Du mir schon einen kleinen Tipp geben, wenn ich nicht lesen darf. Falls es um Derya die Menschenfresserin ging, sie wurde gefasst. Dann haben wir einige Überwachungsaufträge, die Dich nur unnötig langweilen würden Vanja. Wobei einer durchaus unterhaltsam ist, weil die Person sehr unterhaltsam ist. Aber darauf bist Du nicht angesetzt, sonst wärst Du in Souvagne, genauer gesagt in Beaufort. Ich hake nicht weiter nach, es sei denn Du möchtest nach Ehveros. Was hast Du denn angestellt, dass sie mit Deiner Arbeit nicht zufrieden waren? Pavo sagt Dir vielleicht etwas als Ex-Glaubens-Bruder oder als Wigberg. Du wirst Informationen haben. Oh und ehe ich es vergesse, wo ist überhaupt Wolfram abgeblieben? Letztens wollte ich nach ihm gesucht haben, aber hatte es wieder vergessen. Das ist rein persönliches Interesse, da ich ihn mag. Bist Du ebenso ein Außenseiter wie er?", fragte Dave und schnitt sich auch ein Stück Wurst ab.
Vanja von Wigberg
»Die Namen aller Geister sind mir bekannt und wenn ich nachschlage, auch Detailinformationen, das ist ganz normal. Man muss wissen, wo man Verwandte und Freunde findet, falls man einmal Hilfe benötigt. Andernfalls hätte ich nicht diese Adresse überprüfen können und wir beide wären uns nie begegnet, was ein Jammer wäre.« Er schnitt sich eine viel zu dicke Scheibe Hartkäse ab, die er sich ohne Brot schmecken ließ. »Ein Beobachtungsauftrag in Ehveros? Mit einem Befehl für alle Eventualitäten? Dann gebe ich dir einen Hinweis, der zugleich eine Bitte ist: Bevor du den Dolch sprechen lässt, lass deine Zielperson sprechen. Ein Außenseiter bin ich zum Teil, da ich bislang in Souvagne weilte und nicht in Naridien bei dem Rest meiner Familie. Und nun ist es umgekehrt!« Er lachte leise. »Nun, es sind keine Interna, warum ich Souvagne verlassen sollte und ich kann sie dir offenbaren. In Gefahr begebe ich mich dadurch dennoch. Es wäre freundlich, wenn du mir dieses angenehme Gespräch nicht damit vergeltest, mich an die souvagnische Krone auszuhändigen. Der Befehl, mich zu ergreifen, so er existiert, dürfte an der Grenze enden, so wichtig war ich dann doch nicht. Das Kinderheim in Mancini ist dir ein Begriff?«
Davard von Hohenfelde
Dave aß das Stück Wurst in winzigen Bissen. "Ihr habt Euch verzweigt, nun haben wir ebenso damit begonnen. Fast wäre es zur Dreiteilung gekommen, Linhard und Brandur, Anwolf und ich und Ansgar. Ich verstehe Deine Herkunft Vanja, aber mir ist nicht jeder Eurer Zweige bekannt. Ich bin ein Hohenfelde, kein Wigberg. Findet die Sippe zusammen um sich einem gemeinsamen Feind zu stellen, seid Ihr jene die das Wissen beisteuern. Das Schattenwissen Vanja, darüber verfügen wir auch, aber nicht in Eurem Umfang. Niemand tut das, sind wir ehrlich. Es ist Euer Metier, wie das der Eibenbergs Geld heranzuschaffen. Du bist hier willkommen und ich habe nicht vor Dir etwas zu tun. Ich sehe Dich als Verwandten, den ich zufällig getroffen habe. Und so ist es schließlich auch. Ehveros - ich soll die Zielperson sprechen lassen, bevor der Dolch spricht? Das lässt sich einrichten, versprochen. Ob jene Zielperson überhaupt eine wird, liegt an ihr Vanja. Aber ich werde sie anhören. Gibt es einen Grund, oder soll ich etwas bestimmtes in Erfahrung bringen? Möglicherweise für Dich? Das Kinderheim in Mancini. Wir hatten einmal den Auftrag die ehemalligen Agentensöhne zu beobachten. Dabei handelte es sich um die Kinder der Agenten der Autarkie. Wir waren gerade frisch im Land, alles was mit der Vergangenheit Souvagnes zu tun hat, war für uns Neuland. Auch wenn ich jetzt Souvagner bin, sogar dort von Stand. Ein Geschenk von Linhard, seltsamerweise. Einer dieser Agentensöhne heißt Mancini. Sein Adoptivvater ist Santo de Mancini, ihm gehört die Scholle. Und sein Sohn stammt genau aus jenem Kinderheim. Mehr kann ich Dir zu diesem Heim ad hock nicht sagen. Mehr fällt mir nicht ein", gestand Dave und kramte eine Flasche Wein aus einer Staubigen Stiege. "Pavos Reserve, die braucht er nicht. Die Flasche ist ja größer als er", grinste Dave und öffnete sie mit dem Wurstmesser. Er stellte zwei Becher auf den Tisch und goss ihnen beiden ein. "Was heißt Prost auf Souvagnisch?", fragte er freundlich.
Vanja von Wigberg
»Santé!«, sagte Vanja und hob das Glas. »Jeder das, was er am besten kann, Aufgabenverteilung. Spezialisierung statt Generalismus. Was das Kinderheim in Mancini anbelangt, wurde es geschlossen durch Prince Ciel de Souvagne. Seine Frau, Francois, stammte von dort und plauderte. Es verschwanden Kinder, an denen wir gut verdienten, aber nicht alle und manche jener, die bis zur Volljährigkeit blieben, wussten zu viel. Es zeigt anschaulich, wie wichtig es ist, sensible Informationen im Kreis der Familie und ihrer Verbündeter zu behalten und notfalls die offenen Enden zu kappen. Da ich dem Heim vorstand, nehme ich an, dass ich gesucht werde.« Er tippte seine Fingerspitzen aneinander. »Freilich werde ich das aus sicherer Entfernung überprüfen. Man ist nicht allen Mitgliedern meiner Familie mehr gewogen bei der Krone. Aber da du der Krone direkt unterstehst, kannst du nichts für uns tun.«
Davard von Hohenfelde
Dave zuckte die Achseln und schmunzelte, während der einen Schluck Wein nahm und immer noch bei seiner ersten Wurstscheibe war. "Wir sind hier in Naridien, Shohiro, weit weg von allen und jedem. Wir sind sozusagen in der Vergangenheit Vanja. Was geschah denn in diesem Heim? Klär mich auf, nur so kann ich Dir sagen, ob ich Dir helfen kann oder nicht. Du weißt dass ich ein Geistmagier bin, ich könnte nachhorchen, ob Du überhaupt gesucht wirst. Weiß man denn, dass Du das Heim geleitet hast? Denn so gesehen letztendlich hat es doch Mancini geleitet oder nicht? Für alles was auf meiner Scholle geschieht, trage ich die Verantwortung. Er doch wohl auch", gab Dave zu bedenken. "Mal ohne Anhang unterwegs zu sein, hat auch was für sich. Plaudere aus dem Nähkästchen, bist Du vergeben? Verheiratet? Ein tatsächlicher Priester? Oder warst Du nur ein Priester dem Herzen nach? Oder gelüstete es Dich einfach nach einer schwarzen modischen Robe", grinste Dave und gönnte sich noch einen Schluck Wein.
Vanja von Wigberg
»Nun, MICH sucht man freilich nicht. ICH stand nicht dem Tempel vor, zu dem das Heim gehörte, das war Pater Syrell, dessen Tod ich nun inszenieren muss. Ein Jammer, er hat mir wirklich Spaß gemacht, ich wäre gern in seiner Haut geblieben. Auch wegen der Robe.« Er schmunzelte und nippte vom Wein. »Und die blaue Chaperon kann ich auch nie wieder tragen, da sie wohl das Erste ist, was man mit dem Pater verbindet. Hach«, seufzte er. »Dem Heim angeschlossen war ein Labor, an dem die Vitalfunktionen des menschlichen Körpers untersucht wurden, dazu waren Testreihen nötig. Wer wäre dazu besser geeignet, als die Kinder der Agenten der Autarkie? Und nicht nur dort wurden Kinder gebraucht, die dazu gemacht sind, viel ertragen zu müssen, bevor die große Dunkelheit sie erlöst.« Er drehte das Weinglas in seinen Fingern. »Das Heim gehörte zur Scholle von Mancini, aber der Mann hat keine sehr große Familie und kann nicht überall sein. Für einen Hohenfelde bist du sehr neugierig, Davard.« Vanja blickte ihn gut gelaunt an. »Das Nähkästchen also. Vergeben bin ich als Priester offiziell natürlich nicht. Inoffiziell auch nicht, den was Heirat anbelangt, bin ich sehr vorsichtig. Meine Mutter starb, weil sie dem falschen Mann vertraute und dessen Frau starb genau so. Und nicht zuletzt - die Mutter meines ungeborenen Großneffen, kaum dass sie ihre Schuldigkeit erfüllt haben wird. Es ist bereits alles dafür vorbereitet. Ich fürchte, meine Frau würde das selbe Schicksal ereilen, kaum dass sie entbunden hat. Lose Enden, Davard. Und wie sieht es bei dir aus?«
Davard von Hohenfelde
"Oh wir alle sind neugierig, nur befragen die meisten Hohenfelde ihre toten Opfer, das geht für sie einfacher. Sie müssen unter Zwang antworten. Du verstehst schon, der Hang zur Nekromantie. Tja ich habe ebenfalls gefühlt ewig nach der Richtigen gesucht, bis ich feststellte dass es der Richtige sein muss. Nun manchmal liegt Grauen und Glück nah beieinander. Allerdings sind ja nicht alle Personen gleich. Also wäre es unfair meinen Mann mit denen zu vergleichen die ich verabscheue und denen ich den Tod wünsche. Nun die Kinder der Agenten waren für solche Experimente passend, sie hatten keinen störenden Hintergrund. Niemand der sie vermisste, beschützte oder sich für sie einsetzte. Man wäre er froh gewesen, hätten sie alle ins Gras gebissen. Eines nach dem anderen. Mancini hat keine leiblichen Kinder, deshalb hat er einen Sohn adoptiert. Das hätte er zwar nicht gemusst, aber scheinbar war es ihm wichtig. Ein Labor also, der kleine Ciel scheint ein Gespür für die Gefahr zu haben. Er trieb sogar die Trinität aus dem Herrenhaus. Mich freut das, kam ein bisschen Bewegung in die alten Knochen. Scheinbar ist er immer noch auf der Flucht. Er sollte gestellt und getötet werden. Aber bis heute geschah weder das eine noch das andere. Weißt Du woran es hapert? Massimo sah man stets nur schäumend. Gut der Mann hat eh ein Gemüt wie ein Stier auf Hafari, aber er war ungewöhnlich super-wütend. Ich glaube er ist nur noch allein unterwegs, in wessen Namen auch immer. Irgendwie tut er mir leid, er versucht sein Bestes und dann das. Ich wäre froh darum würde der letzte der Trinität fallen. Schafft Platz für Neues, etwas das uns nichts anhaben kann, wenn wir den Platz zu nutzen wissen. Lose Enden kann man kappen, was den Schutz Deiner Frau anging oder wen immer Du begehrst. Ich habe einen Frostalben als Ehemann und eine Tochter, ausgetragen von einer Freundin für uns. Ein Frostalb der mehr Zuneigung zeigt, als jemals jemand aus meiner Familie. Und dennoch tat er am Anfang was die anderen getan haben. Manchmal hasse ich ihn abgrundtief, obwohl ich ihn liebe. Manchmal schaue ich ihn nachts an und sehe ihn neben mir blutüberströmt liegen, während ich den Dolch halte der ihm die Kehle aufschlitzte. Das ist etwas, was nur Deine Ohren gehört haben. Niemand sonst hat es je gehört, es ist gut verborgen hinter einer der tausend Türen. Weder mein Geliebter noch mein Mann wissen davon, noch sonst wer. Keiner. Ich weiß, dass ich so nicht denken darf, aber manchmal denke ich in diesen seltsamen, uralten Bahnen, die mir sagen er ist nicht anders als jene vor denen Du weggelaufen bist. Und in gewisser Weise ist er das auch nicht. Und doch liebt er mich und passt auf mich auf. Wir lieben uns und trotzdem behandeln wir uns manchmal wie Feinde. Mein Geliebter hingegen ist abgehauen, als mitten in der Nacht Besuch vorbeikam den er nich mochte. Einzig und allein meine Aussage dass diese Person gut aussieht, hat ihn auf die Palme gebracht. Die Äußerung war alt, aber Puschel - mein Geliebter, hat sich da ewig dran hochgezogen. Der braungebrannte Alb.... bla bla bla... meine Güte, zum Glück sage ich nicht jedes mal wenn ich wenn hübsch finde. Ich wäre schon öffentlich gesteinigt worden. Mein Ehemann sieht aus wie ein Schwamm, weiß, fett, aufgedunsen, seit dem wir in Souvagne leben ist es noch schlimmer mit ihm geworden. Er hat jetzt bestimmt 70 Kilo bei seiner Größe. Aber sage ich was in voller Sorge, bin ich der Böse", gestand Dave und schüttete sich Wein nach.
Vanja von Wigberg
»Wen oder was ich begehre, darüber müsste ich nachdenken. Mein Leben lang war ich Pater Syrell, von den wenigen Momenten abgesehen, in denen ich mit den Meinen sprach. Und in der Familie hat man anderes im Kopf, als solche Dinge. Manchmal frage ich mich, wie viel Hohenfelde in unserem Blut ist. Ich könnt es prozentual ermitteln anhand des Stammbuches, aber vielleicht mache ich es mir damit zu einfach, die Schuld nur auf das Blut zu schieben. Was meinst du dazu? Wie viel von dem Dunkel, das wir in uns tragen, wird vererbt und wie viel erschaffen wir uns selbst? Ich habe meine Mutter geliebt, Davard. Von Herzen geliebt. Was weißt du über die Verschwörung von 168? So viel kann ich dir verraten - sie war eine von jenen, die unschuldig starben. In ihrem ganzen Leben hat sie nie irgendwem Böses getan.« Auch er trank nun etwas schneller den Wein, als sonst, aber er schüttete ihn nicht hinter. »Dich belastet sehr, was du in deinem Herzen trägst. Wo wir am meisten lieben, sind wir am tiefsten verwundbar - der Grund, warum ich mir die Liebe verwehre. Es zeigt aber auch, dass du kein Stein bist, kein Eis und keine Wüste. Du bist Hohenfelde, aber du bist Mensch geblieben. Und wenn auch sonst niemand, deine Tochter wird es dir danken.«
Davard von Hohenfelde
"Man sagt 98 zu 2 - zwei Prozent machen uns selbst aus. Der Rest ist Blut, Vererbung und Erziehung. Wobei Erziehung nichts anderes ist als die Ansichten einer Person - verbales Blut Vanja. Daran glaube ich nicht, jedenfalls nicht ganz. Ein Kind ist halb Mutter und halb Vater und dennoch es selbst. Es vererbt sich nicht nur die Optik, warum sehen sich unsere Familienangehörigen so ähnlich? Wir sind nah verwandt. Und je näher man sich ist, je näher ist sich auch das Verhalten. Rein auf die Familie bezogen, auf die Sippe ganz sicher auch. Also wenn alle Aussehen wie Dunwolf, meinst Du nicht sie sind dann auch ein großer Teil wie Dunwolf? Glaub mir, dass sind sie. Es kommt nur darauf an, wofür Du Deine Finsternis einsetzt. Ein anderer Mann mag sich zwingen müssen etwas Finsteres zu tun um sein Kind zu verteidigen. Ich könnte es jederzeit und sehr leicht. Aber ich zwinge mich, so die Finger von der Finsternis zu lassen. Jeder muss seinem persönlichen Abgrund widerstehen. Selbstlos und mit völliger Hingabe liebe ich ausschließlich meine Tochter. Ein Kind ist etwas anderes. Jedenfalls ist das meine Erfahrung Vanja. Ich hatte nie eine Frau die mich liebte oder Interesse an mir hatte. Und Varmikan mein Mann, war der Einzige der Interesse hatte und es auf seine Art zeigte. Sein Werben, allerdings hat er sich danach gut benommen, nach der ersten Zeit. Vielleicht hat er begriffen was er getan hat. Ich habe mich schließlich erpressen lassen, zu Spielchen die ich nicht wollte. Hätte ich nicht tun müssen. Gerade jene Vanja, die niemals jemandem etwas Böses tun, erwischt. Schlechten Menschen geht es immer gut. Warum kann ich Dir nicht sagen. Verschwörung? Welche Verschwörung außer der Reihe soll es zusätzlich 168 gegeben haben Vanja? Familie oder Sippe? Danke für Deine lieben und weisen Worte. Der Priester steht Dir gut, oder dem Priester steht der Wigberg", warf Dave ein.