Die Geister.... der Vergangenheit
Dave hatte sich auf sein Drachenhuhn geschwungen und Ehveros verlassen. Nun saß er mitten in der Nacht in der Küche des Fantomehauses. Gedankenverloren umklammerte er den Humpen Bier in seinen Händen, während Fedor und Brownie neben ihrem Herrn Wache hielten.
Pavo betrat die Küche, schaute sich das Schauspiel einen Moment lang an, ehe er den Humpen ergriff. Dave schaute zu seinem besten Freund auf und zog nur fragend eine Augenbraue hoch.
"Lass los", bat Pavo freundlich.
"Ich habe Scheiße gebaut Pavo...", erklärte Dave und gab den Krug frei.
Der alte Goblin entsorgte das Bier im Ausguss und stellte ihnen beiden einen großen Becher Kaffee vor die Nase. Dann setzte er sich Dave gegenüber hin und lächelte ihn freundlich an.
"Setz Dich bitte neben mich", wünschte sich Dave.
"So schlimm?", fragte Pavo und kam dem Wunsch nach.
Der Heiler setzte sich neben seinen Freund und rutschte so nah heran, dass sie sich berührten. Die beiden stießen mit dem Kaffee an und nahmen einen Schluck.
"Die Geister... der Vergangenheit lassen mich nicht los Pavo. Die einzige Zeit wo ich frei war, war jene in der ich mit Euch gemeinsam in Shohiro im Geisterhaus lebte und zwar ohne Anhang. Heute vermisse ich die Zeit mehr denn je.
Abends mit Dir ein Bier auf der Treppe, die Buchführung, der Abend vor dem Kamin in meinem Ohrensessel und immer wenn mir danach war mit der Seele im Nexus. Das war die einzige Zeit, wo sie keine Macht über mich hatten...
Und nun sind sie erneut in meinem Leben...
Sie tauchen ständig wieder auf...
In Form von Varmikan, der einer von ihnen ist, ohne Mitglied in ihrer Gilde zu sein...
Oder in Form von Vendelin... Vanjas Bruder...
Und wer weiß was mit Vanja selbst ist...
Du kanntest meinen Auftrag, ich hatte den von Vendelin von Wigberg zu überwachen. Er ist nicht gescheitert, er hat seinen Umzug durchgezogen. Zuvor bat mich Vanja, seinen Bruder zu verschonen. Das sagte ich meinem Freund zu, unter der Prämisse, dass mir das möglich wäre. Sprich dass er seinen Auftrag auch ausführt.
Wir besuchten ihn sogar in Ledwick, er hatte sich bei einem Freund einquartiert. Wir blieben einige Tage und schon dort, hat er unterbewusst gestichelt. Bis dato hatte ich mir nichts dabei gedacht, außer dass er ein unleidliches Arschloch ist. Soweit war das nicht mein Problem, ich musste mit dem Mann ja nicht auskommen. Mit wem ich dann allerdings auskommen musste war Veyd...
Erinnere mich daran, dass ich Veyd noch beim Packen für seinen Umzug helfen muss...
Er bat mich vor allen bei diesem Familientreffen darum.
Jedenfalls haben Veyd und Vendelin sich köstlich amüsiert, was schon viel über den Charakter von Vendelin aussagt. Veyd hingegen hielt es für erforderlich mir zu sagen, was er von unserem Kindheitsproblem hielt - nichts.
Er hat uns aus dem Grunde nicht geholfen, da wir eh nicht in der Lage gewesen wären, ihn dafür zu bezahlen. Das ist die Kernaussage seiner Beleidigungen gewesen. Ich wurde ihm gegenüber zwar ungehalten, aber getroffen hat mich das nicht wirklich Pavo, denn wer Veyd kennt, erwartet gar keine andere Aussage.
Allerdings hätte ich mir eine andere Aussage von unserem Gastgeber Vendelin gewünscht. Er sagte nichts, was manchmal die schlimmste aller Antworten ist.
Vanja ergriff für mich Partei. Damals dort in dem Haus hätte ich Dir noch sagen können weshalb, weil er mich liebt. Heute weiß ich es nicht mehr. Ich kann Dir nicht einmal mehr sagen, ob es den Vanja in den ich mich verliebt habe und den ich heiraten möchte, überhaupt gibt. Vielmehr denke ich, ich habe nur gesehen, was ich gerne sehen wollte.
Hintergrund ist folgender, Vendelin führte seinen Auftrag aus, er jagte die Burg Drakestein samt Felipe in die Luft. Auftrag ausgeführt. Wohlwissend, dass ich ihn beobachten muss, hatte er ein junges Mädchen dabei, noch nicht ganz eine Frau. Er hatte sie auf dem Schoss und während es zur Explosion kam, geschah genau das ebenso mit Venedlins Schoss. Ein Verdacht, mehr nicht. Entweder war er dreist, notgeil oder er war etwas anderes...
In der Gasse fing ich ihn nach erledigter Arbeit ab und wir gerieten aneinander. Er hatte mit den Provokationen angefangen und ich bin drauf eingestiegen. Das hätte nicht sein müssen, aber ich bin froh drum, dass ich es getan habe... denn so erlangte ich grausige Gewissheit.
Seine Antwort im Gespräch...
...Wir alle haben unsere Geheimnisse.
Dass du meinem Bruder treu ergeben bist, wundert mich nicht.
Aber ich möchte nicht unfair werden, niemand kann etwas für sein Aussehen.
Zudem hast du dich bereits in jungen Jahren auf jede nur erdenkliche Weise ausgetobt, sagt man. 169. Die Zahl kennen alle.
Was für ein kleiner Nimmersatt.
Da muss der gute Vittorio natürlich passen....
Nimmersatt...
169... die Zahl kennen alle...
Wer den Namen und diese abgrundartige Zahl kannte war klar... die Beißer.
Ich drohte ihm diesem Stumpfen ohne Herz und Hirn, schlenderte davon in der Hoffnung er würde mir folgen und gäbe mir damit einen Anlass ihn zu töten... falls ich ihn hätte töten können...
Die Geister holen mich immer wieder ein, da waren sie wieder und einer von ihnen stand mit eisig-hämischer Miene vor mir und warf mir das an den Kopf. Einer von ihnen, ein Beißer. Venedlin war mir nicht gefolgt. Soviel Biss hatte der Beißer dann wohl doch nicht...
Und Vanja? Tja was ist mit Vanja? Natürlich könnte ich mir einreden, dass er von alle dem nichts weiß. Aber dann könnte ich ebenso behaupten, mir wäre unbekannt, dass Ansgar Choleriker oder Nekromant ist.
Sie sind Brüder Pavo, sie kennen und lieben sich. Und vielleicht ist Vanja der Wurm am Haken, der mich aus meiner Höhle locken sollte. Dass sie mich nicht mehr für ihre Spiele benutzen wollen ist mir klar, dafür bin ich garantiert 30 Jahre zu alt.
Aber ich habe überlebt und ich erinnere mich, dass ist etwas was sie gar nicht mögen. Wissen ist Macht, so sagen es die Wigbergs. Und einer von ihnen ist nicht nur ein Wigberg, sondern ein Beißer.
Das hätte mich nicht wundern sollen, denn wenn es einige der Hohenfelde sind, wenn es einen Eibenberg nicht schert, wieso sollte kein Wigberg unter ihnen sein? Man findet sie schließlich überall.
Also habe ich mich nach dem Streit auf mein Drachenhuhn geschwungen und bin heimgeflogen.
Ich wollte das Bier nicht trinken, nicht wirklich Pavo. Sie sind es nicht wert, dass sie mich soweit bringen. Um ihnen begegnen zu können, benötige ich einen nüchternen Verstand...", sprach sich Dave seine Sorgen von der Seele.
Pavo zog Dave zu sich heran und legte ihm eine Hand aufs Kreuz.
"Hast Du vor Deiner Abreise nicht wenigstens mit Vanja über einen Bruder und die Beißer gesprochen? Es ist durchaus möglich, dass Vanja nichts von den Machenschaften seines Bruders weiß. Was ist ein besseres Alibi als ein scheinbar intaktes Umfeld? Vanja könnte für Vendelin eine Tarnung sein. Oder beredest Du mit Deinem Bruder Deine sexuellen Vorlieben?
Dave hättest Du alles mit Deinem Bruder oder auch mit mir beredet, dann hättest Du manches Problem nicht gehabt. Wie das mit so manch unsäglicher Frau. Also hast Du mit Vanja gesprochen? Weiß er von nichts und Vendelin geht davon aus, dass Du mit Deinem Verlobten geredet hast, ist er in Gefahr.
Falls Vanja zum Beißerring gehört, hättest Du es an seiner Reaktion gemerkt und Du hättest ihn auslesen können. Jedenfalls hättest Du gewusst woran Du bist, gleich wie gut oder schlecht das Ergebnis Eures Gespräches gewesen wäre", antwortete Pavo.
"Ich bin abgereist, ohne mich mit Vanja auszusprechen. Ich gebe Dir Recht Pavo, auf der einen Seite möchte ich wissen woran ich mit ihm war und auf der anderen Seite möchte ich ihn einfach so in Erinnerung behalten, wie ich ihn kannte. Vanja der zweite Varmikan, so möchte ich ihn nicht sehen", gestand Dave seinem besten Freund ein.
"War? In Erinnerung behalten? Er hat sich nicht von Dir getrennt, Du bist mal wieder weggelaufen Dave. Und obwohl Du hier in der Küche auf Deinem Hintern sitzt, läufst Du immer noch davon! Gleich wie groß Du bist, Du bleibst immer mein Kleiner. Erinnere Dich daran wie Du Vanja kennengelernt hast. Natürlich kann auch ein abgekartetes Spiel gewesen sein. Aber Meinst Du, die Beißer beobachten rund um die Uhr das Geisterhaus? Du hast Dich bei ihm wohl und sicher gefühlt. Wäre Vanja nur ein Hauch wie Varmikan oder die anderen, hättest Du das gespürt. Rede mit Deinem Verlobten, Du liebst ihn doch!", verlangte Pavo.
"Ja...", murrte Dave.
"Ja aber was Dave?", fragte Pavo.
"Er weiß es eh, weil ich es ihm erzählt habe. Er sollte mich verstehen und er verstand es auch. Jedenfalls soweit es möglich ist. Er fragte mich, wen von den Peinigern er holen soll. Wenn das alles eine Lüge war, war es eine verdammt gute.
Am liebsten würde ich mich einfach in meinen Ohrensessel und in den Nexus verziehen. Denn gleich was Vanja ist Pavo, sein Bruder bleibt ein Beißer. Und Vanja liebt diesen Kerl. Er hat nur noch seinen Bruder. Diese Bestie hat ihn aufgezogen, an seiner Mutterbrust genährt. Vanja ist Vendelin gegenüber loyal. Falls er wirklich von nichts weiß, soll ich auch seine Welt zerstören? Seine Illusion von Bruderliebe und Familie in tausend Scherben schlagen?
Gleich wie Du es drehst und wendest Pavo, die Beißer sind in meiner Nähe und zwar in greifbarer Umgebung. Entweder ertrage ich sie im ständigen Dunstkreis, oder ich verzichte auf eine Partnerschaft und Familie. Da hätte ich auch der Stiefelknecht, der Schwiegersohn oder Sklave werden können.
Wie die Wahl Vendelin oder ich ausgeht, ist klar. Es geht immer der, der vor die Wahl stellt Pavo.
Also muss ich schweigen, entweder für Vanja und seiner heilen Welt oder für uns beide.
Nicht gerade berauschende Optionen.
Ich glaube ich hole meinen Ohrensessel aus Shohiro nach Irminabourg, vielleicht auch Vanja oder beide", sagte Dave und trank einen Schluck Kaffee.
"Ist Vanja auch ein Stumpfer? Falls nicht ruf ihn auf magischem Weg, los jetzt", befahl Pavo und boxte Dave liebevoll vor die Schulter.
"Oh man", stöhnte Dave und ließ sich in Trance fallen.
`VANJA?´, rief er nach seinem Verlobten.
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