Kapitel 26 - Der Schlüsselmeister des Lichts
An Bord von Thabit schritt Verrill unruhig auf und ab, während Chiara versuchte die Ducachessa zu beruhigen. In ihrem Zustand war jede Aufregung Gift, denn sie trug das Kind seiner Majestät unter dem Herzen. Mit grimmigem Gesichtsausdruck ließ sich Verrill auf eine der Sitzgelegenheiten nieder. Für die außergewöhnliche
Bauart von Thabit, hatte die Ducachessa im Moment keine Augen. Ebensowenig für die Technik, die nicht von dieser Welt zu sein schien. Sie hing ihren eigenen finsteren Gedanken nach.
Thabit hingegen beobachtete seine Gäste sehr genau, allen vorran Tazio und seine Frau. Er überwachte durch seine Sensoren den Herzschlag des Ungeborenen, denn er wollte nicht, dass Tazios Kind in Gefahr geriet. Die Inbesitznahme schien Verrill gut verkraftet zu haben. Dennoch war Thabit nicht weniger wütend als Verrill, nur aus einem völlig anderen Grund. Er fand es unverantwortlich von Horatio nach dem Leib dieser Frau zu greifen, während sie das Kind von Tazio Ferdinando di Ledvico unter dem Herzen trug.
Darüber war noch nicht das letzte Wort gesprochen, auch wenn Verrill der Schlüsselmeister von Horatio war. Wer war zur ihrer Rettung geeilt? Wo lebte sie? Welches Land nannte sie Heimat? Sie gehörte Tazio, sie war seine Frau, seine Ducachessa, die Mutter seiner Kinder. Dadurch gehörte sie zur Familie und Thabit würde alles daran setzen, das Ungeborene und sie zu beschützen. Der Leviathan pflügte mit finsteren Gedanken durch die See, Irving spürte jeden einzelnen dieser Gedanken.
Vianello trat zu Verrill und reichte ihr einen Tee, den sie mit dankbarem Nicken entgegen nahm.
"Begleitet mich bitte Hoheit, Ihr solltet nicht derart brütend durch das Schiff laufen, Ihr müsst Euch schonen", bat Nello.
"Da hast Du völlig Recht! Ich muss zu Tazio! Mein Bruder ist nicht ganz bei Sinnen! Er kreidet unserem Schutzpatron an, das Land zu bedrohen? Lächerlich. Seine waghalsigen Aktionen haben unser Land gefährdet, weshalb kam Dunwolf überhaupt nach Souvagne? Weil Ciel ihn zu uns gelockt hat. Bis dato hatten wir nichts mit den naridischen Problemen was Dun-Haru-Mar betrifft zu tun. Er sollte anfangen selbst zu denken, stattdessen plappert er nach, was der Kastrat Alex ihm vorbetet. Wie erbärmlich ist das für einen Princen? Und dieser Tropf von einem Mann soll ein Land regieren? Er?", donnerte Verrill.
"Hoheit beruhigt Euch bitte, dies ist ein Beruhigungstee. Versucht ihn wirken zu lassen. Atmet tief durch, versucht zu entspannen. All das können wir auch in Harmonie klären. Euer geliebter Bruder hat sicher auch damals versucht, die Welt vor einer Bedrohung zu retten. Und was es mit Horatio auf sich hat, dass kann ich nicht beurteilen. Ich bin nur ein einfacher Leibdiener Hoheit, mir entzieht sich derartiges Wissen. Und offen gestanden bin ich froh darum. Nun kommt bitte und begleitet mich zu Tazio. Er vergeht vor Kummer und Sorge um Euch", bat Vianello und machte eine einladende Geste.
"Du hast Recht, ich muss zu Tazio, mein Mann wird wissen wie man mit Ciel verfährt. Sich mit Dunwolf verbünden wollen, war er nicht sein Erzfeind? Und nun trinken sie Bruderschaft? Wenn Ciel versucht die Welt zu retten, sollte jeder den Kopf einziehen. Es reicht was ich über die Ältesten weiß Nello. Niemand hat von Dir einen Vortrag über ihre Fähigkeiten verlangt. Und keiner kann alle Ältesten kennen, einige haben Wächter ihres Wissens wie mich, andere nicht. Selbst ich kann nicht alle kennen oder ihre Fähigkeiten, ich kann nur das Wissen verwahren, was mir Horatio zur Verfügung stellt, oder eigenes sammeln", sagte Verrill und schritt durch Thabit in einem Stechschritt das Vianello und Chira Mühe hatten mit ihr Schritt zu halten.
Verrill enterte die Brücke und warf sich Tazio in die Arme. Sie drückte ihren Mann, als hätte sie vor ihn zu ersticken. Die Wut war schlagartig in Tazios Armen verraucht, sie fühlte sich müde, wach und hilfslos und klammerte sich regelrecht an ihm fest.
"Tazio wir müssen Ciel aufhalten, bitte. Du weißt nicht, was er anrichten wird. Horatio hat niemanden angegriffen, im Gegenteil er steht unserem Volk seit Äonen von Jahren bei. Ganz ähnlich wie Thabit unserem Ledwick. Ciel hat nicht die geringste Ahnung, er verurteilt Horatio für etwas, dass er nie tat. Schau einst brachte er den Teil einer uralten Magie in die Welt um Almanien zu schützen. Normalerweise ist er neutral eingestellt und ehr ein Beobachter. Er schreitet nur ein, wenn es wirklich sein muss. Er ist ein Forscher, ein Wissenssammler, daher auch die Flamme des Wissens. Unwissenheit zerstört, wenn man etwas versteht, entwickelt man auch Verständnis, so sagt er.
Als die Rakshaner unsere bekannte Welt in Stücke reißen wollten, als sie die Burgen und Bibliotheken schleifen wollten, da nahm er menschliche Gestalt an und lehrte unserem Volk den Gebrauch eines Magiesplitters. Dieser Zweig einer uralten Magie, das war die Nekromantie.
...Und so zogen die Gräul des Krieges über dem Horizont Almaniens auf, geführt von Hunden die auf Hyänen ritten und die Zivilisation selbst angriffen. Horatio der Lichte wusste, dass dass man Schrecken nur mit noch größerem Schrecken besiegen kann. Und was schreckt einen Menschen mehr als der Tod? Der Untod! Und so erhoben sich auf den Schlachtfeldern die gefallenen Feinde und wurden zu Kameraden. Die Wüstenhunde prallten auf einen Wall aus untoten Leibern, geschaffen aus ihrer Armee, geschmiedet aus den Leichen ihrer Kameraden. Gesichter die ihnen einst gelacht hatten, lechzten nun nach ihrem Blut. Und so wendete sich das Blatt, als die einstigen Freunde ihnen das Fleisch von den Knochen schälten und sie verschlangen. Der finstere Untod, dargereicht von dem Lichten trieb die Schergen des Choas zurück in die Wüste.
Mit dieser Lehre war die erste Ultima Ratio geboren, geschaffen aus uraltem Wissen und der Weisheit, dass es in einem Krieg keine schmutzigen Waffen gibt.
Noch heute verwahrt der Orden "Blut und Gebeine" die alten Kampfsprüche, auf dass sich der Orden todbringend erhebt, sobald sich der Feind aus der Wüste erheben sollte.
Vater war nicht im Land, sein Thronfolger war nicht im Land, sogar Ciel war in Ehveros. All das hatte nur eines zu bedeuten, die Zeichen am Himmel standen auf Sturm, obwohl der erste Sturm erst gerade an uns vorübergezogen war. Sie verhandelten in Ehveros mit einer Natter, die schlimmer war als jeder Wüstenhund. Und so tat ich das, was jeder Regent getan hätte, ich rief den Orden Blut und Gebeine im Namen Horatios zusammen und ließ einen weiteren Orden von ihnen ausbilden.
Die Hand Horatios, so heißt mein Orden, meine nekromantische Eingreiftruppe.
Es handelt sich um Kampfmagier, ähnlich den Himmelsaugen nur bedienen sie sich der Nekromantie.
Hätten sich erneut die Rakshaner oder wer auch immer erhoben, wäre jeder Gefallene eine Verstärkung unserer Armee geworden. Sie beschützen Souvagne, sie verteidigen Almanien. Was denkt Ciel sich dabei, genau jenen Mann zu verunglimpfen und herauszufordern, der uns seit dem Anbeginn der Zeit beigestanden hat? Er leitete uns an, teilte sein Wissen und verlangte nichts dafür bis auf die Seelen unserer Feinde.
Sag was Tazi, ich benötige Deinen Rat. Ich musste uns in die Lage versetzen es mit dem Rest der Welt aufzunehmen um meinen Vater und meine Brüder zu retten oder zu rächen!", erklärte Verrill verzweifelt.