Jeelen suchte immer noch nach der kleinen Lysa als in einer anderen Ecke Trubel ausbrach und sich die Leute versammelten. Das verhieß nie was Gutes. Wie üblich versammelten sich Leute nur, wenn es was zu Gaffen gab.
Der Goblin machte sich sofort auf den Weg zum Tumult und schob sich durch die Menschen hindurch.
`Bitte nicht Lysa, bitte nicht Lysa, bitte nicht...´, flehte Jeelen in Gedanken Dal gerade noch an und sah dann den Grund des Ärgers... `LYSA!!!´
„Diebstahl wird in La Grange nicht geduldet“, knurrte ein Verkäufer Lysa an und spuckte mürrisch neben ihr zu Boden.
„Die Strafe dafür ist der Kerker!“, fügte der Kerl umgehend an.
Jeelens Hand zuckte nach der Rotzaktion fast automatisch zu seinem Dolch, aber er führte die Bewegung nicht zu Ende. Blitzartig versuchte er die Situation zu erfassen. Lysa kniete im Dreck, etwas weiter entfernt lag ein Brot, der Stand des Brotverkäufers ohne Verkäufer. Alles klar. Was hatte sich Lysa dabei gedacht? Gleichgültig, er musste sie aus den Klauen des Verkäufers befreien.
Der Goblin schob sich grob nach vorne und riss den Kerl von Lysa weg.
"Sonst geht es Dir gut ja? Bist Du blind oder was? DAS ist ein Kind, klar??? Und nenne sie nie wieder eine Diebin. Guck Dir das Mädchen an! Sieht sie aus wie eine Diebin???", fragte Jeelen wütend, packte Lysa und zog die Kleine auf die Füße.
"Ich hab sie geschickt Brot zu kaufen, nur die Kleine war schneller weg, als mir lieb war. Ohne Geld und ohne Gedanken. Warst Du auch mal ein Kind oder von Anfang an so ein Tölpel? Du kannst gerne in unsere Tasche gucken was wir vorher eingekauft haben und Dich bei Deinen Händlerkollegen erkundigen. Weder sie noch ich ist ein Dieb", erklärte Jeelen etwas ruhiger und reichte Lysa die Süßwaren.
Dabei musterte er den Händler stechend, ohne ihn nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Die Worte des Goblin bezogen sich auf den Handel, aber seine Augen versprachen eine ganz andere Strafe, sollte der Händler nicht einlenken. Und sein Narben gezeichnetes Gesicht unterstrich die lautlose Drohung. Grenzenlose Sorge gemischt mit Wut, war nie eine gute Mischung.
Es war ein Handeln. Nimm Dein Geld und lass uns einfach gehen - oder Du gehst, irgendwann eines Nachts in einer dunklen Gasse... und zwar rüber ins Nichts.
Es ist Deine Wahl... Er würde nicht ohne das Kind gehen, egal was geschah.
Das sagten diese dunklen Augen.
"Halt das fest Kleine", sagte Jeelen freundlich und drückte Lysa ihre Einkäufe in die Hand, ohne sie dabei anzuschauen.
Ganz nebenbei und berufstypisch sprach er Lysa während der ganzen Sache kein einziges Mal mit ihrem Namen an. So hielten es alle seine Kollegen, man offenbarte nicht den Namen von Freunden oder Kollegen und schon gar nicht von Schutzbefohlenen.
"Was kostet das Brot? Du nennst mir den Preis und die Sache ist vergessen, oder ich erzähle jedem dass man bei Dir besser kein Brot kauft. Kunden werden hier verleumdet und Kinder kann man nicht zu Dir schicken, da Du sie vom Stand prügelst. Ich sehe auch darüber hinweg dass Du ihre Kleidung beschmutzt hast. Also WAS kostet Dein Brot?", fragte Jeelen mit eisiger Ruhe.
Immer noch hielt er den Blick des Verkäufers mit seinem fest.
Der Verkäufer wollte gerade lautstark protestieren, aber dieser seltsame Goblin starrte ihn dermaßen komisch an, dass dem Händler anders wurde. Irgendwas stimmte mit dem Kerl nicht. Die Worte und der Blick stimmten nicht überein. Sein Blick huschte von dem Goblin zu dem kleinen Mädchen. Sie sah wirklich nicht wie eine typische Diebin aus. Und die Tüten, die der Goblin dem Kind in die Hand gedrückt hatte, waren voll.
Hätten die beiden vorher schon geklaut, wäre es sicher bei einem der anderen Händler schon aufgefallen und die Büttel wären auf den Plan getreten. Und kein Dieb der Welt schleppte seine Beute in Einkaufsbeuteln umher.
Die beiden waren schon ein seltsames Duo. Ein gezeichneter Goblin und ein kleines fremdländisches Mädchen. Sie mussten zusammengehören, denn die Kleine hatte erleichtert geschaut, als sie die Grünhaut erkannt hatte. Ohne Widerrede hatte sie die Einkäufe entgegen genommen. Bei einem Fremden wäre das wohl nicht der Fall gewesen.
Sich unnötigen Ärger einzuhandeln, konnte sich der Händler nicht leisten. Weder wollte er seinen Ruf, noch seine Kehle schädigen lassen.
"Nun sagen wir eine Krone für das Brot, den ganzen Ärger und die Aufregung", sagte der Händler.
"In Ordnung", stimmte Jeelen umgehend zu und gab den Mann einen Taler, "damit ist die Sache vergessen".
Der Goblin drehte sich um, ergriff Lysa sofort an der Schulter und zog sie von dem Geschehen weg. Er ging bewusst einen Zick-Zack-Kurs durch die Massen um in ihr zu verschwinden. Ganz ähnlich wie der Bengel der Lysa aufgehetzt hatte, zog er sie dann in eine Seitengasse. Der Goblin schaute Lysa einen Moment lang ernst an. Erst da fiel alle Anspannung von Jeelen ab. Er schüttelte den Kopf und drückte Lysa fest an sich, froh sie endlich wieder zu haben.
"Was hast Du Dir nur dabei gedacht, einfach abzuhauen und dann noch dieses verfluchte Brot zu stehlen Kleines? Weißt Du wie sehr ich mich um Dich gesorgt habe? Mir ist das Herz in die Hose gerutscht! Mach sowas bitte nie wieder Kurze", flüsterte er.
"Komm wir gehen zurück zu Deiner Mutter und Sew. Du sagst nichts, ich sag nichts. Wir beide haben uns nicht mit Ruhm bekleckert. Und es muss auch keiner von Deiner Brot-Aktion erfahren, ich halte dicht und Du besser auch", erklärte der Goblin und schlug Lysas Hose etwas sauber.
"Einhaken Kurze, Du hältst Dich an mir fest, damit Du nicht noch einmal stiften gehst", wies Jeelen sie an, als er sich mit Lysa auf den Heimweg zur Gaststätte machte. Er nahm Lysa die Einkaufstasche ab und kramte unterwegs die Kakaobohnen heraus. Einige schmiss er sich sofort in den Mund, eine Handvoll drückte er Lysa in die Hand.
"Hier iss, Nervennahrung. Die können wir beide gebrauchen Du Schlingel", grinste er sie breit an.
"Mal eine Frage, bist Du in Ordnung?", fragte Jeelen die Kleine.