Während Arafis den Schlägen des wütenden Priesters auswich, der alles andere als tierlieb zu sein schien, hörte sie plötzlich die besänftigende Stimme Selan’s. Die Wölfin verstand seine Worte nicht, denn ihr Verfolger achtete keinen Augenblick darauf und verfolgte stur den angeblichen Köter, der den Tempel zu entweihen drohte.
Als der Mann einen Moment stehen blieb, um nach Luft zu schnappen, erkannte die junge Albin in einiger Entfernung den Nekromanten stehen. Sofort machte sie kehrt und rannte winselnd zu dem Tiefling hinüber.
Arafis verstand nicht, warum ein Tier keinen Tempel betreten durfte. Schliesslich waren Tiere, auch Hunde, freier von Sühne als mancher Mensch. So war ihr Unverständnis und ihre Trauer über die Arroganz des Priesters in ihren Augen zu lesen.
Der feinfühlige Selan begriff sofort, dass das Tier ihn als Retter erwählt hatte und nahm sich dieser Aufgabe auch direkt an.
Was Arafis jedoch nicht erwartet hatte war, plötzlich den Boden unter den Füssen zu verlieren und hochgehoben zu werden. Einen Moment zappelte sie etwas nervös, dann begriff sie jedoch, dass das nur kontraproduktiv war und der Nekromant ihr zu helfen versuchte. Also leckte sie ihm stattdessen dankbar über die Wange.
"He Moment mal, das ist doch Urakos Anhänger stimmts? Bist du etwa sein neuer Hund, von dem ich gehört habe? Eigentlich siehst du mir ja eher wie ein Wolf aus mein bester. Ach nein, du warst ja eine sie, meinte Urako, Verzeihung bitte!"
Och herrjeh, sogar Selan hatte bereits von Urako‘s Schosshund erfahren… Wie sollte sie da wieder rauskommen ohne sich zu erkennen zu geben?
Doch das war momentan nicht ihr grösstes Problem, denn der Priester kam bereits mit dem Stab fuchtelnd und wütend schimpfend auf sie zu.
Doch Selan schaffte es mit seiner überlegten und bedachten Art, den älteren Mann zum Schweigen zu bringen, so dass dieser schliesslich leise grummelnd davonzog.
"Dem hätten wir‘s gezeigt, nicht wahr?", sprach Selan zu der Wölfin und setzte sie langsam wieder ab.
Gleich schien er jedoch wieder in Sorge zu sein und bedeutete der geretteten Arafis, auf der Stelle zu verharren, dann hastete er auch schon geduckt davon.
Doch Arafis, welche erst gerade wieder zu ihren beiden Tieflingen zurückgefunden hatte, wollte nicht einfach so hier rumstehen, erst Recht nicht, falls hier noch weitere giftige Priester rumirrten.
Also folgte sie, ebenso geduckt, Selan ins Innere des Tempels. Überrascht blieb sie stehen und blickte sich erstaunt um. Das Gewölbe war riesig und beeindruckend. Arafis, welche sich nicht gerne in Gebäuden aufhielt, schaute sich sicherheitshalber nach möglichen Fluchtwegen um, doch ausser dem Tor, durch welches sie gerade geschritten war, schien es keinen weiteren Ausgang zu geben.
Wo war Selan verschwunden?, vor lauter Staunen hatte die Wölfin ihn aus den Augen verloren.
Plötzlich hörte sie eine laute Stimme durch den Raum hallen: "Dann schau mal nach wo hier deine Geräusche sind, viel Spaß du Idiot."
Arafis spürte instinktiv, dass etwas nicht in Ordnung war. Schnell suchte sie Deckung im Schatten des Tempels, wo man sie nicht so gut erkennen konnte. Von dort beobachtete sie aufmerksam das weitere Geschehen.
Plötzlich verbreitete sich ein unglaublicher Gestank in dem heiligen Tempel. Arafis schüttelte sich und winselte gequält auf. Das war pure Qual für ihre sensible Wolfsnase. Das musste wieder Selan’s Werk sein. Sie wurde von ihrem Leiden abgelenkt, als sie polternde Schritte vernahm und tatsächlich ein bekannter Dämon in ihrem Blickfeld auftauchte. Als sie die Gestalt erkannte, erinnerte sie sich wieder an das Geschehen auf dem Markplatz – Orobas !
Wütend knurrte Arafis und musste sich beherrschen, nicht einfach auf den Tiefling loszustürmen.
Kurz darauf roch die Wölfin jedoch etwas Neues, was sie zutiefst beunruhigte.
Die junge Albin war wie erstarrt und versuchte den Ursprung zu erkennen. Im selben Augenblick zischte Urako’s Feuerspatz hervor und umschwirrte den wütenden Tiefling. Arafis blickte unruhig dem fliegenden Spatz hinterher, sie hasste Feuer, doch von dem Flattervogel schien keine Gefahr auszugehen, vor Allem, da Orobas ihn mit einer Wasserkugel in tausend Funken zerschlug. Beruhigt amtete Arafis auf.
Doch da bahnte sich bereits die nächste Katastrophe an. Wie einen Schatten sah sie Urako an der Wand entlangschleichen. Kurz darauf hing wieder der verräterische Geruch von Rauch in der Luft. Arafis wurde unruhig und blickte sich ängstlich um. Dann sah sie, wie ein Vorhang nach dem anderen lichterloh brannte. Und sie erkannte, wie Urako den Tempel vorne zu in Flammen setzte. Sie hatte jedoch keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Sie wollte nur noch weg!
Orobas war bereits verschwunden und jetzt sah Arafis Urako und Selan. Sie blickten sich offensichtlich nach einem Fluchtweg um. Überall waren Flammen, die Hitze breitete sich aus und dunkle Rauchschwaden hüllten den Raum in schummriges Licht.
Alles brannte, Vorhänge, Bänke, Teppiche. Die Waldalbin begann zu winseln und schliesslich zitterte sie am ganzen Körper.
Plötzlich hörte sie ein Pfeifen – Urako.
Arafis riss sich zusammen, nahm ihren ganzen Mut und hechtete geduckt den beiden Tieflingen hinterher.
Ohne darauf zu achten, wo es hinführte, sprang sie Urako hinterher in ein dunkles Loch. Bloss weg von den Flammen, bloss weg von erstickenden Rauch, von der Hitze und dieser zerstörenden Kraft.
Kaum hüllte sie die Kühle und Dunkelheit ein, sank sie am ganzen Leibe zitternd wie Espenlaub zu Boden.
Auch Selan folgte ihnen durch den Geheimgang.
Während Arafis so zusammengekauert am Boden lag und sich zu beruhigen versuchte, dachte sie über das gerade Geschehene nach. Die Tatsache, dass Urako Macht über Feuer hatte, verunsicherte sie zutiefst. Zum Glück wusste der Tiefling nicht, was für eine Angst die Flammen in ihr entfachen konnten.
Langsam wurde sie ruhig und lauschte auf die Geräusche. Ein modriger Geruch umgab die drei Gefährten. In weiter Ferne meinte sie Stimmen zu vernehmen, doch die verwinkelten Gänge verschluckten die Worte.
Jemand hatte die Falltür zugezogen, womöglich, damit der Rauch nicht auch nach unten dringen würde. Völlige Dunkelheit umgab sie, doch das störte die Wölfin nicht allzu sehr. Der Gang erinnerte sie an eine Höhle. Schliesslich stand sie auf und begann am Boden nach der Spur der Kampfmagier zu schnüffeln. Völlig vertieft folgte sie dem Geruch und entfernte sich Schritt für Schritt von dem Eingangsbereich hinein in die dunkle Schwärze.