Der Großstabler

  • Der Großstabler


    Die Sonne erhob sich gerade als glutroter Ball über den goldenen Dächern der Stadt und die noch frische Morgenbrise bauschte die Vorhänge des Schlafzimmers von Fakhr Solasaubi auf, so dass diese im leichten Wind tanzten.


    Hochgewachsen und von schlanker, eleganter Statur saß Fakhr auf seinem gestopften Kissen. Der Blick der ihm aus dem polierten Messingspiegel entgegenblickte war der eines attraktiven Mannes mit perfekt geschminkten Augen und strahlend weißen Zähnen.


    Souib ein Meister seines Faches, sorgte jeden Morgen dafür, dass sein Herr und Gebieter so aussah, wie man es von dem Großstabler erwartete. Fakhr richtete sich im Sitzen zur vollen Größe auf, dass Zeichen für Souib, ihm den würdevollen Amtshelmhut auf das kahlgeschorene, braune Haupt zu setzen.


    Ein Ritual, eine Zeremonie, die Solasaubi jeden Morgen genoss. Eine kleine Krönung die er sich selbst gönnte, zu den plätschernden Klängen seines Wassergarten. Ein letzter prüfender Blick in den Messingspiegel und Fakhr erhob sich.


    Die funkelnden roten Ohringe baumelten in seinen Ohren, als der große Mann aufstand. Seine weiße Robe trug er geschlossen bis zum Hals, während der Überwurf seine Statur betonte und zeitgleich locker über einen Arm geworfen von ihm getragen wurde.


    Fakhr stellte sich an das offene Fenster, genoss den tanzenden Wind und die aufgehende Sonne und überblickte seine Stadt. Die Stadt dessen Schutz in seinen perfekt manikürten Händen lag. Souib reichte seinem Herrn den Großstabler Stab und raffte dessen Umhang zu Recht.


    Der Tag konnte beginnen.



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  • Tamarant


    Bei dem goldenen Stab von Yazbit Gharif Fakhr liebte diese Stadt. Tamarant, schon der Name war ein Gedicht. Sein morgendlicher Rundgang führte ihn aus seinem angenehm kühlen Haus und ließ ihn direkt eintauchen in das alltägliche Leben Tamarants. Die Stadt bestach durch ihre grünen Palmen und goldenen Dächer. Langsam und gemessenen Schrittes durchquerte er die Gassen, gefolgt von seinem treuen Sklaven.


    Der natürlich gewachsene Markt mit dem täglichen Gewusele der Händler, war ein Muss. Als Großstabler ließ er sich hier allein oder auch mit einer Einheit seiner Männer sehen. Nur durch Präsenz, konnten sie für Ruhe und Ordnung sorgen. Diebe gab es überall, doch das wertvollste Juwel, die Stadt Tamarant selbst, konnte niemand stehlen.


    Ein Stimmengewirr erfüllte die Luft, ebenso der Duft von unzähligen Gewürzen, welche die Händler zu kleinen, bunten Türmen an ihren Verkaufsständen aufgeschichtet hatten. Dies war die liebste Ecke des Marktes von Fakhr. Die Farben, die Düfte, das ganze Flair das der Markt versprühte. Dennoch galt es hier nicht zu sehr zu schwelgen, denn kleine wie große Langfinger wusste die entspannte Atmosphäre auszunutzen.


    Ehrfürchtig machten ihm die Besucher des Marktes Platz, er war ein angesehener Mann und wusste den Umstand zu genießen. Doch trotz aller Sonne, die jede Respektsbekundung in sein Herz scheinen ließ, hatte er sich seinen Ruf und den seiner Männer hart erkämpft.


    Der Blick von Fakhr richtete sich auf den Palast des Maharaksha. Er entdeckte die majestätische Silhouette des sagenumwogenen Gebäudes und für einen winzigen Augenblick wurden seine Gesichtszüge etwas weicher.


    Dies war das Herz Tamarants und der Maharaksha war die Seele die darin wohnte.

  • Verstohlene Blicke


    In einer Gasse in der kaum zwei Personen nebeneinander laufen konnten, verbarg sich eine Gestalt in dem Wasserablauf. Wie eine Spinne hockte der verschleierte Mann dort. Alles was man von ihm sah, war das was er anderen erlaubte zu sehen. Heute hieß dies, dass man die dattelbraunen Augen des Mannes hinter dem Schleier erblicken konnte. Allerdings nur, falls man seinen Standort ausfindig gemacht hatte. Doch keiner der Passanten wusste von dem Mann der hier auf der Lauer lag und dessen Augen jeder Bewegung des Großstablers folgten.


    Mit geschmeidigen Bewegungen verließ der vermummte Mann sein Versteck und verschwand im Gewühl der Menge des Marktes. Seine Verfolgung war eine andere, er war seinem Opfer stets drei Schritte voraus und dabei war er ausgesprochen leise.