Kapitel 06 - Scheidung von Verrill und Linhard

  • Scheidung von Verrill und Linhard


    Linhard landete mit seinem Prachtadler in Puccitino, einem kleinen Ort in der Nähe von Rocca Calasico, genauer gesagt landete er unweit der Taberna Guerissello. Einen Moment später landete der Prachtadler von Verrill. Die Ducachessa von Ledwick gurtete sich ab und ließ sich gekonnt von dem mächtigen Vogel gleiten. Der Wind war frisch während der Reise und ihre Wangen fühlten sich kalt an.


    Linhard ging ohne Umschweife auf Verrill zu. Einen Schritt vor ihr blieb er stehen und betrachtete sie mit wehmütigem Lächeln.


    "Greg", grüßte er sie ruhig, was sie den Kopf schütteln ließ.

    "Lin, so hat mich eine Ewigkeit keiner mehr genannt", grüßte Verrill zurück und zog sich die Handschuhe von den Fingern.


    "Ich freue mich dass Du mit mir sprechen möchtest. Ich möchte ebenso mit Dir reden, komm rein", bat Lin, machte eine einladende Geste und gab den Weg vor.


    Verrill folgte ihm auf dem Fuße, zwar kannte sie Ledwick, aber jeden Ort kannte auch die Duccachessa nicht. Die Taberna war in einem warmen Braunton gehalten und wirkte warm und einladend. Sie überquerten den festgestampften Vorplatz und schritten die große Treppe empor, ehe sie die Taberna betraten. Warm war es in dem Haus, etwas das Verrill nach dem Flug zu schätzen wusste. Zwar gab es draußen einen wundervollen Garten, der keine Wünsche offen ließ, aber sie war froh drum, dass sie in der Taberna sprachen. Linhard führte sie an einen Tisch, der nahe bei dem Kamin stand, in dem ein Feuer prasselte.


    "Nimm Platz, hier ist es am wärmsten. Nochmals willkommen Verrill", sagte Linhard.


    Er bestellte zwei Getränke, die einen Augenblick später serviert wurden.

    "Wir müssen miteinander sprechen Linhard, Du weißt was Dir gleich sagen und Dir überreichen werde", erklärte Verrill ernst.


    "Das weiß ich, darf ich zuerst?", bat Lin und nahm einen Schluck.

    "Nur zu, ich höre", antwortete Verrill.


    " Es war ein langer Weg weist Du? Mein Weg war weit, bevor er mich überhaupt nach Souvagne und zu Dir führte. Mein Vater Ansgar hatte damals zwei Söhne und zwar Anwolf und mich. Die Geschichte meiner Familie reicht weit zurück Verrill, weiter als die meisten sich vorstellen können. Unsere Familiengeschichte ist geschrieben worden mit Blut. Ebenso war die Vergangenheit meines Vaters geschrieben worden und die seines Bruders Davard.


    Sie wollten es besser machen als ihr eigener Vater, aber wollen allein reicht nicht aus Verrill. Sie haben sich bemüht, aber mein Vater hat auf seine eigene Weise versagt. Er hat uns nie geschlagen oder misshandelt. Anwolf besitzt den Funken der Magie und war damit sein Ein- und Alles. Ich hingegen besitze den Funken nicht und damit war ich für ihn... nunja... behindert. Denn mir fehlte etwas Entscheidendes... Das habe ich zumindest geglaubt.


    Meine Folter war die Einsamkeit Verrill. Ich war da und dennoch war ich für ihn nicht existent. Ich war praktisch, aber mehr war ich auch nicht. Dann heiratete mein Onkel Dave und Brandur erschien auf der Hochzeit. Mein Vater war außer sich und es kam auf der Hochzeit wie es kommen musste.


    Brandur beschwor seinen Bruder Dunwin. Dunwin der Vater von Ansgar und Dave. Jener Mann der ihnen Dinge angetan hat, die ich unausgesprochen lasse, auch wenn ich heute im Bilde bin. Damals kam es, wie es kommen musste Verrill. Die Familie zerbrach, Brandur floh und ich schloss mich ihm und Dunwin an.


    Schau Dunwin hasste Ansgar und Dave, da sie Magier waren.

    Alastair, Dunwins Vater, hasste ihn, da er keiner war.

    Und Ansgar verurteilte mich eine Generation später dafür, ebenfalls kein Magier zu sein.


    Stets standen sich Magier und Nichtmagier gegenüber.

    Warum nur?


    Brandur und ich wollten einen neuen Weg einschlagen und wir haben es auch geschafft. Was Ansgar und Dave nicht verstanden haben war, dass es kein Angriff auf sie war. Es war ein Angriff auf einen alten Weg, der so nicht mehr bestehen bleiben durfte und zwar für uns alle. Hätten die beiden dafür gehen müssen, wäre es so gekommen. Aber es musste nicht sein und es kam auch nicht so.


    Ansgar und Brandur lieferten sich hier in Souvagne ein letztes Gefecht und genau dabei taten sie etwas, dass sie schon viel früher hätten tun sollen, sie reichten einander die Hände. Das war einer der schönsten Momente.


    Aber er war nicht von Dauer Verrill, denn Brandur mein Ziehvater starb kurze Zeit später an den Folgen des Kampfes.

    Viel ist geschehen Verrill. Ich bin nicht mehr der, der ich damals gewesen bin.


    So viele Kreise haben sich geschlossen.

    Anfang und Ende Verrill.


    Ich habe an Brandurs Seite gekämpft, er hat mich geliebt sowie ich ihn. Er ist gefallen für unsere Werte und ich habe ihn betrauert. Er war der erste Mensch der mir etwas bedeutete. Er war der erste Mensch, den ich von Herzen liebte und dann war er fort. Du hast ihn mir über Deinen Vater und Alexandre la Grange zurückgegeben. Aber so wie er einst in mein Leben trat habe ich ihn verloren.


    Und als Brandur erneut durch die Magie des Bluthexers in mein Leben trat verlor ich ihn durch meine unbedachten Handlungen. Ich hatte ihm noch einen Brief geschrieben, aber ich habe ihn verloren.


    Anfang und Ende, Verrill, der Kreis hat sich geschlossen und ich habe meinen Ziehvater verloren.


    Dann bist Du in mein Leben getreten und zwar als Gregoire. Ich kam nach Souvagne und Du hast mich zu Deinem Mann gewählt. Du warst der erste Mann, mit dem ich zusammen war und es war eine schöne Zeit. Wir haben uns geliebt und uns beigestanden. Von Dir habe ich genauso viel gelernt wie von Brandur, Du bist ein kluger Kopf Verrill. Aber Dir war die Welt da draußen genauso fremd wie mir.


    Dein Kerker war Deine Bibliothek in der Du Dich versteckt hast vor dem Grauen namens Benito.

    Mein Kerker war unser Herrenhaus.


    Wir beide wissen so vieles, was andere nicht wissen Verrill. Und auf der anderen Seite wussten wir vom tatsächlichen Leben so wenig. Unser Leben war schön und ich war gerne mit Dir zusammen. Du hast ganz schöne Krallen, das muss ich Dir lassen. Durch Dich habe ich Ciel kennengelernt und auch hier schloss sich ein Kreis.


    Auf der Höhe unseres Glücks hast Du unser Kind geboren.

    Aber es war nicht unser Kind Verrill, es war das Kind von Ciel und Dir.


    Der Mann der mir nahesteht wie ein Bruder, der Mann mit dem sogar ich das Bett geteilt habe, hat mir mein Kind genommen. Aber in Wahrheit hatte er das nicht Verrill, es war nie mein Kind.


    Anfang und Ende Verrill.


    Du hast Tazio kennengelernt und er ist Dir ein guter Ehemann. Er hat mich mit offenen Armen als Ehebruder willkommen geheißen. Aber ich war immer noch ein Kindskopf, ich war dumm und bin in einer Welt aufgewachsen, wo nichts eine Bedeutung hatte, am wenigsten ich Verrill.


    Schau bei allem was mir damals geschehen ist und was ich erlebt habe, war ich gerade einmal 18 Jahre alt. In Souvagne ist man mit 14 Jahren volljährig, aber vom Verstand her ist das niemand Verrill. Und ich war es noch lange nicht.


    Sicher habe ich meine Fehler gemacht und natürlich hätte ich auf Tazio und Brandur hören sollen.

    Aber welcher Jugendliche macht keine Fehler?


    Menschen machen Fehler und ich habe sehr viele gemacht. Die anderen vermutlich genauso. Es war Unrecht von mir, mich in anderen Betten herum zu treiben. Aber weißt Du, dass es in unserer Familie oft so gehalten wurde? Sie heirateten und hatten nebenbei ihre Geliebten. Sogar Brandur, sogar Alastair, sogar Kunwolf. Das macht es nicht besser, ich weiß.


    Vielleicht haben Ansgar und Irving Recht damit, dass ich nichts weiter als ein Idiot bin.


    Und wieder Anfang und Ende Verrill, Tazio nahm mich als Bruder auf und ich habe ihn durch meine unbedachte Handlung verloren.


    Einmal nur möchte ich etwas richtig machen. Ich weiß Du gehörst zu Tazio Verrill, Du gehörst an die Seite von Tazio und er ist ein guter, liebevoller und vor allem taffer Ehemann.

    Ich denke Du hast die Scheidungspapiere dabei, ansonsten hätte ich Euch darum gebeten. Ihr habt besseres verdient. Als ich Ledwick verlassen habe, war das ein seltsames Gefühl. Ich wusste, es war richtig, aber das hat es nicht leichter gemacht.


    Ich habe zu viele enttäuscht und Tazio ist kein Mann den man verprellen sollte. Er war mein Freund, er war mein Bruder und er war es freiwillig. Was er gab, gab er von Herzen. Er war der Bruder den ich bis dato nicht hatte, außer vielleicht Ciel. Sage ihm dass ich seine Freundschaft und Güte zu schätzen weiß, dass Ihr beiden immer einen Platz in meinem Herzen habt.


    Wir haben viel zusammen durchgestanden und das hat mein Leben verändert. Auch wenn wir uns nicht immer einig waren, waren wir Gefährten und haben uns stets den Rücken freigehalten. Was ich Euch sagen wollte war... Danke für alles.


    Und ich passe auf Euch auf. Wann immer Ihr meine Hilfe benötigt, oder in Schwierigkeiten seid, ich bin da.

    Aber Ihr beiden seid der Duca und die Ducachessa und Ihr gehört zusammen Verrill. Du hast einen guten Mann, es gibt keinen besseren.


    Wie sagte Dave einst? Ich bin zwar ein Arsch, aber niemand zwingt mich dazu ein Arsch zu bleiben. Du verstehst was ich meine", sagte Linhard freundlich.


    "Du hast das Wertvollste mit Füßen getreten Linhard. Tazio hat Dir mehr geschenkt, als Du begriffen hast. Und Du hast ihm damit mehr genommen, als Dir bewusst ist. Viele Freunde hat er nicht, aber Du warst einer von ihnen. Du warst für Tazio ein Vertrauter. Durch Deine Missachtung hast Du ihn ins Gesicht geschlagen.


    Wer wenn nicht Du hätte wissen müssen, wie einsam Tazio wirklich ist? Wie er sich fühlt? Er kann nicht einfach morgen kündigen und sagen, soll doch ein anderer den Job des Duca übernehmen. Sein Amt ist seine Bürde und seine Würde. Er ist jung und er ist allein.


    Er hat niemandem der ihm zur Seite steht, keinen Vater, keinen Beschützer auf dessen Rat er sich verlassen kann. Natürlich hat er mich und Vianello, aber ist dass das Gleiche? Ich weiß dass er mich von Herzen liebt und ich ihn ebenso. Aber ein Freund, dem man alles anvertrauen kann, ist etwas anderes.


    Tazio möchte vielleicht auch einmal Dinge besprechen, die er vielleicht nicht mit Nello oder mir besprechen möchte. Und ganz sicher möchte Tazio auch bei seinem Freund einfach mal Tazio sein, nicht der Duca, nicht Ledwick selbst. Einfach nur Tazio. Die Person die er wirklich ist.


    Er ist ein kluger Mann Linhard, er ist still und leise, aber das gibt Dir nicht das Recht so mit ihm umzugehen. Weder mit Tazio als Person, noch mit dem Duca. Als Freund warst Du ein Versager Linhard. Als Bruder warst Du grauenvoll zu ihm. Dass Du es einsiehst, ist ein Schritt in die richtige Richtung.


    Bedenke eines, wie wärst Du im Umkehrschluss mit Dir umgegangen?

    Was hättest Du getan, wäre Tazio so mit Dir als Freund, Bruder und Duca umgesprungen?

    Du kannst Dich glücklich schätzen Linhard, dass Tazio Tazio ist.


    Er kann keine Zuneigung mehr für Dich empfinden. Wie auch? Er gab alles wie Du sagtest, er gab es von Herzen und Dir fällt nichts anderes ein, als es ihm herauszureißen.


    Meinst Du er wollte Dir schaden? Linhard Du solltest die Augen öffnen, was Tazio getan hat.

    Er hat versucht Dich vor Deiner eigenen Dummheit zu schützen.

    Er wollte damit uns alle schützen. Dich, mich, sich selbst und unsere Kinder.


    Alles was er wollte war, dass es seiner Familie gut geht. Das was Du Deinem Vater ankreidest, er hätte Dich nicht gesehen, tat Tazio! Er sah Dich! Er versuchte Dich zu beschützen! Er versuchte seine Familie zu beschützen. Und Du? Nein Linhard, ich hoffe Deine Worte sind aufrichtig und Du hast es jetzt verstanden.


    Das freut mich für Dich, mach es in Deinem neuen Leben besser.

    In unserem hast Du keinen Platz mehr.


    Ich habe mich zudem selbst oft gefragt, ob ich schon damals tief in mir gespürt, dass Tazio und ich zusammengehören und es keinem dritten bedarf. Ich denke es war all die Zeit so. In dem Moment wo Tazio in mein Leben getreten ist, war es rund.


    Wir beide haben einander gewollt und das war eine ganz andere Ebene, als es jene zwischen mir und Dir er Fall gewesen wäre Linhard.Der Platz in meinem Herzen gehört ausschließlich Tazio und Delfio.


    Richtig ich werde nicht an der Ehe mit Dir festhalten. Ich habe mich von Dir getrennt und zwar durch eigene Hand.Tazio wurde von Dir genug gekränkt und gedemütigt Linhard, als dass er auch noch die Scheidung von Dir unterschreiben sollte. Ich habe Dich einst zum Mann genommen, Du hast Dich gegen unsere Familie gestellt.


    Und um es mit den Worten Deiner Familie zu sagen, wendest Du Dich gegen die Familie, dann wendet sich die Familie gegen Dich. Tazio hat sich immer stets offen und völlig frei für mich entschieden. Ohne wenn und aber, ohne jede Beifrau. Und Du? Wie hast Du es uns gedankt? Du hast nichts mehr an unserer Seite und in unserem Land verloren Linhard.


    Und eines noch, in dieser Sache geht es nicht um Dich Linhard, es geht mir um Tazio, meinen Mann", antwortete Verrill offen und ehrlich.


    "Dies ist für Dich Linhard, mit dem Befehl Ledvico innerhalb von 24 Stunden zu verlassen. Finde ich Dich dann noch hier, weiß ich das Deine Worte hohle Phrasen waren. In dem Falle werde ich persönlich dafür Sorge tragen, dass Du auf die Insel der Aussätzigen umziehst", erklärte Verrill ernst.




    Ehescheidung

    der Ehe


    von


    Ducachessa Gregoire Verrill di Ledvico, Prince de Souvagne

    geboren am 04.02.180 n.d.A. in Beaufort, Souvagne


    und

    Prince Linhard Xavier de Souvagne, Marquis von Hohenfelde,

    geborener: Linhard von Hohenfelde

    geboren am 14.08.185 n.d.A. in Shohiro, Naridien


    ist vor Ihrer Majestät, Ducachessa Gregoire Verrill di Ledvico, Prince de Souvagne,

    die Ehe mit heutigem Datum für geschieden erklärt worden.


    Hiermit wird rechtswirksam von unserer Person festgestellt, dass auf Wunsch Ihrer Majestät

    die Ehe mit sofortiger Wirkung geschieden wird.


    Seine Hoheit Prince Linhard Xavier de Souvagne, Marquis von Hohenfelde,

    trägt nach der Ehesscheidung den Titel sowie Namen:

    Marquis Linhard Xavier von Hohenfelde.


    Der Betroffene Marquis Linhard Xavier von Hohenfelde ist laut der Entscheidung Ihrer Majestät frei, eine neue gültige Ehe einzugehen.



    Monleone, 29.01.207 n.d.A.

    Ducachessa Gregoire Verrill di Ledvico, Prince de Souvagne





    Linhard nahm die Urkunde an sich, öffnete sie und las sie durch.

    "Wie gesagt Danke für alles Ihr beiden", sagte Linhard schlicht und faltete die Urkunde wieder ordentlich zusammen und steckte sie ein.

    "Geh Linhard und erweise damit Tazio und dem Duca, den Respekt der ihm gebührt. Es sind 24 Stunden Linhard, denke daran. Eine Ausfertigung davon ist für Dich, eine weitere richtet sich an den Palais de Souvagne, Du gehörst dem Hause Souvagne nicht länger an", erwiderte Verrill ruhig aber ernsthaft.


    "Ein letztes Geschenk von Euch, dass ich in Ehren halten werde. Ich reise umgehend ab und verlasse Ledwick", sagte Linhard und legte die Taler auf den Tisch für die beiden Getränke.


    Gemeinsam traten beide nach draußen. Linhard schwang sich auf Aquila, das große Tier bereitete die Schwingen aus, verharrte aber noch einen Moment.


    "Ich wünsche Euch das Beste, gehabt Euch wohl", sagte Lin mit diesen Worten gab er Aquila das Zeichen für den Abflug.


    Aquila sprang in die Luft und schlug hart mit den Flügeln. Lin hob zum Abschiedsgruß die Hand. Verrill nickte knapp wartete, bis Linhard aus ihrem Blick verschwunden war. Dann schwang sie sich selbst in den Sattel ihres Prachtadlers und trat die Heimreise zu Tazio an.




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