Der Schlüsselmeister und der Drache

  • Der Schlüsselmeister und der Drache



    Als Schlüsselmeister habe ich eine Aufgabe erhalten, sehen und erkennen. Und so liegt es an mir, jenen in den fernen Zeiten mit den Waffen auszustatten, den heiligen Gobelin der Zeit zu beschützen. Den eines Tages wird er am Himmel erscheinen, der Dämon - der Drache, der die Zeit selbst vernichten will. Diese Pflicht dieses Wesen aufzuhalten ruht auf den Schultern eines Mannes. Er trägt diese Bürde unwissend im Herzen, er trägt sie weise.


    Man kann den Drachen der die Zeit vernichten will auf zwei Arten erschlagen - durch Überzeugung und durch den Tod. Seine Seele ist verloren, sie weilte nie wirklich im Nexus hinter den Sternen, sondern sie fristet ein Dasein in Finsternis, die sich in seinem Herzen vor langer Zeit eingenistet hat. Die Seele des Drachen benötigt zwei Relikte um gerettet zu werden, eine Laterne des heiligen Lichts um ihn aus der Dunkelheit zu führen und ein Schwert von gleicher Machart um sich im Licht zu verteidigen. Oder der Weise selbst nutzt beides, um Erkenntnis zu erlangen und den Drachen mit dem Schwert zu erschlagen.


    Vergesst eines nicht, der Drache ist die Pein, die man ihm einimpfte. Er ist ein Schatten des Chaos, der eine nekrotische Haut trägt. Er trachtet danach, die in dem Leid zu ertränken, dass er selbst erdulden musste. Dadurch wird er etwas anderem den Weg ebnen, der Auflösung von allem und Nichts. Er der den Gobelin der Zeit zerfasern will. Jene die nur einen Blick auf diese Welt haben, vergleichen die Stunden die durch ein Stundenglas rieseln mit der Zeit, die tatsächlich verstreicht. Für den Drachen der die Zeit vernichten will, ist die Zeit selbst der Feind. Können Zeitmessung und wahre Zeit je dasselbe sein? Oder anders gefragt, sind sie wirklich verschieden? Die Antwort darauf kennt nur Ainuwar selbst - oder der Drache.


    Der Drache ist die Frage, die Bedrohung und die Antwort selbst.


    Dem Pfad dem er folgt, von dem muss sich der Weise leiten lassen. Ich spreche als Schlüsselmeister und Meisterin nicht von einem Ort, sondern von einer Zeit, einem Geschehnis, das im ewigen Kreislauf immer wieder erzählt werden wird. Wir alle sind verwoben im Gobelin der Zeit Ainuwars, zugleich innerhalb seiner Geschichte und außerhalb. Eng in seine Fäden gewickelt, während wir zeitgleich versuchen sie zu entwirren - ja zu verstehen. Aber dies steht nur denen zu, die die Welt auf beiden Winkeln betrachten können oder jene, die von Ainuwar mit dem Blick gesegnet sind. Denn Ainuwar ist jener, der den Gobelin der Zeit selbst webt und er ist zeitgleich dessen Fäden.


    Endet der Faden der Zeit jemals, wird nichts mehr existieren - dass weiß der Drache. Wir alle werden untergehen, im Nichts verschwinden, denn wir sind in diesem Gobelin eingewoben. Wir befinden uns stets im Reich der Zeit! Im Reiche Ainuwars.


    Der Drache wart in der Höhle der Finsternis geboren, dennoch trug er Licht im Herzen. Er war vom Schicksal dazu auserkoren, Leid zu erdulden. Und eines Tages, wurde er selbst Teil des Leids und durchtrennte seinen Faden. Seine Seele wurde besudelt, sie blutete, wie blutroter Wein. Und er hörte auf eine Stimme, die ihm die Lösung versprach - ein Wispern, uralt, mächtig und vergessen.


    Und so beschloss der Drache, alle Fäden zu durchtrennen, denn im Nichts existiert nichts - nicht einmal Schmerz. Denn auch dies weiß der Drache, nur aus dem Nichts kann etwas Neues entstehen. Dies beschloss er in der Zukunft, bevor er sich auf den Weg machte, die Welt zu verschlingen und die Zeit zu töten - bevor er sich völlig selbst verlor.



    - Verrill über Irimoq



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