Der Goblin-Kompass
Kap01
Der fremde Kerl hatte am äußeren Eingangsbereich Kratzgeräusche gehört. Er war ein alter erfahrener Wächter. Er kannte das Geräusch. Früher hatten seine Leute das Geräusch oft hören müssen. Es waren Fremde, die über die Felsen schabten um sich einen Weg ins Innere der Höhlen zu suchen.
Auf keinen Fall durften die Fremden ins Innere des Höhlensystems gelangen. Leise war er näher geschlichen, die ledrige Schutzkleidung ganz eng an den Körper gepresst, damit ihn kein Geräusch verriet. Nur wenige Meter trennten ihn von den Fremden. Er schaute auf sie hinab. Da hockten sie. Wahrscheinlich eine Vorhut für eine Armee. Sie durften zu ihrer Truppe nicht zurückkehren, das war ihm klar.
Die Wache erhob ihren Speer und zielte auf den Rücken der kleinsten Frau. Diese sprach mit den Händen zu einem riesigen Kerl - einem Ork, nicht ahnend dass sie bald sterben würde – dachte der alte Kerl mit wettergegerbtem Gesicht.
Doch zu seiner Überraschung beugte sich die Frau blitzartig vor, er erkannte einen anderen kleinen grünen Kerl. Der Riese schirmte die Frau ab und schon flog ein Messer in seine Richtung.
Die Wache wurde quer vor die Brust getroffen, aufgeschlitzt und flog mehrere Schritt weit nach hinten, bevor sie auf den Boden aufschlug. Allerdings hatte er den Speer umklammern können. Steinsplitter schnitten dem Kerl beim Aufschlag in den Rücken. Langsam und stöhnend richtete sich der Mann wieder auf.
Der Goblin sprang mit einem Satz den kleinen Felssims hoch, rannte los, riss einen Fuß nach vorne und trat mit aller Gewalt zu.
Er zertrümmerte dem Angreifer mit einem Tritt das Knie. Aus der gleichen Bewegung heraus schwang er seinen Dolch und schlug nach dem Gesicht des Feindes.
Dieser ließ sich nach hinten zurückfallen und wich so um Haaresbreite dem Schlag aus. Der Goblin setzte nach und schlug erneut zu. Diesmal verfehlte er sein Ziel nicht. Der Stahlschaft seines Dolches knallte in das Gesicht des Mannes und zerschmetterte ihm den Kiefer.
Der plötzliche Kampflärm lockte weitere Wachen ins Freie auf die Felsen.
Der Fels war zu klein für die Truppe.
„Rückt eine Ebene nach unten ab. Gebt uns Rückendeckung“, befahl der Goblin.
„Verstanden“, brüllte einer aus der Truppe und sie teilten sich auf.
Zwei Mädels eins hochgewachsen, eines klein, beide flink, wendig und tödlich schlossen sich dem Goblin an um die Feinde zu beseitigen und den Weg für die Truppe frei zu räumen.
Die Zwergin ließ sich auf ein Knie fallen und feuerte mit ihrer Armbrust. An dem ersten Gegner zischte der Beschuss vorbei und rettete ihm so das Leben. Die dahinter stehende Wache wurde tief in der Schulter getroffen und durch die Wucht umgeworfen.
Die wendige Zwergin feuerte erneut in die Masse der Wachen. Der Beschuss krachte in der Brust einer Wache.
Mit aufgerissenen Augen fasste sich der Mann an die blutende Wunde. Die Feinde waren mittlerweile zu nah, so schlug Lydia dem erstbesten Gegner die Armbrust mit Wucht ins Gesicht. Dann ließ sie die Waffe fallen und zog mit einer Hand ihr schmales Kurzschwert, die andere Hand schloss sich um ihren Dolch.
Ein Truppenführer der Unbekannten kam auf Jeelen zugestürmt. Er schätze dass der Goblin eindeutig der Gefährlichste in der Truppe war. Dass hieß er hatte Erfahrung und er hielt perfekt die Balance. Verglichen mit seinem Speer erschien der Dolch lachhaft, aber in den Händen dieses grünen Kerls war er eine tödliche Waffe.
Die beiden anderen Frauen waren sicher seine Untergebenen, genau wie der Rest der etwas abgerückt war. Es galt den Kopf der Schlange abzuschlagen und dies würde er tun.
Der Goblin musste sich bücken um den Stich mit dem Speer zu entgehen. Er streifte dafür die Beine der Wache. Diese sprang ein Stück nach hinten um sich in Sicherheit zu bringen, nur um einen zweiten tödlichen Angriff von Jeelens Dolch zu entgehen.
Lydia umkreiste Jeelen und die Wache halb, um in dessen Rücken zu gelangen.
Der Goblin schlug erneut zu, Lydia sprang im selben Moment hoch um mit ihrem Sax einen Schlag auszuteilen. Ein Fauchen von Aino ließ beide zur Seite blicken. Sie rang mit einem der Kerle, gewann aber wieder die Oberhand.
Die Unaufmerksamkeit reichte aus. Jeelens Dolch krachte mit Wucht in die Schläfe des Burschen und schickte ihn ins Jenseits. Beim Rückwärtsschwinger krachte der Dolch mit dem Knauf allerdings in die Seite seiner Kollegin.
Aino keuchte vor Schmerz auf. Mit einem erneuten Sprung hastete sie aus der Reichweite des Goblins und rieb sich die Seite.
Immer mehr der Fremden kamen aus den Gängen. Jeelen erteilte den Befehl zum Rückzug. Er beobachtete woher die Typen kamen und rannte direkt in einen Gang hinein, aus dem einige Feinde gekommen waren.
„Mir nach“, brüllte er.
„Ihm nach“, rief Aino hinterher.
Hier würden sie sich tiefer in das Höhlensystem der Feinde zurückziehen. Und dort die Lage sondieren.
Die gesamte Gruppe wandte sich um und folgte Jeelen in die dunklen Gänge. Die Wege waren schmal und aus schroffem Felsen. Lydia nahm Jeelens Hand, da man so gut wie nichts sah. Jedenfalls die anderen, sie als Zwergin hatte keine Probleme.
Er umfasste ihr Handgelenk, so konnte er sie besser festhalten, damit er sie in der Finsternis nicht verlor. Sie rannten eine ganze Weile im halsbrecherischen Tempo bis sich schlagartig der Gang in einen riesigen Felsendom erweiterte. Die Höhle war so hoch, dass die Gruppe die Decke nicht sehen konnten.
Abrupt blieben sie stehen. Die Wachen hatten sie vorerst abgehangen.
Allerdings würden sie sich nicht lange abschütteln lassen. Es war ihr Reich, es gab in den Gängen auch keine Ausweichmöglichkeit. In dem Felsendom vor der Gruppe war das was anderes.
Hier hatten die Burschen sicher eindeutig Heimvorteil. Jeelen hatte schon mehrfach gegen unbekannte Feinde kämpfen müssen. Ihnen jetzt im fast offenen Gelände gegenüber zu treten gefiel ihm überhaupt nicht.
Er schaute sich suchend im Dom um. In der Ferne konnte er schemenhaft etwas ausmachen - Feuer? Licht das zu einem Ausgang führte?
Pavo hatte sich bei beiden eingehakt. Er war in der Finsternis blind, er hatte nur ein Auge. Im Kampf müsste er sich hier auf sein Gehör verlassen und auf seine Begleiter.
„Ich gehe mal ein Stück in die Höhle und gucke ob es einen sicheren Weg zur Durchquerung gibt. Kann ich Lydia mitnehmen?“, fragte Jeelen Aino höflich.
Aino musterte den Goblin vor sich einen Moment reglos, ehe sie freundlich zustimmend nickte.
„In Ordnung. Ihr erkundet den Weg als Vorhut, bei Zeichen rücken wir nach. Pavo und Wolfi ihr bildet die Nachhut. Das heißt für Dich Gasmi, wenn einer zurückbleibt oder Gefahr von hinten droht…“, erklärte Aino gerade.
„Ich weiß!“, fiel ihr Gasmi direkt ins Wort, „aber Urako läuft neben mir, er ist anständig und denkt jetzt nicht an sowas. Glaube ich zumindest. Da droht mir nix von hinten! Ginge Euch auch gar nichts an“, sagte Gasmi mit Unschuldsmiene entwaffnend was alle losprusten ließ.
„Eh ja, das war zwar anders gemeint, aber gut“, musste sich selbst Aino ein Grinsen verkneifen, „Rückt ab Leute!“
„Ich gebe Dir ein Zeichen Aino. Behalte mich im Auge. Ich winke Dir zu wenn alles klar ist“, flüsterte Jeelen ihr zu.
„Du guckst so giftig. Alles gut bei Dir?“, fragte Lydia und sicherte den ersten Abschnitt mit Waffe im Anschlag.
„SICHER!“, teilte sie wie gewohnt mit.
Jeelen rückte sofort nach auf die andere Seite und spähte um die Felsenecke. Dann rannte er in kurzen Schritten weiter und sicherte diesen Abschnitt.
„SICHER!“, teilte er seiner Kameradin mit.
„Alles gut“, knurrte Jeelen.
„Klingt nur nicht so“, grinste Lydia.
„Da hinten ist was – irgendwas Großes. Ich kann es nicht richtig erkennen. Meine Ohren sagen es bewegt sich abgehackt, ich glaube ein Tier“, warnte Jeelen mit leiser Stimme und deutete in die entsprechende Richtung.
Es dauerte nicht lange, da hörten alle Krallen über Fels schaben, ein seltsames Geräusch wie von flatterndem Tuch – und schon glitten riesige Körper mit ledrigen Schwingen durch die Höhle. Jeelen duckte sich instinktiv zischte vor Wut. Dabei spannte er seine Beinmuskulatur bis zum Zerreißen an. Die unbekannten Viecher hatten sie entdeckt und kreisten über ihnen.
„Nicht feuern, die Decke – Stalakmiten. Die pfählen uns sonst!“, warnte Lydia.
„Die pfählen aber auch die Viecher“, warf Jeelen ein.
„Halt die Klappe und mach die Biester kalt los Jeel!“, befahl Lydia.
„Nichts lieber als das“, knurrte der Goblin.
Kaum ausgesprochen, da schoss schon eines der Wesen im Sturzflug auf sie herab. Jeelen warf sich über Lydia, ging mit ihr zu Boden und gemeinsam entgingen sie so haarscharf den Klauen der Bestie.
„Danke. Verdammt sind die schnell“, flüsterte Lydia.
Noch ihren Gedanken nachhängend, rollte Jeelen sich bereits wieder auf die Beine und zog die Zwergin einfach mit hoch.
„Besser aufpassen Süße“, flüsterte er ihr liebevoll zu.
Ein weiteres der geflügelten Wesen brach aus der Formation aus, und warf einen Speer nach ihnen. Jeelen sprang hoch, trat nach rechts aus und riss den Körper nach links, um so in der Luft mit einer Drehung dem Speer zu entgehen und diesen zeitgleich weg zu kicken. Der Sperr wurde von seinen Kameraden abgelenkt und schoss ins schwarze Nichts der Höhle davon.
Grollend kam der Goblin wieder auf die Füße. Sofort sprang er erneut hoch und schlug mit der Messer-Hand nach dem Flügelwesen. Dieses drehte rechtzeitig ab.
Ein anderes Flügelwesen sank zeitgleich in Jeelens Rücken hinab und setzte seine Krallen ein. Dieses hinterließ einen drei tiefe blutige Schnitte auf dem Rücken des Goblins. Das große Wesen drehte ab und setzte erneut zu einem Angriff auf Jeelen an, die Krallen zum Zustoßen bereit.
Lydia sah den Feind heran nahen und zischte Jeelen eine Warnung zu „RUNTER!“, rief sie so laut sie konnte. Jeelen reagierte gerade noch rechtzeitig und warf sich kurzerhand auf den Rücken und schlitzte mit seinem Dolch das Wesen der Länge nach auf, als es über ihn tödlich getroffen hinweg glitt.
Der Goblin war außer sich vor Wut und war mit einem Satz wieder auf den Beinen. Wie wahnsinnig hüpfte er unter den fliegenden Wesen auf und ab, sprang und schlug mit dem Dolch nach ihnen.
Die Wesen stachen mit ihren Krallen und Lanzen nach Jeelen und hinterließen auf seinem Rücken zahlreiche blutige Punkte. Der Goblin hinter ließ zahlreiche Stichwunden an ihren Beinen.
Dann ein erneuter Satz, diesmal etwas mehr als zwei Meter hoch und auf einmal griffen die Krallen des Goblins nicht mehr ins Leere.
Er bekam die äußerste Flügelspitze eines Angreifers zu fassen. In einem Sekundenbruchteil wickelte er den Flügelspitze knochenbrechend um die Hand und zerrte es mit aller Kraft auf den Boden.
Kaum dass das Wesen auf dem Boden aufschlug, war Jeelen auch schon über ihm und jagte ihm mit zufriedenem Grinsen die Klinge in den Leib. Immer wieder stieß er zu. Das Wesen stieß grauenvolle Schreie aus.
„Schrei nur!“, lachte Jeelen gehässig und rammte ihm tiefer die Klinge in den Leib.
Lydia sprintete los und sprang dem sich windenden Feind mit voller Wucht ins Kreuz und brach ihm so das Rückgrat. Das Wesen schrie um Hilfe, es spürte seinen Körper unterhalb des Brustkorbes nicht mehr. Es spürte fast gar nichts mehr außer Schmerzen.
Wie im Wahn hackten Lydia und Jeelen mit ihren Kampfmessern auf das Antlitz und den Hals des Wesens ein, zerfetzten dessen Gesicht und dessen Kehle. Lydia ergriff das Vieh an der Gurgel und schmiss es mit brachialer Gewalt in die Höhle hinein.
„Gute Reise!“, rief Jeelen dem Vieh mit breitem Grinsen nach.
„Das Ding sind wir los“, freute sich Lydia und knuffte den Goblin vergnügt.
„Guck es Dir an! Die haben mich gestochen“, knurrte Jeelen und zeigte Lydia seine Wunden.
„Dich haben sie wirklich gestochen“, antwortete Lydia grinsend und guckte die Wunden an.
„Nichts schlimmes, das verarzte ich später“, grinste sie noch breiter.
„Verarzten? Klar wann immer Du willst“, grinste Jeelen und schüttelte schmunzelnd den Kopf.
Sie liefen ein ganzes Stück weiter, als Sonnenlicht die Höhlendecke durchbrach. Aino schloss zu ihnen auf, die Gruppe folgte in einigem Abstand.
„Das sieht doch gut aus. Wir müssten hier irgendwo einen Aufstieg finden um das Höhlensystem zu verlassen“, sagte Aino an die Zwergin und den Goblin gewandt.
„Ja auch vereinzelte Pflanzen sieht man, so weit kann ein Ausgang nicht entfernt sein, irgendwie müssen sie sich ja hier angesiedelt haben“, warf Lydia ein.
„Jedenfalls wird unser Marsch hier etwas leichter allein schon durch das Licht“, sagte Jeelen und ging mit gezogener Waffe langsam vor, dicht gefolgt von Aino.
„Hier scheinen sich noch ganz andere Wesen hin verirrt zu haben als wir. Schau Dir nur die gewaltigen Knochen an. Ob diese Flugwesen die Tiere verspeist haben?“, fragte Jeelen seine Kameradin.
Gemeinsam untersuchten sie die Knochen. Die Bissspuren an den Überresten waren gewaltig, aber nicht nur das. Die Tiere waren nicht einfach erlegt worden, sie hatten auch Trümmerbrüche. Ob das vor oder nach dem Beuteschlagen gemacht worden war, konnte man so nicht erkennen, aber eine Vermutung lag nahe.
„Ich glaube diese Flugwesen steigen nachts aus den Höhlen auf, eben genau durch diese runden Löcher die uns jetzt Licht spenden und schlagen dann draußen im Dschungel ihre Beute. Wenn sie zurückkehren mit ihren Opfern, lassen sie diese einfach in ihr Nest fallen. So werden die Brüche entstanden sein. Ob sie die Opfer vorher schon getötet haben, weiß ich nicht, aber so müssten sich die Tiere nicht mal anstrengen ihre Beute zu erlegen", warf Pavo ein.
"Es sind Flugtiere und ein zappelndes Opfer trägt sich im Flug äußerst schlecht Pavo. Wie dem auch sei, wenn wir draußen im Freien sind, sollten wir besonders nachts vorsichtig sein. Vor allem dann wenn wir unter freiem Himmel kampieren müssen. Besser wäre es dann unter Bäumen oder Felsen Schutz zu suchen, sonst sind wir die nächsten Opfer die hier liegen“, erklärte Urako während er einen Knochen in den Händen drehte und dann wegwarf.
„Puschel hat Recht!“, warf Gasmi mit felsenfester Überzeugung ein.
„Ja ganz genau, sehe ich auch so. Urako hat Recht. Aber auch diese Hölzer so verrottet sie auch sind, wurden von Goblins, Zwergen oder Menschen oder wenigstens uns gleichenden Geschöpfen hierher gebracht. Sie hatten mal eine Funktion. Ein Zaun, eine Brücke, eine Absperrung? Ich weiß es nicht genau, aber irgendetwas in der Art wird es gewesen sein. Ob die Fremden von vorhin damit zu tun haben weiß ich nicht, aber ich vermute es. Vielleicht ist es ihr Versteck oder sogar ihre Räuberhöhle“, warf Anwolf ein und zuckte mit den Schultern.
„Gut beobachtet“, stimmte Aino ihm zu und legte ihm freundschaftlich eine Hand auf die Schulter.
"Wer weiß wo die Schöpfer von dem Kram jetzt sind? Vielleicht sind das die abgenagten Knochen", grummelte Seddik.
„Kommt – ab hier ist die Höhle übersichtlich, lasst uns lieber im Pulk zusammenbleiben. Jeelen Du hast die Führung wie immer“, befahl Aino.
Geschlossen rückte die Gruppe ab und machte sich an den Aufstieg aus den Höhlenlöchern.
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Die Gruppe verließ das Höhlensystem und kam auf ein Hochplateau heraus. Die Abendsonne verschwand gerade hinter den Bergen und zauberte eine ganz besondere Farbe an den Himmel.
„Lasst uns hier rasten. Auf dem Felsen können wir gut liegen und wir haben eine einmalige Aussicht, dass sollten wir auch ausnutzen und genießen“, sagte Jeelen und alle nickten beipflichtend.
„Ja eben, Waldboden ist immer feucht und klamm, hier werden wir gut schlafen Schatz. Zudem kann sich hier kein Feind anschleichen, wir sehen wenn einer hier raufkraxelt. Du wählst wirklich die besten Plätze, das muss ich Dir lassen“, sagte Lydia, bereitete das Lager vor und legte sich gemütlich auf die Decke.
„Schatz?“, grinste Pavo.
„Sie meint mich Pavo“, grinste Jeelen zurück und legte sich ganz dicht hinter Lydia und wickelte sie so mit in seine Decke ein.
„Es hat irgendwie etwas Unwirkliches der Sonnenuntergang – die Farben, die Stimmung die sie erzeugen – einfach herrlich“, sagte die Gasmi, suchte sich und Urako ebenfalls einen Ruheplatz und schmiegte dann seinen Bauch, eng an den Rücken von Puschel.
Die anderen hatten es ihnen gleichgetan. Die schützenden Felsen im Rücken, gegen Wind und Wetter, den angenehmen trockenen Untergrund unter sich, das herrliche Naturschauspiel direkt vor Augen – ein ganz besonderer Ausklang des Tages. So lag die Gruppe lang aufgereiht da.
Seddik schritt noch einmal sichernd das Lager mit Wolfi ab, ehe sie sich zu dem Rest der Truppe begaben. Sed übernahm die erste Wache. Sicher ist sicher dachte sich der Ork.
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Die Gruppe folgte Jeelen auf dem Fuße, als Scout hatte er hier das Kommando. Das sonst Aino der Boss war, war im Moment unbedeutend. Bedeutend war, Jeelens Erfahrung.
Jeelen führte die Gruppe in den Wald hinein. Unter dem gewaltigen Blätterdach war es etwas angenehmer, da die Sonne sie nicht länger mit voller Wucht traf. Hier waren Pflanzen im Überfluss vorhanden. Gestaffelt nach allen Größen und Formen hatten sie jede noch so kleine Nische besetzt. Der ganze Wald wimmelte von Leben. Insekten krabbelten und schwirrten umher, größere Tiere hörte man oben in den Baumkronen und erhaschte man einen Blick auf den Himmel durch ein Loch im Blätterdach, sah man dort gigantische Vogelschwärme kreisen.
Einen ausgebauten Weg gab es in dieser reinen, ursprünglichen Natur nicht. Die Truppe musste genau darauf achten wohin sie trat. Wurzeln, Steine und sonstige Hindernisse machten es ihnen nicht gerade leicht.
Ab und an liefen sie unter so gigantischen Baumriesen her, dass kaum noch Tageslicht bis zum Boden durchdrang. An diesen Stellen ging Jeelen absichtlich langsam um so lange wie möglich etwas von der kühleren Finsternis zu haben. Die Gruppe blieb dicht zusammen und hielt wachsam die Augen auf.
Lydia lief zwischen den Abschnitten hin und her. Sie schaute sich mit großen Augen und voller Begeisterung um.
„Alles in Ordnung mit Dir?“, fragte Jeelen fürsorglich Lydia.
„Ja danke der Nachfrage“, antwortete sie gut gelaunt.
„Dann halt die Marschformation, Du gehörst zur Nachhut!“, stutzte er sie gleich zwei Sekunden später besorgt zu Recht, was den Rest wissend grinsen ließ.
„Die zwei lieben sich“, grinste Pavo Aino an.
„Genau wie Gasmi und Puschel, wir haben zwei Liebespaare“, freute sich Aino.
"Drei Aino. Dave und Varmi sind ein Paar", erklärte Jeelen grinsend.
"Quatsch. Die sind Freunde, die mögen sich halt", warf Lydia ein.
„Die Zwei sind zusammen? Echt? Ist ein Ding“, grinste Aino breit.
"Ja wirklich, Dave und Varmikan sind ein Liebespaar. Die sind echt zusammen. Achtet mal genau drauf. Wenn einer dem anderen was reicht, egal ob Tasse oder einen Stift, dann streicheln sie sich kurz mit den Fingern.
Die stehen sehr nah zusammen, weit unterhalb der Köpertolleranzgrenze. Dave wird nicht grantig, was er sonst wird, wenn man ihm zu nah auf die Pelle rückt. Im Gegenteil, er entspannt sich, wenn sein Alb da ist. Varmi ebenso, ist Dave in der Nähe fühlt er sich sichtlich wohl.
Sie gucken sich sehr oft an. Die quatschen mental. Wenn wir denken die arbeiten wortlos in der Schreibstube, reden die, ich schwöre es Euch.
Der eine bringt dem anderen ständig Futter mit. Varmi bringt Dave Kaffee, Dave bringt Varmi Brote, die "füttern" sich. Die zeigen sich versteckt ihre Zuneigung.
Die trinken aus einem Pott Kaffee!
Hallo wenn das nicht schon allein Beweis genug ist!
Dave säuft aus einer fremden Tasse!
Die passen aufeinander auf, gucken ständig wo der andere ist. Und sie machen sich Geschenke. Dave würde jedem von uns was spendieren, er ist nie geizig. Genauso wenig wie Pavo auch oder unser Gasmi.
Aber wer bringt Euch mal eben ein Pferd mit?
Wer schenkt einem ein Pferd, weil man keins hat und reiten lernen soll?
Ab und an fehlen beiden. Du findest die nicht Aino. Sie gehen getrennt und kommen getrennt zurück, aber nur einige Minuten und danach sind die beiden tiefenentspannt. Die sind intim miteinander. Warum verheimlichen die beiden dass?
Haben die beiden Angst vor Konsequenzen? Gas und Urako sind auch zwei Kerle und lieben sich. Die beiden sind ein süßes Paar, und warum sollen wir Gas und seinem Puschel alles Glück wünschen und den beiden nicht? Die zwei sollten dazu stehen, dann hätten sie es leichter", grinste Jeelen.
"Zu gönnen wäre es ihnen. Dave wird Schiss haben", kicherte Lydia.
"Das Mama Aino böse wird?", kicherte Seddik.
"Vor Mama Aino hat er keinen Schiss. Sondern vor Pavo. Auf Pavos Meinung gibt er sehr viel. Er macht zwar auch was Pavo gegen den Strich geht, aber dann heimlich. Vermutlich sowas wie das hier", warf Anwolf ein, was alle losprusten ließ.
„Scheißt der mal so eben seinen Onkel an“, lachte Urako.
„Hab ich doch gar nicht“, grinste Wolfi.
„Und die beiden haben jetzt Zuhause sturmfreie Bude. Das hätte ich eher wissen sollen“, lachte Aino.
„War vielleicht mit einer der Gründe, warum sie uns vor der Abreise garantiert nichts gesagt haben. Zudem muss Dave keinen Schiss vor mir haben. Ich passe doch immer auf ihn auf! Mir ist nur wichtig, dass er glücklich ist. Wenn er das mit dem Frostalben ist, dann sei es so. Nur sollte sich der Alb daneben benehmen, lernt mich der Alb kennen. Das schwöre ich“, warf Pavo ein.
„Ja man muss wirklich vor Dir keinen Schiss haben“, flötete Anwolf.
„Meine Rede, ich bin völlig harmlos“, grinste Pavo.
„Der wird nicht mal rot dabei“, sagte Seddik, was die anderen wissend grinsen ließ.
„Bei jeder Möglichkeit wird Wasser aufgefüllt. Ich denke jeder weiß es, aber ich weise nochmal darauf hin, Wasser ist das A und O in der Versorgung. Ohne Essen kommen wir aus, ohne Wasser sind wir aufgeschmissen“, erklärte Jeelen freundlich und wischte sich übers Gesicht.
„Da sagst Du was Jeel. Ich kann mich auswringen, hat wer ein kühles Bier bei?“, fragte Gasmi grinsend in die Runde.
„Oh ja – was kühles Helles würde ich auch gerne saufen“, stimmte Seddik gut gelaunt zu.
„Wenn das so ist nehme ich auch eins“, warf Lydia ein und band sich ihre Haare mit einem Band zusammen.
„Hier trink was“, sagte Jeelen freundlich und reichte der Zwergin seine Wasserflasche.
„Danke lieb von Dir“, sagte sie und trank einen Schluck ehe sie die Flasche zurückreichte.
„Klar“, grinste Jeelen und verstaute die Flasche wieder am Gürtel.
„Sag nicht dass Du Bier in Deiner Feldfalsche hast“, stutzte Seddik.
„Nein, hat er nicht. Ist vermutlich Schnaps“, antwortete Pavo trocken.
„Ist es noch weit? Warum wandern wir eigentlich bei Tag?“, fragte Gasmi kichernd.
„Damit wir besser sehen können!“, antwortete Seddik.
„Wir sehen genauso gut bei Nacht, voll die Ausrede“, murrte Urako.
„Genau“, pflichtete Gasmi bei und küsste Puschel.
„Die Stille des Waldes…“, sagte Aino und schaute sich um.
Lydia gesellte sich zu ihr.
„Hat sie gerade was von Ruhe gefaselt?“, fragte der Wolfi.
„Hat sie. Permanente Geräuschkulisse würde man bei einem Auftrag sagen. Stets ein Grund doppelt vorsichtig zu sein, weil diese Dauergeräusche auch genau jene Geräusche schlucken, die eine Gefahr ankündigen oder davor warnen. Andererseits tarnt sie auch zur Not uns“, erwiderte Gasmi freundlich.
„Dann müssen wir die Augen überall haben“, sagte Anwolf wachsam.
„In den Rücken fallen kann uns niemand“, sagte Lydia.
„Aber von oben herab kann was fallen“, lachte Pavo, blieb stehen und legte den Kopf in den Nacken um nach ganz oben in die Baumkronen zu spähen. Seddik packte den einäugigen Goblin am Handgelenk und zog ihn weiter.
„Also ich brauche die Erfahrung nicht dass mir ein Riesenvogel in die Wolle kackt“, warf Anwolf ein, was die anderen auflachen ließ.
Die Truppe drang weiter in den Wald vor. Es wurde zusehends düsterer bis sie plötzlich an einem flachen Fluss ankamen. Das Ufer war seicht und die Überquerung machte keinerlei Probleme. Dieser Pfad führte noch tiefer in noch dunklere Gebiete des Waldes.
Jeelen kniete sich zum Wasser hinunter und machte Hände, Hals und Gesicht frisch. Direkt im Anschluss zog er einige Feldflaschen hervor um frisches Wasser aufzufüllen.
Aino blieb im Fluss stehen und trank ausgiebig. Lydia wartete geduldig neben ihr ab und füllte ihre und Jeelens Wasserflaschen auf. Die anderen taten es ihr gleich, ehe sie gemeinsam weiter gingen.
Die Gruppe ging tiefer in den dunklen Teil des Waldes hinein. Hier war das Klima um einiges erträglicher als noch auf der etwas offenen Ebene. Dafür tropfte Feuchtigkeit von den Blättern und ein leichter modriger Geruch hing in der Luft.
Lydia gesellte sich kurz wieder zu Jeelen und knotete ihm die Wasserflaschen an seinen Gürtel.
„Frischwasser für Dich“, flüstere sie ihm zu.
„Danke“, raunte er, „die Nachhut ist hinten“, setzte er mit Grinsen nach.
„Die Frau vermisst Dich eben Jeelen – wiedererwartend jeder Vernunft, aber es ist so“, grinste Aino rüber.
Der Goblin mustere Aino aus zusammengekniffenen Augen und drohte ihr gespielt mit dem Zeigefinger, was Sed und Gas kichern ließ.
„Versuch es erst gar nicht Jeel. Bevor Du nur dran denkst, hat Dich unser Boss schon filetiert“, grinste der Ork.
„Nachhut pah! Aino geht auch vorne“, beharrte Lydia.
„Aino könnte auch ohne das geringste Problem unsere Truppe allein verteidigen, vermutlich sogar ohne Waffen. Du weißt doch Befehl und Gehorsam, sind der Grundpfeiler jeder Gruppenarbeit“, antwortete Jeelen leise.
„Dass DU darauf pochst und hinweist Jeel, das ist so schräg…“, lachte Aino.
„Ja wie wenn Du auf Treue, Lieb und Glauben pochen würdest“, gab Jeelen zurück.
„Falls wer einen Abgrund nachher sieht, bitte kurz Bescheid sagen“, knurrte Aino, was alle losprusten ließ.
„Frieden“, schnurrte Jeelen und blinzelte Aino entwaffnend an.
„Ach halt einfach die Fresse Grünhaut“, kicherte Aino und knuffte den Goblin gut gelaunt.
Jeelen führte sie weiter Stunde um Stunde durch dunkles Waldgebiet. Ab und an war einer der gewaltigen Baumriesen umgestürzt und hatte so ein Stück Licht geschaffen, dass ihnen hier den Weg etwas erhellte.
Mit jedem weiteren Schritt, hellte sich die Umgebung auf und der Untergrund stieg stetig an. Die Sonne durchbrach mittlerweile viel häufiger das Pflanzenmeer. Licht und Schatten warfen seltsame Muster, die es einem schwerer machten voranzukommen, da man den Boden noch besser im Auge behalten musste. Wasserplätschern gesellte sich zu der permanenten Geräuschkulisse der Tiere. Die Gruppe kämpfte sich ihren Weg über verknotete Wurzeln, dicke Baumstämme und loses Geröll, als der Wald sich schlagartig öffnete. Sie blickten auf den Urheber des Wassergeräuschs.
„Es wird so langsam mal Zeit für eine Rast. Wir sind jetzt stundenlang gelaufen durch den fremden Wald. Das Wetter ist auch nicht das Beste für einen Dauermarsch, lasst uns einen Flecken für eine Pause suchen“, bat Pavo.
„Noch nicht, gleich. Ich halte Ausschau nach einem geeigneten Rastplatz. Zudem wolltest Du ja hierher also reiß Dich zusammen“, antwortete Jeelen.
"Wenn das meine Reise ist, wieso darf ich dann nicht das Tempo bestimmen?", fragte Pavo säuerlich.
"Weil wir irgendwann ankommen wollen?", schlug Wolfi vor.
"Zumindest da, wo wir sicher rasten können", fügte Jeelen an.
Er wollte noch ein Stück weiter kommen bevor sie sich zur ersten Rast niederließen. Weiter folgte ihm die Gruppe. Sie liefen erneut durch dichten Wald, welcher ab und an von kleinen Seitenarmen des Stroms durchbrochen wurde. Generell war das Land üppig Grün, durchbrochen von Felsen und vielen Wasserquellen.
An einer Stelle schritt die Gruppe direkt auf einen archäologischen Fund zu. Endlich das erste Anzeichen von Zivilisation.
Ein Stück uralter Baukunst vermutlich der Ureinwohner. Davor war die Vegetation niedrig und auch Sonne erreichte den Platz.
„Schaut Euch dass an!“, sagte Pavo begeistert.
„Das sind nur Steine Pavo!“, stöhnte Seddik.
Der Ork schüttelte über den einäugigen Goblin den Kopf.
„Ja ich sehe es Seddik und es ist fantastisch. Es hat irgendetwas von… ich weiß nicht, es sieht vertraut aus. Und doch ist es auf seine eigene Art was Besonderes. Vielleicht liegt der Ursprung vieler Völker bei einem einzigen.
Jedenfalls scheinen sich die Ureinwohner aneinander orientiert zu haben. Ich vermute alle Völker stammen von den Vorfahren der Goblins ab…“, warf Pavo grübelnd ein.
„Was?!?“, fragte Seddik entgeistert.
„Er meint, dass wir alles Nachkommen von Goblins sind“, erklärte Gasmi hilfreich.
„Wohl degenerierte Goblins, sonst wär Seddik nicht so verformt“, lachte Jeelen.
„Ich halte es für keine gute Idee einen Ork zu provozieren der dreimal so hoch und zehnmal so schwer ist wie Du“, flüsterte Lydia Jeelen zu.
„Was erzählt der Knirps da?“, hakte Seddik nach.
„Unwichtig Sed! Du kennst ihn doch, er schnattert immer irgendwas“, grinste Aino.
„Ich schnattere immer irgendwas? Aha“, gab Jeelen fassungslos zurück.
„Lasst mich nachdenken…“, sagte Pavo.
„Bitte nicht…“, stöhnte Wolfi, was die anderen wissend grinsen ließ.
„Sei leise Knirps. Wenn sich die Urvölker also in ihrer Kunst ausgetauscht haben, bedeutet dass - dass es zu Anfang nur ein Urvolk gab. Das hat sich dann in die heutigen verschiedenen Völker aufgeteilt. Man sieht das doch an den Ohren!
Schaut auf die Ohren. Goblins haben spitze Ohren. Orks und Alben auch. Es sind unsere Nachfahren. Das ist meine These“, erklärte Pavo.
„Ich finde die These an den Ohren herbeigezogen“, lachte Gasmi.
„Ich auch! Denn unsere Ohren sind auch spitz. Von Tieflingen und Düsterlingen. Guck doch auf unsere Ohren!“, sagte Urako.
„Puschel hat Recht!“, warf Gasmi ein, „spitze Ohren!“.
„Woher kommen Zwerge und Menschen? Die haben runde Ohren!“, warf Jeelen ein.
„Frag ihn doch nicht noch was! Er war mit seinem Vortrag fertig!“, schnauzte Anwolf.
„Hups - entschuldige“, grinste Jeelen und kringelte sich vor Lachen.
„Das ist eindeutig. Wenn die Orks und Alben Nachfahren der spitzohrigen Goblins sind, dann können Zwerge und Menschen nur Nachfahren der Alben sein. Sie sehen sich ja auch etwas ähnlich“, sinnierte Pavo.
„Wir sehen uns ähnlich? Sehe ich aus wie ein Alb? Ich bin kein Nachfahre von irgendeinem Alben! Willst Du mich mit einem in der Nacht auf Lichtungen im Mondschein tanzenden Alben vergleichen?“, donnerte Lydia.
„Das hat der Goblin gerade getan“, grinste Seddik fies.
„Ihr Banausen! Das ist Wissenschaft. Jede Wissenschaft beginnt mit einer Vermutung“, erklärte Pavo gekränkt.
„Schön Pavo. So hier ist ein guter Rastplatz Leute. Die Felsen und alten Mauersteine geben uns von der einen Seite Schutz, der Rest ist übersichtlich“, sagte Jeelen gut gelaunt als er den Platz betrachtete. Er suchte sich in der Sonne einen Platz und machte es sich gemütlich.
„Das ist echt ein wunderschöner Fleck wenn man ihn so betrachtet. Sieht klasse aus“, warf Aino erfreut ein. Auch ihr gefiel der Platz und sie hockte sich gemütlich an einen Felsen.
Der Rest der Truppe verteilte sich ebenfalls auf dem Platz, suchte sich ein gemütliches Fleckchen und ließ es sich gut gehen.
Seddik klemmte sich direkt an Jeelens, Gasmis und Urakos Fersen und quetschte sich zwischen sie.
„Ich darf doch?“, fragte er grinsend.
„Klar komm her“, sagte Jeelen gut gelaunt.
Die Mädels hockten sich gemütlich auf ein winziges Plateau zusammen und genossen die Aussicht, während sich die Jungs zusammensetzen, Proviant mampften und in der Sonne dösten.
Seddik streckte sich lang aus, während Gasmi sich an Puschel anlehnte. Anwolf gesellte sich einige Minuten später dazu und lehnte sich auf der anderen Seite an Urako an und binnen Sekunden war er eingeschlafen. Urako schaute etwas erstaunt, ließ den Backfisch aber gewähren.
„Aber hallo. Der war ja müde“, flüsterte Gasmi.
„Der Kleine ist das Laufen nicht gewöhnt wie wir. Sogar noch weniger. Kennst ihn doch, nur keinen Schritt zu viel. Dann die Bruthitze hier noch, also lassen wir ihn was pennen“, flüstere Seedik zurück.
Gasmi streckte sich ebenfalls lang aus. Anwolf rieb sich die Augen und sprang auf, so dass Jeelen und Seddik zusammenzuckten.
„Wie lange hab ich geschlafen?“, fragte der junge Magier gähnend.
„Keine Ahnung, hat keiner die Zeit gestoppt“, antwortete Urako grinsend.
„Na dann ich geh mal die Nudel auswringen. Bis gleich“, sagte Wolfi und wollte sich auf den Weg machen.
„Halt! Du bleibst in Sichtnähe, Du hältst Dich von irgendwelchen Eingängen fern, Du fasst nichts an was Du nicht kennst, und wenn was ist rufst Du uns sofort! Verstanden?“, sagte Seddik streng.
„Wenn er Wasser wegbringen muss, muss er in Sichtnähe bleiben? Na na na“, lachte Urako sich schlapp.
„Da ist wirklich was dran“, lachte Gasmi
„Ja ja…“, antworte Anwolf grinsend und machte sich auf den Weg.
„Ihr zwei seid gestört! Na hoffentlich hält er sich an das andere“, sagte Sed.
„Mach Dir keine Sorgen“, sagte Jeelen und grinste aufmunternd.
„Immer wenn Du sowas sagst Jeelen gibt’s Ärger. Du hast wen entführt oder schlimmeres. Du hast nicht zufällig ein Opfer geknebelt und gefesselt im Rucksack oder so?“, hakte der Ork nach.
„Nein“, grinste Jeelen noch breiter.
„Gut“, lachte Seddik.
„Das Opfer liegt noch in der Transporttruhe im Luftschiff“, prustete Jeelen.
„Wenn ich das einem glauben würde, dann Dir“, lachte Sed.
****
Zwischen all dem Grün, zwischen all den Pflanzen war ein weiteres Lebewesen in unmittelbarer Nähe zugegen. Unbeweglich verharrte er ganz in ihrer Nähe und verließ sich wie so oft einfach auf sein Gehör und auf seine Nase. Belauschte ihre Gespräche, ihre Albernheiten und nahm jede noch so kleine Info die er verstand in sich auf.
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Nachdem sie ausgiebig gerastet und sich erholt hatten, machten sie sich wieder auf den Weg. Die Truppe folgte umgehend Jeelen, der wieder die Führung übernommen hatte. Erholt und ausgeruht schritten sie hinter ihm her.
„Der Stein war schon was Außergewöhnliches“, sagte Pavo zu Aino.
„Wir finden unterwegs bestimmt noch viele ungewöhnliche Steine. Vielleicht sogar so klein, dass wir einen mitnehmen könnten. Einfach mal abwarten, wäre ein tolles Andenken“, sagte Aino freundlich.
„Weit kann es jedenfalls nicht mehr sein. Das sah aus wie ein Stück Tempelanlage oder eine Stadtmauer? Beides wäre möglich. Und wo so etwas steht muss in einigem Umkreis auch ein Gebäude dazu zu finden sein. Haltet die Augen nach weiteren Hinweisen offen“, bat Pavo.
„Ich würde die Steine belassen wo sie sind, es sei denn es gehört zur zu Deiner Forschung. Es kann Unglück bringen, sie von ihrem Standort zu entfernen. Wer weiß wem sie gehörten oder noch gehören? Die Besitzer könnten es als Angriff sehen. Vielleicht stehlen wir einen Grenzstein oder ein religiöses Relikt? Sammelleidenschaft in allen Ehren, aber den Stein muss doch nur wieder ich schleppen! Lasst die Steine stehen, genießt so den Anblick und fertig. Dass muss reichen“, gebot Seddik.
„Da hast Du vollkommen Recht. Wer eine Grenze unserer Zunft missachtet, wird auch hingerichtet. Wir schreiben auch nicht umsonst unsere Zinken an die Wände. Zudem kann man den Grenzstein zwar auf dem eigenen Land berühren und umstellen – vielleicht zur Reparatur oder etwas in der Art, aber ihn auch nur einen Millimeter auf das Nachbargrundstück zu verrücken oder falsch dort abzusetzen, kommt bestimmt einer Kriegerklärung gleich.
Man hat damit ja fremdes Land als das eigene markiert. Und wer Grenzsteine hat, hat auch Grenzen. Sonst wären die Steine unnütz. Wir sollten keinen Kampf provozieren. Und sollte es dieses Volk schon lange nicht mehr geben, haben wir sie eben einfach trotzdem respektiert. Wie Seddik schon sagt, genießt mit den Augen nicht mit den Fingern. Was Ihr mitnehmen könnt ist die Erinnerung. Aber lasst die Exponate zurück.
Wir werden sicher schon noch genug einstecken und mitnehmen müssen, was uns vielleicht in Schwierigkeiten bringt“, erläuterte Lydia.
"Seddik und Lydia sind einer Meinung, ich fass es nicht", lachte Gasmi.
"Ehrlich, notiere dass mal schnell", grinste Urako.
„Ich habe einen persönlichen Sekretär – Puschel!“, grinste Gasmi.
Der Wald lichtete sich weiter und war nun teilweise mit Geröll und anderen Felsen durchzogen.
Das Wandern wurde dadurch nicht einfacher, denn hatten sie vorher auf glitschige und rutschige Steine zu achten, galt es hier nun sich nicht zu vertreten. Aber die Landschaft war nach wie vor herrlich, geradezu atemberaubend schön. Die Gruppe marschierte bei dem hellen und offenen Gebiet in lockerer Formation. Jeder war bester Stimmung und hatte gute Laune.
Nicht nur die Umgebung, auch das Wetter trug dazu bei. Aino schaute über die Truppe. Alle waren in Ordnung, keiner machte einen erschöpften oder abgespannten Eindruck und sie schienen alle bester Dinge zu sein. Das gefiel ihr.
Jeelen machte sich wirklich ausgezeichnet als Führer, sie war sehr stolz auf ihn. Auch wie er die Truppe leitete und sich dadurch jeder in seine vorbestimmte Aufgabe fügte, zeigte dass er sehr viel davon verstand mit Personen umzugehen und seine ihm Anvertrauten richtig einzuschätzen und zu führen. Denn nichts war schwieriger als einen solchen Mix an verschiedensten Personen unter einen Hut zu bekommen.
Sogar Seddik - ebenfalls kein Untergebener von Jeel, sondern ein gleichrangiger Assassine, fügte sich in die Gruppe ein ohne dass es zu Stress, Streit oder Reibereien zwischen den beiden kam. Wobei die beiden sich Zuhause öfter angingen, nur um eine Viertelstunde später gemeinsam Bier zu saufen. Hier draußen schien es anders zu sein.
Aino hatte sogar den Eindruck, als wäre Seddik ganz froh darüber, selber einmal nur wieder Befehlsempfänger zu sein und die Last der Verantwortung einem anderen überlassen zu können.
Sogar Gasmi hielt sich mit seinen Hilfestellungen der Gruppe gegenüber zurück. Wobei Gasmis Hilfe für das Opfer seiner Hilfe meistens mit Ekel verbunden war. Gemeinsam liefen er und sein Schatz Urako nebeneinander und unterhielten sich leise.
Aino schirmte kurz ihre Augen ab und überblickte die weitläufige Landschaft. Viele Steine sahen hier so aus, als wären sie auch einst Teil einer Tempelanlage gewesen. Ob das wirklich der Fall war, konnte sie nicht mehr sagen. Die Steine waren zu alt. Die Witterung hatte sich an ihnen zu schaffen gemacht und so war es der Phantasie des Betrachters überlassen, ob die Form der Felsen natürlichen Ursprungs war, oder ob ein Erbauer nachgeholfen hatte.
Sie durchquerten einen kleinen dunklen Fluss, dessen Ufer felsiger Untergrund war. Dennoch war der Übergang leicht. Das Ufer war seicht und fest. Auch diese Ecke bot dem interessierten Betrachter viel was er genießen konnte. Felsformationen im Vordergrund mit wunderschönen Pflanzen und im Hintergrund bewaldete Gebirgszüge.
Mit Leichtigkeit passierten die meisten der Truppe den felsigen Untergrund. Etwas mehr Anstrengung und Obacht erforderte es von Pavo. Er hatte mit den Felsen mehr zu kämpfen, da sein Alter bei der Kletterpartie ihren Tribut forderte. Nach einiger Zeit machte sich Müdigkeit und Hunger breit.
„Na los weiter, mir nach!“, rief Jeelen allen zu und trieb sie weiter an.
Der Goblin führte sie weiter selbstsicher durch die Felsschluchten und durch das unzugängliche Gelände. Er war von Zuhause untertage unwegsames Gelände gewöhnt und lief geschickt und trittsicher.
„Er hat Recht. Hier ist eine Überquerung möglich“, stimmte Aino zu.
„Mit ein bisschen Kletterpartie. Achtung vor den glitschigen Steinen. Sonst landet man in der Brühe“, sagte Seddik grinsend.
„Wir haben es nicht eilig. Spricht nichts dagegen vorsichtig zu laufen. Ein Sturz ins Wasser wäre sicher nicht so schlimm wie auf so einen Felsen - man könnte sich alle Knochen brechen, oder was verstauchen wenn man sich in den Felsspalten vertritt“, sagte Pavo.
„Keine Sorge ich bin an Deiner Seite und halte Dich zur Not fest“, antwortete Urako freundlich.
„Danke“, grinste Pavo zu ihm rüber.
Urako blieb an der Seite von Pavo bei ihrer Kletterpartie. Wartete auf ihn oder half wenn nötig. Die Gruppe erreichte das andere Ende des Felsplateaus unversehrt. Die ganze Gruppe bewegte sich geschickt, jedoch mit äußerster Vorsicht weiter, dabei wurden aus Minuten Stunden.
„Leute wenn Ihr fertig seid, sagt was. Jeelen versuche einen Weg in etwas schattigeren oder wasserreichen Regionen zu finden. So wie am Rastplatz, dort war es angenehm. Das würde uns das Wandern hier ziemlich erleichtern. Wenn möglich wäre Gewässer in der Nähe immer von Vorteil“, schlug Aino mit ihrer sanften Stimme vor und alle nickten beipflichtend.
„Wasser und Schatten sind nicht schlecht und vielleicht eine Pause?“, warf Pavo ein.
„Wir könnten auch so langsam aber sicher Ausschau nach einem Nachtlager halten. Ich meine wird sind auf Mission nicht auf der Flucht. So könnten wir uns wirklich ein gutes Plätzchen suchen und es uns dort gemütlich machen. Was meint ihr?“, fragte Gasmi in die Runde.
„Wie ekelhaft demokratisch – ich bin dafür!“, lachte Seddik.
„War sowas von klar, erst maulen und dann direkt als erster dafür. Anders kennt man Dich nicht Ork. Wenn Du nix zu scheißern hast, bist Du krank“, lachte Lydia.
„Boss ich wurde gekränkt!“, denunzierte Seddik Lydia.
„Trag es mit Fassung“, lachte Aino.
„Immer soll ich alles schleppen“, grinste Sed.
„Warum auch nicht? Die Statur für einen guten Galeerensklaven hättest Du“, lachte Jeelen.
„Der war fies aber gut“, prustete Pavo.
„Ihr schreit förmlich nach Schläge“, knurrte Seddik.
„Sag Deiner Frau sie soll uns schützen!“, pflaumte Pavo Jeelen an.
„Lydia beschütze uns!“, jaulte Jeelen jämmerlich.
"Wow! Die übliche Antwort ist doch "ich bin nicht verheiratet", lachte Seddik.
"Genauso wenig wie Du Sed!", grinste Jeelen.
„Ihr zwei Grünhäute schafft dass schon. Wenn Ihr Euch anstrengt habt Ihr vielleicht sogar eine Chance zu überleben“, prustete die Zwergin.
„Was uns wieder zeigt wie wertvoll Beziehungen sind. Sie müssen um jeden Preis geschützt werden“, warf Pavo ein. Dabei kletterte er ächzend über die Felsen.
"Erweiterung von Lebensgefahr? Lebensgefährte", lachte Jeelen.
"Pass bloß auf Jeel", drohte Lydia gespielt.
„War nur Spaß. Schatz hast Du was zu essen?“, bettelte Jeelen Lydia an.
„Ja hier nimm“, sagte sie freundlich und gab ihm ein Stück Steinbrot.
Der Goblin drehte es in den Fingern und drückte es dann Pavo in die Hand.
"Was soll ich damit?", fragte der alte Goblin.
"Keine Ahnung. Aber Du könntest damit anfangen herauszufinden aus was Steinbrot hergestellt ist. Ich meine welche Sorte von Steine", schlug Jeelen vor, was die Gruppe losprusten ließ.
„Echt. Entschuldige bitte. Ich pack dann mal schnell 10 gebratene Hühnchen aus. Will einer Kartoffelsuppe? Kaltes Bier hab ich auch noch und Schnaps“, grummelte Lydia.
„Was würde ich dafür geben, wenn Du das Zeug echt dabei hättest“, sagte Seddik sehnsüchtig und rieb sich den Bauch.
„Nicht nur Du, ich auch. Ich hab Hunger wie ein Ghoul“, sagte Pavo müde „das mich wer ein Stück trägt kann ich wohl vergessen oder?“, fragte er unschuldig guckend in die Runde.
„Ich mach das“, lachte Seddik und wurde als Dank von Pavo freundschaftlich geknufft. Seddik knuffte ihn zurück. Irritiert guckte der alte Goblin den Ork an und stellte fest dass ein Knuff von dem Kerl durch Mark und Bein ging.
Jeelen führte die Gruppe in tiefere Regionen des Waldes hinein. Der gewünschte schattige Weg war kein Problem. Überall herrschte hier ein dichtes, dickes Blätterdach. Durchbrochen wurde das Grün von kleinen Bächen und mehr als einmal säumte ihr Weg ein Wasserbassin oder ein kleiner Wasserfall. Der Goblin lief etwas langsamer und zog die Ohren nach hinten. Pavo musterte Jeel und tat es ihm gleich.
„Das ist eine sehr gute Idee Jeelen“, sagte Aino zustimmend.
„Eben da hat sie Recht. Endlich was Schatten“, sagte Lydia freundlich.
"Seid bitte leise Leute...", raunte Pavo warnend.
„Eben. Wir werden verfolgt“, flüsterte Jeelen.
Die Gruppe lief weiter und kam an einer kleinen Lichtung heraus. Jeelen führte die Gruppe ein Stück weiter, so dass sie die Lichtung gerade passiert hatten. Dort verharrten sie und warteten ab.
Die Geister beobachteten aus der Deckung heraus eine Gruppe junger Männer. Die Truppe schien sich seitlich nähern zu wollen um sie einzukreisen. Dann durchbrachen sie mit kriegerischem Geschrei das Grün und stürzten sich im halsbrecherischen Wagemut auf die Truppe.
Mit einem Satz stand einer der Gegner vor Jeelen und schlug mit einem Sperr nach dessen Torso. Durch den Schwung nach vorne gerissen kam er genau in Ainos Reichweite. Aino schlug dem Typen mit Gewalt die Handkante vor die Kehle. Grunzend ging dieser zu Boden. Aber so leicht schien der Feind nicht aufzugeben, denn nun grabschte er eines von Jeelens Beinen und versuchte sich verzweifelt festzuklammern.
Aino trat ihm mit knochenbrechender Wucht ins Genick und man hörte es noch Meter entfernt splittern.
Schon wurde Jeelen von hinten ergriffen und der Kerl nahm ihn in den Schwitzkasten. Mit ganzem Gewicht hängte er sich an Jeelen und versuchte diesen zu Fall zu bringen. Ein ohrenbetäubender Knall und der Kerl hing mit schlaffen Armen um seinen Hals wie ein Affenbaby.
Als er nach vorne sackte sah Jeelen auf den blutigen Halsstumpf wo der Kopf hätte sein sollen. Lydia und Aino kickten zeitgleich den Typen von dem Goblin und halfen ihm auf.
Wie aus dem Nichts tauchten hinter Urako und Gasmi zwei der Typen auf. Puschel beugte sich blitzartig vor und trat nach hinten aus. Der Tiefling erwischte einen der Burschen genau vor den Brustkorb und schleuderte ihn mit dem Tritt mehrere Meter weit in die Botanik.
Zeitgleich versuchte der andere Kerl trotz des Trittes Urako zu packen. Kaum hatte der Feind ihn am Kragen gepackt, rammte ihm der Tiefling sein Nahkampfmesser mitten in die Fresse. Vor Ungläubigkeit und Schmerz aufbrüllend, stieß der Kerl den Tiefling von sich und stolperte einige Meter weit mit blutigem Gesicht in den Wald hinein.
„Gasmi, rette mein Messer!“, brüllte Puschel, zog wütend seine Armbrust und setzte dem Kerl nach.
Der Feind machte, dass er wegkam. Er stolperte, prallte gegen einen Baum, stolperte über einen Felsen und stürzte der Länge nach hin. Gasmi verfolgte Puschel und schob sich an ihm vorbei.
„Bleib hinter mir, sonst kann ich Dich nicht beschützen!“, befahl der Düsterling und griff den gestürzten Feind an.
Kaum über diesen trat er mit knochenbrechender Wucht auf den Kerl ein. Er trat den Typen komplett zusammen und trat ihm die Fresse schlichtweg zu Brei für den Angriff auf seinen Schatz.
Direkt danach riss Gasmi das Messer aus der Matsche die einst ein Gesicht war und steckte es Urako mit einer geradezu anstößiger Geste in den Gürtel.
Puschel mustere ihn für Sekunden perplex und wandte sich dann grinsend ab um zurück zur Gruppe zu sprinten.
Kaum in der Nähe von Pavo und den Frauen angekommen, wollte ein weiterer Feind aus Rache für seinen Kameraden auf Urako und Gasmi losgehen und schlug mit einem Sperr nach ihnen.
Lydia war mit einem Satz bei dem Burschen. Sie sprang in die Luft und entging so nicht nur dem Hieb des Stabes, sondern trat dem Kerl auch mitten ins Gesicht. Schon war die Zwergin bei ihrem Opfer. Drei in kürzester Zeit hintereinander folgende, brutale Hiebe prasselten auf den Kerl nieder. Der Bursche rührte sich nicht mehr. Dennoch beendete Anwolf dessen Leben mit einem raschen Schnitt über die Kehle.
Ein weiterer Kerl kam aus dem Wald gerannt und hielt auf Lydia und Gasmi zu. Urako drehte sich ruckartig um und richtete sich zur vollen Größe auf und spreizte etwas die Flügel.
Er machte ein paar Schritte auf den Gegner zu um sich zwischen ihn und seine Leute zu stellen. Die Muskeln aufs Äußerste angespannt und in Kampfhaltung fletschte der der Tiefling die Zähne. Der Typ kam schlagartig zum stehen und starrte hemmungslos zitternd auf den Tiefling vor ihm.
Kaum einen Augenblick später bohrte sich ein Dolch in den Hals des Gegners und riss dessen Schlagadern auf.
Noch ehe der Feind danach greifen konnte, riss Jeelen seine Armbrust hoch und feuerte mehrfach auf den Burschen. Mit zertrümmerten und durchlöcherten Schädel fiel der Feind ins Gebüsch. Jeelen grinste Urako an und der Puschel bedankte sich mit einem freundlichen Nicken.
Urako schnappte sich Lydia und Gas und trabte mit ihnen sofort wieder rüber zu den anderen. Gemeinsam stellten sie sich Rücken an Rücken mit gezogenen Waffen, während alle argwöhnisch die Gegend um sie herum im Auge behielten.
Woher diese Typen stammten konnte Jeelen nicht einordnen, aber sie schienen in keinster Weise ausgebildet oder organisiert zu sein. Sie erinnerten ihn an die Kinderbanden aus den Slums. Erneut suchte eine kleine Gruppe von Männern die Konfrontation mit ihnen. Vier Kerle sprinteten auf sie zu und versuchten an sie heranzukommen.
Aino störte sich nicht im Geringsten daran.
Sie wusste um das Können ihrer Truppe.
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Geradezu verzückt beobachteten zwei dunkelbraune, funkelnde Augen das Geschehen. Die Truppe arbeitete Hand in Hand und schlachtete gekonnt die Feinde ab – hochinteressant für ihn. Was er sah gefiel ihm, aber er hatte auch nichts anderes erwartet. Er witterte den Gestank von Adrenalin und Blut, genüsslich leckte er sich über die Lippen ehe er wieder die Augen schloss und mit dem Schwarz verschmolz.
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Die Typen hatten die Frauen ins Auge gefasst, schienen aber verunsichert, da diese in dieser seltsamen Form zusammenstanden. Der erste Kerl wagte einen Vorstoß und rückte an. Plötzlich zuckte der Mann erst zwei, dann dreimal zusammen. Entsetzt starrte er den jüngeren Goblin an. Dieser stand ihm seelenruhig gegenüber, ein weiteres seiner Wurfmesser in der Hand. Der Kerl öffnete den Mund wie zu einem lautlosen Schrei.
In der Sekunde warf Jeelen das nächste Messer so schnell und hart, dass er noch als verschwommenes Etwas zu sehen war.
Zitternd bohrte er sich in das Auge des Feindes. Der Kerl schlug der Länge nach auf den Waldboden auf, wo er zitternd liegen blieb. Ehe dieser begriffen hatte was mit ihm geschah, war Aino schon über ihm und trat ihm das Messer mit brachialer Wucht tiefer ins Auge, durch den Schädelknochen ins Hirn.
Der Kerl blieb reglos liegen. Vor Wut brüllend stürmten nun die anderen beiden Männer zeitgleich auf Aino zu. Der Letzte wartete lieber lauernd ab.
Aino trat dem ersten anrückenden Feind in die Kniekehle so dass er vornüber kippte. Beim Fallen griff sie dem Burschen mit einer Hand in die Haare, die andere Hand packte das Kinn. Mit einem Ruck riss Aino den Kopf des Burschen herum und brach ihm das Genick.
Den zweiten Angreifer wehrte Sed mit einem seiner tödlichen Tritte ab. Der Ork kickte einen Seitwärtstritt nach oben und der harte Tritt erwischte den Gegner allein schon durch Seddiks Größe an der Stirn und ließ den Kopf seines Opfers mit einem Krachen in den Nacken knallen.
Kaum dass der Kerl aufschlug war er auch schon in Ainos Reichweite. Ein blitzartiges Zustechen in dessen Hals und der Bursche wand sich am Boden wie eine Giftschlange.
Seddik schritt schnell auf das Opfer zu und trat mit aller Wucht auf dessen Kopf, so dass dessen Schädel barst. Er sprintete zurück zu seinen Kameraden. Aino kam ebenfalls zurückgesprintet. Erneut nahmen alle Rücken-an-Rücken-Kampfhaltung ein und warteten argwöhnisch ab.
„Danke gute Arbeit“, flüsterte Sed Aino zu.
„Bitte“, grinste Aino.
Der letzte der Vierertruppe schien hin und hergerissen zu sein. Plötzlich stürmte er los, blieb abrupt stehen und schleuderte sein Nahkampfmesser auf Pavo. Jeelen parierte die Waffe mühelos mit seinem eigenen Messer, so dass diese abgelenkt wurde.
Zeitgleich warf Wolfi sein Messer. Dieses traf den Gegner mit einem „Klong“ und dem Griff vor die Rübe, fiel zu Boden und blieb mit der Klinge im Waldboden stecken.
„Den kenn ich nicht“, zischte Seddik gespielt gekränkt, was die Gruppe losprusten ließ.
Der Feind keuchte schmerzerfüllt auf, fasste sich an die pflaumengroße Beule, drehte sich schwankend um. Der Kerl war nicht dumm. Diese schräge Truppe war äußerst gefährlich wie er an seinen gefallenen Kameraden sah. Sie anzugreifen bedeutete den sicheren Tod.
Aino schaute auf die gefallenen Burschen, sah dem letzten Gegner in die Augen und legte lächelnd den Kopf schief. Dem Typen war schlagartig klar geworden, dass jeder der diese Frau angriff, nicht mehr lange leben würde.
Abrupt und schneller als es sich der Bursche selbst zugetraut hätte, drehte er sich um und suchte sein Heil in der Flucht. Wild rannte er davon um zwischen den dichten Bäumen und Sträuchern zu entkommen. Aino nahm sofort die Verfolgung auf.
Der Kerl rannte um sein Leben und hastete wie von Sinnen durch das Unterholz. Zweige und Blätter klatschten in sein Gesicht, aber dass hielt ihn nicht auf. Er wollte nur dieser Frau entkommen.
Sein Fuß verfing sich in einer schwarzen Liane. Voller Panik versuchte er sich frei zu zerren. Er kam auch für Sekunden frei, stolperte einige Schritte und verhedderte sich erneut. Er hatte unerträgliches Seitenstechen und war außer Atem. Nun verfing sich auch noch sein anderes Bein und rutschte mit der Liane unter eine Wurzel. Der Kerl starrte ungläubig auf die Pflanzen – so viel Pech konnte er doch nicht ausgerechnet jetzt haben. Er grunzte und zog – und die Liane zog sich fester.
Ein Lianenstrang klatsche vor seine Rübe. Er hörte ein Krachen und drehte sich um. Was er sah waren keine Zweige, sondern er blickte in das Gesicht der kahlköpfigen Frau. Sie hatte ihn eingeholt und die verdammte Liane hielt ihn immer noch fest!
Sofort war Aino über dem Feind, er schlug nach ihr. Geschickt wich sie den Schlägen ihres verzweifelten Gegners aus. Der Bursche versuchte die Frau abzuschütteln, aber auch das gelang ihm nicht und eine seiner Hände verfing sich in der schwarzen Liane.
Erneut schlug er nach der Frau und zappelte wild um frei und wieder auf die Beine zu kommen. Die Almanin wehrte mit einer Hand den Schlag zur Seite ab. Die andere Hand schoss vor und versetzte ihm einen tödlichen Kehlstoß. Da kein weiterer Gegner mehr in Sicht war trottete Aino zurück zur Gruppe.
„AUFBRUCH in Kampfformation! Jeelen, Lydia geht an Deiner Seite, sonst wird das nichts. Sed, Urako und Gas Ihr bildet die Nachhut, Pavo und Anwolf ab in die Gruppenmitte. Wir marschieren mit gezogenen Waffen bis wir einen geeigneten Rastplatz gefunden haben, den wir als Nachtlager sichern können. Auch wenn wir alle Feinde beseitigt haben, mein Gefühl sagt mir, dass war noch nicht alles. Abrücken“, befahl Aino und schaute Jeelen durchdringend an.
Der Goblin senkte sofort gehorsam den Blick und nickte als Zeichen dass er den Befehl sofort umsetzten würde.
"Ihr habt den Boss gehört, abrücken. Folgt mir", sagte er und gab den Weg vor.
Die Gruppe folgte erneut Jeelen. Er übernahm mit Lydia gemeinsam die Führung. Beide schlichen Richtung Wald tiefer voran. Eine ganze Weile später, kamen sie an der Leiche des Typen vorbei, welcher eine Augenkorrektur verpasst bekommen hatte. Nun schlichen die beiden noch vorsichtiger vorne weg. Der Rest der Truppe tat es ihnen gleich.
Sie liefen weiter bis sich der Tag dem Ende zu neigte. Jeelen wollte kein unnötiges Risiko eingehen und führte die Gruppe stetig voran. Das Licht dass langsam hinter dem Horizont verschwand warf zwischen den Bäumen lange Schatten und hüllte den Wald in eine seltsame Stimmung aus Schatten und Licht.
Instinktiv rückte die Gruppe so eng wie möglich zusammen. Lydia ergriff Jeelens Hand, einfach um ihn noch näher bei sich zu haben. Auch Gas schloss so nah wie möglich zu Urako auf um ihm einen Arm um die Schulter zu legen. Pavo faste Anwolf in den Gürtel und ließ sich so von ihm durch das diffuse Licht führen.
So liefen sie auch die ganze Nacht über weiter. Langsam aber stetig bahnten sie sich ihren Weg. Als die ersten Sonnenstrahlen den Wald beleuchteten und die Nebelschwaden langsam vom Boden aufzogen, hatten sie im Wald eine üppig grüne Lichtung erreicht. Hier konnte man das Umfeld wunderbar im Auge behalten, erkannte Jeelen. Er gab das Handzeichen zur Rast.
„Nachtplatz. Die Nachtruhe verschieben wir auf den gesamten Vormittag. Bleibt nah bei einander und behaltet alles im Blick“, sagte Jeelen freundlich.
„Oh ja der Fleck sieht nicht nur schön, sondern auch gemütlich aus“, sagte Lydia und lies sich mit einem Seufzen nieder. Binnen kürzester Zeit hatten sich jeder einen Platz gesucht und es sich gemütlich gemacht. Der Großteil der Gruppe war ruck-zuck eingeschlafen.
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Es war ein windiger Tag. Vor ihm lief die Truppe, verfolgt wurde sie in einigem Abstand von einer kleineren Gruppe der hier hausenden Piraten. Die Gruppe schien nicht über die Information zu verfügen, dass hier Piraten hausten. Er hielt sich genau in der Mitte, immer außer Sichtweite beider Parteien.
Er musste die Truppe bewachen um seiner selbst willen. Allerdings durften sie noch nicht sterben. Ihren Verlust konnte er sich jetzt auf keinen Fall leisten. Er würde nicht riskieren dass diese Halsabschneider seinen Schäfchen zu nahe kamen. Es war seine Herde und er würde sie melken. Gedankenverloren schaute er zum Himmel auf. Wenn sich die dunklen Wolkenhaufen vor die Sonne schoben, wurde die Luft kalt und unfreundlich. Meist jedoch war sie hier klar und frisch.
Die Piraten kamen seinen „Schäfchen“ zu nah. Das gefiel ihm überhaupt nicht. Er ließ sich zurückfallen, ganz so als wäre er ein Nachzügler aus der Truppe die er bewachte.
Sie entdeckten ihn schon aus großer Entfernung – eine dunkle Gestalt, die allein über eine Bergwiese stapfte. Sie beobachteten ihn, versuchten einige Informationen zu er schnüffeln. Wer war dieses potentielle Opfer? War er zu stark für einen Angriff? War die Gestalt verletzt?
Die Statur verriet schon auf diese Entfernung dass es ein Kerl war. Klein, schlank und vor allem allein.
Einer der Piraten wollte gerade etwas zu seinen beiden Kollegen sagen, als er bemerkte, dass er schon alleine war. Sein Kamerad war schon hinuntergelaufen um anzugreifen. Der Bursche konnte sich eines unguten Gefühls nicht erwehren, aber auch die Gier trieb ihn an seinem Kollegen zu folgen. Er stürmte wild den Abhang hinunter um diesen einzuholen.
Als sie den Mann durch das Gebüsch betrachten, schaut er ihnen genau ins Gesicht. Das gefiel dem Burschen nicht. Eine universelle Regel besagt, Opfer die keine Angst zeigen – sind meist auch keine Opfer.
Selbstsichere Beute verfügt meist über besondere, schwer einschätzbare Fähigkeiten oder Verteidigungsmöglichkeiten.
Der kleine, dürre Kerl war scheinbar bei dem Gedanken an einen Kampf gegen sie beide nicht beunruhigt. Er bemerkte auch den anderen Piraten, drehte den Kopf schräg gelegt hin und her um die beiden Gegner im Auge zu behalten.
Entschlossen trat er von den Bäumen zurück und hinaus auf die offene Wiese, wo Farne unter seinen Stiefeln knirschten. Der Bursche schien sich auf irgendeine Verteidigung einzurichten, aber er nahm keine Kampfhaltung oder Abwehrposition ein.
Der Pirat stieß einen leisen, glucksenden Schrei in Richtung seines Kollegen aus, der kurz zurückschaute und dann versuchte den verhüllten Kerl von der anderen Seite her zu umkreisen. Ein weiterer Pirat erschien neben dem ersten. Ein ganz junger Kerl, dem gerade die ersten Barthaare wuchsen. Er stand zitternd neben dem ersten und fürchtete sich ebenso davor zu dem anderen zu laufen und dort zu bleiben. Der Junge war einfach zu unerfahren.
Der vermummte Kerl beschrieb eine Vierteldrehung, so dass seine Schultern vom ersten Piraten abgewandt waren. Seine schutzlose Flanke befand sich genau vor dem zweiten Halsabschneider der ihn umkreiste.
Plötzlich ertönte ein Zischen, und der erste Pirat ging instinktiv in Deckung. Ein Koniferenast hoch über seinem Kopf wurde vom Stamm abgetrennt und krachte schwer auf seinen Rücken. Der Junge neben ihm schmiss sich zu Boden und kauerte sich ängstlich zusammen.
Der Pirat sprang nach hinten. Panisch schaute er sich um.
„Was war das??? Bloß weg hier – es gibt genug andere Idioten die wir leichter ausnehmen können. Lassen wir den fremden Drecksack in Ruhe“, zischte er warnend dem Bengel zu.
„Ein Zauberer???“, wisperte dieser.
Als Antwort ertönte ein gackerndes Lachen, dass fast wie statisches Rauschen klang.
Bevor die beiden weglaufen konnten, zischte etwas Hartes, Schlankes knapp an ihnen vorbei. Ein großes Stück Rinde platze von einem Baumstamm und fiel zu Boden. Der Vermummte bewegte sich auf den ersten Piraten zu, wobei sich etwas um seine Hand wickelte und wieder entrollte - ein ungefähr drei Meter langer, zweifingerbreiter "Faden" der sich hoch in die Luft reckte und irgendwie schwarz zu glühen schien.
Der Pirat schluckte und erkannte jetzt die tödliche Waffe, eine Art magischer Peitsche. Kein Wunder dass der Bursche damit Äste von Bäumen schlagen konnte.
Der Vermummte schmunzelte über die Dummheit des Burschen. Er besaß außergewöhnliche Fähigkeiten. Ein leichtes Anspannen der Muskeln um das Griffstück und die Peitsche reagierte sofort - die Welle der Kontraktion lief durch den gesamten "Faden" bis hin zur dünnen Peitschenspitze und verstärkte dabei die Bewegung.
Bei einer Neigung von nur wenigen Grad am Körper konnte er voll ausgestreckt einen Bogen von etwas über drei Metern mit dieser Waffe schlagen. Seinen Arm dann mit in die Länge eingerechnet. Mit voller Wucht zugeschlagen, erreichte die Peitsche eine Geschwindigkeit von mehreren hundert Stundenkilometern.
Wurde ein Opfer davon getroffen, reichte die kinetische Energie aus, um Fleisch zu durchtrennen, Knochen bersten zu lassen oder bei leichtem Schlag Gliedmaßen zu betäuben. Eine wundervolle Fernwaffe, besonders um sich unliebsame Gäste vom Hals zu halten.
Der Pirat war in einer Gegend aufgewachsen wo es keine Artefakte gab oder wo Artefaktmagie unbekannt war. Es gab kaum Leute, die jemals so eine wundervolle Waffe zu Gesicht bekamen. Kluge Räuber handelten nicht unüberlegt. Langlebig war nur, wer sich nicht blindlings in Gefahr stürzte. Man musste auch wissen, wann ein Rückzug angebracht war. Und der Bursche wusste, dass es jetzt genau an der Zeit war, sich davonzumachen.
Er durchschaute zwar die Peitschenverteidigung nicht genau, aber er wollte auch gar nicht erst warten, bis es ihm gelangt. Sein Kamerad war wohl zum selben Schluss gekommen und schlich mit gesenktem Kopf durch das Unterholz den bewaldeten Hang hinauf.
Die beiden Kerle befanden sich gerade auf halbem Weg, als schriller Schrei ertönte. Der Schrei kam von dem Jungen. Beide Burschen richteten sich auf und schauten hinunter. Der Vermummte war ihnen bis zum Fuß des Abhangs gefolgt. Der Junge stand noch auf der anderen Seite der Wiese, abgeschnitten von seinen Kameraden.
In Panik versuchte der Kurze im Zickzacklauf an dem Feind vorbeizukommen. Ein schnelles Zucken der Peitsche. Ein Knall, ein heftiger Aufschlag, ein gackerndes Lachen…
Der Junge kam wieder zu sich, rappelte sich auf und stolperte davon.
„Nimm den anderen Weg Du dummer Bengel“, schrie einer der Piraten. Doch der Junge ignorierte ihn, er war bemüht, geradewegs den Hügel zu erreichen und duckte sich, um einem erneuten Peitschenhieb auszuweichen. Der kleine, vermummte Kerl bewegte sich mit überraschendem Geschick zur Seite und zielte mit der Spitze auf den Jungen… und schlug zu.
Dreck wirbelte in einer langen Linie auf, die Peitsche hatte ihr Opfer um Haaresbreite verfehlt.
„Hupala, was ne Scheiße“, schnarrte der Vermummte mit heiserer Krächz-Stimme, während der zweite Pirat ohrenbetäubend eine Warnung brüllte. Entsetzt schaute der erste Pirat zu, wie dieser den Hang hinunter raste, genau auf den Vermummten zu.
„Mach das nicht!“, brüllte der Kerl oben vom Abhang. Der Vermummte wich zurück.
`Vielleicht hat Sniff doch Recht´, dachte der Bursche dann und folgte ihm, um ihm beim Angriff zu unterstützten.
Der vor Angst völlig irre Junge lief hinter dem Vermummten hin und her. Der erste Pirat brach durch die Koniferen und brüllte den Vermummten aus voller Kehle an. Dann blieb er stehen. Keine zehn Meter vor ihm das vermummte, männliche Gift. Wütend riss er seine Armbrust heraus und zielte auf dessen Gesicht.
Der Vermummte bewegte sich genau auf ihn zu. Der Pirat feuerte… mit einem Krachen traf ihn ein schwerer Peitschenhieb von der Seite und warf ihn um. Der Kerl versuchte aufzustehen, aber unerträgliche Schmerzen die seine ganze Seite hinab strahlen hielten ihn am Boden.
Er versuchte es nochmal – ohne Erfolg.
Zudem spürte er, dass seine Knie von der Wucht des Aufschlags ausgerenkt waren und unnatürlich standen seine Unterschenkel ab. Er schaute hoch.
Der Vermummte kam langsam lachend auf ihn zu, der Anblick schien ihn zu amüsieren. Die dunklen Augen hinter dem Mundschutz warfen in den Augenwinkeln Lachfalten und kurz äffte er die verrenkte Haltung des Gefallenen nach.
Die ungeheure Peitsche zuckte dabei bedrohlich. Der Pirat versuchte in Deckung zu kriechen. Der Vermummte teilte einen gezielten Schlag aus, die Wucht die den am Boden liegenden Kerl traf war so groß, dass der Mann in zwei Hälften gerissen wurde.
Der Vermummte entfernte sich von seinem ersten Opfer. Der zweite Pirat – Sniff ging kreischend zum Angriff über. Der Junge zögerte kurz und schloss sich dann aber dem älteren Kameraden an.
Die Geschwindigkeit der Peitschenhiebe war erstaunlich. Der Pirat beobachtete, wie der Junge in letzter Sekunde in die Luft sprang, um einen gezielten Hieb auszuweichen. Der Vermummte schien einen Moment verwirrt darüber zu sein. Binnen Sekunden darauf ließ allerdings ein dumpfes Krachen den Piraten zusammenzucken.
Die Peitsche hatte mit aller Wucht auf Fleisch getroffen. Mit dem Rückholhieb hatte das vermummte Monstrum ihn genau im Kreuz erwischt. Er lag etwas abseits im Gestrüpp und der Feind ging entschlossen auf ihn zu.
„Steh auf!“, brüllte der Pirat den Jungen an.
Der Junge kam schlotternd wieder auf die Beine, wirkte aber sehr unsicher. Er stolperte und prallte gegen einen Felsen.
"Ist Dir nicht gut?", gurrte der Vermummte vergnügt und lachte dann erneut sein irres Gelächter.
Er hielt kurz inne, machte dann ein paar Schritte und spannte erneut die Muskeln an.
Drei schwere Schläge gingen an der Stelle nieder, wo der Junge lag. Es klang als hätten sie Knochen und Muskeln zerfetzt.
Die Pupillen des Piraten weiteten sich vor Zorn. Mit gezogenem Messer und einem schnellen Sprint rannte er auf den Vermummten zu. Der vermummte Kerl rollte sich mit den Reflexen einer Viper nach rechts ab um nicht aufgeschlitzt zu werden und schlug zeitgleich nach hinten aus. Er traf einen Busch und den Piraten gleich hinter sich und zerfetzte beide in tausend Teile.
Der Vermummte überblickte den Kampfplatz und reckte dabei den Faden in die Höhe. Er dröselte sich binnen Sekunden in tausende, hauchfeine Fäden auf, formte sich neu – beruhigte sich und legte sich wie ein harmloses Armband und den Arm eines Mannes.
Ein letztes prüfendes Lauschen, da er seinen Ohren mehr als den Augen traute… nein… die Gefahr für seine Schäfchen war vorüber, stelle er zufrieden fest. Er hatte gute Arbeit geleistet, ein bisschen trainiert und ganz nebenbei jede Menge Spaß gehabt. Sofort nahm er wieder die Verfolgung „seiner Herde“ auf und heftete sich in ausreichendem Sicherheitsabstand an ihre Fersen.
****
„Aufgewacht und Bereitgemacht!“, rief Jeelen gut gelaunt.
Die Pause am Felsen hatte allen gut getan. Einigen ganz besonders, wie er grinsend feststellte, als er Gasmi neben Urako aufwachen sah. Er selbst räumte sein Nachtlager und half dann direkt seiner Gefährtin ihre Sachen zu verstauen.
Als die Gruppe sich abmarschbereit versammelt hatte, überblickte sie Jeelen noch einmal prüfend. Alle waren in Ordnung, alle waren ausgeschlafen. Besser konnte es nicht sein.
„Auf geht’s“, gab Aino den Abmarschbefehl. Der Goblin setzte sich erneut an die Spitze der Truppe.
Pavo gähnte und steckte sich eine Pfeife in den Mundwinkel und zog ein silbernes Feuerzeug hervor um sie anzustecken. Gasmi beobachtete ihn fasziniert bei seiner Bemühung. Die Flamme tanzte um das Kraut, doch es wollte nicht Feuer fangen.
„Das Kraut will einfach nicht angehen“, beschwerte sich Pavo bei Aino und wollte die Pfeife einfach ausklopfen.
„Das ist nass durch den Morgentau, was lässt Du die Scheiße auch draußen liegen? Außerdem unterlass den Mist. Rauchen im Wald? Hallo – fällt Dir dazu was ein?“, hakte Aino nach.
„Mir fehlt der Kaffee, ich meine mein Tee! Kaffee trinke ich ja nicht mehr. Drum dacht ich ein Pfeifchen wäre gut“, gähnte Pavo.
„Kaffee hab ich nicht, aber Bonbons wenn Du magst“, erwiderte Wolfi und reichte ihm eine kleine Tüte.
„Kann ich die alle haben?“, fragte Pavo gut gelaunt.
„Hast Du doch schon in der Pfote. Lass sie Dir schmecken“, antwortete Anwolf gelassen.
Der Marsch dauerte bereits geraume Zeit. Jeelen blickte nach vorne. Ein ruhiger, dunkler Fluss teilte die Landschaft. Sie waren nah genug diese seltsamen gewaltigen Bäume von den anderen unterscheiden zu können. Es musste eine einheimische Spezies sein.
Es waren majestätisch geschwungene Bäume, die sich erhoben wie Wächter die den Wald bewachten der sich dahinter ausbreitete.
Von der anderen Seite her ertönte ein dumpfer Schlag, gefolgt von einem Pfeifenden Geräusch, als hätte jemand einen Wasserkessel zu lange auf dem Herd stehen lassen.
„RUNTER“, brüllten fast alle der Truppe zeitgleich bis auf Lydia die grimmig starrend ausmachen wollte, woher der Krach kam und was das überhaupt für Zeug war, dass ihn verursachte. Jeelen packte sie entgeistert am Arm und riss die Zwergin zu Boden.
"Bist Du verrückt?", zischte er sie leise an, was Lydia breit grinsen ließ.
"Sorge? Süß", kicherte sie.
"Ja Lydia! Das sind Granaten! Wenn sie Dich treffen, bist Du ein Puzzle. Die Dinger zerfetzen Dich in tausend Teile. Bleib unten", warnte sie der Goblin.
Die Gruppenmitglieder duckten sich, zogen die Köpfe ein und zogen ihre Waffen. Das Pfeifen wurde lauter und wuchs zu einem regelrechten Kreischen an. Dann eine kurze Pause, und dass Wasser vor ihnen explodierte in einer weißen Wolke, als eine Granate darin einschlug. Die Truppe duckte sich tief.
„Zeit?“, zischte Aino.
„Drei Minuten – maximal“, antwortete Jeelen.
„Bereitmachen!“, befahl Aino über den Lärm des Feuers hinweg.
„Ich bleib hier, ich mach mich zu nix bereit! Bin doch nicht irre?“, fauchte Anwolf.
Ringsum explodierten nun die Granaten im Wasser und schickten weiße Fontänen in die Luft. Alle hielten die Köpfe gesenkt.
„Haltet die Waffen trocken. Sobald wir am anderen Ufer sind, bleibt in Bewegung. Niemals anhalten“, befahl Jeelen. Die Truppe murmelte ihre Zustimmung und nickte.
„Nein! Ich fühle mich unwohl!“, flüsterte Wolfi Jeelen zu.
„Wolfi, das ist normal. Bleib hinter mir ich schütz Dich“, antwortete der Goblin leise.
Jeelen sah Wolfi genau in die Augen. Der Kurze hat gewaltige Angst vor den Granaten.
„Wer Euch erzählt, dass er keine Scheiß-Angst hat, ist verrückt. Glaubt niemals solchen Schwachsinn. Und wenn die Person doch so empfindet, dann lauft mit so einem Selbstmord-Kandidaten nicht mit“, erklärte er sachlich, damit sich keiner seiner Angst schämen musste. Wolfi knuffte ihn dankbar.
Eine weitere Explosion wirbelte das Wasser vor ihnen auf und besprühte sie mit Gischt. Lydia fummelte grimmig an ihrer Armbrust. Jeelen beobachtete sie. Er strich ihr mit der Hand übers Gesicht.
„Was machst Du denn da?“, flüstere er.
„Ich hielt zurückschießen für angebracht!“, knurrte sie.
„Genau, töte sie Lydia –töte sie alle!“, feuerte Anwolf sie an.
„Sei leise Wolfi! Du musst die Angreifer sehen um zu treffen Süße. Die werfen nur in eine ungefähre Richtung. Die sind im Vorteil, lass den Kopf unten. Granaten sind Golbinzeug. Vertrau einem Goblin“, antwortete er ihr leise.
"Es ist nicht Recht sich zu verstecken und dabei fliegenden Sprengstoff auf uns zu schleudern", flüsterte Lydia.
„Eben!“, murrte Anwolf.
"Mir gefällt das genauso wenig", wisperte Jeelen zurück.
„Entfernung?“, hakte Aino nach und Jeelen wandte seine Aufmerksamkeit sofort dem Beschuss zu, hielt "seine Frau" aber am Arm fest und drückte sie ins Grün.
„Sechzig Meter – zwei. Nein Korrektur – drei. DREI“, rief er Aino zu und hob drei Finger.
„Sicher?“, hakte Aino nach.
„Drei!“, bestätigte Jeelen.
„Was denn drei? Ich verstehe das nicht. Was meint er denn mit drei? Und die Meter? Was ist 60 Meter lang? Diese abgehackten sehr unpräsizen Erklärungen machen mich ganz verrückt“, flüstere Wolfi durch den Wind und drückte sich neben Pavo ins Grün.
Jeelen musterte den jungen Naridier wütend.
„Du wechselst nicht noch mal ohne Befehl die Position, oder ich leg Dich übers Knie Bursche“, knurrte der Goblin.
„Ja, verstanden“, kam die kleinlaute Antwort.
„Die Erläuterung es befinden sich drei Grantatschleudern auf 60 Meter Entfernung“, erklärte Jeelen und wartete wie der Rest der Truppe den Zeitpunkt zum Vorrücken ab.
Der Himmel war inzwischen bewölkt wie sie feststellten und dünner Regen rieselte in grauen Schleiern auf sie herab. Vielleicht waren es gerade mal 100 Meter bis zum anderen Ufer – ihr Glück dass die Granat-Geschütze nicht soweit reichten, die anderen leider schon.
Grau-grün-schwarz erstreckte sich das andere Ufer mit den Riesenbäumen, bevor der unglaublich dichte Wald begann.
Über dem Blätterdach erhob sich ein steiler Bergrücken, eingehüllt in Nebelschwaden. Jener Berg, der ihnen den ersten Abend so versüßt hatte auf dieser Welt. Vielleicht brachte ihnen dieses Bild genau jetzt Glück dachte Pavo.
Das Granatfeuer wurde eingestellt. Eine Zeitlang herrschte unheimliche Stille. Durch den dünnen Wasserschleier bemerkte Jeelen plötzlich einen roten Blitz am Ufer. Dann einen zweiten, und einen dritten. Einen Augenblick lang herrschte erneut Stille.
Dann ein neues Geräusch. Es war weicher, wie von einem Besenstiel der auf einem federgefülltem Kissen geschlagen wurde. Zuordnen konnte es keiner, es schien kurz im Blätterdach entstanden zu sein und war schon wieder verschwunden bevor sie es richtig erfassen konnten.
„Es geht los Leute. Haltet Euch bereit…“, rief Jeelen.
Ringsherum prasselten die Salven in unglaublicher Schussfolge. Im Wald ballerten irgendwelche Typen mit Armbrüsten aufeinander ein und befeuerten sich mit Granaten.
Jeelen duckte sich, so tief er konnte, während er auf das Prasseln lauschte. Er war mehr als froh, dass sie noch auf der anderen Uferseite gewesen waren und der Fluss wie auch die Bäume einen schützenden Wall für sie bildeten.
Unerwartet strich sengende Hitze über Jeelens Gesicht, ein Schuss hatte ihn knapp verfehlt. Gasmi in einiger Entfernung spuckte wütend aus. Jeelen packte seine Armbrust fester und rief sich selbst ins Gedächtnis, die Waffe über dem Kopf zu halten, falls er durchs Wasser ans andere Ufer watend musste.
Rings um die Truppe zerfetzte das Zischen von Salven die Luft. Jeder hörte wie sie auf ihn zu- und an ihnen vorbeipfiffen. Es war surreal, fast wie in einem Alptraum.
Wieder kurz dieses seltsame felderleichte Geräusch.
Im gleichen Augenblick regnete es Männer. Sie fielen aus den Bäumen, durchlöchert, zerrissen und blutig, während andere wild und panisch wie aus dem nichts auftauchten, das Ufer hochrannten um aus ihrem Blickfeld zu verschwinden. Kurz ein schriller Schrei in ihrer Nähe und die Luft war für Sekunden voller Fleischfetzen.
„Unsere Chance, raus hier – los los los“, befahl Jeelen und sprintete los. Seine Gruppe direkt im Schlepptau. Als sie das Ufer erreichten, sprang er hinab und gleich mit den Knöcheln im nassen Boden zu versinken. Das Wasser war dunkel, klar und eisig kalt.
Jeelens Hose saugte sich augenblicklich voll und zog ihn nach unten. Den anderen erging es nicht besser. Sie stampften vorwärts, erfüllt von nervöser Erwartung, während sie auf einen brennenden Bolzen-Einschlag in ihre Körper warteten.
Die Füße sanken tief in die Nässe, die an ihnen saugte wie Treibsand. Überall ringsherum waren nun Männer. Aber irgendetwas schien sich zwischen ihnen zu bewegen.
Schnelle, huschende Bewegungen. Kaum zu fassen, kaum mit menschlichen Augen zu verfolgen. Wer zu nah an diesen Schatten geriet brach ohne Vorwarnung zusammen. Die Leiber der Feinde bildeten bereits in der Entfernung große nasse Klumpen im Grün.
Pavo verlor das Gleichgewicht und stolperte ein paar Schritte vor, während er verzweifelt bemüht war, die Stiefel aus dem klammen Boden zu ziehen und unter den Körper zu bringen. Es gelang ihm nicht und er fiel mit dem Gesicht voran in den nassen Matsch. Dort lag er, und Wasser rauschte an ihm vorbei, eiskalt und blutig rot gefärbt.
Für einen Augenblick erstarrte er, vergrub das Gesicht im Matsch und lauschte den Schreien und Schüssen rings umher. Etwas Schweres fiel auf seine Beine, und als er sich umdrehte sah er in ein entsetzlich verzerrtes Gesicht. Dort wo der Magen der Person sein musste, war jetzt bloß noch eine Masse an Blut und hervorquellendem Rot zu sehen.
Emotionslos befreite sich der ehemalige Priester von dem Toten. Von den meisten Toten hatte man nichts zu befürchten. Es sei denn sie waren Krankheitsträger. Woran der Kerl gestorben war, war eindeutig.
Im nächsten Augenblick ergriff ihn schon Jeelen, zog Pavo auf die Beine und rannte mit ihm los so schnell er konnte. Beinahe erstaunt war die Gruppe, dass es sie nicht erwischt hatte. Sie erreichten die schützenden Baumstämme und warfen sich dahinter in Deckung. Sie pressten sich dicht gegen das Holz, als plötzlich etwas vorbeizischte.
Aus dem Augenwinkel dachte Aino für einige Sekunden so etwas wie eine schwarze, dünne Schlange gesehen zu haben und duckte sich tief. Keinen Moment zu spät. Schweres Abwehrfeuer erklang in aller nächster Nähe. Dann ein zischender Knall und Rindenstücke und Steinsplitter regneten auf die Almanin herab.
Das Abwehrfeuer erstarb mit einem seltsamen abgehackten Gurgeln. Zwei Männer krochen ihnen über den nassen Boden entgegen. Stöhnten jämmerlich, oder riefen Namen die ihnen allein bekannt waren.
Die Wunden die sie trugen waren nicht zuzuordnen. Abgeplatztes und aufgeplatztes Fleisch. Bei einigen offene Frakturen, die Knochen freigelegt von einer Gewalt die der Truppe unbekannt war. Allen Kerlen stand schieres Entsetzen ins Gesicht geschrieben.
„KIGYO!!! Lauft, sie kommt!“, schrie einer der Kerle und reines Grauen sprach aus seinem Blick.
„Kigyo? Was ist eine Kigyo?“, fragte Aino.
"Keine Ahnung, noch nie davon gehört. Falls wir eines fangen könnten, sollten wir das Exponat aufs genau erforschen", antwortete Pavo an ihrer Seite.
"Die Verletzungen? Kannst Du damit was anfangen?", hakte die Almanin nach.
"Stumpfe Verletzungen. Extreme Gewalteinwirkung. Sehen aus wie von Stürzen, oder etwas das mit gleicher Wucht, Kraft und Geschwindigkeit zuschlägt. Müsste einen von ihnen genauer untersuchen", gab Pavo freundlich zurück.
"Später Pavo, jetzt ist das zu gefährlich. Das Risiko ist mir die Antwort nicht wert", flüsterte die kahlköpfige Frau.
Die Bäume schienen ihnen wirklich Glück zu bringen wie Aino dachte. Einige wütende Geschosse gingen in das Holz und verpufften so wirkungslos. Ein Boot mit stampfendem Dampfmotoren schoss heran und glitt ans Ufer. Einige Männer sprangen in Panik hinein.
Jeelen riskierte einen Blick um den Stamm herum. Eine Handgranate flog wie in Zeitlupe zu dem Boot herüber, und ging mitten auf dem Deck runter. Sie zischte einen Augenblick lang vor sich hin, dann explodierte sie und sandte heißes Schrapnell in die Leiber der Insassen und tötete sie augenblicklich.
Er duckte sich wieder und starrte zu Seddik rüber. Der Ork bemerkte den Blick von Jeelen und schüttelte den Kopf. Er hatte nicht geworfen.
Ein Mann rannte zick-zack durch die Botanik und kam mit einem Sprung vor ihnen auf. Irgendwas Dunkles traf ihn mit peitschenartigem Knall ins Gesicht und er stürzte wie vom Blitz gefällt zu Boden. Die Hände zitternd vor die breiig-rote Masse gepresst die einmal sein Gesicht gewesen war.
Dann rollte eine Reihe von schweren Explosionen über das Ufer, das feindliche Armbrustfeuer wurde schwächer genau wie die Rufe der Männer und erstarb dann.
„Los schnappen wir uns einen und quetschen ihn aus!“, sagte Jeelen und in der schlagartigen Totenstille klangen seine Worte als hätte er gebrüllt.
Aino grabschte ihm grob ins Genick, nahm den Goblin in den Schwitzkasten und hielt ihm mit der Hand felsenfest den Mund zu. Jeelen senkte beschwichtigend den Schädel und wehrte sich nicht. Das letzte was er gewollt hatte, war seine Truppe in Gefahr bringen.
Angestrengt lauschten sie in die Stille. Eine Zeitlang hörten sie nichts, dann leise Schritte.
Die Person lief ein Stück, blieb stehen und… witterte?
Wer immer es war, schien wirklich in der Luft zu schnüffeln. Aino ließ Jeelen los und robbte blitzartig ein Stück von der Gruppe weg. Hinter einem Baumstamm richtete sie sich mit gezogener Armbrust auf. Sie waren hier nicht allein, aber wer immer das war hatte sie nicht angegriffen – im Gegenteil.
Vielleicht interpretierte sie auch zu viel hinein und sie waren nur unbewusst zwischen die Fronten geraten. Die Almanin wischte sich übers Gesicht, schloss kurz die Augen, nahm all ihren Mut zusammen und machte sich bemerkbar.
„Kigyo? Wer immer Du bist – Danke“, rief sie in den Wald hinein und wartete ab.
Aino öffnete die Augen – sie spürte dass sie nicht mehr allein war. Jemand war ganz nah, zum greifen nah - irgendwo in unmittelbarer Nähe. Man spürte eine Aura der Gefahr, die von dieser Person ausging. Sie war in extremer Nähe aber sie sah die Person nicht.
Die Almanin blickte sich um, das einzige was sie sah, waren schwarze glänzende Lianen die vom Baum herab rankten. Sie folgte ihrem Blick und schaute dann zum Himmel auf. Ein Schwarm bunter Vögel strich darüber hinweg in perfekter Formation.
Dann ließ sie ihren Blick über die Toten schweifen, die vielen Männer die hier gestorben waren. Sie lagen in wildem Durcheinander auf dem Waldboden. Einige in seltsamen Verrenkungen oder Umarmungen, während das Blut aus grässlichen Wunden sickerte und sich mit dem Waldboden vermischte. Der Regen hatte mit Macht eingesetzt und prasselte auf das Blätterdach über ihnen allen ein. Der gesamte Wald glitzerte – Kigyo wollte sich scheinbar nicht zeigen.
Die Gefahr von der angreifenden Gruppe war vorbei, sie pflasterten den nassen Waldboden als Leichen.
Die Almanin ging zurück zu ihrer Gruppe und verpasste Jeelen einen freundschaftlichen Knuff vor die Schulter als Zeichen dass sie ihm nicht böse war.
„Abrücken“, sagte Aino mit einem Gefühl dass sie nicht definieren konnte.
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Varmikan betrat am Abend das Haus und schaute sich suchend um. Dave saß vor dem Kamin im Wohnzimmer und las irgendein Buch.
„Hallo“, grüßte der Frostalb den Naridier und strich seinem Schatz über den Schädel.
„Na Du? Alles klar? Wo warst Du? Zur Erinnerung - wir haben sturmfreie Bude“, grinste Dave breit.
„Klingt ausgezeichnet. Für Dich Sternchen, habe ich Dir extra mitgebracht“, sagte Varmikan und reichte Dave eine Tüte getrockneter Pfirsiche.
Dave riss die Packung auf, steckte die Nase in die Packung und atmete genüsslich den Duft der Pfirsiche ein, ehe er sich gleich mehrere in den Mund stopfte. Futternd fütterte er auch Varmi mit den Pfirsichen.
„Ich liebe die Teile, die sind voll lecker“, mampfte Dave gut gelaunt.
„Ich weiß, drum habe ich sie Dir mitgebracht. Wollen wir es uns oben bei Aino gemütlich machen? Da könnten wir auf ihrer großen Spielwiese spielen“, schlug Varmikan vor und nahm sich noch einen Pfirsich.
„Du meinst im Bett von Aino? Warum nicht? Ist ja keiner da“, lachte Dave und grabschte Varmikan an der Hand.
Mit ihm gemeinsam ging er nach oben und machte es sich dort im Bett von Aino gemütlich. Varmikan legte sich sofort dazu und nahm Dave in den Arm.
„Rutsch runter, damit ich Dich in den Arm nehmen kann. Ich füttere Dich auch mit Pfirsichen“, kicherte Dave.
„Von mir aus, ich wäre der Letzte der sich da sträubt“, stimmte der Frostalb zu und rutschte ein Stück nach unten.
Dave machte es sich erneut neben Varmi gemütlich und legte seinem Schatz einen Arm um den Hals. Liebevoll kraulte er Varmikan den Schädel und fütterte ihn dabei mit Pfirsichen.
„So ist es perfekt“, freute sich Varmikan und räkelte sich genüsslich.
„Keiner zwingt uns, damit aufzuhören. Es sei denn die Pfirsiche gehen zu Neige, dann müssen wir auf was anderes Leckeres umsteigen“, antwortete Dave und küsste Varmikan liebevoll.
„Was Du über Aino gesagt hast, hat mich echt traurig gemacht“, erklärte Varmikan nach einer Weile und nahm Daves freie Hand in seine.
„Was hab ich gesagt?“, hakte Dave nach.
„Mental gesagt, übermittelt. Ihre Herkunft. Was für Eltern. Denkt man so gar nicht. Aber wem sieht man seine Vergangenheit schon an“, sagte der Alb leise.
„Wohl wahr, Danke“, gab Dave schlicht zurück und drückte Varmikan.
„Was sie Dir bedeutet, kann ich mir vorstellen. Was Du und die anderen Geister ihr bedeuten, weiß ich. Ich habe sie einmal heimlich ausgelesen. Sie liebt Euch“, flüsterte Varmikan.
„Nun sie bedeutet mir alles, wie eine große Schwester. Aino und ich sind zwei Seiten einer Münze. Sie ist die helle Seite und ich bin die dunkle Seite. Nicht nur von der Farbe her.
Aino kämpft mit Waffen, damit nie wieder jemand von uns kämpfen muss.
Ich kämpfe mit Plan, Intrige und dem Geist, weil ich den Kampf und die Herausforderung liebe.
Wir beide leben also das gleiche Leben, nur aus einem anderen Grund. Uns beiden geht es nicht ums Töten, sondern meist um den Schutz von Personen die uns nahe stehen oder uns selbst. Letztendlich natürlich auch darum Geld zu verdienen.
Sie ist einfach eine Gute, weißt Du? Manchmal ist sie so lieb, dass es schon an Dummheit grenzt“, grinste Dave verlegen.
„Musst nicht verlegen sein, bei einem Kompliment. Wenn Du und Aino zwei Seiten einer Münze seid, was ist dann Pavo für Dich in Eurem Trio?“, fragte Varmikan neugierig.
„Pavo? Pavo ist das Wichtigste. Pavo ist der Münzrand, er hält alles zusammen“, antwortete Dave gut gelaunt und strich Varmikan mit einem Finger über die Augenbraue, „Du bist verletzt“.
„Nun ich habe meinen Job erledigt. Dabei bekomme ich ab und an eins auf die Fresse“, gab Varmikan zurück, was Dave losprusten ließ.
„Wie würde Pavo jetzt sagen? Irrer! Lass mich das mal angucken“, bat Dave und tastete vorsichtig die Augenbraue von Varmi ab.
„Macht es Spaß an mir rumzufummeln? Ich habe viel interessantere Gegenden am Körper wo Du fummeln könntest“, flötete Varmikan.
„Wo Du hoffentlich nicht verletzt bist“, grinste Dave noch breiter.
„Ich weiß nicht, bin mir nicht sicher. Willst Du nicht lieber nachsehen oder besser noch mich untersuchen?“, schlug Varmikan gespielt unschuldig vor.
„Ja jetzt wo Du es sagst, ich glaube auch, dass ich auf Nummer sicher gehen sollte. "Wo genau tut´s denn weh?“, schnurrte Dave seinem Schatz ins Ohr.
"Unten, ganz tief unten", grinste Varmi.
"Dann lass mal den Doktor pusten", lachte Dave.
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