Kapitel 1 - Die Jagd beginnt

  • Dieses Buch schließt nach den Ereignissen der Jungfernfahrt der Tordalk an.

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    Die Jagd beginnt

    "Wir haben hier eine Tabelle mit den Namen und den Daten von jenen, die gegen das Gesetz der Sippe verstießen und nun die Antwort erhalten werden", erklärte Vendelin und schob Hector eine Liste hinüber. "Alles, was ich zu diesen Männern und Frauen in Erfahrung bringen konnte, findest du in Kurzfassung dort, weitere Akten stehen mir zur Verfügung. Im Anhang sind die Namen ihrer Helfer und weiterer Kontaktpersonen. Mit dieser Kurzfassung sollten wir uns zunächst eine Orientierung schaffen, eine Reihenfolge festlegen und dann blasen wir zur Jagd."


    Er gab Hector Zeit, sich die Tabelle und die Anhänge zu Gemüte zu führen.


    "Primäres Ziel ist es, die inneren Bande der Sippe zu stärken, indem wir ein Exempel statuieren. Wer sich an den unseren vergreift, wird bestraft, auch rückwirkend. Beispielhaft soll der erste Vergeltungsschlag für die Verbrechen an Davard von Hohenfelde erfolgen. Die Namen der Täter stehen daher ganz oben. Sie alle sind gewöhnliche Sterbliche, mit Ausnahme von Archibald von Dornburg, dem Vampir."


    Vendelin tippte auf die Tabelle.


    "Nachdem die Sippe durch den symbolträchtigen Akt der Rache innerlich gestärkt wurde und auch dem letzten Zweifler in unseren Reihen bewiesen wurde, das der Zusammenhalt sich lohnt, werden wir uns gemeinsam dem großen Verbrecher Dunwolf zuwenden. Dunwolf, dem Ältesten, Dunwolf, dem Herrn aller Grausamkeit. Einen solchen Gegner fällt man nicht nebenbei, auch wenn er durch den Verlust seiner beiden Seelenanteile merklich geschwächt wurde. Mit dem Artefaktschwert Schattenschlinger kennen wir zudem die Waffe seiner Vernichtung. Es ist jedoch nicht nur seine schiere Macht, sondern vor allem die jahrhundertealte Listigkeit, die ihn so gefährlich macht. Hast du bis hierhin Fragen oder Anmerkungen?"

  • Hector nahm die Liste von seinem Mann entgegen und strich dabei über dessen Finger. Er las die Informationen aufmerksam durch und glich sie so gut er konnte mit den Infos ab, die er selbst in Erinnerung hatte. Natürlich hatte er nicht sämtliche Kassenbücher der letzten 40 Jahre im Kopf, aber einige Namen waren untrennbar mit ihren Beißern und deren dazugehörigen Freunden verknüpft. Davard gehörte Archibald und wer zu Archis engerem Kreis gehörte, hatte vermutlich auch mit Davard Bekanntschaft gemacht.


    Das Grauen konnte nur die ausgezeichnete Arbeit seines Mannes loben. Eine erstklassige Recherche die er in den Krallen hielt. Der Schatten vor Urban war die gesamte Zeit über bei ihnen geblieben. Was er von Dunwolfs besonderen Schergen hielt, daraus hatte er selbst zu Lebzeiten nie einen Hehl gemacht. Und genau das hatte ihn gefällt. Urban war mit offenen Karten und Visier in den Kampf gezogen, nur um dann hinterrücks von Manfredo verraten zu werden.


    Die Regeln des Spiels und das Spiel endete nie...


    So sagte es Dunwolf, aber da hatte er die Rechnung ohne Vendelin und ihn gemacht. Das Spiel war auf eine neue Ebene gehoben worden und diesmal war Dunwolf selbst eine der Figuren auf dem Brett. Er würde von seiner eigenen Medizin kosten und würden sie ihn vom Feld stoßen, war das Spiel für immer beendet. Nichts was Hector bedauerte. Er war den Dogmen von Dunwolf aus Überzeugung gefolgt. Er hatte sein Nest als ein Statthalter in dessen Namen regiert, die oberste Macht und dennoch dem Ältesten treu ergeben.


    Was war der Preis für jahrzehnte lange Treue, Loyalität und Aufopferung?

    Im Grunde für ein ganzes Leben im Dienste Dunwolfs?

    Nichts.


    Als er ihn am meisten gebraucht hätte, war er seinem Herrn nicht einmal eine Antwort wert - nicht mal ein NEIN, auf die erflehte Bitte. Hector warf einen kurzen Blick auf Urban oder dass, was von Urban übrig geblieben war. Der Schatten schwebte so dicht neben ihm, dass er die Kälte auf seiner Haut spürte. Er fürchtete den Schatten nicht, er hatte ihn weder zu Lebzeiten gefürchtet, also auch nicht in dieser Form. Hector fürchtete jedoch für einen winzigen Moment, was hätte selbst aus ihm werden können. Dunwolf hatte sie in Ketten gelegt mit der Weihe.


    Für immer... wie leicht sagte man diese Worte. Was für immer bedeuten konnte, verdeutlichte jeder Schatten allen voran Urban sein alter Ziehvater. Werkzeug für den Rest des Lebens und darüber hinaus. Hector legte die freie Hand auf die Krallen von Urbans Schatten, der über seine Schulter gebeugt mitlas. Nur für einen Moment, es war ein Zeichen der Verbundenheit. Als das Grauen die Hand wegzog,war sie mit Raufreif überzogen.


    Hector schaute zu Vendelin auf, reichte ihm die Liste zurück und schenkte ihm ein zähnefletschendes, liebevolles Lächeln.


    "Erstklassige Recherchearbeit, aber was sollte ich auch anders von Dir erwarten? Dennoch muss auch das Offensichtliche ausgesprochen werden. Nicht gemerkt, ist nunmal nicht gelobt genug. Ich bin bei Dir, was den Plan angeht Ven. Wir haben uns versprochen, dass wir die Nester zu dem Ort machen, den wir als Nest bezeichnen würden. Einen Ort wo unsere Familien sicher und geschützt leben.


    Die Pflicht eines Schlüsselmeisters ist klar, er hat sein Nest und seine Nestlinge zu schützen, zu verteidigen und zur Not auch zu rächen. Die Pflichten eines jeden Beißers sind ebenso klar. Man hat seine Kinder zu schützen, sogar vor sich selbst. Das gilt für alle Nestlingskinder. Demnach galt es auch für Ansgar und Davard von Hohenfelde, denn Duwin war ein Beißer. Und Archibald ihr Onkel ist ein Beißer. Unter der Federführung der beiden, haben sich noch zig Beißer an den beiden Kindern die eigentlich unter dem Schutz des Zirkels zu stehen haben, vergangen. Es sind keine Gabad, dass werden die beiden zu spüren bekommen und jeder der sich an ihnen vergriffen hat.


    Nun Dunwin ist bereits tot, aber Urban hat die Möglichkeit ihn auf der anderen Seite die Quittung für seine Schandtaten auszuhändigen. Wir beiden werden Archibald die Quittung für seine Handlungen überreichen. Allerdings müssen wir die Überreichung taktisch klug abpassen.


    Archibald soll Luc vor Manfredo beschützen und Mani bei passender Gelegenheit erledigen. Manfredo ist ein durchtriebenes Miststück und brandgefährlich. Archibald nicht minder, soll er sich mit der Ratte rumschlagen. Hat er den Job als braver Opa erledigt, erledigen wir ihn. Ich finde das ist fair.


    Da wir Archibald noch nicht ans Leder dürfen, so lange Mani noch atmet, kümmern wir uns stattdessen um den nächsten Mitspieler aus diesem Reigen... Kazrar Chud. Mündel von Archibald, ewiger Lehrling, Liebling von Dunwolf und stets bereit sich selbst seinen Anteil zu greifen. Diesmal greifen wir uns den Arashi und führen ihm seiner gerechten Strafe zu. Zwar hatten Ansgar und Davard ihm scheinbar schon erläutert, was sie von seinen Taten gehalten haben, aber wir haben noch nicht dazu Stellung genommen. Er wurde nicht offiziell von seinem Nest verurteilt. Das holen wir damit nach. Er zahlt die übliche Strafe mit Zinsen.


    Folglich ist unser erstes Ziel Kazar Chud", antwortete Hector mit einem Raubtiergrinsen.

  • "Manfredo durch Archibald erledigen zu lassen, ist eine blendende Idee, das spart uns viel Arbiet. Kazrar soll also die Nummer eins sein", wiederholte Vendelin. "Ihn einzuladen, so dass er von allein zu uns kommt, dürfte leicht sein, denn Kazrar ist sozusagen mein Schwager. Sein Sohn Tekuro war einst meinem Sohn sehr zugetan, was überaus praktisch ist. Besser gesagt, dessen gespielter Persona Patrice, bevor sie sich als Seelenscherbe verselbstständigte und in einen eigenen Körper zog, um ein neues, autarkes Leben zu beginnen. Dennoch erhebe ich Anspruch auf dieses künstliche Wesen, es ist Produkt meiner Familie und Teil meiner Familie. Wir könnten vorgeben, bezüglich einer Hochzeit von Tekuro und Patrice mit Kazrar verhandeln zu wollen und wer würde Nein sagen, wenn die Möglichkeit besteht, in eine Familie wie die unsere einzuheiraten? Und dann schnappt die Falle zu."

  • "Das Witzige daran ist, dass Kazrar gar nicht weiß dass er ein Wigberg ist. Sein Vater hieß Berengar von Wigberg, er nannte sich Schellenberg. Er hatte der Familie den Rücken zugewandt und hatte sogar Naridien verlassen. Er floh nach Arashima und lernte dort Kiyomizu Chud kennen. Er heiratete die Arashi und zeugte mit ihr Kazrar. Kazrar Chud ist also in Wahrheit Kazrar von Wigberg. Was immer dort los war, irgendwann standen Kiyomizu und Kazrar vor der Tür der Wigbergs und diese wiesen sie ab. Die Baronin sah es nicht gerne, dass einer unseres Blutes vor den Kopf gestoßen wurde. Also schickte sie einige Häscher aus, die das Band von Kiyomizu und Kazrar durchschnitten und nahm ihn in unserem Nest auf. So kam Kazrar einst zu uns. Ich meine das war sogar noch vor Deiner Wacht Urban oder?", fragte Hector.


    "Richtig, bedenke Kazrar und Archibald sind ungefähr im gleichen Alter von mir. Als Kazrar ein Kind war, war ich ebenso eines Ecki. Xander war damals Schlüsselmeister, er hat Kiyomizu von den Backfischen ausschalten lassen. Du kennst ihn vielleicht nicht Vendelin, Xander Helvert, mein Vorgänger und Ziehvater. Die Backfische schlachteten Kiyomizu ab, er ließ es aussehen wie eine Räuberbande aus der Grube. Kiyomizu hauchte ihr Leben in der Gosse Obenzas aus und die Baroin stieg über ihre Leiche und reichte Kazrar die Hand. Sie "rettete" das verlorene Mandelauge, indem sie ihn von seiner alten Welt abschnitt und in die seiner Bestimmung führte. Es gibt hinter jeder Wahrheit eine andere Wahrheit, niemand weiß alles bis auf der Älteste selbst. Dort finden alle Fäden zusammen, DAS ist das Spiel", antwortete Urban mit einer Stimme wie knirschendes Eis.




  • "Kazrar mag dem Blute nach ein Wigberg sein, doch er benahm sich nicht wie einer. Mein Vater war ihm sehr verbunden, das weiß ich. Wenzel war der Junge, der Kazrar im Zirkel willkommen hieß und sein Spielgefährte wurde. Ich folgte dem Wunsch meines Vaters und wachte meinerseits über Kazrars Sohn. Wenn ausgerechnet ich dennoch Kazrar dem Gericht der vereinten Häuser der Sippe vorführe, könnte die Botschaft nicht deutlicher sein. Ich sehe keinen Anlass, den Wunsch meines Vater weiter zu interpretieren als notwendig. Mein Auftrag lautete, Tekuro zu schützen und dem kam ich nach. Was dessen Vater betrifft, so sehe ich keine Verpflichtung, ihn zu schonen."

  • "Seine Schonfrist ist vorüber, er hat selbst sein Schicksal gewählt als er auf die Dogmen spuckte. Seinen Sohn brachte er in Sicherheit, damit niemand ihn angeht. Dafür ging er die Kinder eines Beißerbruders an. Selbst wenn dieser Bruder die Erlaubnis erteilt hat, hätte Kazrar die Kinder schützen müssen.


    Und wir hätten sie schützen müssen. Wir machen damit nichts wieder gut, was geschehen ist, ist geschehen, aber es wird eine abschreckende Wirkung haben. Es wird allen zeigen, gleich wie lange die Schandtat her ist, das Nest vergisst nie. Irgendwann bekommst Du die Quittung und nun ist Zahltag", antwortete Hector seinem Mann freundlich.


    "Zu leicht gehen die Kinder in der Obhut anderer verloren, was geschah mit Tekuro? Wie viele werden im Grunde in den Abgrund geschleudert um sie vor ihren Eltern zu retten? Ist das tatsächlich eine Rettung? Würde Tekuro behaupten, Kazrar hat ihn gerettet? Archibald hat Dich gerettet, indem er Dich im Nest beließ und ich seine Aufgabe übernahm. Aber alle anderen sind den Launen des Schicksals ausgeliefert. Man könnte sie ebenso in der Grube ablegen. Entweder sie packen es und werden im Feuer der Grube geschmiedet, oder sie schaffen es nicht und waren es nicht wert.


    Das ist die Schule, die dahinter steckt. Stärke um jeden Preis, Vernichtung jeglicher Schwäche. Oder glaubt Ihr tatsächlich, dass all die Kinder dort draußen unbeobachtet wären? Dann hätte niemand von Kazrar dem Arashi, dem Chud gewusst oder? Es ist ein Teil des Spiels, ein Teil den die Schlüsselmeister und ihre Zöglinge nicht mitspielen müssen. Dafür sind unsere Spielregeln in anderen Bereichen verschärft.


    Gleich ob Beißer oder Gabad, alle sind Spielfiguren auf Dunwolfs Bühne und für wen wann der Vorhang fällt, das entscheidet allein er. So sieht es aus", warf Urban ein.

  • "Volle Zustimmung, die eigenen Kinder und die der Familie anzugehen, ist ein Verbrechen, heute genau so wie damals schon, nur ahndete es niemand."


    Vendelin verschränkte vornehm seine gepflegten Hände, wobei seine Bewegungen ganz weich wirkten. Nichts ließ darauf schließen, wofür er ausgebildet worden war, wenn man es nicht wusste. So, wie er da saß in seiner altbackenen Kleidung und mit dem spießigen Gebaren, wirkte er noch immer wie der perfekte Buchhalter.


    "Was haltet ihr von meinem Vorschlag, Kazrar über Patrice an einen Ort zu locken, wo wir ihn festsetzen?"

  • "Du würdest Deinen eigenen Sohn als Köder nutzen? Bist Du sicher, dass Du das tun willst Vendelin? Bedenke eines, einerseits könntest Du Kazrar damit spielend in eine Falle locken. Aber auf der anderen Seite gibst Du ihm damit auch eine Geisel in die Hand. Wieso sollte er nicht versuchen den Spieß umzudrehen und Patti zu schaden, falls wir ihm schaden? Da fehlt noch etwas Schatz, es fehlt eine Absicherung für Patrice. Ich habe ihn und Tekuro auf dem Schiff beobachtet. Er bot mir mehr an, ein Spiel zu dritt, aber ich war versprochen. Ich gab Dir mein Wort, also geschah nichts. Wie waffengewandt ist Patrice? So wie Kakko, kurzum gar nicht?", fragte Hector mit Verzweiflung in der Stimme.


    Urban setzte an etwas zu sagen und schaute bei dem letzten Kommentar so seltsam wie man noch nie einen Schatten schauen sah.

  • "Patrice hat eine Nahkampfausbildung, allerdings hat er die in einem anderen Körper absolviert. Wie er sich in diesem schlägt, weiß ich nicht. Natürlich würde ich meinen Sohn als Köder einsetzen - wem könnte ich mehr vertrauen? Dazu wurde er schließlich auch ausgebildet."


    Dass Patrice sich an Hector herangewanzt hatte, wunderte Vendelin überhaupt nicht, es wäre eher merkwürdig, wenn Patrice plötzlich seinen Sinn für Anstand entdecken würde.


    Vendelin musterte den Schatten, der gerade eine Grimasse zog. "Möchtest du etwas anmerken, Urban?"

  • "Ich frage mich gerade, weshalb Kakko keine Waffenfähigkeiten besitzt und das als zukünftiger Schlüsselmeister?!? Nun in dem Fall könnte man auch die Tore öffnen und jeden Gabad willkommen heißen. In diesem jämmerlichen Zustand kann er kein Schlüsselmeister werden. Wie soll er sein Nest beschützen? Doch nicht durch brühwarme Worte", murrte der Schatten angefressen.


    "Du hörst Dich schon an wie Garlyn! Er ist auch nur in einer Tour an Kakko am herummäkeln. Kakko benötigt eben für manche Dinge etwas länger. Seine Auffassungsgabe ist nicht die schnellste, er ist ein klein wenig scheu und faul", verteidigte Hector seinen Sohn.


    "Kurzum er ist ein fauler, feiger Trottel?!? Möglicherweise solltest Du einen als Ersatz ausbilden, irgendein vierjähriges Kind. Gut vermutlich könnte jedes vierjährige Kind schon jetzt das Nest besser verteidigen als dieser Milchtrinker!", stöhnte Urban wie ein zischender Dampfkessel.


    "Erstens ist das keine Schande und zweitens enthält Milch viel... ist auch scheißegal. Hast Du nichts Wichtiges zu tun? Spuken, Kinder erschrecken? Gute Reise", fauchte Hector zurück.


    "Immer noch so knurrig wie eh und je, ich ignorieren Dein Böckchen gerade mal Ecki. Und ich werde mich um Kakko kümmern, sobald es soweit ist. Wie lange hattest Du noch vor zu warten? Sag nichts, jetzt wo Du ein Vampir bist kannst Du den Job ja ewig ausüben und auch ewig auf Kakko warten", grinste der Schatten mit seinem schauderlichen Gebiss.


    "Quäl Deine eigenen Kinder... wobei, das machst Du ja gerade... Kakko wird den Posten nicht übernehmen müssen, wenn er nicht möchte. Dass ich den Posten dauerhaft behalten kann, nun das war nicht geplant. Allerdings wollte ich Kakko tatsächlich nicht mehr weihen lassen, nachdem was im Wald geschah. Wem konnte ich noch vertrauen? Nur ihm! Alle anderen waren so verblendet wie ich einst und er mag seine Fehler haben, aber ich warne Dich... rede nicht schlecht über ihn. Du hast keine Ahnung... wobei doch die hast Du. Du weißt wann er kam, für wen und... anderes Thema.


    Also Schatz, dann werden wir Patrice als Köder für den alten Arashi verwenden und ihn mit einer Sicherheit ausstatten. Hoffen wir dass er so flink ist, wie in seinem alten Körper. Ich denke mir etwas aus, dass Patrice vor Kazrar schützt, falls dieser widererwartend Patti ans Leder will. Schließlich bin ich für Patti mit verantwortlich", sagte Hector versöhnlich.

  • "Richtig, Moritz und Patrice sind zwar nicht deine Kinder, aber sie gehören dennoch über mich zu deiner Familie, so wie ich auch für Kakko einstehen würde." Zu dessen Eignung Vendelin dem Schatten vollkommen zustimmte.


    "Apropos Milchtrinker ..." Vendelin konnte es sich nicht verkneifen in der Gleichen Wunde zu bohren. "Bei manchen Völkern geht man davon aus, dass Muttermilch auch für Erwachsene gesund und förderlich ist. Der Großvater des heutigen Duca di Ledvico soll sich von nichts anderem als Ammenmilch direkt aus der Brust ernährt haben, da er fürchtete, man könnte sein Essen vergiften. Offenbar frönen auch einige Ohnezähne des Zirkels diesem Fetisch."


    Er schmunzelte einen Hauch breiter und drehte Däumchen.


    "Eine Sicherung für Patrice, na, da bin ich gespannt. Er war bisher stets seine eigene Sicherung. Was stellst du dir vor?"

  • "Einen Keuschheitsgürtel mit Stahlnieten", kam die prompte Antwort, auf Vendelins Frage, was er sich als Sicherheit für Patti vorstellte.


    "Das man Ammenmilch nicht vergiften kann Liebling, ist zudem ein Ammenmärchen! Vergifte ich die Alte in Minidosen, vergiftet sie so den Nuckler mit. Die Dosis macht das Gift, oder in dem Falle die Anreicherung über Zeit. So manche mächtige Männer haben sehr sonderbare Angewohnheiten. Ich habe sogar schon davon gehört, dass Gabad völlig ungenießbare Dinge zu sich nehmen. Und ich rede jetzt nicht von Blättern oder so etwas, sondern tatsächlich Dinge die man nicht essen würde. Also warum sollte ein Greis dann nicht in dem drallen Euter seiner Amme einen Jungbrunnen gefunden haben? Hat ja scheinbar beiden gefallen. Aber die großen Bankette müssen schon lustig gewesen sein mit diesem Duca. Die anderen schauten auf die Theke und er nuckelte daran... suspekt. Aber gut, dafür essen viele von uns auch in gemeinsamer Runde oder stecken so einen weg. Was scheren mich zudem Ledwicker Sitten und Bräuche?


    Bis dato fand ich Fleisch gesund und förderlich für die Freude, aber darauf darf ich nun dank Tekuro und einigen anderen verzichten. Blut schmeckt nicht schlecht, aber seltsamerweise schmeckt es direkt aus dem Opfer getrunken wesentlich besser. Ist genauso ob man ein Stück Fleisch auf dem Teller hat, oder jemanden stellt und ihn mitten ins Gesicht beißt und losfrisst. Auch ein anderes Gefühl. Naja wir kommen vom Thema ab.


    Wir sollten Patrice am besten auch mit einem Artefakt ausstatten, eines das Arashi ein... wusstest Du, dass Arashi angeblich gar keine Milch vertragen? Kann ja nicht stimmen, die werden ja auch von ihren Müttern gesäugt. Wo wir wieder bei Kakko wären. Ich fürchte er bleibt bei Nicodemus", sagte Hector betrübt und dachte einen Moment an seinen ältesten Sohn voller Wehmut.

  • Vendelins Brauen wanderten bei Hectors Tirade immer höher, bis seine Stirn falten schlug.


    "Mein lieber Hector, ich bin schockiert von deinen Gedanken. Der Duca trank natürlich nicht in der Öffentlichkeit aus der Brust. Die meisten wissen nicht einmal von diesem Faible, aber ich bin ein Wigberg und darum sind mir solche Dinge vertraut. Ebenso wie der Umstand, dass eine einzige Amme keinen erwachsenen Mann ernähren könnte; er hatte ein ganzes Heer von Ammen, die er allesamt abgöttisch geliebt hat. Zudem wäre eine Amme längst tot bei einer Giftmenge, die den Duca umbringen würde, zumal ihr Körper das Gift zu einem gewissen Maß filtert. Dafür, dass dich das nicht interessiert, lieber Hector, hast du dich ziemlich detailliert darüber ausgelassen. Gibt es dafür einen Grund?"


    Vendelin musste sich zusammenreißen, es nicht zu übertreiben, er fand die Situation ausgesprochen komisch. Hector hatte bei seinem Mündel tatsächlich alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte, mit einer Ausnahme - er liebte seinen Sohn.


    "Ob Arashi Milch vertragen, ist leicht herauszufinden. Teste es, es gibt genügend in den Ställen. Warum du Patrice einen Keuschheitsgürtel verpassen möchtest, ist mir schleierhaft. Damit nimmst du ihm eine entscheidende Handlungsmöglichkeit."

  • "Weil ich nicht möchte, das Kazrar Patrice Loch ausleiert oder ihm noch Schlimmeres antut. Was glaubst Du wohl, wird er machen wenn er weiß, was gespielt wird? Patti eine Ohrfeige geben und sagen, richte das Deinem Vater aus? Nein er wird ihn schänden und zwar so, dass er so gerade noch überlebt. Das ist eine Warnung die jeder versteht, deshalb bekommt er den Gürtel. Am besten mit der Aufschrift heute geschlossen.


    Warum ich mich darüber ausgelassen habe? Einfach so, ich sagte nur was mir gerade in den Sinn kommt, dass muss nicht immer Sinn ergeben. Ven, mal unter uns beiden aber Urban darf ruhig zuhören... woher soll ich wissen was in Ledwick Sitte ist? Ich kenne nur die Sitten und Bräuche von uns. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nichts von der Welt da draußen. Gar nichts, außer wie man die Beute erlegt. Mehr kann ich Dir nicht über Gabad sagen. Für uns ist gemeinsames Speisen normal, genauso sind gemeinsame Liebesspiele normal. Für uns ist Sklavenhaltung normal und viele andere Dinge die für Gabad anscheinend unnormal sind. Soviel weiß ich dann doch. Aber habe ich je einmal einen Blick auf ihr Leben geworfen? Nein. Ich kenne den tatsächlichen Alltag der Gabad nicht. Für mich wäre so manche Handlung von ihnen suspekt, genau wie meine für sie. So ist das Ven, ich bin ein Kind des Zirkels. Ich wurde dort gezeugt, geboren, aufgezogen und es ist meine Welt.


    Dann war der Duca auf seine Art ein glücklicher Mann, auch wenn ihn andere Leute schräg anschauten. Ich war es auf gewisse Weise ebenso und ich werde es auch sicher wieder. Ich hätte nur gerne mein Zuhause zurück. Was die Anzahl der Ammen anbelangt, wie viel ein Erwachsener trinkt, müsste Dir Kakko beantworten können. Aber ich glaube Dir und Deinen Infos. Kakko verträgt Milch und er ist ein Arashi, kommt vielleicht auf die Milch oder den Arashi an oder die Kombi von beiden.


    Wie kontaktieren wir Patti?", fragte Hector und zündete sich eine Rauchstange an.

  • "Patrice ist bei Tekuro. Und als neuer Palaisin des Duca ist Tekuro bei diesem im Palast. Der Duca ist magisch zu erreichen, er kann Patrice einfach mit einem Prachtadler hierher schicken. Gleichzeitig schicken wir einen Brief an Kazrar in Schönschrift."


    Vendelins Gesicht nahm einen milden Ausdruck an.


    "Hector, du musst die Jagdgründe und die Beute kennen, damit die Jagd ein Genuss wird und du auch kapitale Beute schlagen kannst anstelle kleiner Fische. Ich werde dich einführen in diese Welt, sobald wir die Zeit finden. Und dein kleiner Kakko kann so viel Milch trinken, wie er möchte - wir alle haben unsere kleinen oder größeren Geheimnisse. Um die Gesundheit meines Sohnes mach dir keine Sorgen. Patrice ist ein erfahrener Agent."

  • "Dein Sohn sitzt an bester Stelle, da macht Dir keiner was vor. Wo sollte er sicherer und informierter sein? Unsere Endbeute die wir uns auf die Fahne geschrieben haben, könnte kaum kapitaler sein. Dein Angebot bezüglich der Beute samt der dazugehörigen Jagd nehme ich gerne an Ven. Bis dato wusste ich nur, was ich wissen musste um die Beute zu erlegen. Ein guter Jäger lernt nie aus und ich bin gespannt, welche Lehre Du zu bieten hast.


    Das sehe ich ganz ähnlich, solange es nur Milch ist, soll er seine Freude daran haben. Manches lernt man auch erst dann, wenn man es wirklich muss. Das Leben ist die härteste Schule Ven, dass hat Kakko draußen bei mir im Wald gelernt. Leider in dem Moment, wo ich ihn nicht mehr beschützen konnte. Hatte ich mich noch einen Augenblick vorher über Dunwolf beschwert, dass er mir nicht beistand, ließ ich in dem Moment Kakko ungeschützt zurück. Zwar nicht freiwillig, aber trotzdem war es meine Schuld.


    Wäre ich härter zu ihm gewesen, hätte er dort nicht wie ein wehrloses Kätzchen mit mir im Wald gehockt. Ich weiß was ich falsch gemacht habe und ich weiß auch warum. Allerdings hätte ich ihn nicht aus Liebe schonen, sondern drillen sollen. Dafür ist es ja nicht zu spät, er will lernen und er wird es lernen.


    Was Patrice angeht ich werde auf seine Fähigkeiten vertrauen, so wie ich Dir vertraue. Sorgen darf ich mich trotzdem", schmunzelte Hector und küsste seinen Mann.