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    Staatsbesuch


    Dreux flog glücklich Richtung Ledwick und freute sich darauf Tazzio und seine Familie in die Arme zu schließen. Er würde seinen Schwager zu seinem Fest einladen und mit ihm über ihre Probleme sprechen. Sein Blick zog über das Land und blieb an einer Szene hängen, die ihm den Atem raubte. Ein junger Mann kniete vor einem gigantischen Insekt mit gewaltigen Fangarmen. Sofort ging er mit Doro runter, um dem armen Tropf beizustehen. Der Prachtadler fegte das Insekt von den Beinen als er aufsetzte und Dreux sprang von Doros Rücken.


    Mit gezücktem Schwert macht er sich daran dem jungen Mann zu helfen. Der junge Mann sprang vor das gigantische Tier und hielt die Arme abwehrend vor sich, so als wollte er den Koloss hinter sich beschützen.


    "Bei Ainuwar, was tut Ihr? Seid Ihr von Sinnen, geht zur Seite! Wir haben Euch soeben das Leben gerettet! Tierliebe in allen Ehren, aber weicht!", blaffte Dreux den Fremden an.

    "Ich bin nicht von Sinnen, Ihr greift meine Reitschrecke an! Beim Leone di Marino, Ihr seid der Archi-Duc Souvagnes! Was macht Ihr auf unserer Scholle und wieso Eure Hoheit? Mein Name ist Marchesi Angelo di Caldera, willkommen in Ledvico", grüßte der junge Mann freundlich und mit entwaffnendem Lächeln.


    Genau in dem Moment spürte Dreux wie seine Hose im Schritt spannte.


    `Bei Ainuwar, nicht jetzt!´, keuchte er in Gedanken und steckte sein Schwert weg. Zeitgleich drehte er sich um und machte schleunigst, dass er auf den Rücken seines Prachtadlers kam.


    "Danke. Nichts macht meine Person auf Eurer Scholle, ich dachte Ihr wärt in Gefahr. Unsere Reise führt uns zu Duca Tazzio Ferdinando di Ledvico. Gehabt Euch wohl", antwortete Dreux, schwang sich schleunigst auf seinen Adler und ließ Doro starten.


    Weit flog der Adler nicht, ehe Dreux ihn erneut landen ließ. Er rutschte von dem Rücken seines Vogels und stürzte auf alle viere in den Schlamm. Keuchend befreite er seinen schmerzenden Schritt, indem er die Hose öffnete. Sein Schaft war geschwollen und knallhart, seine Juwelen fühlten sich zum Bersten gespannt an. Nach Luft japsend sank er nach vorne und seine blonden, langen Haare fielen über seine Schultern in den Morast. Dreux war es gleich, er zitterte am ganzen Körper.


    Langsam schloss er eine klamme, matschige Hand um seinen heißen, schmerzenden Prügel. Ein erleichterter Seufzer stahl sich über seine Lippen. Die kalte, nasse Berührung auf seinem heißen Fleisch tat gut. Sehr gut. Zu gut. Langsam fing er an sich zu streicheln, bis sein Atem in abgehackten Stößen kam. Was beim Abgrund war mit ihm los? Er riss die Hand weg und stürzte im selben Moment vornüber mit dem Gesicht in den Matsch.


    Wunderbar!


    "Ist alles in Ordnung mit Euch? Seid Ihr gestürzt? Wartet ich helfe Euch Hoheit", hörte er eine bekannte Stimme hinter sich. Eine mit ledwicker Akzent die er gerade kennengelernt hatte. Beim Abgrund, wieso musste ihm das passieren?

    "NEIN! Nein, bleibt wo Ihr seid, es ist alles in Ordnung. Ich musste nur kurz rasten und bin ausgerutscht", erklärte Dreux hastig und setzte sich in den Sumpf. Was blieb ihm auch anderes übrig.


    "Seid Ihr sicher?", fragte Angelo di Caldera.

    "Ja absolut sicher, vielen Dank", sagte Dreux huldvoll. Jedenfalls so huldvoll ihm das völlig Schlamm verschmiert möglich war.


    "Nun ich werde eine Decke holen, so könnt Ihr nicht wieder auf Euer Tier steigen. Ich werde Euch zu uns nach Hause bringen, auf meiner Schrecke. Dort könnt Ihr Euch reinigen. Seid unbesorgt, sauber und frisch gewaschen werdet Ihr die Reise zu Eurem Schwager unserem Duca antreten", grinste Angelo von einem Ohr bis zum anderen.


    Dreux strich sich eine Haarsträhne hinter die Ohren und wischte sich den Schlamm aus den Augen.

    "Merci", antwortete Dreux und Angelo machte sich auf den Weg.


    Dreux dankte allen Göttern auf Knien, als er endlich aufstehen und die Hose schließen konnte. Bentio konnte sich auf etwas gefasst machen. Was waren das für Nebenwirkungen, wenn man seine Medizin absetzte?


    "Die Decke für Euch, hier nehmt bitte", erklärte Angelo und reichte sie Dreux. Hinter dem jungen Mann stand seine riesige Seeschrecke. Dreux hüllte sich in die Decke und schwang sich auf das Tier. Einen Augenblick später schwang sich Angelo hinter Dreux und ritt mit dem Staatsgast zu sich nach Hause. Doro folgte ihnen per Luftweg.



    ****

  • Castello di Caldera


    Die Reitschrecke war erstaunlich schnell, mit ihren raumgreifenden Schritten stakste sie nach Rocca Calascio. Sitz des Castello di Caldera und gar nicht so weit von der Souvagnischen Grenze entfernt.


    "Wusstet Ihr, dass in Rocca Calascio ein altes Felsenkloster liegt, in dem die ledwicker Bruderschaft des Ainuwar ihren Sitz hat? Da der Sonnenkult in Ledwick Staatsreligion ist, gilt die Bruderschaft als religiöse Minderheit. Neben den üblichen Tätigkeiten eines geistigen Lebens ist Rocca Calascio als Ort der Bildung bekannt, der diverse Studien für Gelehrte anbietet sowie ein bezahlpflichtiges Mentorenprogramm. Viele Adelssöhne verbringen einige Zeit ihrer Ausbildung hier. Gäste und Urlauber sind willkommen, sollten sich jedoch mit Respekt in jenen in den Fels geschlagenen Hallen bewegen. Es ist ein ganz besonderer Ort Hoheit", erläuterte Angelo und deutete auf das genannte Felsenkloster, während die Reitschrecke für einen Moment verharrte.


    Dreux betrachtete das Kloster und schirmte die Augen gegen die Sonne ab.


    "Es ist wundervoll Marchesi, es muss ein herrlicher Ort des Lernen oder der inneren Einkehr sein. Welcher Religion gehört Ihr persönlich an? Ihr sprecht vom Sonnenkult, ist dies Eure Religion?", fragte Dreux wissbegierig.

    "So ist es Hoheit, Ainuwar mit seiner finsteren Neutralität ist nichts, was mein Herz zu berühren vermag. Verspricht dieser Gott Hoffnung? Für mich nicht Hoheit. Doch Alvashek verspricht jeden Tag neue Hoffnung. Jeden morgen steigt er erneut über den Horizont und verspricht uns einen neuen Tag, gleich wie der vorherige gewesen ist. Das Licht siegt über die Finsternis und dennoch wird die Finsternis zurückkehren, nur um am nächsten Morgen erneut zu weichen.


    Die offizielle Erläuterung lautet wie folgt Hoheit.


    Die Feuerinseln standen früher in engem Austausch mit dem Festland von Ledwick. So verwundert es nicht, dass der Sonnenkult der Vulkaninsel Khilar auch das Festland erreichte. Bis heute hinterlässt er seine Spuren und so verwundert es nicht, dass der Sonnenkult heute die ledwicker Staatsreligion ist.


    Die Zeit der Asche ist vorüber und das morgendliche Aufgehen der Sonne zur Selbstverständlichkeit geworden. So ist der Kult um den sterbenden Sonnengott Alvashek in Ledvico nicht mehr so bedeutsam wie früher. Hinzu kommt die Konkurrenz durch die Priesterschaft des Ainuwar. Doch die Nachtgesänge sind immer noch ein Bestandteil der Alltagskultur. Man findet die alten Motive in vielen Märchen, Mythen und Legenden. Als weiteres Relikt gilt das Lichtfest zur Wintersonnenwende. So die offizielle Verlautbarung.


    Sonnenkult und Nachtgesänge gehören untrennbar zusammen, wie Ruspanti, Tanz und Musik. Von den Ruspanti werden die Nachtgesänge am Leben erhalten. Ebenso sind sie bedeutende Boten unseres Gottes Alvashek. Wer einmal einen Ruspanti tanzen sah und seinen Gesang hörte, weiß was wahre Magie des Herzens und des Lichts ist.


    Ein sonniges Gemüt, dass beschreibt wohl ihre Form der Gebete am besten und Gleiches versuche ich mir zu bewahren.


    Oder in anderen Worten Hoheit - indem wir anderen unser Licht schenken, beleuchten wir auch unseren eigenen Weg", sagte Angelo ruhig und betrachtete selbst das Kloster durch halb geschlossene Augen, ehe er seine Reitschrecke wieder antrieb.


    Zügig ging die Reise auf dem gigantischen Tier weiter. Dreux stellte fest, dass das Tier trotz erstaunlicher Geschwindigkeit sehr ruhig lief.

    "Euer riesiges Insekt läuft trotz seiner Geschwindigkeit sehr ruhig, dass ist erstaunlich. Uns war nicht bekannt, dass es solche Tiere gibt", freute sich Dreux.

    "Hoheit da muss ich Euch aufklären, Reit- oder Seeschrecken sind keine Insekten, sondern Gliederfüßer. Sie sind in Souvagne sowie auch in den Sümpfen Ledwicks beheimatet. Die imposanten Tiere leben sowohl an Land als auch im Wasser und benutzten ihre Kopftakel als Köder für Futtertiere. Vorwiegend ernähren sich Seeschrecken von Fischen, sie fressen ebenso kleinere Beutetiere, Vögel, plündern Nester und verschmähen auch kein Aas. Vor allem nach einer stürmischen See sind sie an den Stränden auf Suche nach Futter zu finden.


    Entgegen ihrer Optik ist die Seeschrecke nicht mit der Gottesanbeterin oder anderen Insekten verwandt, sondern es handelt sich um eine Krabbenform. Ein Teil der Beine wurde von der Seeschrecke komplett zurückgebildet, so dass sie leicht aufgrund der Anzahl ihrer Beine mit einem Insekt verwechselt werden kann.


    Eine Haltung und Zähmung ist möglich, erfordert aber große Geduld. Besonders beliebt sind vielfarbige Varianten. Auch als Reittier lässt sich die Seeschrecke abrichten.Ferner gilt Ihr Fleisch als besondere Delikatesse.Eine weitere Unterart neben der Azurseeschrecke und der Sumpfseeschrecke ist die, die größere Riesenseeschrecke die ebenfalls in Ledwick beheimatet ist. Ihr reitet also auf einer sehr schnellen Krabbe.


    Die ruhige Gangart entsteht, da stets mehrere Beine am Boden sind, dadurch ist die Gangart sehr ruhig auch bei hoher Geschwindigkeit. Seht dort, das Castello di Caldera", rief der junge di Caldera seinem Begleiter zu, während die Reitschrecke noch schneller wurde. Doro folgte ihnen weiterhin am Himmel wie Dreux feststelle.


    Ferner stellte er fest, dass Marchesi di Caldera scheinbar auf alles eine Antwort hatte. Jedenfalls auf das was sein Land und seine Scholle betraf. Das würde ein interessanter Besuch werden. Die Mauern des Castello ragten in den Himmel und zeugten von einer Wehrhaftigkeit die an eine Mischung aus Ledwicker Seefeste und souvagnischer Burg erinnerte. Die Grenzenähe war nicht zu leugnen. Beide Länder waren nicht nur in Freundschaft und auch über ihr Blut verbunden, sondern tauschten sich auch auf andere Art aus.


    Je näher sie kamen, erkannte Dreux, dass der Stein mit Mustern des Meeres verziert war. Die Scholle der Calderas war am weitesten entfernt vom Meer und dennoch hätte diese Feste auch am Meer stehen können. Ein Geräusch dass er nicht zuordnen konnte, drang an seine Ohren. Ein musikalisches Pfeifen, oder ein Gesang ohne Text? Reiner Ton? Seelen- und Markerschütternd und von seltsamer sphärischer Schönheit, dass es Dreux eine Gänsehaut verursachte.


    "Was ist das für ein Klang?", fragte er irritiert. Derartiges hatte er noch nie vernommen.

    "Unsere Djemenreh, eine Windflöte Hoheit. Sie singt zu jeder Stunde, sobald Wind weht. Heute weht der Wind von der Sundhi her, staubige Luft, gelbe Körner mit sich tragend. Deshalb singt die Djemenreh ein anderes Lied. Ein Lied von einem sonnenverbrannten Land, wo wir uns des Wassers glücklich schätzen dürfen. Die Windflöte begrüßt uns mit ihrem Segen und ihrer Erzählung", gab Angelo zurück und ließ die Reitschrecke in Schritttempo verfallen.


    Die Banner des Castello flatterten knarrend im Wind. Das Wappen das sie trugen war ein Baum, ein Nadelbaum, eine Zypresse.

    "Euer Wappen ziert eine Zypresse. Zypressen werden in der Wappenkunde als säulenförmige, nach oben spitz zulaufende Bäume dargestellt. Was hat es mit der Zypresse auf sich Marchesi?", fragte Dreux, gerade als die Wachen sie passieren ließen und sie langsam in den Hof des Castellos ritten.


    Doro landete vor der Feste und schaute seinem Herrn hinterher. Diener eilten herbei und begrüßten den jungen Herrn, sowie dessen verdreckten Gast.


    "Wir haben hohen Besuch, kündigt meinem Vater den Besuch von Archi-Duc Dreux Gifford de Souvagne an. Mein Leibdiener Alfredo Amirrona soll unverzüglich alles notwendige für eine passende Leibesreinigung unseres Gastes vorbereiten", wies der junge di Caldera die Dienerschaft an, ehe er sich von seinem Reittier schwang und Dreux beim Absteigen half.


    "Die Bedeutung erkläre ich Euch, sobald Ihr gereinigt und wohlauf seid. Bitte holt Euren Adler in den Hof, damit das Tier versorgt werden kann. Mein Leibdiener wird sich Eurer persönlich annehmen und ich werde mich um Eure Unterbringung kümmern", sagte Angelo freundlich und grinste sein übliches Grinsen.


    "Habt Dank Marchesi", schmunzelte Dreux und schritt hinaus zu seinem Prachtadler. Er pfiff kurz nach dem Tier, das einige Augenblicke später in den Hof lief und sich dabei argwöhnisch mit Adleraugen umschaute.


    Ein freundlicher älterer Herr erwartete ihn und machte eine einladende Geste. Von dem jungen Marchesi war nichts mehr zu sehen. Nicht nur dessen Reitschrecke war erstaunlich schnell zu Fuß. Gut gelaunt trotz aller Schlammverkrustung folgte Dreux dem Liebdiener von Angelo di Caldera ins Castello.




    ****

  • Zypressen, Pinien, Fichten oder Nadelgehölz


    Alfredo Amirrona geleitete ihren ganz besonderen Gast durch die Gänge und Flure des Castello di Caldera. Alt war die Burg, sie hatte schon viele Zeitalter kommen und gehen sehen und gefühlt ebenso viele Notzeiten. Der letzte Krieg war noch nicht allzulange her. Am 09.05.203 nach der Asche war der Friedensvertrag von Ehveros unterzeichnet worden. Vier Jahre herrschte nun Frieden und dennoch war es jener Mann gewesen, der Ehveros einst regierte der Almanien fast in den Abgrund gerissen hätte.


    Unter dem Deckmantel der Hilfe, war er den Zwergen zur Hilfe geeilt. Alfredo war selbst nicht mehr der Jüngste, er kannte solche Männer. Männer ohne Skrupel und Ehre, Felipe war ein derartiger Mann gewesen und beinahe hätten sie ihren Duca verloren. Auch an ihrem Land war der Krieg nicht spurlos vorüber gegangen. Ledwick war in große Mitleidenschaft gezogen worden. Aber sie waren nicht nur eine stolze, sondern auch erfinderische Nation.


    Ebenso versuchte Marchesi di Caldera alles in seiner Macht stehende zu unternehmen, um neue Nahrungsquellen zu erschließen und altbekannte wieder aufleben zu lassen. Seine beiden Söhne unterstützten ihren Vater tatkräftig und jeder pflegte seine eigenen Projekte. Alfredo war stolz auf seinen jungen Herrn, der sich besonders den Nahrungs- und Heilmitteln verschrieben hatte.


    Heute würde davon ein ganz besonderer Gast profitieren, der Archi-Duc de Souvagne.


    Amirrona führte den Archi-Duc in das Badehaus. Dreux schaute sich neugierig um, während Alfredo ihn behutsam aus der verdreckten Kleidung befreite. Zuerst wurde er in einen leicht gefüllten Zuber gesetzt, wo Dreux vom gröbsten Schmutz befreit wurde. Alfredo ging geschickt vor, er schien es gewöhnt zu sein, dass auch seine Herrschaften oft schmutziger nach Hause kamen, als es für Adlige üblich war. Nun der Sumpf verschonte auch keine edlen Füße, dachte Dreux, als Alfredo ihm die Haare ausspülte und diese vom Schlamm befreite.


    Danach wurde er aus dem Zuber gebeten, noch einmal mit klaren Wasser abgespült und zu einem anderen Zuber geführt. Dieser war gefüllt mit allerlei Grünzeug und sogar Zapfen.


    "Hab Dank für Deine Mühe und Hilfe. Alfredo was hat es mit diesem Inhalt auf sich?", fragte Dreux und machte es sich mit Hilfe des Leibdieners in dem warmen, duftendem Zuber bequem.

    "Dies Eure Hoheit ist ein Erholungsbad für einen überanstrengten und müden Körper. Vieles was Ihr hier sehen, genießen und speisen werdet hat mit Nadelbäumen zu tun. Vorangig mit der Pinie und Zypressen. Auch andere bei uns heimische Nadelbäume werden von uns genutzt.


    Was Ihr hier genießt, ist ein Kiefernnadelbad. Dieses wohltuende Bad schafft Linderung bei Erkältungsbeschwerden, Zerrungen und vielem mehr. Für 1,5 Liter Wasser verwenden wir 100g Zweige der Kiefer oder harzige Zapfen. Hierzu werden die Nadeln ein wenig kleingehackt und mit Wasser aufgekocht. Abgedeckt ziehen sie auf kleinerer Flammen vor sich hin und werden dann abgesiebt. Jener Heilsud wird dem Badewasser hinzugefügt.


    Beachtet bitte, dass Ihr höchstens 20 Minuten in dem Wasser verweilen dürft. Sonst belastete es Euren Körper, anstatt ihn zu entlasten. Für das Abkochen muss man einen alten Topf verwenden, denn die Zapfen hinterlassen harzige Rückstände. Legt Euch ganz entspannt zurück und genießt die wohltuende Wärme und lasst die Kiefernnadeln und Zapfen ihre Wirkung entfalten", sagte Alfredo.


    Dreux rutschte tief in den Zuber und legte seinen Kopf auf das dicke Tuch ab, dass Alfredo dafür vorbereitet hatte. Das Wasser duftete würzig und war warm. Dreux musste dagegen ankämpfen nicht einzuschlafen, während der alte Mann ihm sanft den Kopf massierte. Ledwick war ein Land voller Wunder, Gegensätze und neuer Entdeckungen.


    Ein Juwel am Meer, dass selbst im Inland dem Sumpf noch seine Schönheit entlocken konnte. Dreux verstand warum Tazio sein Land derart liebte. Ihm erging es mit Souvagne nicht anders. Eines Tages würde vielleicht auch Tazio auf eine Reise durch Souvagne gehen und mit gleichem Erstaunen feststellen, was seine Nachbarn zu bieten hatten.


    Die breite, alte Hand von Alfredo fasste ihn sanft an die Wange und legte seinen Kopf in den Nacken, als Dreux fast eingenickt wäre.



    ****

  • Ein Marlione auf dem Trockenen


    Frisch gebadet und entspannt hatte Dreux sein Gästequartier bezogen, dass für ihn hergerichtet worden war. Einige Stunden hatte er erholsam geschlafen. Dreux schlug die weiche Decke zurück, schwang die Beine aus dem Bett und stand auf. Eine Burg beherbergte, ein Schloss verschloss wie man so schön sagte. Diese Burg, diese Feste war ebenso wie der Sonnenstein von La Grange mit eigenem Leben erfüllt. Doch dieser besondere Zauber wohnte allen Häusern inne. Gleich wie groß oder klein sie waren, wie arm oder reich, sie alle speicherten die Erinnerung an ihre Bewohner und die eigenen waren ihr besonderes Geheimnis.


    Was das Castello di Caldera schon gesehen hatte?


    Eines wusste Dreux, dass was der Krieg der Zwerge angerichtet hatte. Der Krieg des Chaos war es nie gewesen. Die Zwerge hatten andere Nationen um Hilfe gebeten. Vorher hatten sie niemanden gekannt, aber als ihre Leben bedroht waren, kamen sie aus ihren Löchern hervorgekrochen und erinnerten sich an die Welt, die sie sonst nicht kannten. Bitten waren ausgesprochen worden. Es wurde gefleht und an alte Werte erinnert. Die Traditionen der almanischen Völker. Gute, wertvolle Traditionen von Treue und Loyalität.


    Und so wie Felipe von Ehveros die anderen Almanen betrogen hatte und in eine Schlacht führte, die kein Almane verschuldet noch zu bestreiten hatte, so wurden die almanischen Retter auch von ihren Verbündeten verraten. Ausgezogen waren sie, um die Zwerge zu retten. Als das Chaos vor den Toren stand, der letzte Wall gefallen war und nur noch die Feste im Nacken Schutz vor den Horden des Chaos bot, was geschah?


    Erneut schlossen sich die Tore der Zwerge. Erneut vergaßen sie die Welt. Jene almanischen Männer die ausgezogen waren, um ihnen beizustehen und zwergisches Leben zu verteidigen. Dem vermeintlichen Tod entgegenblickend waren es die sogenannten Feinde, die Freundschaft für sie übrig hatten. Die nicht nur die schweren Tore, sondern auch die Herzen und Proviantbeutel öffneten.


    Konnte es eine schlimmere Schmach geben? Im Angesicht dieser Barmherzigkeit erkennen zu müssen, dass man für die falsche Seite gestritten hatte? Das Länder verwüstet worden waren, Männer gefallen waren und Leid über die Welt zog, für Lügen und falsche Versprechungen? Für Verrat und Hochmut?


    Doch die Gerechtigkeit siegte. Denn heute lebte kein Zwerg mehr auf dieser Welt, die Rakshaner jedoch scharrten sich nachts immer noch singend und tanzend um ihre Feuer. Rakshor und Ainuwar wussten warum. Mochten auch das Chaos in ihren Herzen wohnen, ein edler Geist wohnte dort ebenso.


    Aber war jeder Zwerg so? Oder wie viele Zwerge waren Opfer durch die Entscheidungen ihres Königs?

    Die Almanen der Hohen Mark waren Almanische Brüder und Opfer der Entscheidung durch ihren Großherzog Roderich, der sich als Marionette von Felipe von Ehveros gezeigt hatte.


    Am Ende litten die Unschuldigen stets mit den Schuldigen. Das war der Lauf der Welt. Man konnte nur versuchen, sie zu einem besseren Ort zu machen. Der Weg war schwer, steinig und mit sehr vielen dunklen Passagen versehen.


    Doch der Tod durch Waffengewalt war nur ein Teil dessen, was sdie Tieflinge den Almanen der Hohen Mark gebracht hatten. Die Tieflinge gehörten zu den effektivsten Magiern. Die Elementarmagier verwandelten das Land in eine Halde. Erdmagier wühlten alles um und verschütteten Flussbetten. Einige Areale trockneten aus, andere wurden überflutet.


    Mit vereinten Kräften leiteten sie den Draken um, den größten und wichtigsten Versorgungsfluss. Der Draken, der in den Bärenbergen entsprang und in zwei Richtungen floss – in die Hohe Mark und in Richtung Kaltensumpf - wurde so umgelenkt, dass er ausschließlich nach Süden walzte. Das einstmals stolze Goldfels lag nun an einem schlammigen Rinnsal. Das Großherzogtum Ledwick versank wortwörtlich im eigenen Sumpf.


    Dem Fluss folgend war Ledwick hart getroffen worden. Vermutlich hatten die Calderas Glück gehabt, dass der Draken nur am unteren westlichen Ende ihrer Scholle durchzog. Auf der anderen Seite war der Fluss über die Ufer getreten und brachte Schlamm und Geröll mit sich. Die dortige Bevölkerung am Fluss hatte ebenso zu kämpfen gehabt, wie jeder Almane der zu nahe am Draken lebte. Gestern war der Wohnort noch perfekt, ein Fluss war eine Lebensader. Und schon einen Tag darauf, hatte er sich zu einem reißenden Strom entwickelt, der alles mit sich riss und verschlang.


    Dreux schaute aus dem Fenster und betrachtete das trockene Land, das gelbe Gras und die schlanken Zypressen die das Castello di Caldera einrahmten. Die Feste lag ein klein wenig höher, auf einem winzigen, sanftem Hügel. Die Bäume raschelten im Wind, während die Windflöte ein neues Lied sang. Ebenso wunderschön und sphärisch, wie sie Dreux begrüßt hatte.


    Der Archiduc trat vom Fenster weg und schaute sich in seinem Gemach um. Vorher hatte er es nicht in Augenschein genommen, sein Blick galt nur dem gemütlichen Bett. Nun jedoch betrachtete er den hellen Sandstein aus dem das Castello gefertig worden war. Maritim wirkte es und dennoch wehrhaft zugleich.


    Überall entdeckte Dreux Verzierungen, meist waren es Löwen mit Fischschwänzen, der Marlione. Ein ganz besonders Wesen war ein Löwe mit einem Kopf und zwei Körpern. Was dieser bedeutete, entzog sich Dreux Kenntnis. In der Wappenkunde gab es durchaus zweiköpfige Tiere. Aber zwei Körper? Das war ihm neu.


    Eines fiel jedenfalls im Castello di Caldera auf und zwar die Gegensätze. Die Burg war aus hellem Stein, innen wirkte sie dunkel. Aber nicht finster, sondern wie eine gemütliche Stube. Sie vermittelte einem das Gefühl willkommen zu sein. Gleiches empfand Dreux auf der Feste Sonnenstein. Der Boden bestand aus dunklem Holz, ebenso sein Bett und die Einrichtung.


    Es gab eine Sitzecke mit zwei gemütlichen Stühlen, dazwischen stand ein Tisch. Diese Dreiergruppe war vor drei Bücherregalen aufgebaut, so dass man nur nach hinten greifen brauchte, um sich ein Buch zu nehmen. Weitere Buchregale standen an der Front auf die Dreux vom Bett aus blickte. Zwischen beiden Regalwänden befand sich das kleine Fenster. Also konnte man auch gemütlich am offenen Fenster lesen, sobald einem danach war.


    Vor dem Bett stand zudem ein Tisch, auf dem ein Kerzenständer stand und sanftes Licht verströmte. Schaute er nach links, ging es weiter hinein in die Stube. Dieses Gemach war eine kleine Wohnung und kein einfaches Gästezimmer. Und soweit er wusste, würde sich dort auch eine kleine Küche anschließen und eine Stube für den Leibdiener. Nun er hatte keinen eigenen Leibdiener dabei, aber er hörte wie jemand an einem Feuer hantierte und so leise wie möglich den Löffel an einem Topf abklopfte.


    Es roch nach frischer Gemüsesuppe und dabei stellte Dreux fest, wie hungrig er war.


    Langsam ging er dem Geräusch entgegen und trat in einen fensterlosen, holzverkleideten Raum. Regale, schwere Teppiche und eine Feuerstelle mit großem Kessel rundeten das Gesamtbild ab. Hier konnte man gemütlich sitzen und sich am Herdfeuer wärmen. Dieser Raum wirkte wie der Rest des Gemaches urig.


    Alfredo drehte sich zu Dreux um und lächelte ihn freundlich an.


    "Nehmt Platz, mein Herr bat mich Euch eine kleine Mahlzeit zu reichen, sobald Ihr wach seid. Ihr habt tief und fest geschlafen Hoheit. Setzt Euch doch bitte", bat der Leibdiener und schöpfte Dreux von dem Eintopf in seine Suppenschüssel.

    "Vielen Dank. Wo befindet sich Dein Herr? Ich würde ihm gerne für die Gastfreundschaft danken und seinen Vater kennenlernen", antwortete Dreux nahm den Löffel zur Hand und ließ es sich schmecken.


    "Nun da Ihr wach seid, werde ich mich verabschieden und meinem Herrn Bescheid sagen. Seid unbesorgt, ich kehre zurück", versprach Alfredo, verneigte sich und verließ den Raum.


    Dreux schaute ihm gut gelaunt hinterher, ehe er den Blick durch die Küche schweifen ließ. Die Vorräte und der Kessel verliehen dem Raum zusätzlichen Charme. Er fühlte sich wohl und wartete auf den jungen Marquis, während er seine Suppe löffelte. Fisch oder Fleisch, den Inhalt konnte er nicht genau deffinieren, aber es schmeckte köstlich.

  • Marchesi


    Dreux schaute in den großen Kessel und schöpfte sich nach, als es hinter ihm an dem Türrahmen klopfte.

    "Wie ich sehe seid Ihr wach und Euch schmeckt der Eintopf. Manche Adligen haben früher darüber die Nase gerümpft. Aber in einem guten Eintopf ist alles enthalten, was man benötigt und er macht auch wirklich satt. Es freut mich, dass es Euch schmeckt. Ich hoffe Ihr habt gut geschlafen Hoheit", grüßte der junge Marchesi gut gelaunt.


    Dreux erwiderte das Lächeln und nickte bekräftigend.

    "Danke der Nachfrage, wir haben sehr gut geschlafen. Das Kiefernbad, dass uns Euer Leibdiener angedeihen ließ, hat uns tiefenentspannt in den Schlaf geschickt. Seid so gut und erzählt mir, was für Fleisch im Eintopf verwendet wurde. Es schmeckt wie eine Mischung aus Fisch und Fleisch. Dabei ist es wunderbar zart. Was genau ist das? Möchtet Ihr auch?", fragte Dreux und wartete die Antwort von Angelo di Caldera ab.


    "Setzt Euch und esst, sonst wird Euer Eintopf kalt. Danke der Nachfrage ich nehme mir selbst. Ihr esst dass worauf Ihr hergeritten seid. Nun nicht auf meinem Macchiare, so heißt meine Reitschrecke. Ihr esst eine unbekannte Seeschrecke. Ihr Fleisch ist vergleichbar mit Krabben- oder Krebsfleisch Hoheit. Es ist nur etwas fester. Es freut mich zu hören, dass es Euch derart gut schmeckt", antwortete Angelo.


    Der Marchesi nahm eine der Weinflaschen vom Regal entkorkte sie vorsichtig und stellte sie auf den Tisch. Es folgten zwei Becher und sein eigener, mit Eintopf gefüllter Teller. Er schenkte zuerst Dreux und danach sich selbst Wein ein, ehe er sich Dreux gegenüber setzte.


    "Saluti Hoheit", grinste Angelo und hob den Becher.

    "Saluti Marchesi und Danke für Eure Gastfreundschaft", grinste Dreux zurück und hob ebenfalls den Becher.


    Beide nahmen einen kräftigen Schluck, stellten die Becher wieder ab und aßen in aller Ruhe ihren Eintopf.

    "Der Wein ist ebenso köstlich wie der Eintopf. Die Windflöte spielte vorhin ein anderes Lied. Ebenso schön und sphärisch. Was könnt Ihr mir darüber berichten Marchesi? Und eine Frage, was bedeutet der Löwe mit den zwei Körpern? Uns sind Wappentiere mit zwei Köpfen bekannt, aber mit zwei Körpern nicht", erzählte Dreux zwischen zwei einzelnen Löffeln.

    "Gastfreundschaft ist eine Tugend und Ihr Hoheit, wart in schlammiger Bedrängnis. Was die Darstellung des Löwen angeht. Die Darstellung des Doppellöwen geht nicht auf die Heraldik zurück, sie veranschaulicht die Macht unseres Glaubens gegen scheinbar übermächtige Gegner. Schaut genau hin, es sind Raubtiere, aber keine Löwen. Der Leone di Marino ist ein Löwe mit einem Fischschwanz. Er hat seine eigene Legende, aber er besagt noch mehr. Die Ledvico besitzen die Tapferkeit eines Löwen und entstammen dem Meer. Übermächtigen Gegnern begegnen wir auf unsere eigene Weise Hoheit.


    Die Windflöte spielt stets ein anderes Lied Hoheit. Je nachdem woher der Wind weht und was sie uns mitteilen möchte. Kein Lied ist wie das vorherige, keine Windflöte spielte jemals eines ihrer Lieder zweimal. Oh und es gibt sie nicht nur bei uns, es gibt sie überall in Ledvico. Vor allem dort wo der Wind weht, wie an der Küste. Sie sind Zeichen des Glaubens und der Ruspanti. Jedenfalls sind sie dies für mich.


    Ihr werdet gleich meinen Vater und meinen älteren Bruder kennenlernen. Beide sind gespannt auf unseren Ehrengast. Mein Vater trug mir auf, mich persönlich um Euer Wohlergehen zu kümmern. Falls Ihr Interesse habt, zeige ich Euch etwas von unserer Scholle und Ledwick. Zudem geleite ich Euch zum Duca di Ledvico. Euer Schwager wird erfreut sein, Euch begrüßen zu dürfen.


    Wie wäre es? Möchtet Ihr die Chance ergreifen und unser Land etwas näher kennenlernen? Oder möchtet Ihr gleich weiterreisen, zu unserer Majestät? Die Entscheidung liegt bei Euch Hoheit", erklärte Angelo und nahm noch einen Schluck Wein, während er Dreux beim Essen beobachtete.


    "Wir nehmen Euer Angebot sehr gerne an und möchten Ledwick kennenlernen. Wir sind neugierig auf das, was Ihr uns zeigen werdet Marchesi. Dies ist das Land unseres Schwagers, lernen wir das Land besser kennen, so lernen wir auch ihn besser kennen. Seine Schönheit, seine Eigenheit, aber auch wo es Hilfe benötigt. Wir erinnern uns gut an den Angriff über den Draken. Habt Ihr Ruspanti am Hofe? Was schaut Ihr so neugierig?", grinste Dreux.


    "Sehr schön, dann werde ich Euch Ledvico zeigen, wie ich es sehe. Eure Haare Hoheit, danach habe ich geschaut. Eurer Haar ist hell wie Sonnenschein, lang und glatt. Meine dagegen sind schwarz und ein bisschen gewellt. Wir haben nicht nur einen Ruspanti am Hofe Hoheit, sondern eine Gruppe. Es sind gute und freundliche Priester, es ist eine Ehre ihnen Kost und Logis zu bieten. Sie segnen uns mit ihrer Anwesenheit.


    Sie bringen Freude, Gesang und die Wärme unseres Gottes in unser Haus. Sie sind wie Farbtupfer an einem trüben Nebeltag. Ein Sonnenstrahl der einen grauen Himmel aufreißt und uns zeigt, das hinter all dem Grau immer noch das strahlende Blau herrscht.


    Es entzieht sich leider meinem Verständnis, wie man Ainuwar anbeten kann. Er schenkt weder Licht, noch Leben. Er schenkt weder Wärme noch Hoffnung. Er zeigt sich bewusst gesichtslos und behauptet neutral zu sein. Es gibt keine tatsächliche Neutralität. Das was er tatsächlich meint ist Desinteresse. Weshalb betet Ihr einen Gott an, dem Ihr gleichgültig seid? Warum betretet Ihr finstere Tempel, senkt das Haupt vor einem Gott, dem es gleich ist was mit Euch geschieht?


    Wenn ich bete schließe ich die Augen und wende mein Gesicht der Sonne zu. Ist es nicht seltsam? Euer Haar ist hell und Euer Glaube finster. Bei mir ist es umgekehrt. Habt Ihr einmal darüber nachgedacht, dass Euch die Windflöte ruft, anstatt Euch nur mit ihrem Klang zu erfreuen? Bevor Ihr uns verlasst, werde ich Euch eine kleine Windflöte mit auf den Weg geben. Nur so kann sie ihre Magie entfalten. Alles was unser Gott und die Ruspanti geben ist ein Geschenk Hoheit. In diesem Zusammenhang werde ich Euch einen ganz besonderen Ort zeigen. Aber mehr verrate ich noch nicht", sagte Angelo und aß weiter.


    "Eine gute Frage Marchesi. Ainuwar bietet mehr als Neutralität. Der Glaube bestärkt einen darin, dass Wissenschaft gelebter Glaube ist. Dass man möglicherweise alles erreichen kann, solange man dafür arbeitet und sich der Sache widmet. Aber Ihr habt in dem Punkt Recht, dass Ainuwar kein Gott der Wärme ist, er ist wohl der rationalste Gott. Nun wir schließen uns gerne an, zeigt uns diesen Ort.


    Ein Glaube der Freude schenkt und die Menschen tanzen, singen und lachen lässt ist etwas ganz anderes, als das was wir gewöhnt sind. Die Glaubensrichtungen die uns bekannt sind, sind sehr ernst.


    Unterschiedlicher könnten Haarfarben wohl nicht sein. Aber von den Haaren auf den Glauben zu schließen, dass wäre uns neu. Dann müsstet Ihr nach Eurer eigenen Aussage die Nacht anbeten", schmunzelte Dreux und schob den leeren Teller von sich.


    Angelo aß ebenfalls auf, stellte beide Teller ineinander und stand auf.

    "Folgt mir Hoheit, mein Vater Lucca di Caldera und mein Bruder Giacopo di Caldera erwarten Euch", bat Angelo und gab die Führung.


    Dreux folgte dem jungen Mann gut gelaunt auf dem Fuße.

  • Die Familie


    Der Marchesi führte Dreux aus seinem Gästequartier. Gemeinsam schritten sie durch die langen Flure des Castello di Caldera. Angelo deutete auf die Verzierungen der Säulen, welche die Wege säumten. Seltsame Geschöpfe zierten die Wände. Schlangen die verwoben waren und sich gegenseitig bissen, Löwenartige Wesen mit Flügel, die einen Mann in den Klauen hielten. Der Sandstein in den die Figuren gemeißelt waren, hielten die Bilder detailgetreu fest. Zwischen alle dem stets der Leone der durch seine schiere Präsenz den Wesenheiten Einhalt gebot.


    Doch er war nicht allein, andere Wesen die aussahen wie große Fische die Ähnlichkeit mit einer Schlange hatten, begleiteten den Leone. Dreux schaute sie sich genau an. Die Kunstfertigkeit mit der die Bilder geschaffen wurden, erfreuten ihn.


    "Der Fisch das ist der große Siluro, Ihr nennt ihn Wels Hoheit. Bei uns ist er ein heiliges Tier. Als Zeichen für seine Weisheit und sein Alter, aber auch dafür in fast jedem Gewässer überleben zu können, wird er verehrt. In unserem Hofgarten haben wir einen Teich in dem ein großer Siluro lebt. Ihr könnt ihn sogar streicheln, wenn Ihr möchtet der Siluro bringt Glück", bot Angelo an.

    "Nachdem wir Eure Familie kennengelernt haben, lernen wir sehr gerne auch Euren Glückswels kennen", antwortete Dreux diplomatisch und schaute auf die Bilder. Falls dieser Fisch so aussah und über derartige Zähne verfügte, war ihm doch etwas flau so ein gewaltiges Tier zu streicheln.


    Das Grinsen des Marchesi wurde ein Spur breiter.


    "Hoheit dieser Fisch gehört zur Familie und Ihr müsst keines meiner Familienmitglieder fürchten. Ich zeige Euch etwas", sagte Angelo leichthin und öffnet eine der schweren, eisenbeschlagenen Holztüren.


    Sie traten hinaus und schauten von einem überdachten Gang aus in den Hofgarten. Zwischen schweren Säulen und Rundbögen sah Dreux auf einen urigen Garten. Zwischen Bäumen wuchsen Kräuter in verschiedenen Farben. In großen Tontöpfen wurden ebenfalls Kräuter gezogen und zwischen alldem lagen schwere, steinerne Wegplatten. Hier und dort sah man einige in Stein gehauene Kunstwerke und etwas abseits im schützenden Schatten einer Mauer lag der Teich von dem Angelo gesprochen hatte.


    Licht flutete den Innenhof und ließ die Farben der Kräuter und Blätter der Bäume erstrahlen. Ruhig war es hier, bis auf den Gesang der Vögel und das Summen der Insekten hörte man nichts. Einige Sitzmöglichkeiten standen ebenfalls im Hof und entlang des überdachten Ganges waren ebenfalls einige angebracht. Schwer aus Stein mit jeweils zwei Löwen an den Seiten. Selbst die steinernen Bänke ehrten den Leone. Dreux strich mit den Fingern über das alte, glattgesessene Gestein.


    Sie liefen weiter, umrundeten fast einmal den Hofgarten und betraten durch eine ebenso schwere Tür wieder das Castello. Angelo führte Dreux noch ein kleines Stück durch den Flur, ehe sie vor einer großen Flügeltür stehen blieben. Die Wachen vor der Tür salutierten, wie es sich gehörte.


    Angelo schaute zu Dreux herüber, ehe er Richtung Raum nickte. Der Archiduc blickte in einen hohen Raum in dem Holz dominierte. Die Mauern des Castello waren dick und wehrhaft, hier jedoch stützten zusätzlich schwere, mächtige Holzsäulen den Raum. Von seinem Standpunkt aus konnte Dreux bis zu dem Thron blicken, auf dem der Vater von Angelo saß. Doch dazwischen befand sich mitten im Raum eine riesige, runde Feuergrube in der ein gemütliches Feuer prasselte und nicht nur Wärme sondern auch Gemütlichkeit verströmte.


    Von den hölzernen Querbalken der Decke hingen die Banner der Familie Caldera herab. Die Zypresse mit den Zapfen. Dreux erinnerte sich, dass Angelo di Caldera ihm noch die Geschichte hierzu schuldete. Dreux betrat den Thronsaal und schritt langsam auf den Marchesi Lucca di Caldera zu. Es war ungewohnt, dass der Weg nicht schnurstracks zum Thron führte, sondern dass man eine große Feuergrube umrunden musste. Taktisch hingegen war es durchaus klug. Angenehm im Raum war es dadurch zudem.


    Dreux bemerkte, dass von dem Thronsaal ein Raum abging. Zu seiner linken Seite sah er dort eine Bibliothek. Der Hausherr dieses Anwesens war sehr praktisch und gemütlich veranlagt. Vermutlich die gesamte Familie. Im gebührenden Abstand blieb Dreux vor dem Thron des Marchesi stehen und neigte leicht das Haupt. Er war Gast in diesem Hause und bezeugte Dankbarkeit und Respekt.


    "Willkommen in unserem Hause Archiduc Dreux Gifford de Souvagne, ich hoffe Ihr habt Euch von den Strapazen Eurer Anreise erholt? Mein Name ist Lucca di Caldera, dies ist mein ältester Sohn Giacopo. Angelo habt Ihr bereits kennengelernt. Ihr schaut etwas verduzt", schmunzelte der Marchesi.

    "Vielen Dank für Eure Gastfreundschaft Marchesi, wir grüßen Euch und Euren Sohn Giacopo ebenso. Wir wurden von Eurem Sohn Angelo aus dem Sumpf geborgen und mit einem wohltuenden Bad wie auch einer kräftigen Speise wieder hergestellt. Nun uns verwunderte die Feuergrube in der Mitte Eures Thronsaals. Ferner erfreute uns der Anblick einer Bibliothek im Thronsaal", antwortete Dreux freundlich.


    "Auf einem Castello kann es sehr kalt werden. Auch wenn die warmen Wüstenwinde der Sundhi uns oft beehren, in der Wüste selbst ist es des Nachts oft klirrend kalt. Die wenigsten Personen schenken der Aussage Glauben Hoheit, bis sie es einmal selbst erlebt haben. Einer unserer treuen Diener sagte einst, er habe schon mehr Personen in der Wüste erfrieren sehen als verdursten. Zudem spricht nichts dagegen, dass ein Thronsaal funktional und gemütlich zugleich ist. Weshalb sollte ich unbequem sitzen und dabei auch noch frieren? Die Gesundheit ist ein extrem hohes Gut, das höchste überhaupt. Wir können es uns in der Bibliothek gemütlich machen", bot Lucca di Caldera an.

    "Wir glauben Euren Worten Marchesi, an das Lehen von Marquis Dijon de la Grange grenzt ebenso die Sundhi. Es würde uns freuen, wenn wir ein wenig plaudern könnten. Wir stimmen mit Euch überein, es spricht nichts dagegen, sich im eigenen Thronsaal wohl zu fühlen. Ach und ich möchte sehr gerne wissen, weshalb Ihr eine Zypresse im Wappen führt, samt Zapfen", antwortete Dreux gut gelaunt.


    "Das sollt Ihr erfahren", schmunzelte Lucca, "machen wir es uns gemütlich".

  • Wappen


    Lucca erhob sich und machte eine einladende Geste ihm zu folgen. Giacopo und Angelo warteten bis Dreux ihrem Vater folgte, dann schlossen sie sich ihm an. Der Leibdiener Luccas, Ugo Gangavatto, folgte den Herrschaften. Die drei Calderas nahmen in der kleinen Bibliothek Platz. Ein gemütlicher Raum, dessen Wände bis zur Decke mit Regalen gefüllt war. Die Regale selbst mit Büchern.


    In der Mitte des Raumes stand ein langer, massiver Tisch mit acht schweren Sesseln, so dass man hier selbst in den schweren Büchern etwas nachschlagen konnte. Dreux vermutete, dass es sich hier rein um Wissensbücher handelte. Wissen dass man besser gleich zur Hand hatte, sollte man es benötigen.


    Ugo blieb hinter seinem Herrn stehen und wartete ab, ob jemand etwas benötigte.


    "Marchesi Lucca di Caldera, spannt uns bitte nicht länger auf die Folter. Was hat es mit der Zypresse auf sich in Eurem Wappen und mit ihren Zapfen?", erkundigte sich Dreux neugierig, als er es sich in dem schweren Sessel gemütlich gemacht hatte.


    "Neugier ist treibt das Schiff hinaus aufs Meer. Andere würden sagen, das Schiff ist am sichersten im Hafen - doch dafür werden Schiffe nicht gebaut. Ihr habt den Thronsaal unseres Castello gesehen. Das Holz, die tragenden Balken sind aus Zypressenholz. Würde man die innere Decke des Thronsaals umdrehen, hätte man einen Schiffsrumpf. Genauer gesagt ist dies der Rumpf der Stella Marina, der Rumpf der Seestern.


    Die tragenden Balken die das Ganze stützen sind ebenfalls aus Zypressenholz. Die Zypresse wächst auf unserer Scholle und hat uns stets begleitet. Sie hat uns mit allem versorgt, was wir benötigen. Vor allem ist dies haltbares Holz. Die Zypresse hat ein besonders beständiges Holz Eure Hoheit. Wir nutzen es für den Schiffs- und Bootsbau, ebenso für Hafendocks, Bootsstege, für den Bau von Häusern im Innen- und Außenbereich.


    Überall wo Holz rottefest sein muss, wo es Wind und Wetter trotzen soll, da greifen wir die Calderas auf die Zypresse zurück. Andere wissen ebenso ihr gutes Holz zu schätzen und dadurch hatten wir ein gutes Auskommen.


    Das Holz dieses Waldspezialisten ist als besonders dauerhaft zu bezeichnen. Es wird für Bootsstege, Hafendocks, im Bootsbau, für die Außen- und Innenkonstruktion und als Furnier verwendet. Überall, wo man ein besonders rottefestes Holz benötigt, wird die Sumpfzypresse gerne genutzt.


    Je älter der Baum ist, jed dauerhafter ist sein Holz. Eine Zypresse im besten Erntealter ist um die 100 Jahre alt. Wie Ihr seht, ist dies kein Geschäft, mit dem man von einem Tag auf den anderen reich wird. Es ist ein Geschäft das generationenübergreifend funktioniert. Die Bäume die ich ernte, pflanzten meine Vorfahren. Jene die ich als Setzling pflanzte, werden einst meine Enkel oder Urenkel ernten.


    Zu dem Holz selbst, der Splint der Sumpfzypresse ist weiß oder fast weiß. Im Kern ist er geblich bis ins bräunliche. Die Farbübergänge sind nicht fließend, sondern klar zu erkennen. Genau dies macht die besondere Maserung des Holzes aus. Das Holz der frisch geernteten Sumpfzypresse ist leicht ölig. Harzkanäle fehlen ihr ganz. Das Holz ist sehr gut zu verarbeiten. Wichtig bei der Bearbeitung ist scharfes Werkzeug, da die Zypresse zum Splittern neigt. Doch weiß sie zeitgleich zu gefallen, so ist sie schraubenfest und nagelsicher und nimmt Farben, Lacke und Leime ausgezeichnet an. Was wichtig für den Schiffsbau ist.


    Auch wenn unsere Scholle am weitesten vom Meer entfernt liegt Hoheit, trägt jeder Ledvico das Meer in seinem Herzen.


    Eine Besonderheit der Sumpfzypress ist, dass sie zu den sommergrünen Nadelbäumen zählt. Das heißt, genau wie Laubbäume wirft sie ihr Kleid ab. Vor dem Abwurf ihrer Nadeln vollführt sie ein ganz besonderes Naturschauspiel und zwar färben sich die Nadeln der Zypresse rot. Ein eindeutiges Anzeichen dafür, dass bald der Nadelfall einsetzt.


    Erntet man die Zypresse nicht, dann kann sie ein Alter von um die 1.000 Jahre erreichen. Es gibt auch Zypressen bei uns, an die niemals Hand angelegt wird. Wir nennen sie den Pflanzen Siluro, einen Baum der alt und dauerhaft ist. So wie der Wels im Wasser. Die Sumpfzypresse hat eine gefurchte rotliche Rinde, diese kann in Streifen vom Baum abgezogen werden. Ihre Nadeln sind weich, sie fassen sich sehr angenehm an.


    Dieser Baum ist ein Geschenk von Alvashek und man kann seine Schönheit vor allem im Herbst nur als spektakulär beschreiben. Als würde sie selbst das schwindende Licht noch einmal als Himmelsfeuer aufgreifen, erstrahlt sie in den gleichen Farben wie die abendliche Herbstsonne.


    Da die Zypresse uns durch unser Leben begleitet, an Land und auf dem Wasser, da sie uns schützt und nährt, tragen wir sie im Wappen. Die Zapfen sind keine Zypressenzapfen Hoheit. Es sind Pinienzapfen.


    Die Zapfen der Zypressesind sehr klein und fast kugelrund. Sie tragen die beschuppten Samen des Baumes in sich. So als wollte sie uns erneut darauf hinweisen, dass sogar sie aus den Tiefen des Ozeans stammt, wie der heilige Leone.


    Desweiteren bildet die Sumpfzypresse Pfahlwurzeln aus, die sie vor Wind schützt. Eine weitere Besonderheit sind die Atemknie, die sie im Sumpf ausbildet. Knorrige, urige und notwendige Gebilde die dieser ganz besondere Baum ausbildet.


    Aber nicht nur die Sumpfzypresse nährt uns, sondern auch in kleinerem Umfang die Pinie. Ihre Kerne sind nicht nur köstlich, sondern sie sind auch sehr nahrhaft und gerade in Zeiten wie diesen sind wir stets bestrebt neue Nahrungsmittel zu erproben. Deshalb ziert unser Wappen eine Zypresse und wird eingerahmt von Pinienzapfen", erklärte Lucca di Caldera ganz Feuer und Flamme für dieses Thema.


    "Habt Dank für die Erläuterung Marchesi. Welche Wirkung Nadeln und Zapfen haben, durfte ich in einem wohltuenden Bad erfahren. Danach habe ich völlig entspannt geschlafen. Die Seestern, die Stella Marina wurde sie von einem der Calderas geführt? Was war sie für ein Schiff?", fragte Dreux neugierig.


    "Was vermutet Ihr denn Hoheit? Wie mein Vater bereits sagte, liegt unsere Scholle am weitesten entfernt vom Meer. Doch auch in unserem Blut singt der Ruf des Meeres, wie bei jedem Ledvico. Mein Onkel Caio di Caldera fährt zur See Hoheit. Mehr noch, er ist der Admiral - Armata Navale und führt das Flottenkommando im Bereich der Hochsee und Tiefsee.


    Die Seestern ließ so manch anderen Stern auf See ihrerzeit sinken. Unser Volk hat eine besondere Verbindung zu seinen Schiffen und Booten. Wusstest Ihr, dass es in Ledvico sogar schwimmende Märkte gibt? Schaut sie Euch an. Genießt das Gefühl der Freiheit auf dem Wasser, die Nähe zum Ursprung, schwelgt in den Gerüchen und Farben des Marktes. Es ist einer der Orte, wo Ihr die Seele Ledvicos kennenlernt Hoheit", antwortete Giacopo.


    "Wir hätten vermutlich andere Worte gewählt für die Umschreibung eines Admirals, als er fährt zur See. In den Händen jener Männer liegt die Sicherheit des Landes. Eure Familie dient Eurem Duca an Land wie zur See. Ist ein Magier in Eurem Castello zugegen? Wir würden gerne mit einem Magier sprechen", bat Dreux. Er wollte seinem Schwager Tazio eine Nachricht auf magischem Wege zukommen lassen, dass er sich auf dem Weg zu ihm befand. Das er allerdings vorab noch etwas dessen wunderschönes Land kennenlernen wollte.


    "Mehr als einen Hoheit und nicht nur einfache Magier. Nein die reinen und frommen Männer des Lichts, die mit ihrem Tanz und ihrer Musik ganz besondere Magie wirken. Möchtet Ihr, dass wir nach den Ruspanti schicken?", bot Giacopo mit glänzenden Augen an.


    "Euer Bruder war so freundlich uns von den Ruspanti zu berichten. Wir würden sie sehr gerne sehen, aber unsere Frage war anderer Natur. Wir möchten unserem Schwager dem Duca di Ledvico eine Nachricht zukommen lassen. Wir möchten ihm mitteilen, dass wir uns auf dem Weg zu ihm befinden. Doch bevor wir an seinem Hofe ankommen, möchten wir noch Ledvico mit Eurem Bruder erkunden", antwortete Dreux freundlich.


    "Ihr sprecht von einem Geistmagier?", fragte Giacopo verstehend.

    "Ja richtig, genau! Jemanden wie ein Himmelsauge!", freute sich Dreux.


    Rida-Siraj Alim Abusani wird Euch weiterhelfen können. Er weilt für einige Tage hier und ist ein Freund der Familie. Wir werden nach ihm schicken lassen", antwortete Lucca gut gelaunt und gab Ugo ein Zeichen. Der Leibdiener huschte davon und kehrte einige Minuten später mit einem extrem dunklen Mann zurück, der allen ein strahlendes Lächeln schenkte.


    Die Calderas und Dreux lächelten genauso zurück.



    ****

  • Rida-Siraj Alim Abusanis Nachricht an Aurelien


    Der rakshanische Geistmagier Abusani hatte die Botschaft des Gastes vernommen. Dieser Mann gehörte dem Nachbarland Souvagne an und war ein Mitglied der Großherzoglichen Familie. Rida hätte sich sehr gerne selbst an den Duca gewandt. Was für eine Ehre mit diesem Manne selbst sprechen zu dürfen. Aber ihm war durchaus bewusst, weshalb niemand sich persönlich an den Duca wenden durfte. Er war das Oberhaupt von Ledwick und seine Sicherheit musste in allen Belangen gewährt werden. Doch Rida war guter Dinge, dass er irgendwann eines Tages auch einmal als Gast den Hofe des Duca persönlich sehen durfte. Möglicherweise durfte er ihn sogar sprechen.


    Heute würde er dem Magier des Hofes im Palast vor Ort eine private Nachricht zu übermitteln, die den Duca sicher erfreuen würde. Abusani wusste wie wichtig Familie und Freunde waren. Auch hier saß man abends am Feuer der Freundschaft, in Ledwick nannten sie es nur anders, hier hieß es Kamin. Seid der Schlacht der Zwerge verband ihn und Lucca eine tiefe Freundschaft.


    Abusani öffnete seinen Geist und suchte nach einem Gegenpart, jemand der ihm mental Gehör schenken würde. Ein Mann der sich als Aurelien vorstellte, nahm seine Botschaft an und würde sie an den Duca weiterleiten. Rida verkündete einige Augenblicke später dem Gast des Hauses und dem Marchesi, dass er der Bitte des Archi-Ducs nachgekommen war.



    Weiterleitung der Nachricht von Archi-Duc de Souvagne an Duca Tazio di Ledvico von Aurelien:

    RE: Salz im Gesicht

  • Turmzimmer


    Angelos Zimmer war ein entzückendes, unkonventionelles kleines Nest im zweiten Stock des Castellos di Caldera und war einer der bezauberndsten Wohnräume, die Dreux jemals betreten hatte.Durch eine Tür mit Rundbogen betrat man den kleinen Raum. Direkt beim Betreten blickte man auf die große Fensterfront. Zig hohe Fenster ließen Licht hinein, waren aber dennoch mit Spalieren geschützt. Zudem konnte man Fensterläden schließen und bei Bedarf schwere Vorhänge vor die Fenster ziehen.


    Jetzt jedoch waren die Vorhänge und Fensterläden offen. Dreux blickte zudem auf eine Sitzbank, die den ganzen Fensterfrontbereich zierte. Breit gemütlich und mit gemütlichem rotem Stoff bezogen, lud sie regelrecht ein, sich darauf zu setzen. Überall waren Kissen verteilt, die im farblichen Kontrast zu den Sitzbezügen standen. Die Vorhänge waren ebenso farblich gehalten und von blauer Farbe die mit goldenen Absetzern aufgelockert war.


    Eine Blumenampel hing von der Decke und wehte im sanften Wind eines leicht geöffneten Fensters. Violette kleine Blümchen, die zarten Duft verströmten und deren Grün fast bis zur Sitzecke hinabreichte. Man musste gut aufpassen, sich nicht den Kopf zu stoßen, sollte man es sich genau unter der Pflanze gemütlich machen.


    Ein Fenster weiter hing ein großer Vogelkäfig von der Decke. Darin war aber kein Tier eingesperrt, sondern eine dicke weiße Kerze. Scheinbar sorgte sie abends für Beleuchtung, denn sie war bereits weit herabgebrannt. Dreux Blick folgte dem Fensterverlauf. Zu seiner linken Seite stand ein Regal, dass mit allerlei Krims-Krams gefüllt war. Davor standen runde, geflochtene Körbe, eine schwere Truhe und ein kleiner massiver Tisch. Der Tisch war mit Büchern beladen, im Grunde überladen. Um ihn herum lagen weitere Bücher, und waren zu kleinen Türmchen aufgeschichtet.


    Dieses Nest war eine kleine Piratenhöhle! Überall lagen Schätze verteilt, sogar das Regal war gefüllt mit Angelos Schätzen. Auch hier waren Bücher kreuz und quer gelagert, ein geschnitzter Schädel aus Gestein lag ebenso im Regal wie ein einzelner, langer Knochen von einem unbekannten Tier. Dazu eine Öllampe die derart poliert war, dass sie scheinbar nie benutzt worden war.


    Oben auf dem Regal stand eine Schilfkrone, Dreux hatte solche Kronen auf alten Zeichnungen gesehen. Neben dem Regal zwischen Wand und Fensterfront hing ein Banner der Familie Caldera. Davor waren einige Bilder hinter die Truhe gestopft und zeigten zwei sehr ernst dreinblickende Herren. Eventuelle Verwandte von Angelo? Oder hatte er die Bilder schlicht schön gefunden?


    Auf dem Tisch zwischen den Büchern stand eine Räucherschale in denen dicke, gelb-goldene Stücke Harz lagen. Eine dunkle Phiole stand dort, sie roch nach pflanzlichen Ölen. Dreux vermutete sie diente zur Einreibung bei Schmerzen.


    In jeder Ecke dieses winzigen Gemachs befand sich etwas, dass man neu entdecken konnte. Sogar auf dem Boden wurde man fündig. Zig bunte Teppiche waren wild übereinander gelegt und sorgte für wohlige Wärme und eine Farbenpracht die Dreux erstaunte. Angelo liebt es extrem farbenprächtig und bunt.


    Als der Archi-Duc zur rechten Seite des Raumes blickte, stand dort ein gemütliches Bett, dass mit Decken und Fellen überladen war. Die Felle lagen vom Bett bis zur Wand hoch, so dass man dort ebenfalls gemütlich sitzen konnte. Von hier aus musste der Sonnenaufgang oder Untergang umwerfend aussehen. Ebenso wäre eine Gewitternacht mit Regen urgemütlich.


    Zwei Schriftrollen lagen auf dem Bett und was Dreux erkennen konnte war, dass es sich dabei um Karten handelte. Seekarten um genau zu sein. Ein Tonkrug stand auf dem Boden und war vermutlich mit irgendeinem Getränk gefüllt. Am Bettende stand eine alte Laute, die bereits abgegriffen war. Man sah dem Instrument an, dass es gespielt und geliebt wurde.


    "Euer Zimmer Marchesi ist dem Hort eines Piratenkönigs würdig. Ihr spielt Laute?", fragte Dreux und betrat das Zimmer gut gelaunt.

    "Danke, das werten Ledvico als großes Kompliment. Ja, ich spiele Laute. Macht es Euch gemütlich vor dem Fenster und hört zu", freute sich Angelo.


    Der junge Marchesi setzte sich auf sein Bett, ergriff die Laute und fing an zu spielen.


    "Ah! Komm auf das Meer! Ja, komm rudern!

    Komm, wie glatt ist die Welle vom Meer. Oh, wie schön ist es auf dem Meer!


    Schon sind die Fischer bereit zur Arbeit;

    werfen die Netze in die Welle des Meeres. Komm rudern!


    Ah! Vieni sul mar! Si, vieni a vogar!

    Vieni ch´e placida l´onda del mar. Oh, bel marinar!


    Gia i pescator
    son pronti al lavor;

    Gettan le reti nell´onda del mar. Su, vieni a vogar!"


    Sang Angelo in auf- und absteigenden Tönen als ahme er den Wellengang mit Gesang und Laute nach. Untermalt wurde all dies vom Klang der Windflöte.

  • Kleine Piratenhöhle


    Dreux fühlte sich rundum wohl und lauschte dem Klang der Laute und dem Gesang seines Gastgebers. Als die Musik endete, klatschte Dreux lächelnd Beifall.


    "Merci für die Vorführung Marchesi. Ihr spielt und singt sehr gut. Das Ihr ein Lied vom Meer singen würdet, war uns irgendwie bewusst. Auch wenn Eure Scholle wesentlich mehr an Souvagne grenzt, als an den Ozean. Darf ich Euch einige Fragen zu Euren Schätzen in Eurem entzückenden Nest stellen? Wir sind neugierig müsst Ihr wissen", schmunzelte der Archiduc und stopfte sich eines der Kissen in den Nacken.

    "Prego, fragt mich was immer Ihr zu fragen wünscht. Jeder Schatz hat eine Geschichte, zumindest jene wie er in meinen Besitz gelangte. Andere haben mehr als nur eine", grinste Angelo sein Grinsen.


    "Zuerst möchten wir sehr gerne wissen, wer die Personen auf dem Bildern sind, jene die Ihr hinter die Truhe gestopft habt. Handelt es sich dabei um Familienangehörige? Dann würde uns der Schädel interessieren. Er ist aus Stein geschnitzt, welche Bedeutung hat er? Das Ihr gerne lest, steht außer Frage, bei der Anzahl an Büchern die Ihr besitzt Marchesi. Was interessiert Euch besonders?


    Dieser Raum ist sehr klein für einen Sohn eines Marchesi, wie kam es, dass Ihr dieses Gemach gewählt habt? Vergleichen wir unser Gästegemach mit dem Euren sind die Unterschiede sehr groß", hakte Dreux nach und wartete gespannt ab.


    "Die Personen auf den Bildern sind keine Verwanden Hoheit. Mir sind die Personen nicht bekannt. An den Bildern hat mir die Kunstfertigkeit gefallen, mit welcher sie hergestellt wurden. Die Liebe zum Detail und die Farbenpracht. Mein Großvater hat sie mir einst geschenkt. Er hat sie in der Kabine eines Kapitäns gefunden, als dieser sein Schiff nicht mehr benötigte. So kamen sie in seinen Besitz und letztendlich auch in meinen.


    Der Schädel ist ebenso eine Fundsache, die so ihren Weg zu mir in mein Nest gefunden hat. Der Ausdruck Nest gefällt mir sehr gut Hoheit. Dieser Schädel wurde ebenfalls in einer Kabine gefunden. Allerdings gehörte dieser Schatz einem ersten Offizier. Dort lag er ehrenvoll verwahrt auf einer kleinen Anrichte, einem Altar gleich. Geschmückt mit Blumen und anderen Utensilien.


    Es heißt würde man alle drei existierenden Schädel zusammenführen, würden sie einem den Weg zu einem Schatz offenbaren. Ein Schädel ist weiß, einer braun und der dritte schwarz. Wie Ihr seht ist dies der braune Schädel. Nehmt ihn zur Hand, auf und betrachtet ihn genau Hoheit, auf seiner Unterseite ist ein Teil einer Karte eingeritzt. Einst sollen alle drei Schädel Giuseppe dem Tüchtigen gehört haben. Ein Händler der See, andere nannten ihn einen Piraten.


    Nehmt Euch ein Buch, falls Euch danach ist und schaut gerne selbst nach. Meine Interessen sind vielfältig Hoheit. Von Sach- und Fachbüchern über die See und die dazugehörigen Karten, bis hin zur Unterhaltung lese ich alles. Denn selbst in der schlichtesten Karte findet Ihr noch Wissen. Grundtenor ist jedoch bei mir, dass es etwas mit der See zu tun haben sollte, dann interessiert es mich besonders.


    Weshalb ich dieses Gemach wählte? Hoheit ist dies nicht offensichtlich? Was empfindet Ihr hier in diesen Räumlichkeiten? Ihr fühlt Euch wohl, Ihr seid entspannt. Das Licht ist zu jeder Tageszeit herrlich. Der Ausblick ist wunderbar und durch die Einrichtung ist alles gemütlich. Was kann man mehr von einem Gemach verlangen als all dies? Sollte ich ein Gemach wünschen, dass dem Euren gleicht, könnte ich jederzeit eines beziehen", gab Angelo zurück und legte behutsam die Laute beiseite.


    Dreux blinzelte und dachte einen Augenblick über das Gesagte von Angelo nach.


    "Nun wenn Euer Großvater die Bilder in einer anderen Kapitänskabine "gefunden" hat, dann hat er sie vermutlich nicht gefunden, sondern geraubt. Die Legende der drei Schädel gefällt uns, was für ein Schatz erwartet einen, sobald man die Karte vollständig beisammen hat und den Fundort kennt? Was Euer Quartier angeht, da habt Ihr völlig Recht. Wir haben tatsächlich noch kein gemütlicheres Quartier gesehen als Euer Nest. Das geben wir gerne unumwunden zu", sagte der Archiduc gut gelaunt.


    "Beutegut findet man vor Ort vor Hoheit, meist wird sogar das gesamte Schiff Beutegut. Es wäre Unrecht ein noch seetaugliches Schiff zu versenken oder sich selbst zu überlassen. Da sich diese Schätze an Bord eines derartigen Schiffes befunden haben, wurden sie dort von meinem Großvater gefunden. Ihr versteht?", grinste Angelo.

    "Ja wir verstehen", grinste Dreux zurück.


    "Möchtet Ihr etwas Essen? Dazu könntet Ihr etwas von unserem Likör probieren. Fichtenlikör. Es gibt zwei Meinungen zu diesem Likör, er schmeckt wunderbar oder grausam. Wir stellen Likör aus Fichtennadeln her, den ganz jungen Trieben und ebenso aus Kiefernzapfen. Diese dürfen noch nicht verholzt sein. Brennt Ihr beides erhaltet Ihr Schnaps.


    Der Likor wird hier auch gegen Erkältungskrankheiten eingesetzt, der Schnaps um sich damit schmerzende Glieder einzureiben oder auch verspannte Muskeln. Ein kleines Glas solltet Ihr gekostet haben. Mögt Ihr es süß, dann rate ich Euch zum Likör, mögt Ihr es scharf und streng, dann zum Schnaps. Ich persönlich würde den Likör empfehlen, versucht ein kleines Glas. Der Geschmack ist wie gesagt einzigartig, ob er Euch mundet müsst Ihr entscheiden.


    Danach könnten wir etwas die Gegend erkunden. Für unterwegs packen wir uns einige Brote ein, sie sind aus Pinienkernmehl und sehr nahrhaft. Was haltet Ihr davon?", schlug Angelo vor und erhob sich von seinem Bett.


    "Sehr gerne, Ihr wolltet mir einen ganz besonderen Ort des Lichts zeigen", erinnerte Dreux seinen Gastgeber.

    "Das ist eine sehr gute Idee Hoheit, ich werde Euch den Ort zeigen", freute sich Angelo.

  • Meer und Zypressen


    Im Stall wurde Angelos Reitschrecke Macchiare gesattelt. Diesmal mit einem Sattel, der es zwei Personen ermöglichte auf dem Tier zu reiten. Angelo schwang sich in den Sattel des großen Tieres und zog Dreux hinter sich hinauf. Den Proviantbeutel hing er an das Sattelhorn und schon ging ihre Reise los. Sie verließen das Castello und Angelo ließ seine Schrecke frei laufen. Dreux hielt sich an dem Marchesi fest, so saß er sicher und bequem.


    Auf trockenem Gelände war die Schrecke erstaunlich schnell, aber auch sumpfige Passagen schienen das große Tier nicht zu stören. Die langen Beine wirkten wie Stelzen und glichen das aus, was Ledwick an guten Straßen fehlte. Wobei sie keine ausgebauten Straßen benötigten. Ledwicker waren ein erfindungsreiches Volk, die Unwägbarkeiten mit denen andere haderten nutzen sie als Schutz. So lange man selbst keine Probleme hatte, einen Sumpf zu durchqueren, weshalb sollte man ihn trockenlegen? Dazu bestand kein Grund.


    Einen Sumpf konnte man auch anderweitig nutzen und zudem hielt er Feinde ab. Mythen und Legenden rangten sich um solche Orte und jeder Nichteinheimische hatte vermutlich schon allein durch den Hinweis in einen Sumpf zu reisen ausreichend Angst. Dreux konnte es ihnen nicht verdenken.


    Die Reise zog sich hin und der Archiduc fragte sich wie weit und wohin der Marchesi überhaupt reise wollte. Auf der anderen Seite war er froh um die Abwechslung, die er in Begleitung von Angelo genießen konnte. Dessen Familie war freundlich, ihr Castello einladend gemütlich und er fühlte sich in Ledwick sehr wohl. Alles hier versprach Erholung und Urlaub. Natürlich war dies ein Trugschluss. Die Ledwicker hatten tagtäglich um ihr Überleben zu kämpfen, seitdem der Draken ihr Land verwüstet hatte. Doch sie ließen sich nicht unterkriegen, dass ließen sie nie. Genau wie ihre Souvagnischen Brüder.


    Sie reisten nach Süden, hielten sich aber zuerst einen Moment lang östlich. Die Stunden zogen im Sattel dahin und Dreux war mit nichts anderem beschäftigt, als die Landschaft zu genießen.


    "Wohin reisen wir eigentlich Marchesi?", fragte er nach einer geraumen Weile und brach damit ihr einvernehmliches Schweigen.


    "Zum Dhunico Hoheit. Wir werden ein weiteres Lehen passieren und zwar das des Marchesi di Marletti. Wir reisen zuerst nach Arx Sirio. Von dort aus reisen wir ein kleines Stück durch die Shundi. Genau auf der Schollengrenze von Marletti und Georgo ist eine kleine Seebucht. Jedenfalls bezeichne ich sie so. Dort wachsen auf einem Felsvorsprung der ins Meer hineinführt Zypressen. Der Boden ist steinig und dennoch mit Bodendeckern bewachsen. Ein wunderbarer Ort, vor allem wenn sich die Steine in der Sonne aufgeheizt haben. Ich war schon oft dort, habe campiert und die Sonne, das Licht und das Meer genossen. Diesen Ort möchte ich Euch zeigen. Und noch einige andere mehr. Aber wir fangen mit diesem besonderen Ort an und ehren damit Alvashek.


    Was Ihr ebenfalls von Ledwick sehen solltet, sind die Sinterterrassen mit Thermalquellen. Ledwicker Kristall-Pilze, Sinterterrassen und Thermalquellen gehören einfach zusammen. Ohne das eine gäbe es das andere nicht. Bei den Ledwicker Kristall-Pilzen handelt es sich um kristalline Gebilde und nicht um Pilze. Der Name dieser besonders geformten Kristallgebilde leitet sich von ihrer Form her ab, denn die meisten haben große Ähnlichkeit mit einem Speisepilz aus dem allerdings Wasser fließt.


    Zusätzlich zur Form dieser kristallinen Gebilde, kommt noch die Besonderheit des Wassers. Einige Kristall-Pilze speien rotes Wasser. Kristall-Pilze entstehen durch besonders kalk- und mineralstoffreiches Wasser, dieses sammelt sich in Sinterterrassen. Während sich Kalk und Mineralien ansammeln, schleift gleichzeitig der Wind die Gebilde zu bizarren Formen. Kristall-Pilze können sich nur aus den kalk- und mineralstoffreichen Thermalquellen Ledwicks bilden. Heiße Quellen lassen warmes Wasser über die Terrassen gleiten. Das Wasser enthält überdurchschnittlich hohe Kalk- und Mineralienanteile, die am Quellaustritt sich in Form von Terrassen ablagern.


    Die Anordnung der Terrassen hängt sowohl von der Art der Ablagerungen und von der Wachstumsgeschwindigkeit der Mineralien als auch von der Fließrichtung und den Wasserturbulenzen ab. In den entstehenden flachen Becken siedeln sich Algen und Bakterien an. Je nach Temperatur des Wassers haben diese unterschiedliche Farben. Aufgrund der immer neuen Ablagerungen wechselt die Fließrichtung des Wassers und damit die Temperatur und so die Farben von Weiß bis Blau, Braun, Grün, Gelb, Orange oder Rot – der Terrassen von Jahr zu Jahr. So haben nicht nur die Kristall-Pilze eine besondere Farbe.


    Das Wasser fließt von den umliegenden mehr oder minder hohen Abhängen herunter, wird unterirdisch durch vulkanische Aktivitäten erwärmt und quillt, auch durch die Kristall-Pilze, wieder an die Oberfläche. Unten angelangt versickert das Wasser in der Sumpflandschaft. Die Besucher können sich nur auf Holzstegwegen durch die Terrassen zu den Kristall-Pilzen begeben, da der Boden im Ledwicker Sumpfgebiet nicht überall betretbar ist. Ferner möchte man in Ledwick weder die Thermalquellen, Sinterterrassen noch die Kristall-Pilze gefährden.


    Viele halten Ledwick für ein armes und gebeuteltes Land. Das sind wir auch, ohne jede Frage. Und dennoch sind wir trotzdem reich Hoheit. Wir haben ein wunderschönes Land, eine einmalige Geschichte, Wissen, Werte und Traditionen auf die wir stolz sein können und genau das möchte ich Euch zeigen. Ledwick ist mehr als das was der Krieg uns angetan hat. Was uns die Kriegstreiber angetan haben Hoheit. Unser Duca hat jenen Verbrechern geantwortet. Ledwick lebt, die Verbrecher versanken im Sumpf der Geschichte", erklärte Angelo und ließ Macchiare etwas langsamer laufen.


    Dreux beugte sich ein klein wenig nach vorne zu seinem Gesprächspartner und stellte dabei fest, dass selbst das Haar von Angelo nach

    Zedern Wald und Natur roch. Er nahm eine angenehme holzige Note von Kiefern wahr. Ein warmer, edler Duft der an einen Waldspaziergang erinnerte. Irgendwie hatten es die Nadelbäume dieser Familie angetan, sie leben von und mit ihnen.


    "Vielen Dank für die Erläuterung, wir freuen uns auf die Sehenwürdigkeiten die Ledwick zu bieten hat. Da habt Ihr Recht Angelo, Euer Duca ist ein ganz besonderer Mann. Er hat seinen Feinden geantwortet, wie es sich geziemt und sie vernichtet. Es ist uns eine Ehre diesen Mann unseren Schwager nennen zu dürfen. Bei der Reise die Ihr vorhabt, werden wir Zwischenstopps einlegen und übernachten müssen. Ihr riecht wie ein Waldspaziergang. Wurde Euch dies einmal gesagt Marchesi?", fragte Dreux schmunzelnd.


    "Ihr meint ich dufte nach Pinien? Nun es würde mich wundern, würde ich nicht danach riechen. Ihr habt übrigens ein ganz ähnliches Bad genommen wie ich. Zudem pflege ich meine Haare mit entsprechendem Öl. Ich werte Eure Aussage als Kompliment. So ist es, wir werden in Doniretti und in Arx Sirio übernachten. Doniretti liegt noch auf unserer Scholle und Arx Sirio befindet sich auf der Scholle des Marchesi di Marletti.


    In Doniretti kehren wir in der Taberna Cossarroni ein. Ein kleines Haus das für seine Sicherheit und seine Spezialitäten bekannt ist. Dort werden unter anderem die gleichnamigen Cossarroni hergestellt. Das sind kleine, saftige Kekse mal mit oder ohne Füllung. Süß und saftig beschreibt Cossarroni wohl am besten. Allein dafür lohnt sich schon unsere Reise Hoheit.


    Zudem können wir im Stall der Taberna Macchiare gesichert für die Nacht unterbringen. Wir wollen ja nicht, dass unsere Schrecke im Kochtopf landet. Wie hinter vielen steckt oft Armut hinter solchen Angriffen und keine Bosheit. Wer hungert sieht in einer Reitschrecke Nahrung für Wochen, anstatt ein Reittier. Wir bekämpfen den Hunger so gut wir können, aber leider gelingt uns dies nicht überall gleich gut. Deshalb mahne ich zur Vorsicht, auch wenn unsere Sicherheit hoch und das Militär ausgezeichnet ist", antwortete der jüngste Caldera.


    "Unsere Worte waren als Kompliment zu verstehen und unser Bad hat ebenfalls sehr gut geduftet. Auch hier stimmen wir Euch zu. Nicht alles was auf den ersten Blick als etwas Böses anmutet, ist es auch. Kriminalität aus Armut geboren, kann man nicht mit dem Schwert bekämpfen, sondern nur mit Speisung und Hilfe. Doch wenn alles knapp ist, wird auch dies ein schweres Unterfangen, dass ist uns bewusst. Wir in unserer Lage können uns glücklich schätzen, dies sollten wir uns öfter bewusst machen. Eure Sichtweise ist offen und Ihr geht auch gedanklich auf die Menschen zu Marchesi. Wir glauben, das unterscheidet uns voneinander. Es ist eine sehr gute Eigenschaft, die Ihr Euch bewahren solltet. Wir hätten sie auch gerne.


    Gegen eine Übernachtung in den beiden Orten spricht nichts. Wisst Ihr, dass wir noch nie in einer Taberna übernachtet haben? Überlegen wir genau, dann haben wir nicht einmal in unserer Heimat in einem Gasthaus genächtigt. Gespeist sehr wohl, aber dort übernachtet nicht. Selbst als wir in Ehveros waren, haben wir dort bei unserem Gastgeber genächtigt. Die ganze Reise mit der Anreise dahin das war ein Abenteuer für sich, dass können wir Euch versichern. Allein wenn wir an die fantastische Kutsche unseres Bruders Ciel zurückdenken, müssen wir bei der Erinnerung daran lächeln. Glaubt mir, Ihr habt noch nie eine derartige, geniale Kutsche gesehen.


    Falls Ihr möchtet, könnten wir den nächsten Ausflug auf dem Rücken unseres Prachtadlers vornehmen. Er ist schnell und Ihr hättet die Gelegenheit Euer Land aus der Luft zu betrachten. Dürfte ich Eure Reitschrecke ebenfalls einmal reiten, also sprich sie lenken?", fragte Dreux freundlich.


    "Dann werdet Ihr noch einiges mehr kennenlernen, als die Schönheit unseres Landes Hoheit. Die Einladung zu einem Ausflug auf Eurem Adler nehme ich gerne an und selbstverständlich dürft Ihr meine Schrecke einmal reiten. Allein allerdings nicht, nicht das Euch etwas geschieht. Ich werde hinter Euch sitzen, da Ihr mit dem Umgang von Reitschrecken nicht geschult seid.


    Die Kutsche Eures Bruders klingt nach einem Castello auf Rädern, da Ihr als Souvagner davon derart schwärmt. Es muss ein wahres Bollwerk sein", grinste Angelo und ließ Macchiare in einem gemütlichen Schritt gehen. Aus dem Proviantbeutel nahm er zwei Brote heraus und reichte eines davon Dreux nach hinten.


    Dreux grinste zurück und nahm das Brot entgegen.

    "Merci. Nun wir hatten nicht vor mit Eurer Schrecke allein davon zu reiten. Wir sind gemeinsam unterwegs. Ihr habt keine Ahnung davon wie Recht Ihr habt Marchesi. Ein Castello ist vermutlich nicht halb so sicher wie die Kutsche unseres Bruders", lachte Dreux gut gelaunt und biss von dem Brot ab.

    "Prego. Das glaube ich Euch Hoheit und wenn ein Souvagner sagt, diese Kutsche ist sicher, dann ist sie es auch. Vermutlich besitzt sie sogar eine Mauer", gibbelte Angelo und aß gut gelaunt sein Brot.


    "Da muss ich Euch enttäuschen, mobile Mauern gibt es leider noch nicht. Es sei denn Ihr würdet eine Rüstung als solche werten", hielt Dreux dagegen.

    "Nun eine Rüstung ist eine Körpermauer würde ich sagen", schmunzelte Angelo während langsam die Dunkelheit der Dämmerung aufzog und einzelne kleine, gelb-grüne Lichter aufflackerten.


    "Was ist das?", flüsterte Dreux seinem Begleiter von hinten ins Ohr. Das Licht wirkte schön und dennoch unheimlich.

    "Das sind Glühwürmchen. Ihr findet sie auf Feuchtwiesen und Weinbergen, in buschigen Regionen und auf mageren Wiesen. In dichten Wäldern und Nadelwäldern sind sie kaum zu finden. Sie leben oft in der Nähe von Wasser Hoheit. Mein Vater sang mir früher oft das Lied des Glühwürmchens, als meine Mutter gegangen war. Eine alte Legende besagt, sie führen die guten Seelen zurück zur See, sie leuchten ihnen den Weg. Ihr müsst keine Sorge haben", versicherte Angelo Dreux beruhigend.


    Als die Nacht hereinbrach dauerte es nicht mehr lange und Doniretti kam in Sicht. Sie ritten in den Ort hinein und jene die noch auf den Straßen unterwegs waren verneigten sich als sie vorbeiritten. Angelo grüßte durch freundliches Nicken oder durch Handzeichen. Dann standen sie vor der Taberna Cossarroni. Angelo ließ sich von seiner Reitschrecke rutschen und brauchte einen Moment, bevor er wieder richtig laufen konnte. Dreux erging es nicht besser.


    "Wir staksen vermutlich gerade genauso herum wie Eure Schrecke", sagte der Archiduc und rieb sich die Beine.

    "Wohl wahr, aber ich glaube wir sehen dabei nicht so elegant aus", gab Angelo zurück und führte seine Schrecke in den Stall.


    Gemeinsam mit Dreux betrat er danach die Taberna und buchte eine Stallbox und ein Zimmer mit Verpflegung für die Nacht. Eine halbe Stunde später saßen sie vor dem Kaminfeuer des Schankraums über ihren Eintöpfen, während die Glühwürmchen draußen in der Nacht vor den Fenstern tanzten.

  • Taberna Cossarroni


    Die Eintöpfe waren verspeist, die Nacht war heraufgezogen und in der Schankstube war Ruhe eingekehrt. Als Letzte verließen Angelo und Dreux den Schankraum und begaben sich auf ihr Zimmer. Angelo gab den Weg vor, denn er kannte sich nicht nur in dem Ort, sondern auch in der Taberna aus. Den Raum den er öffnete war Angelo typisch klein, fein und gemütlich.


    Das Gemäuer der Taberna war aus Stein und im Inneren war es wenig verputzt worden. Unterbrochen wurden die Wände von schweren Holzbalken, die dem Haus zusätzlich Halt und Stabilität verlieren. Genau an jenen Holzbalken waren Leuchter angebracht. Einige Regale hingen an der Wand, eine schwere Truhe war für die eigenen Habseligkeiten vorhanden und zwei Betten standen im Raum. Auf eines blickte man beim Eintreten, dass andere stand auf der rechten Seite. Beide Betten bildeten so einen rechten Winkel und man konnte Kopf an Kopf liegen um sich noch etwas zu unterhalten.


    Das Fenster war so schmal, dass niemand einsteigen konnte. Die Läden waren festverschlossen, aber auch so sah Dreux, dass sie keine Scheiben sondern nur mit Tuch bespanntes Spalier enthielten. Ein Tisch mit einigen Stühlen und ein kleiner Kamin rundeten das Gesamtbild ab.


    Angelo ließ Dreux den Vortritt und betrat nach ihm das Zimmer und verschloss die Tür. Er legte seinen Proviantbeutel auf das Bett an der rechten Seite und setzte sich darauf. Der Kamin war heruntergebrannt, so dass nur noch ganz sanftes Licht den Raum erhellte. Alles weitere Licht wurde auf Wunsch von den zwei Fackelhaltern erzeugt. Doch Bedarf an zusätzlichem Licht bestand nicht.


    Dreux setzte sich auf das andere Bett und beobachtete Angelo wie er seinen Zopf löste, seine Haare durchwuschelte und mit den Fingern durchkämmte. Bei der Mähne musste die Familie in direkter Linie mit dem Leone verwandt sein. Hatte er nicht auch eine Mähne? Der junge Caldera zog seine Stiefel aus, drehte seine Haare zu einem losen Zopf zusammen und machte es sich auf dem Bett gemütlich.


    "Was ist los mit Euch? Schlaft Ihr sitzend?", lachte er gut gelaunt.

    "Normalerweise nicht, uns ist nur aufgefallen dass wir keine Leibdiener dabei haben. Was machen wir morgen früh?", fragte Dreux und zog sich ebenfalls die Stiefel aus.


    "Unrasiert frühstücken und losreiten. Ich werde niemandem verraten, wie Ihr unrasiert ausseht Hoheit. Nebenbei Ihr seid ohne Leibdiener und Eskorte angereist. Selbstverständlich hätten wir Euch weiterhin einen Diener bei Wunsch gestellt. Versteht das bitte nicht falsch. Aber dies ist ein Abenteuer und auf solche geht man nicht mit seinem Hofstaat. Entspannt Euch. Wir können morgen früh auch schnell ins Badehaus gehen, dort werdet Ihr vorzüglich rasiert und frisiert", antwortete Angelo und rollte sich auf den Rücken.

    "Wir... nun wir haben keinen Leibdiener mehr. Einst hatten wir einen Namens Ferrau, aber das ging nicht gut. Er musste unter unserer Wut leiden. Wut die weder er verursacht noch verschuldet hatte. Es war nicht einmal Wut, sondern Furcht. Ein weiterer Leibdiener war Nathan. Ein Diener wie es keinen zweiten gibt, ihm haben wir vertraut. Bei ihm fühlten wir uns gut aufgehoben und geborgen. Auch er ist fort, aber dies war nicht unser Verschulden wie bei Ferrau. Verzeiht, falls ich abschweife", sagte Dreux kaum hörbar und legte sich ebenfalls aufs Bett.


    "Ihr müsst Euch nicht entschuldigen, jedenfalls nicht bei mir. Ich hatte Euch gefragt. Allerdings scheint Euch Euer Verhalten nachzulaufen. Ob ungebührlich oder nicht, in Euren eigenen Augen wart Ihr es. Also solltet Ihr auch die Größe haben, Euch zu entschuldigen. Was immer Ihr zu diesem Mann gesagt habt, dazu hattet Ihr den Mut oder die Wut. Also habt auch den Schneid, Euch für Eure Worte zu entschuldigen. Manche Adligen erachten dies nicht als nötig. Ich erachte es als Pflicht, geht mit gutem Beispiel voran Hoheit. Ihr werdet sehen, es wird Euch und auch Ferrau gut tun. Und was Nathan angeht, wohin ging dieser Mann? Holt ihn zurück und sagt ihm, was Ihr mir sagtet. Schon ist Euer Problem gelöst", antwortete Angelo und zog die Decke über sich.

    "Ihr habt Recht, dazu müsste ich über meinen eigenen Schatten springen. Das ist gar nicht so leicht", grübelte Dreux.


    Angelo drehte sich auf die Seite und betrachtete sein Gegenüber.


    "Das es leicht werden würde, habe ich auch nicht behauptet Hoheit. Zudem wollt Ihr über Euren eigenen Schatten springen, alles was Ihr dazu benötigt habt, ist eine Aufforderung und eine Bestätigung Eurer Gedanken. Ihr habt nicht nur Ferrau verletzt, sondern Euch selbst. Was immer Ihr in Eurer Wut gesagt habt, nehmt die Worte zurück und leistet Wiedergutmachung. Und Hoheit, leistet sie so, dass Ihr Euch selbst darüber freuen würdet. Wir könnten die Betten zusammenschieben, dann können wir besser plaudern", bot Angelo an.


    Dreux krabbelte aus dem Bett und schob es so herum, dass sie beide nebeneinander lagen. Erneut legte sich der Archiduc ins Bett und betrachtete seinen Gesprächspartner. Das winzige Feuer, dass noch im Kamin glimmte spiegelte sich auf Angelos Gesicht und in seinen dunklen Haaren. Auf seinem eigenen Haar spiegelt sich die Flammen ebenso, im Feuerschein wirkte es leicht rötlich. Er war für einige Augenblicke ein La Grange, stellte er mit Schmunzeln fest.


    Als La Grange hatte man keine derartigen Probleme oder ging sie anders an. Wobei was hieß als La Grange? Als Souvagne war man ganz genauso in der Lage seine Probleme zu lösen. Sie mussten Probleme eines ganzes Landes lösen oder in den Griff bekommen. Viel schwerer war es, sich selbst in den Griff zu bekommen. Dreux entschied sich dazu dem Rat von Angelo zu folgen und sich an dessen und Dijons Worte zu halten. Man war sich selbst immer der härteste Gegner.


    "Merci", flüsterte Dreux, legte sich auf die Seite und schob eine Hand unter seine Wange.

    "Prego", antwortete Angelo und zog Dreux die Decke hoch.

  • Buona notte


    Mitten in der Nacht wachte Dreux auf, ohne zu wissen wo er sich befand. Etwas Weiches lag in seiner Hand, eine Haarsträhne von Angelo. Behutsam ließ er sie los, während die Erinnerung zurückkehrte. Zwar war das Zimmer vorgewärmt gewesen, dennoch fror er erbärmlich. Irgendwie hatte sich seine Decke selbständig gemacht.


    Dunkelheit.

    Einsamkeit.


    Er konnte an einer Hand abzählen, wann jemand bei ihm in der Nähe genächtigt hatte. Er hatte das Gefühl geliebt, zu wissen das sein Nathan in seiner Nähe schlief. So nah wie es möglich war. Direkt neben ihm hatte noch nie jemand geschlafen. Bei dem Gedanken fühlte Dreux einen seltsamen Schmerz in sich aufsteigen.


    Im nächsten Augenblick rutschte Angelo näher, deckte ihn wieder zu und redete leise auf ihn ein. Dreux verstand kein Wort von dem, was Caldera sagte aber der Klang seiner Stimme war meldoisch und beruhigend.


    "Hört zu, wir...", setzte Dreux an, aber schwieg dann doch.

    Er wusste nicht ansatzweise, wie er seine Gefühle erklären sollte.


    "Ihr müsst keine Angst haben, hier seid Ihr sicher", versicherte der junge Marchesi.


    Aber das war es nicht, davor dass sie jemand des Nachts überfiel fürchtete sich Dreux nicht. Doch wie sollte er Angelo sein Empfinden verständlich machen?


    Dunkelheit.

    Einsamkeit.


    Seine Kehle war wie zugeschnürt, seine Zunge lag schwer und unbeweglich in seinem Mund. Würde er jetzt einen Ton über die Lippen bringen, würden sich seine Gefühle in Tränen ihre Bahn brechen. Dreux biss die Zähne so fest zusammen, dass Angelo sie knirschen hörte.


    Ein Kopf der sich auf seinen legte. In der Dunkelheit spürte er die Bartstoppeln von Angelo auf seinem Scheitel. Dreux zog sich die Decke bis unter die Nase, mummelte sich tief ein und schloss die Augen.


    Alvashek schenkte Licht und Wärme.

    Angelo auch.


    "Merci", wisperte Dreux.

    "Buona notte", antwortete Angelo flüsternd.

  • Badehaus und Kekse


    Ein unwiderstehlicher, süßlicher Duft schlich sich in seine Nase und ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Dreux öffnete ein Auge und schaute auf einen Teller mit Keksen.


    "Ofenfrische Cossarroni, probiert einen", grinste Angelo von einem Ohr zum anderen.


    Dreux nahm sich einen der warmen, weichen Kekse und biss hinein. Der Geschmack war unheimlich gut. Süß und saftig war wirklich die passende Beschreibung für dieses Gebäck. Gut gelaunt nahm er sich direkt eine Handvoll, während Angelo den Rest frühstückte. Dreux aß schmunzelnd, da er sich ein Grinsen verkneifen musste.


    "Die Cossarroni sind vorzüglich, ein erstklassiges Frühstück. Wohin gehen wir nun? Wie von Euch gestern vorgeschlagen ins Badehaus?", fragte Dreux und rieb die Hände aneinander um die letzten Krümel loszuwerden.

    "Ja damit Ihr nicht unrasiert unsere weitere Reise antreten müsst. Zudem schadet ein warmes Bad nicht, schön durchgewärmt reitet es sich angenehmer. Kommt", bat Angelo und gab den Weg vor.


    Weit hatten sie in Doniretti nicht zu laufen. Der Ort war nicht sonderlich groß und jeder schien jeden zu kennen. Trotzdem wirkte das Örtchen belebt und quirlig. Jeder ging seiner Tätigkeit nach und Dreux schaute sich neugierig um. Ein kleiner Gemischtwarenladen fiel Dreux auf, vielleicht konnte er dort ein Andenken erstehen.


    "Was ist das für ein Laden? Was kann man dort erstehen, wisst Ihr dies zufällig?", fragte der Archiduc wissbegierig.

    "Oh im Grunde alles Hoheit. Alles was Ihr im Haushalt benötigt, von Leder bis Schnur, von Topf bis Schleifstein. Das ist der Ortsladen, er führt allerhand. Schaut Euch nachher gerne dort um. Doch vorher wie versprochen, gehen wir ins Badehaus", gab Angelo zurück und deutete auf ein Steinhaus.


    Man musste nicht lesen können, um das Zeichen über der Tür zu deuten.


    Angelo betrat das Haus und hielt Dreux die Tür auf. Empfangen wurden sie von einem Badeknecht, der sie zum Umkleideraum führte.


    "Ihr seht hier die einzelnen Ablagefächer, dort legt Ihr Eure Kleidung hinein. Jedes Fach ist mit einem anderen Symbol markiert, so dass Ihr Eure Kleidung wiederfindet. Das Problem werden wir nicht haben Hoheit, aber die normale Bevölkerung trägt keine derart aufwendige Kleidung wie wir. Vieles sieht gleich aus und manchmal ist eine Verwechselung von einem verschlissenen Hemd zu einem etwas besseren Hemd durchaus gegeben. Deshalb wird hier streng auf die Kleider geachtet. Ein Badeknecht hat seine Augen auf die Kleidung.


    Das Badehaus ist strikt nach Geschlechtern getrennt. Für Männer wie für Frauen gibt es zudem zwei Bereiche, den Raum des Badens und Entspannens und den Raum der Behandlung. Im Behandlungsraum werdet Ihr rasiert, frisiert, es werden Euch bei Bedarf Zähne gezogen und andere Behandlungen vorgenommen.


    Ich persönlich ziehe es vor, mich zuerst zu waschen, dann etwas zu entspannen und mich erst dann rasieren zu lassen. Hier werdet Ihr sehen ist das Badehaus mit wannenartigen Gruben ausgestattet. Der Boden ist mit Platten ausgelegt. Es gibt Einzelbäder oder auch Bäder für mehrere Personen. Mein Bruder und ich pflegen hier vor Ort gemeinsam zu baden, so können wir entspannen und dabei weiterhin plaudern.

    Außerhalb der Badestube befindet sich der Raum, in dem Wasser in einem Kessel warm gehalten wird. Der Badeofen befindet sich in der Mitte des Hauses. Hier arbeitet man noch nach der alten Steinmethode Hoheit. Glühende Steine werden im Badeofen erhitzt. Die Wunschtemperatur erhält das Badewasser durch entsprechendes Mischen. Also heißes und kaltes Wasser werden gemischt und beides wird bereit gehalten.


    Zur Reinigung des Körpers stehen Seifen und verdünnte Laugen zur Verfügung. Für die Reinigung der Haare stehen ebenso verdünnte Laugen zur Verfügung, welche mit Kräutern und anderen Zutaten verkocht wurden. Ich werde mir die Haare hier nicht waschen lassen, da wir heute noch weiterziehen wollen. Es dauert lange, bis meine Haare trocken sind. Eure sind ebenfalls sehr lang, überlegt Euch ob Ihr Eure Haare waschen wollt Hoheit.


    Entscheidet Ihr Euch für eine Haarwäsche, wird Euer Haar vorab gekämmt. Zunächst werden die Knoten aus Euren Haaren gekämmt, mit der groben Kammseite. Nun Eure Haare sind seidig und glatt und haben keine Knoten. Danach kommt die feine Seite des Kammes zum Einsatz. Jene Seite entfernt Staub und Schmutz aus dem Haar und verteilt das Haarfett über die Länge der Haare. Dieses Fett pflegt das Haar und muss vom Haaransatz weggekämmt werden, damit es sich dort nicht anlagert. Nur bei gründlichem Kämmen, bleibt das Haar lange frisch. Ihr könnt Euer Haar zusätzlich mit Ölen pflegen um es zu schützen.


    Nach leichten Laugen werden die Haare mit Essigwasser gereinigt, damit sich keine Ablagerungen von Seifenkalk an ihnen festsetzen können. Zum Schluss ist die Trocknung fällig, üblicherweise wird das Haar Luftgetrocknet. Hiernach wird es erneut vorsichtig gekämmt.


    Meine Haare sind kraus und verknoten daher leicht. Ein Grund mehr, weshalb ich sie lieber Zuhause waschen lasse.

    Ich schätze wir haben fast gleich langes Haar, auch wenn man das auf den ersten Blick bei mir nicht sieht.


    Ihr müsst Euer Haar nicht waschen lassen. Allerdings solltet Ihr es zusammenbinden, da es sehr lang ist, damit es nicht in der Badewanne hängen bleibt. Ihr könnt wählen zwischen kaltem Bad, warmen Bad und heißem Bad. Wählt das warme Bad, dass empfehle ich Euch.


    In der Wannengrube könnt Ihr Euch selbst waschen, oder waschen lassen. Zudem könnt Ihr auch geknetet werden, um Euch von Verspannungen befreien zu lassen.


    Hier könnt Ihr Euch zudem schrubben lassen. Besondere Schrubbtücher und vor allem Seegurken werden dazu verwendet. Ihr werdet Badeknechte sehen, Schrubber genannt, die mit besonderen Tüchern und runden, weißen Gebilden zwischen den Badewannen umhergehen. Eines vorweg Eure Hoheit, ein Schrubber ist gnadenlos, dafür werdet Ihr nie in Eurem Leben eine glattere und weichere Haut haben. Geschrubbt werdet Ihr auf Wunsch erst, wenn Eure Haut etwas eingeweicht ist.


    Nach dem Baden trocknet Ihr Euch das Gesicht sowie die Hände mit dem Handtuch ab. Euren noch feuchten Körper hüllt Ihr in ein Badelaken und legt Euch für einige Zeit zum Ausruhen auf passende Liegen hin.


    Zuletzt kommt das Verlassen des Badehauses Hoheit. Wir werden an den Tresen gehen, unsere Kosten begleichen und sobald wir diese bezahlt haben, können wir zurück in den Umkleideraum gehen. Bevor Ihr nicht bezahlt habt, geht Ihr bitte nicht zurück in den Umkleideraum. Über die Bezahlung macht Euch keine Gedanken, die übernehme selbstverständlich ich.


    Noch etwas, da ich nicht weiß wie schamhaft Ihr seid. Für Fremdländer ist es oft schwierig in ein Badehaus zu gehen, da sie mit Nacktheit konfrontiert werden. Hier bitte keine Angst, niemand wirft Euch einen zweiten Blick zu. Jeder ist aus dem gleichen Grund hier wie Ihr, Körperpflege.


    Solltet Ihr Euch dennoch bedecken wollen, nutzt bitte das Handtuch dass Euch gegeben wird. Hier bitte aufpassen, es ist nicht gestattet, das Handtuch im Badewasser nass werden zu lassen. So lange Ihr es nicht benötigt, rollt es als Rolle zusammen und legt es in Euren Nacken. So bleibt es trocken und es ist gemütlich. Lautes Reden und mit Wasser herumspritzen ist verboten. Nicht dass Ihr dies tun würdet, aber ich möchte Euch vollständig informieren", erklärte Angelo den genauen Ablauf im Badehaus.


    Dreux nickte beipflichtend, dass er alles verstanden hatte, während der Badeknecht abwartend bereit stand. Angelo entledigte sich seiner Kleidung und deponierte sie in einem der Kleidungsfächer. Dreux folgte seinem Beispiel und nahm vom Badeknecht das gereichte Handtuch entgegen, genau wie sein Gastgeber.


    Während Angelo vor Dreux dem Badeknecht folgte, schaute der Archiduc dem Marchesi auf das Kreuz. Sein gesamter Rücken bis hinab zum Steißbein, sowie seine Oberarme waren mit roten Mustern verziert, die von der Mitte des Rückens ausgehend eine stilisierte Sonne bildeten. Dreux schmunzelte gerührt, da er so einen sehr privaten Einblick auf etwas bekam, das wohl sonst kaum einer sehen durfte.


    Alvashek war mehr als nur geliebter und gelebter Glaube. Angelo trug ihn nicht nur im Herzen, sondern auch unter der Haut.


    Einen Augenblick später verschwand die Welt in heißen, wohligwarmen Nebelschwaden des Badebereichs. Beide gönnten sich eine Doppelbadewanne und saßen sich einen Moment später im heißen Kräuterwasser gegenüber. Dreux ließ sich zufrieden und tiefenentspannt in das warme Wasser sinken.


    "Seid Ihr sicher, dass wir heute losreiten müssen?", flüsterte er gut gelaunt, was Angelo grinsen ließ.

    "Bleiben wir beim Badehaus und den Keksen", schlug Angelo vor.


    "Merci. Morgen ist auch noch ein Tag Marchesi", seufzte Dreux glücklich.

    "Prego", gab Angelo zurück und legte den Kopf in den Nacken.

  • Band der Freundschaft


    Der Gemischtwarenladen war eine willkommene Abwechslung. Dreux fühlte sich, als hätte man ihn hinter der Reitschrecke durch den Ort geschleift. Seine Haut jedoch war so zart wie nie. Angelo hatte Recht gehabt, was die Gnadenlosigkeit der Schrubber betraf. Dreux überlegte einige davon bei sich im Kerker einzusetzen. Ein Verhör als saubere Sache zu bezeichnen, bekam so einen ganz neuen Ausdruck.


    Dreux Taten die Seegurken leid, die für diese Qual geopfert wurden. Aber wenn er ehrlich war, bezahlte jeder Geschrubbte sicher den gleichen Schmerz als Preis. Angelo hatte sich jeden Kommentar bei seiner Qual verkniffen. Vor dem Schrubber waren alle Menschen gleich. Erbarmen gab es für niemanden.


    Dreux betrachtete die Auslage der Muschelmesser, ehe er sich dem kleinen Schmuckstand zuwandte. Geflochtene Bänder für Handgelenke und Haar in verschiedenen, bunten Ausführungen hatten es dem Archiduc angetan.


    "Habt Ihr schon einmal so etwas Schönes gesehen? Jedes einzelne Band ist in einem anderen Muster geflochten. Haben die Muster eine Bedeutung, wisst Ihr das? Was haltet Ihr von den Bändern?", fragte Dreux und hielt einige davon hoch, die ihm besonders gut gefielen.


    "Das sich Freundschaftsbänder Hoheit. Sie werden meist von Seeleute hergestellt, während der Zeit an Land oder in der spärlichen Freizeit. So verdienen sie sich ein Zubrot. Viele stellen sie auch selbst her. Die Bänder der Seeleute sind von professionellen Knotern könnte man sagen. Die meisten Muster stellen die Wellen des Meeres dar und diese bedeuten Unendlichkeit. Eine Freundschaft soll ebenso unendlich sein. Eines haben alle Bändchen gemein, man kauft sie sich nicht selbst, sondern man bekommt sie geschenkt. Genau wie die Windflöten entfalten sie sonst keine Wirkung", antwortete Angelo freundlich.


    Caldera nahm Dreux die Armbänder ab, suchte eines davon aus und bezahlte es beim Verkäufer.


    "Kommt her", bat er und umfasste Dreux Handgelenk um ihm das Freundschaftsbändchen umzubinden.

    "Für Euch, falls die Nacht wieder einmal zu dunkel wird und keine Cossarroni zur Hand sind", raunte Angelo ihm leise zu.


    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.

    (Freundschaftsband von Dreux)


    "Grazie", antwortete Dreux gerührt.

    Sil vous plait", grinste Angelo und knotete das Bändchen ordentlich zu.


    Als am anderen Morgen Angelo in aller Frühe aufwachte, war sein Handgelenk ebenfalls mit einem Freundschaftsband in den souvagnischen Landesfarben geschmückt. Und er war sich sicher, den Archiduc im Halbschlaf schmunzeln zu sehen.


    Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.

    (Freundschaftsband von Angelo)


    "Grazie. Steht auf Hoheit, ein neuer Tag und eine neue Reise erwarten uns", freut sich Angelo.




    (Bilder von Bitte melde dich an, um diesen Link zu sehen.

    Urheber: Ra´ike (see also: de:Benutzer: Ra´ike). Bilder sind geschnitten).

  • Auswirkungen


    Als sie am Morgen mit frischem Proviant ausgestattet die Reise fortsetzten, stellte Angelo fest, dass auch die Reitschrecke um eines ihrer Hörner ein Freundschaftsband trug. Angelo schwang sich in den Sattel und zog Dreux hinter sich auf das Tier. Gemächlich ritten sie durch den Ort und Dreux fiel auf, dass es keine jungen Männer in ihrem Alter zu sehen gab. Jetzt wo er darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass sogar die Bader alte Männer gewesen waren.


    Angelo und er wirkten irgendwie fehlt am Platz. Als sie den Ort verließen, wandte sich Dreux an seinen Begleiter.

    "Marchesi uns ist aufgefallen, dass es im Ort keine jungen Männer gab. Wir sahen nur Frauen, einige Kinder und Greise. Wir beide waren eine Ausnahme. Wir glauben die Bewohner schauten nicht nur aufgrund Eures Ranges als Lehnsherrn. Was trug sich zu?", fragte Dreux nachdenklich.


    "Hoheit So sieht es zu großen Teilen im ganzen Land aus. Der Krieg hat unsere jungen Männer verschlungen. Ihr und ich seid Ausnahmen, ebenso wie unser Duca, mein Bruder und jeder gesunde Mann in unserem Alter. Jene die es nach Hause geschafft haben, waren größtenteils verletzt oder traumatisiert. Deshalb ist Ehveros so ein wichtiges Unterfangen für uns.


    Der Krieg ist vorbei, aber wir kämpfen noch immer ums Überleben. Sei es der tägliche Kampf für ausreichend Nahrung oder der ständige Kampf als Volk nicht unterzugehen. Es sind zu viele gute Menschen für ein verräterisches Volk gestorben, dass nichts wert war. Wir hätten sie in den Sümpfen allesamt ersäufen sollen. Aber niemand wusste um die Schändlichkeit und Unehrlichkeit der Zwerge. Wir haben einen hohen Preis gezahlt für unseren Edelmut Hoheit. Ehveros muss in Ledwicker Hand fallen, damit Ledwick nicht fällt.

    Ihr habt die Auswirkungen des Krieges gesehen", erklärte Angelo betrübt.

    "Verzeiht, daran hatten wir nicht gedacht. Wir wollten Euch nicht verletzen. Wir hätten gründlicher darüber nachdenken müssen", antwortete Dreux zerknirscht.


    "Nein Hoheit, Ihr müsst Euch nicht entschuldigen. Das hätten andere tun müssen. Euer Land ist glimpflich davon gekommen. Seid froh, dass man Euch gleich zu Anfang betrog und Eure Schiffe missbrauchte. Eine eindeutige Warnung. Ihr habt das Abkommen verlassen. Wir hätten Euch folgen sollen. Nun gemeinsam verübten unsere Nationen Vergeltung.

    Ach ehe es noch untergeht, vielen lieben Dank für die Freundschaftsarmbänder. Ihr seid mutig sogar meiner Schrecke eines umzubinden. Dankeschön", freute sich Angelo.


    "Sehr gerne, Ihr und Eure Schrecke habt Euch die Bändchen mehr als verdient. Sie kommen von Herzen. Wir dachten auch der Schrecke steht ein Band zu. Nach unserem schlechten Start hat sie uns sicher getragen. Ein gutes Tier. Ihr hattet übrigens Recht mit den Schrubbern", warf Dreux ein.


    "Ich hatte Euch gewarnt, dafür dürfte Eure Haut jetzt blütenzart und seidenweich sein", lachte Angelo.


    Blütenzart, seidenweich, enthaart und rasiert. Rückblickend hätten wir das Wagnis eingehen sollen, unrasiert zu reisen", schmunzelte Dreux.


    "Nun vielleicht habt Ihr ein klein wenig übertrieben mit Euren Behandlungen. Eine Enthaarung habt Ihr nicht nötig. Wir verzichten darauf uns enthaaren zu lassen", gab Angelo leichthin zurück.


    "Das wissen wir, wir saßen Euch im Bad gegenüber. Es steht Euch gut, uns nicht. Offenbart Ihr uns, was es mit Eurer Tätowierung auf sich hat?", fragte Dreux neugierig.


    "Grazie. Die Antwort ist leicht, Alvashek. Es ist ein Dauergebet und gleichzeitig ein Bekenntnis zu meinem Glauben. Ihr solltet überlegen ob Ihr Euch eine kleine Tätowierung zulegt. Etwas dass Euch Kraft, Halt und Schutz gibt", sagte Angelo.


    "Das habt Ihr vorletzte Nacht getan Marchesi", antwortete Dreux schlicht.

    Angelo warf Dreux einen Blick über die Schulter zu und lächelte.


  • Fremde Scholle


    Sie waren nicht lange geritten, als das Gelände trockener wurde. Staub wirbelte zwischen den spitzen Füßen der Reitschrecke auf und ein warmer Wind strich beständig über sie hinweg. Selbst der Geruch der Luft war trocken und verkündete von großer Hitze, die jene Luft mit sich tragen konnte. Dreux wusste was dies bedeutete, der Wind kam aus der Sundhi. Auf der Feste Sonnenstein hatte er ähnliche Winde gespürt. Es waren die warmen Wüstenwinde mit denen manche Rakshaner grüßten oder sie einem wünschten. Warm, bisweilen auch heiß, aber nicht jene tödliche Glut welche die Sundhi zu entfesseln im Stande war.


    Dreux schloss für einen Moment die Augen, als der Wind über sein Gesicht strich. Angelo hielt mit der Reitschrecke an und stieg von dem großen Tier ab. Dreux ergriff einige der Kopftentakeln und folgte dem Beispiel seines Gastgebers. Da er nicht wusste, ob das Tier bei seinem Herr stehenbleiben würde, hielt er es lieber fest.


    Caldera stand vor einem mannshohen Stein, der oben mit einer kreisrunden Öffnung versehen war. Seltsame kreisrunde Muster zierten den Stein unter der Öffnung. Behutsam strich der Marchesi über die Stein und genoss einen Moment die Wärme unter seinen Fingerspitzen. Dreux stellte sich neben ihn und immitierte die Geste.


    "Ein seltsamer Stein, was hat er für eine Bedeutung Angelo? Und wozu dient das Loch in ihm? Wir waren so frei, Eure Reitschrecke zu sichern. Die Sundhi ist nicht fern, nicht wahr? Wir spüren ihren Atem in jedem Windzug", sagte Dreux und schaute Richtung Osten, wo die große Wüste lag.


    "Dies ist unser Grenzstein, hinter ihm beginnt das Lehen des Marchesi Momarlino di Marletti. Zu einer bestimmten Zeit scheint Alvashek genau durch diese Öffnung. An welchem Tage das sein wird, dass verrät uns das kreisrunde Muster. Schaut genau hin Hoheit, in dem scheinbar nicht enden wollenden Kreis ist ein Punkt eingezeichnet. Der Kreis hat genau 12 Runden, er stellt das Jahr dar. Jeder Kreis ist in kleine Abschnitte unterteilt, dies sind die Tage. An jenem Punkt, wird die Sonne durch diesen Stein scheinen, um die Ewigkeit mit diesem Land zu besiegeln.


    Hinter diesem Stein ist mein Wort das eines Gewöhnlichen, auch wenn gegenseitiger Respekt etwas anderes verlangt. Wir befinden uns auf dem Gebiet eines anderen Lehnsherrn. Was mit Marchesi di Marletti ist, weiß ich nicht. Alles was mir durch meinen Vater bekannt ist, dass seine kleine Tochter Julietta wohl sehr schwer krank ist. Ein souvagnischer Heiler wurde zur Hilfe gerufen und gemeinsam mit dem Marchesi di Georgo wollte di Marletti das Heilmittel beschaffen. Was aus dem Unterfangen geworden ist, entzieht sich meiner Kenntnis.


    Leider ist es oft der Fall dass nach einem Krieg Hunger und Krankheit sich wie graue Asche über das Land legen, so sagte es mein Großvater.


    Aber eines ist gewiss, wenn ein Lehnsherr nicht mehr er selbst ist oder sein Augenmerk von seiner Scholle abwendet, kann sich Übles ausbreiten. Ihr wisst dies so gut wie ich, seid wachsam. Bis jetzt ist uns nichts aufgefallen, vermutlich arbeiten die Wachen von Marletti und seine Getreuen gut. Aber das kann sich von heute auf morgen ändern, wo das Auge des Gesetzes schläft", antwortete Angelo, nahm Dreux Hand und drückte dessen Finger auf den Sonnenpunkt.


    Dreux betrachtete den Punkt und zählte die Kreise.


    "Am 02.06. wird die Sonne durch die Öffnung des Stein scheinen, ist das korrekt? Was geschah am 02.06. dass dieses Datum mit einer Besiegelung festgehalten wurde? Grenzsteine sind uns ebenfalls bekannt Marchesi. Einige Wappen tragen sogar welche, sie sind Bestandteil der Heraldik. Grenzsteine werden zur örtlichen Kennzeichnung sichtbar, aber bodenbündig in den Grenzpunkt gesetzt, in der Regel mit einer mittleren Lagegenauigkeit von einigen Zentimetern.


    Grenzsteine markieren bestimmte Rechtsbereiche oder heiligen Boden. Sie sind rechtlich verbindlich und einen Grenzstein unbefugt zu versetzen wird in Souvagne mit dem Block geahndet. Viele Grenzsteine sind bei uns nicht nur einzelne Steine, sondern oft ein Hauptstein und einige Nebensteine. Die Nebensteine werden Zeugen genannt. Die Zeugensteine haben die Aufgabe, dem Grenzstein bewusst als diesen kenntlich zu machen. Meist werden dazu Materialien verwendet, die sehr hart sind wie Granit. Oder auch entsprechende Findlinge, wie dieser Stein hier. Bei uns werden sie mit den jeweiligen Wappen oder einem Teil des Wappens verziert. Euere Zierde wäre in Souvagne zum Beispiel die Zypresse", gab Dreux freundlich zurück.


    "Einst am 02.06. wurde uns diese Scholle überreicht. Deshalb besiegeln wir den Bund mit dem Boden und dem geheiligten Licht stets aufs neue an jenem Tag. Wir gehören zusammen, unsere Familie, unsere Scholle, unser Land und unser Glaube. Macchiare läuft nicht fort. Vielleicht geht er ein paar Schritte oder falls ein Gewässer in der Nähe ist, sucht er sich dort etwas zu Fressen. Aber ein Ruf reicht und er kehrt zurück. Trotzdem Danke für Eure Umsicht.


    Auf der Höhe von Arx Sirio befindet sich ein schwimmender Markt. Genauer gesagt, etwas westlich ins Landesinnere hinein. Es ist der Piantibaldi Giardino", erklärte Angelo und schwang sich wieder auf seine Reitschrecke. Einen Moment später schwang sich Dreux hinter ihm auf das Tier.


    "Wir werden wachsam sein und wir sollten mit dem Duca über jenen Marchesi sprechen. Vielleicht ist alles was der Mann benötigt, etwas Hilfe und Beistand um wieder auf die Füße zu kommen. Berichtet mir von den schwimmenden Gärten Angelo, was genau hat es damit auf sich?", fragte Dreux und hielt sich wieder an seinem Begleiter fest als sie losritten.


    "Sehr gerne Hoheit. Die schwimmende Gärten - Giardino Ledwicks sind ebenso wie die schwimmenden Märkte ein Anziehungspunkt für Einheimische, wie für Urlauber. Diese besondere wie auch einzigartige lokale Kultur ist tief verwurzelt im alltäglichen Leben der Ledvigiani.


    Aber nicht nur dass, sie stellen eine spezielle Form der Landwirtschaft auf dem Wasser dar. Anzumerken ist, dass es nicht nur eine Form von schwimmenden Gärten gibt. Die Ledvigiani sind erfinderisch wie meisterhaft darin, Sumpf- und anderes unwägbares Gelände landwirtschaftlich nutzbar zu machen.


    So werden die schwimmenden Gärten im flachen Gewässer aus Schlick und dem Wurzelwerk der üppig wachsenden Wasserpflanzen angefertigt und mit Holztangen im Boden verankert. Diese schaukelnden Konstruktionen können nicht betreten werden, deshalb werden die schwimmenden Gärten vom Boot aus bewirtschaftet. Aufgrund des nährstoffreichen Schlicks sind mehrere Ernten pro Jahr möglich.


    Jene Gärten sind riesige, schwimmende Humusbeete, die mit den Jahren immer dicker werden. Ein alter Garten ist somit besonders wertvoll. Die Verankerung der Gärten erfolgt, damit der Bauer nach einem Sturm seine Felder an Ort und Stelle wieder findet.


    Eine weitere Form der schwimmenden Gärten sind mit Seeschlamm bedeckten Flöße, deren Wurzelwerk oft bis fast auf den Grund des Gewässers reicht.


    Angebaut werden hier hauptsächlich solche Obst- und Gemüsesorten, die einen nassen Fuß mögen. Für dieses Gewächse sind die schwimmenden Gärten der perfekte Standort. Zwischen den Beeten stehen oft kleine Stelzenhäuser. Sie dienen als Unterstand bei Regen und zum Abstellen der landwirtschaftlichen Geräte.


    Die schwimmenden Gärten sind für die Bewohner wie auch für Urlauber ein beliebtes Ausflugsziel. Heutzutage werden die Gärten als Anbaufläche und auch zur Erholung genutzt. Die Verwendung des fruchtbaren Schlammes machte es zu einer der effektivsten Anbauformen, die je entwickelt wurde, und ermöglichte ganzjährige Ernten.


    Besonders gerne werden dort schwimmende Gärten angelegt, wo zuvor Torf gestochen wurde. Nach einer alten Tradition werden die Erzeugnisse direkt aus den Booten heraus verkauft.


    Rund um die schwimmenden Gärten findet man häufig das glänzende Frauenauge, eine Wasserpflanze ähnlich wachsend wie die Wasserhyazinthe. Allerdings sie ihre noch geschlossenen Blütenknospen essbar. Süßsauer eingelegt sind sie eine besonders beliebte Speise oder Beilage.


    Folgende schwimmende Gärten gibt es in Ledwick.

    Den Garatazzo Giardino - bekannt für seine besonders aromatischen Tomaten.

    Den Galaretta Giardino - bekannt für die breite Vielfalt an Frutto Dolce, der ledwicker Süßfrucht.

    Den Tottone Giardino - bekannt für die große Auswahl an Gemüsesorten und Blumen.

    Den Stello Giardino - bekannt für die reiche Auswahl an Obst, Gemüse und dem ledwicker Wasserkürbis.

    Den Piantibaldi Giardino - bekannt für Wassertabak und dem ledwicker Buntblatt, dies ist eine Gemüsepflanze.


    Es wird Euch gefallen glaubt mir", versicherte Angelo.


    Dennoch entging es Dreux der Wandel des Marchesi nicht. Caldera war aufmerksam, seine Augen wanderten umher und sicherten die Gegend, während seine Reitschrecke in einen leichten Trab verfiel. Schnell genug um nicht sofort gestoppt zu werden, langsam genug um schnell zu stoppen und seine Haut oder harte Schale zu verteidigen.


    Dreux schaute zurück zu dem Marktstein der Calderas, auf dessen anderer Seite Richtung Marletti ein eingravierter Zapfen prangte.

  • Stelzen


    Ein schwimmender Garten war ihr nächstes Ziel, dies bedeutete dass sie sich in Sumpf- oder Wassernähe begeben mussten. Sie verließen die Randausläufer der Sundhi und hielten auf das Landesinnere zu. Die Trockenheit verschwand und mit ihr die warmen Wüstenwinde. Der Ritt führte sie nach einiger Zeit durch unwegsames, sumpfiges Gelände. Bestenfalls hätte man sich hier über die kleinen Grasinseln fortbewegen können. Sie hatten Fussgrösse, andere wären viel kleiner. Welche Grasballen davon einen Reisenden trugen, würde bestenfalls sein Begleiter wissen, dachte sich Dreux.


    Die Reitschrecke jedoch hatte in diesem unwegsamen Gelände keine Probleme. Ihre langen, beweglichen Beine ermöglichten dem Tier ein schnelles, problemloses Vorankommen. Der Sumpf unter ihrem Reittier wirkte hier anders. Nicht so wie zähflüssiger Morast, der jeden unachtsamen Wanderer verschlingen würde.


    Dunkles, stehendes, klares Wasser indem sich Pflanzen und Getier tummelten. Der Grund jedoch hatte sicher die gleiche festsaugende Eigenschaft wie Modder. So interessant die Umgebung war, Dreux war fester Untergrund unter der Reitschrecke lieber. Dreux hielt sich in dem Gelände eine Spur fester an Angelo fest. Die Zeit verstrich langsam und Dreux fühlte sich als würden sie im Gänseschritt Ledwick erkunden.


    Müdigkeit überfiel ihn und er lehnte sanft seinen Kopf gegen den Rücken von Angelo. Wind kam auf, als Caldera sein Tier zügelte und es stehenblieb.


    "Schaut Hoheit, dort werden wir rasten oder direkt die Nacht verbringen", sagte Angelo und deutete auf ein hölzernes Haus.


    Das besondere an dieser zweistöckigen Waldhütte war, dass sie auf langen Stelzen stand. Bei der sumpfigen Umgebung durchaus verständlich.


    "Das sieht gemütlich aus, eine Rast würde uns gut tun. Hoffentlich ist die Hütte noch nicht belegt", antwortete Dreux gähnend.


    "Das ist sie nicht. Seht Ihr die herabhängende Treppe? Dies zeigt uns an, dass die Hütte unbewohnt ist oder der jetzige Gast gewillt ist, den Platz mit anderen Reisenden zu teilen. Sobald wir in der Hütte sind, ziehen wir die Treppe hoch, was die Sicherheit zusätzlich erhöht.


    Vor allem im Sumpf und an der See findet Ihr Pfahlbauten. So bezeichnet man diese Häuser. An geeigneten Stellen rammt man Pfähle in den Untergrund. Sie können aus ganzen oder gespaltene Stämmen bestehen. Jene Stämme werden zwei zu zwei angeordnet. Die Höhe der Pfähle reicht bei manchen Bauten bis zu fünf Meter hoch. Am Fusse der Pfähle werden schwere Steine versenkt, die für zusätzliche Stabilität sorgen.


    Die meisten Häuser sind aus dem gleichen Material gefertigt wie die Pfähle, oft werden sie zudem noch mit einer Lehmschicht versiegelt. Das Dach ist mit Rinde oder Schilf gedeckt. Der kleinere, obere, zweite Stock dient der Aufbewahrung von Waren oder anderen Gütern. Ich reite nahe heran, so dass Ihr leichter in die Hütte hinein klettern könnt",
    erläuterte Angelo.


    So nah wie möglich ritt er an die herunterhängende Stufenkonstruktion heran. Dreux hockte sich vorsichtig auf den Rücken der Reitschrecke und hangelte sich zur Treppe. Mit etwas Kraft und Geschick war er einen Moment später in der Hütte verschwunden.


    "Die Hütte ist leer, kommt hoch", rief er Angelo zu und reichte ihm die Hand.


    Caldera hing sich ihre Provianttasche um, löste die zusammengerollte Decke hinten vom Sattel und hing sich diese ebenfalls um. Er zog sich aus dem Sattel, stellte sich auf den Rücken seines Reittiers und kletterte mit Dreux Hilfe ebenfalls in die Hütte. Der kleine, längliche Raum war mit einer festmontierten Sitzeinrichtung versehen, die Tisch und zwei Bänke bildete. Im hinteren Teil gab es ein erhöhtes Podium, auf dem man seinen Schlafplatz ausbreiten konnte. Schlicht und trocken, was wollten sie mehr?


    Dreux zog an dem schweren Tau die Treppenkonstruktion nach oben in die Hütte.


    "Sicher. Was geschieht mit Eurer Schrecke?",
    fragte Dreux und machte es sich am Tisch bequem.
    "Sie wartet unter dem Haus, es sei denn Ihr wollt sie hochwuchten", grinste Angelo Dreux an und stellte die Provianttasche auf den Tisch.


    "Im Moment nicht, Danke", gab Dreux gut gelaunt zurück und nahm sich etwas Brot und Käse aus der Tasche.

    "Schade", lachte Angelo.

  • Licht und Dunkelheit


    Dreux stöberte in der Provianttasche seines Gastgebers und holte lange, hölzerne Stäbe aus der Tasche. Der Archiduc musterte die Stäbe und fragte sich, was es mit ihnen auf sich hatte.


    "Verratet Ihr mir, weshalb Ihr Stöckchen mit Euch führt?", fragte Dreux gut gelaunt und aß sein letztes Stück Käse auf.


    "Gerne. Das sind keine Stöckchen, sondern dass sind Kienspäne. Kien, ist das Holz der harzreichen Kiefer. Sie wird am häufigsten verwendet als Kerzenersatz. Allerdings russt es stark. Die Kienspäne oder auch Leuchtspäne genannt, werden üblicherweise am Herdfeuer entzündet Hoheit. Natürlich könnt Ihr sie auch an einem Lagerfeuer entzünden, oder mittels Stahl, Feuerstein und Zunder zum Brennen zu bringen.


    Ihr wisst es vielleicht nicht, aber Licht ist eine Frage des Standes Hoheit. Es gibt nicht für jedes Heim, eine Beleuchtung wie Sie Euch bekannt ist. Gleich wo Ihr Euch aufhaltet oder wohin Ihr geht, Ihr findet Licht vor. Doch eines ist gewiss, je niederer der Stand, je weniger Licht steht der Person zur Verfügung. Das heißt Licht durch Leuchtmittel.


    Der hellste Raum in einem Dorf oder Ort ist der dort ansässige Tempel. Vergleicht es mit dem Raum des göttlichen Lichts durch Alvashek. Feuer ist ein Sendbote von ihm und wir haben die Ehre es rufen und pflegen zu dürfen. Sein Licht ist Ziel allen Denkens und Glaubens.


    Der hellste Raum in einem Haushalt, gleich ob groß oder klein ist die Küche durch das dortige Herdfeuer. Die Glut die darin schläft, ist Alvasheks Geschenk das es besonders zu hüten gilt Hoheit. Nachts werden die Kohlen mit Asche bedeckt, damit die Glut bis zum Morgen überlebt. Ist das nicht seltsam? Unter der Asche finden wir also immer noch das Geschenk unseres Gottes. Denn nicht einmal die Asche kann seinem Geschenk etwas anhaben, vielmehr nutzt er sie um den Funken des Feuers sicher zu verwahren. Am Morgen kann man aus der Glut ein neues Feuer entzünden. Leider gelingt es nicht immer, deshalb ist große Obacht geboten.


    Die bunten Farben in Ledwick haben nicht nur Zierde als Hintergrund Hoheit. Die farbigen Innenräume, die bunten Säulen, die leuchtenden Möbel, sie alle zeugen nicht nur von Lebensfreude, sondern dienen auch dazu als Haus oder Einrichtung in der Dunkelheit wahrgenommen zu werden.


    Weitere Leuchtmittel sind neben dem Herdfeuer unter anderem Fackeln, Lampen, Kienspäne und Kerzen. Wie teuer Kerzen sind, muss ich Euch nicht erklären. Und wie teuer das Betreiben einer Lampe oder Laterne ist, ebensowenig. Selbst Fenster sind Leuchtmittel, wenn auch keine aktiven. Schaut Ihr Euch in den Orten um, sind die meisten Fenster nur mit Holzläden verschlossen. Andere mit dünnem Leder oder Stoffen, die etwas Licht durchlässig sind.


    Lampen, Laternen und Kerzen sind den obersten Schichten vorbehalten Hoheit. Und selbst wir sparen so gut wir können, mit Feuerbecken und anderen Leuchtmitteln, die Licht und Wärme spenden. Ebenso nutzen wir Eisenkörbe vor allem im Außenbereich, in denen Kienspäne brennen.


    Wusstet Ihr dass es bei den einfachen Leuten Sitte ist die des Nachts arbeiten, dass sie Leuchtspäne während der Arbeit im Munde zu tragen und so ihren Bereich beleuchten?


    Das hat es mit den Stöckchen auf sich Hoheit. Möchtet Ihr heute hier übernachten? Dann richten wir uns unser Lager gemütlich ein. Die Decke legen wir auf das Podest und unsere Reiseumhänge nutzen wir als Decke. So lange es hell ist können wir würfeln und plaudern", schlug Angelo gut gelaunt vor.


    "Vielen Dank für die Erläuterung Marchesi, wir müssen gestehen oft macht sich eine Person unseres Standes um die alltäglichen Dinge keine Gedanken die ihn so selbstverständlich umgeben. Dass sie keine Selbstverständlichkeit sind, sehen wir hier oder wir sahen es vor Ort in der Taverne. Wie Ihr sagtet, Licht ist Luxus und deshalb ist die Sonne wie auch das Feuer etwas wertvolles.


    Bleibt sitzen und esst, wir kümmern uns um unseren Lagerplatz. Was würfeln wir denn? Oder anders gefragt, was für Würfelspiele kennt Ihr denn? Wir könnten es einfach halten, jeder würfelt dreimal und wer die höchste Zahl erreicht hat, hat gewonnen", antwortete Dreux freundlich und nahm die Decke wie auch die beiden Reiseumhänge an sich, um ihr Lager zu errichten.


    Nachdem das Lager gemütlich auf sie wartete, zog Dreux die Stiefel aus und machte es sich bequem. Angelo schnappte sich die Tasche und gesellte sich zu ihm. Caldera kramte einen Würfel heraus und legte ihn in die Mitte.


    "Ihr werdet sehen, hier ist die Nacht dunkler, als Ihr es Euch vorstellen könnt. Und dennoch ist sie von ganz besonderer Farbe und Strahlkraft. Blau, violett, schwarz und mit Sternen wie Ihr sie sonst sicher nicht in Beaufort sehen könnt. Das Licht der Nacht, so nennen wir es. Zudem hört Ihr hier nichts als die Natur und die Musik des Sumpfes. Ihr beginnt", erklärte Angelo und legte sich auf die Seite.


    "Wir beginnen mit Würfeln und zu verstehen, Merci", antwortete Dreux und würfelte.

    "Prego", lächelte Angelo.

  • Lotosfarm und Wasserdorf


    Der späte Nachmittag verging, ebenso wie der Abend. Ohne tatsächliche Beleuchtung hatte man sich nach den natürlichen Lichtverhältnissen zu richten. Etwas das Dreux nicht gewöhnt war. Möglicherweise war es Angelo einst ebenso ergangen, aber der Krieg der hier überall noch sichtbar war, hatte jeden dazu gezwungen umzudenken.


    Angelo hatte sich lang ausgestreckt und in seinen Umhang gehüllt. Dreux schaute aus dem winzigen Spaltfenster und betrachtete den nächtlichen Sternenhimmel. Er begann an tiefster Stelle dunkel, wandelte sich in blau und am Himmelszelt in violett. Sterne funkelten über ihnen, die Nacht war hell und klar. Bis auf die Geräusche der Nacht hörte Dreux nichts. Wobei jene Laute von ganz eigenen Schicksalen in der Dunkelheit erzählten.


    Hier ein heiserer Schrei, dort ein Rascheln und zwischendurch scheinbare, absolute Stille. So leise wie möglich schloss Dreux die schmalen, hölzernen Fensterläden und legte sich neben Angelo auf ihr gemeinsames Lager. Für einen Moment überlegte er, ob er versuchen sollte einen der Kienspäne zu entzünden. Aber in einer Holzhütte war ein brennender Kienspan im wahrsten Sinne des Wortes brandgefährlich.


    Dreux legte sich hin und schaute ob Angelo richtig zugedeckt war. Der Atem seines Begleiters ging regelmäßig, also war er entweder tiefenentspannt oder er schlief. Der Archiduc rollte sich auf den Rücken und starrte zur Decke empor. Für einen winzigen Augenblick dachte er jemand schaute zurück und stutzte, doch es waren nur Schemen des kaum vorhandenen Lichts, dass durch die Ritzen der Fensterläden fiel.


    Dreux rollte sich auf die Seite und schaute Angelo an. Caldera öffnete die Augen und schaute zurück.

    "Falls Ihr mich fragen möchtet, weshalb Ihr nicht einschlafen könnt, hört auf zu rotieren", bat er mit unterdrücktem Lachen.

    "Sowas", murrte Dreux und wälzte sich auf die andere Seite, musste dann aber selbst kichern.


    "Ich sagte doch, dass wirkt nicht. Was ist los?", hakte Angelo nach und rutschte so nah auf, dass er Dreux mitzudecken konnte.

    "Nichts, wir sind nur etwas aufgekratzt. Wisst Ihr Zuhause schlafen wir hinter meterdicken Mauern, auch wenn man es den Gemäuern nicht ansieht. Unser Land ist von einer Mauer umgeben, wir schlafen in einem zigfach geschützten Nest. Aber dort ruhen wir allein. Manchmal kommt es uns vor wie eine Gruft. Als würde die Dunkelheit darin uns erdrücken.


    Das was wir Euch erzählen mag klingen wie eine Beschwerde auf extrem hohem Niveau Marchesi. Andere wären vermutlich froh, eine Nacht in einem Bett wie unserem verbringen zu dürfen, hinter derartigen Mauern. Gesichert von hunderten von Leuten und von ebenso vielen ständig umsorgt. Doch trotz das wir umgeben sind von hunderten von Personen sind wir einsam. Säße meine Person hier allein im Sumpf, wären wir schlicht allein. Aber dort, wo man das ferne Leben der anderen hört, ihr Lachen, ihr Scherzen, ihre Nähe untereinander spürt da wird uns bewusst was uns trotz aller Macht und all unserem Reichtum fehlt.


    Und eines Tages müssten wir neben einer Person im Bett liegen, die trotz aller Nähe extrem fern wäre. Hier ist niemand, hier dient uns niemand, hier sind wir ein niemand mitten in diesem von Ainuwar verlassenen Sumpf. Es könnte jederzeit jemand hereinspazieren und uns abschlachten und trotzdem fühlen wir uns lebendig.


    Wisst Ihr, wir würden gerne sagen, dass unsere Familie unsere Vertrauten sind. Aber sie alle haben das gleiche Problem wie wir. Wir lieben uns, wir empfinden Nähe füreinander, aber wir wissen sie nicht zu leben. Unser Vater weiß es so wenig, wie unsere Person oder jeder andere aus unserer Familie. Man könnte meinen, bei unserem Wissen müssten wir auch dies wissen. Dem ist nicht so.


    Woher sollten wir es wissen? Unser Vater verlor seinen eigenen Vater früh, genau wie seinen Bruder. Er war sehr jung als er den Thron bestieg. Sein einziger Vertrauter war sein Leibdiener Leon. Im Grunde sitzt er genauso einsam auf dem Thron, wie meine Person nachts im Bett liegt. Wie viel Tränen hat er vergossen, als Leon starb?


    Er lebte niemals mit einer Person die er liebte zusammen. Er lebte keine Liebe.

    Wie soll er uns etwas erklären, dass ihm selbst fremd ist?

    Das ihm selbst verwehrt blieb?


    Wir könnten ihn fragen, weshalb er nicht mit jenen Personen lebt die er liebt. Aber diese Frage wäre ungebührlich. Aber wir wollen und werden so nicht leben.


    Unser Vertrauter, Marquise de la Grange, riet uns dazu, uns auf die Suche zu begeben. Was wir suchen sollten? Uns selbst. Wir glauben jenen Mann als tatsächlichen Freund bezeichnen zu dürfen. Jedenfalls von unserer Seite aus. Nach unserer Reise werden wir Nathan Garcia suchen müssen. Er war unser Leibdiener, er war uns nahe. Ist es lächerlich sich in einer Sumpfhütte heimischer und wohler zu fühlen, als in unserem Palast?", fragte Dreux und starrte durch die Ritzen der Fensterläden.


    Angelo umarmte Dreux um den Bauch und legte seinen Kopf auf den des Archiduc ab. Erneut spürte Dreux die Stoppeln von Angelo auf seinem Scheitel.


    "Daran ist nichts lächerlich, der Unterschied ist, Ihr hattet die Wahl in diese Hütte zu ziehen. Als Duc werdet Ihr genau wie unser Duca in Ornat gehüllt werden. Etwas das Euch noch mehr von allen anderen Mitmenschen absondert. Ihr steht im Ornat über allen Personen um Euch herum und Ihr steht über allem Weltlichen. Wer über allem Weltlichen steht Hoheit, der muss sehr gut geerdet sein, sonst hebt er ab. Welche Formen das annehmen kann, solltet Ihr lieber nicht am eigenen Leib erfahren. Wobei wir nicht davon ausgehen, dass Euch dies zustößt, Ihr hinterfragt Euch.


    Euren Vater könnt Ihr darauf ansprechen, aber so dass Ihr eine Lösung für Euch beide sucht und nicht als Anklage. Wie Ihr selbst aufführt, wurde es ihm verwehrt. Ob er Euren Wunsch nachkommt, dass kann ich Euch leider nicht sagen. Dennoch solltet Ihr Eurem Vater Euren Wunsch vortragen, bezüglich Eurer eigenen Zukunftspläne.


    Ihr dürft mich ebenso zu Euren Freunden zählen, immerhin habt Ihr mir ein Freundschaftsbändchen umgebunden", gab Angelo freundlich zurück.


    "Danke für Eure herzlichen Worte. Wir haben Euch das Bändchen gerne umgebunden und Eurer Schrecke ebenso", schmunzelte Dreux und lehnte sich mit dem Rücken an Angelo.

    "Die dürft Ihr auch als Freund bezeichnen", flüsterte Caldera und Dreux spürte an dem Pieksen der Bartstoppeln von Angelo, dass dieser grinste.


    Dreux wachte auf, weil jemand an ihm rüttelte. Müde schlug er die Augen auf und schaute in das Gesicht von Angelo, dass mittlerweile einen Drei-Tage-Bart trug.


    "Guten Morgen, steht auf. Ich habe unsere Sachen zusammengepackt und wir sind abreisebereit. Möchtet Ihr hier oder unterwegs essen?", fragte Angelo und deutete gut gelaunt nach draußen, wo bereits die Sonne schien.


    Dreux stand auf, streckte sich und band sich die Haare mit einer Haarsträhne zusammen. Er befühlte sein Kinn, mit dem Bart von Angelo konnte er nicht mithalten. Die Bader und Schrubber hatten ganze Arbeit geleistet. Gähnend schlüpfte der Archiduc in die Stiefel und war in großer Versuchung sich wieder hinzulegen.


    "Oh nein, denkt nicht einmal daran", lachte Angelo und Dreux grinste müde zu ihm hoch.

    "Nein, keine Sorge und guten Morgen. Heute reisen wir zum schwimmenden Garten, nicht wahr? Ist es noch sehr weit von hier?", hakte Dreux nach und legte ihre Decke und Umhänge zusammen.


    "Ja ein Stück ist es noch Hoheit und wir betreten erneut eine andere Scholle. Der schwimmende Markt liegt auf der Scholle des Marchesi Sicomoro. Er ist nicht unweit von dem gleichnamigen Ort. Möchtet Ihr diesen ebenfalls besichtigen? Er wäre eine Reise wert, dass versichere ich Euch", bot Angelo an und schaute sich um, dass sie auch nichts vergessen hatten.


    Er legte einige Kienspäne auf den Tisch für den nächsten Gast der Hütte, ehe sie gingen. Angelo rief nach seiner Reitschrecke und stieg als Erster aus der Hütte und ließ sich in den Sattel sinken, ehe er Dreux auf das Tier half. Gemeinsam setzten sie mit guter Laune ihre Reise fort. Dreux gönnte sich sein Frühstück im Sattel und betrachtete eingehend die Landschaft.


    Der Sumpf wurde tiefer und sie mussten die Beine etwas höher nehmen, damit sie nicht nass wurden. Doch das tat der Schönheit der Landschaft keinen Abbruch. Sie hatten einen wunderbaren Fernblick über das satte Grün, dass stets durch große Wasserflächen unterbrochen wurde. Entsprechende Sumpfpflanzen wuchsen überall und in der Ferne sah man einen kleinen Wald. Aber auch dieser würde unter Wasser stehen, so dass er eine ganz eigentümliche Schönheit besaß.


    Die Stunden vergingen wie im Flug. Das Wasser wurde etwas tiefer und man sah gelegentlich umgestürzte Bäume, die schon halb verrottet im Wasser lagen. Sie waren Ansitz für zahlreiche Vögel und auch eine Schildkröte konnte der Archiduc entdecken. Hütten kamen in Sicht. Mehr noch, es war ein regelrechtes Dorf, dass auf Stelzen gebaut war. Stege verbanden die einzelnen Häuser, während die Einwohner in aller Ruhe ihrem Tagewerk nachgingen.


    Einige der Häuser standen etwas weiter auseinander und waren durch Kanäle verbunden. Flache Schilfschiffe fuhren langsam darin umher und nutzten die Kanäle als Transportwege. Man fuhr hier zur Arbeit, ging seinen alltäglichen Geschäften per Boot nach und nutzte etwas größere Bereiche als kleinen schwimmenden Marktplatz.


    Dreux entdeckte entlang der Kanäle kleine Lotosfarmen, eine Töpferei und zig weitere Geschäfte die scheinbar den täglichen Bedarf deckten. Ein alter Mann paddelte fröhlich an ihnen vorbei und grüßte. Der Archiduc grüßte zurück und schaute dem alten Mann hinterher.


    "Ein Wasserdorf auf Stelzen. Könnten wir zu den Häuser hochklettern? Wir würden uns sehr gerne das Dorf ansehen. Der kleine Markt auf den Booten hat unser Interesse geweckt, ebenso die Töpferei und die Lotosfarmen", bat Dreux und schaute sich alles staunend an.

    "Ich suche uns einen Aufstieg und dann schlendern wir etwas durch den Ort. Vielleicht gefällt Euch etwas, dass Ihr in der Töpferei erstehen möchtet Hoheit. Auf dem Markt werden wir uns mit Obst und Gemüse eindecken. Mal sehen womit ich Euch überraschen kann", dachte Angelo gut gelaunt nach.