Lysa war schon lange vor ihrer Mutter auf den Beinen und konnte es gar nicht abwarten, bis Rósa endlich bereit war, den Schankraum aufzusuchen.
Sie hatte sich dafür entschlossen, das Angebot der beiden Männer anzuhören und dann spontan zu entscheiden. Vor Allem wollte sie noch einmal die Gelegenheit haben, die beiden genauer unter die Lupe zu nehmen. Nachdem sie sich von den letzten Gefährten verabschiedet hatten, waren sie alleine unterwegs gewesen, was die Reise beschwerlicher und gefährlicher gestaltet hatte. Trotzdem konnte es riskant sein, sich zwei Fremden anzuschliessen. Sie nahm sich vor, die beiden genau dabei zu beobachten, wie sie auch mit ihrer Tochter umgingen. Damit erhielt sie bereits einen ersten Hinweis auf das Wesen der Kerle.
Sowohl Mutter als auch Tochter trugen aus Hirschfell geschneiderte Hosen, was ihnen von manchen Besuchern seltsame Blicke eintrug. Vor Allem bei den Almanen war es üblich, dass Frauen elegante Kleider trugen. Sie trugen beide ein Wollhemd, und darüber eine Weste, die von Rósa war aus demselben Hirschleder wie die Hose, Lysas war aus weicherem Hasenfell gefertigt, das Rósa sich auf ihrer Reise für das Kind erjagt hatte.
Die Norkara steuerte zielstrebig auf Seweryn zu. Er hatte nicht zu viel versprochen, er sass bereits wieder (oder noch immer?) am selben Tisch.
„Guten Morgen“, Rósa hielt sich nicht mit langem Geplänkel auf, „steht dein Angebot von gestern Abend noch oder war es bloss eine Idee des Alkohols, die du bereits bereust?“
Lysa hielt unterdessen nach dem Goblin und seiner kleinen Begleiterin Ausschau, er war jedoch noch nicht in Sichtweite.
„Mit einem Kind zu reisen, ist nicht immer einfach. Wir müssen öfters einen Halt einlegen, sie wird schneller müde, obwohl sie bereits eine gute Ausdauer hat. Ich erwarte von einem Begleiter, dass er sich unserer Geschwindigkeit anpasst.“
Im selben Moment rief Lysa laut durch den Raum: „Hier sind wir!“
Sie hüpfte von ihrem Stuhl und auf den Goblin zu, der gerade die Treppe heruntergeschritten kam. Lysa führte ihn zum Tisch. Sie interessierte sich wenig für das Gespräch, sondern nur für die kleine Ratte.
„Guten Tag“, begrüsste Rósa nun auch den Grünen.
„Lysa habt ihr beide ja bereits kennengelernt. Mein Name ist Rósa vom Wolfsclan. Nun, ich will keine Zeit verschwenden. Ich habe bereits erwähnt, dass ihr euch unserer Geschwindigkeit anpassen müsstet. Wir haben zwei Ponys, die wir mit Habseligkeiten bepacken können und auch Lysa wird reiten, so kommen wir besser voran. Ausserdem erwarte ich, dass ihr euch entsprechend verhalten könnt, wenn ein Kind in der Nähe ist. Lysa hat ein dickes Fell, doch trotzdem muss sie nicht alles sehen oder hören, was Männer unter sich zu besprechen haben.“
Sie klang bestimmt und liess keinen Zweifel daran, dass sie dafür sorgen würde, dass ihrer Tochter nichts passierte.
Sie zögerte und beobachtete die Reaktionen der beiden.
Schliesslich fuhr sie fort: „Viel Geld haben wir nicht. Ich kann jedoch jagen und ganz hilflos bin ich auch nicht. Ich bin nicht darüber im Bilde, was euer Lohn normalerweise beträgt.“
Sie hielt inne und lächelte als sie sah, wie Lysa die Ratte mit einer Brotkrume zu locken versuchte.
„Lysa scheint ja bereits eine Freundschaft geschlossen zu haben! Vielleicht ein Omen?“