Der Adrenalinschub, der Arafis ungeahnte Kräfte verlieh, flaute langsam ab. Ihre Beine wurden ihr schwer und ihr Atem ging keuchend. Der Kampf mit der Muttersau hatte sie geschwächt und ihr Körper schmerzte überall.
Sie musste furchtbar aussehen. Ihr Fell schien in alle Richtungen abzustehen, und Blätter hatten sich darin verfangen, während sie durch den Wald gerannt war. Sie blutete aus einigen kleineren Wunden. Doch das schlimmste war der Schmerz in ihrer Seite, dort, wo sie die Wildsau getroffen hatte. Jeder Atemzug schien ihren Brustkorb zerreissen zu wollen.
Trotzdem gestattete sie es sich nicht, stehen zu bleiben. Sie musste weiter, es ging um Leben und Tod.
Als sie dann plötzlich durch das Unterholz brach und unter ihren Pfoten den weichen Sand spürte, hätte sie sich am liebsten auf den Boden geworfen und die Augen geschlossen. Stattdessen lief sie tapfer weiter, dahin, wo sie nun Geräusche zu vernehmen schien.
Sie taumelte als sie plötzlich Gestalten in einiger Entfernung erkannte. Hatte sie bereits Halluzinationen?
Aber nein, als ihr unsteter Blick weiter wanderte, erkannte sie eine der grossen Nussschalen auf der Wasseroberfläche sanft auf und ab schaukeln. „Ich muss weiter.“
Sie konzentrierte sich darauf, sich weiter durch den weichen Sand zu ziehen. Er gab unter ihren Pfoten nach und immer wieder stolperte sie beinahe.
Dann sah sie plötzlich, wie das Schiff die Segel setzte. „Nein, ihr könnt mich doch nicht einfach hier zurücklassen!“
Dann geschah etwas Seltsames… ein Gerüst wurde heruntergelassen und eine Gestalt eilte zum Strand zurück. Er fuchtelte wild mit den Armen. Verwirrt folgte Arafis ihm mit ihren Augen. Konnte das sein??
Sie glaubte zwei weitere Männer in der Ferne zu erkennen. Der Gang des einen bestätigte sie in ihrer Annahme, dass es sich dabei um Urako handeln musste. Schnell reimte sich die Wölfin den Rest zusammen. Selan war nun bei den beiden angekommen und ohne viel Aufhebens schnappte er sich Firxas, um ihn auf das Schiff zu bringen.
Arafis keuchte auf… Sie wollte nicht hier zurückbleiben. Doch ihr Körper wollte nicht mehr.
die Welt vor ihren Augen schien zu verschwimmen. Ihr Atem ging rasselnd, etwas schien nicht zu stimmen.
Plötzlich stiess sie einen Schmerzensschrei aus, der in der Bucht widerhallte und presste ihre Hand seitlich auf ihren Brustkorb. Der Schmerz durchflutete ihren Körper und sie realisierte im ersten Augenblick nicht, dass sie sich völlig unbewusst in ihre humanoide Form rückverwandelt hatte. Auf allen Vieren kniete sie im Sand.
Trotz ihrer Schwäche erschrak sie, als sie an sich hinabblickte. Ihre Fingernägel erinnerten eher an Krallen und auf ihrem Handrücken beginnend, zog sich ein Verlauf flauschigen Felles hinauf, über ihre Schultern weiter ihre Wirbelsäule hinab und endete kurz über ihrem Po. Auch auf ihrer Nase wuchs ein feines Fell hinauf, über ihre Stirn und mündete in ihren Haaransatz. Ihre übrige Körperbehaarung war dichter geworden.
Ihre Haare waren zerzaust und Blätter hatten sich darin verfangen. Blutverkrustete Wunden und blaugrüne Flecken verunzierten ihren sehr muskulösen und sehnigen Körper.
Sie stöhnte mehr vor Schreck als vor Verwunderung auf. Sie wusste, dass nach viel Zeit in der tierischen Form Merkmale übernommen wurden.
Auch ihre Augen ähnelten mehr der einer Wölfin und ihre Ohren hatten eine spitze und etwas behaarte Form angenommen, was sie jedoch nicht wahrnehmen konnte.
Plötzlich meinte sie Rufe zu hören und hob ihren Blick. Auf dem Schiff schien sie jemand bemerkt zu haben und machte Anstalten, die anderen auf sie aufmerksam zu machen.
„Ich kann so nicht…“, mit letzter Anstrengung bündelte sie ihre Energie und rückverwandelte sich, um den Blicken der Besatzung zu entgehen und sich wieder in ihrer angestammten Persönlichkeit Töli zu verstecken. Erschöpft fiel sie in den weichen Sand zurück und verlor zum zweiten Mal an diesem unglückseeligen Tag das Bewusstsein.