Die Fortsetzung der Reise von Cheona, Nepomuk und Dozzy
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Der Geruch nach Seewasser und eingesalzenem Fisch juckte Nepomuk in den Nüstern. Um ihn herum ragten Fässer um Fässer in die Höhe, welche bis oben randvoll gefüllt waren mit Heringen. Hunger plagte den Kleindämonen, doch er konnte es nicht wagen, aus seinem Versteck hervorzukommen. In unregelmässigen Abständen kamen Wachen vorbei, welche streng darauf achteten, dass die Schiffsvorräte nicht von dreisten Matrosen angebrochen oder gar geplündert wurden.
Er hatte einmal beobachtet, wie ein Mann so unvorsichtig war, und sich beim Diebstahl von gedörrten Früchten hatte erwischen lassen. Seine schmerzerfüllten Schreie und das schadenfreudige Gelächter seiner Schiffskameraden, waren bis unter Deck zu hören gewesen, als ihn der Kapitän vor versammelter Mannschaft als Warnung für seine Missetat auspeitschen liess.
Da hatte Nepomuk sich darauf beschränkt Ratten zu fangen, welche sich im Gegensatz zu den anderen an Bord, meist unbemerkt an den Vorräten gütlich taten.
Leider waren die Viecher schlau und hatten bald begriffen, wo das Versteck des Kleindämons sich befand und hielten sich ausserhalb seiner Reichweite auf. Manchmal schien es ihm sogar, als würden sie ihn verhöhnen und huschten zwischen den Beinen der fluchenden Wachen hindurch.
Bald würde er sein Versteck verlassen müssen, um etwas Essbares zu finden.
Ausserdem starrte er vor Schmutz und es juckte ihn überall unangenehm am Körper.
Wie es wohl Cheona erging? Ob sie auch hungerte?
Nepomuk dachte an die Sonnenalbin zurück. Er hatte sie gern gewonnen und machte sich unglaubliche Sorgen um seine Begleiterin. Wenn sie es denn noch war, denn sie hatten sich auf dem Schiff aus den Augen verloren. Der Kleindämon wusste nicht, ob sie überhaupt noch an Bord war, ob man sie womöglich entdeckt und eingesperrt oder gar Schlimmeres mit ihr gemacht hatte. Er wusste, auf Handelsschiffen war man mit ungewollten Passagieren nicht zimperlich. Und genau das waren sie: schwarze Passagiere, wenn auch grösstenteils unfreiwillig…
Nachdem sich der Grünling nach einigen Tagen wieder von ihnen getrennt hatte, um seiner eigenen Wege zu gehen, wenn auch nicht ganz aus freien Stücken, sondern mit zornigen Blicken, die wie Blitze an Nepomuk gerichtet waren und bösen Verwünschungen, welche auf die Zerstörung seiner Flugmaschine zurückführten, hatten sich Cheona und der Xarrxe alleine weiter durchgeschlagen. Der drachenähnliche Dämon war froh, den Goblin wieder los zu sein. Zum einen war bei ihm wirklich nichts zu holen gewesen, denn ausser der zerstörten Flugapparatur, für welche Nepomuk sowieso keine Verwendung fand, schien der kleine Mann nicht viel zu besitzen. Zum anderen gab er dauernd dem Xarrxe die Schuld an seinem Absturz und machte ihn somit in den Augen seiner hoch geschätzten und bewundernswerten Begleiterin Cheona schlecht und verantwortlich für die Tragödie, welche er Nepomuks Ansicht nach ganz alleine zu verantworten hatte.
So piesackte der Kleindämon den anderen wo er nur konnte, gab sich jedoch redlich Mühe, dass Cheona davon nichts mitbekam und man ihn nicht der fiesen Taten beschuldigen konnte. Und obwohl der Goblin ganz genau zu wissen schien, dass der Xarrxe der Übeltäter war, der ihm Äste ins Gesicht peitschen liess oder ihm das Abendessen mit Steinchen spickte, so konnte er ihm doch nichts nachweisen und musste sich mit grimmigen Blicken und Wutausbrüchen begnügen.
Als sie es schliesslich so weit geschafft hatten und den Wald hinter sich liessen, schieden sie voneinander. Dozzy hatte genug von dem frechen Getier. Stattdessen verabschiedete er sich äusserst formvollendet und freundschaftlich von der Sonnenalbin, welche ihm auf dem Baum das Leben gerettet hatte. Cheona schien etwas betrübt zu sein, dem kleinen Gesellen auf Wiedersehen zu sagen, was Nepomuk gleich noch mehr ärgerte. Doch nun war er ihn endlich los.
Die beiden zogen nun alleine weiter.
Da sie beide keinen richtigen Beruf ausübten und ausserdem auch nicht vorhatten, länger an einem Ort zu verweilen, wichen sie darauf aus, in Siedlungen und kleineren Dörfern zu stehlen. Mit der Zeit entwickelten sie sich zu einem eingespielten Paar. Sie nahmen immer bloss kleine Dinge, wie Brot, Äpfel und manchmal etwas Fleisch. Nur Nepomuk konnte nicht widerstehen, hin und wieder etwas Glitzerndes mitgehen zu lassen, auch wenn es sich schlussendlich nur als ein hübsch aussehender, aber ansonsten wertloser Stein herausstellen mochte.
So verging einige Zeit und die beiden reisten immer weiter, ohne genau darauf zu achten, wohin es sie verschlagen mochte. Zwischendurch schlossen sie sich einer Gruppe Gaukler an, die das Potential des ungleichen Paares schnell erkannt hatten. Wenn sie die Leute mit ihren Tricks unterhielten, bewegten Nepomuk und Cheona sich unauffällig zwischen den Zuschauern hindurch und machten diese um einige Münzen leichter.
Es war eine lustige Truppe, doch leider gibt es immer auch jemanden, der einem den Erfolg vergönnt. Einer der jüngeren Mitglieder der Gauklergruppe, welcher dieselbe Aufgabe ausübte wie die beiden Neuzugänge, vergönnte ihnen den Ruhm, welchen sie bald innehatten. Er platze vor Eifersucht und entwickelte bald den Plan, die beiden loszuwerden. Er stachelte einige seiner Kameraden auf und eines nachts, während alle schliefen, attackierten sie die ahnungslosen Gefährten. Cheona und Nepomuk wehrten sich mit allen Kräften, doch der Übermacht der Bande sahen sie sich nicht gewachsen und mussten sich schliesslich aus dem Staub machen. Sie kamen mit einem blauen Auge davon und vor allem Nepomuk ärgerte sich sehr über seine Unfähigkeit, seine Begleiterin nicht richtig beschützt zu haben. Die nächsten Tage grummelte er still vor sich hin und misstraute jedem, dem sie über den Weg liefen.
Trotzdem hatten die Ereignisse die beiden zusammengeschweisst.
Einige Wochen später erreichten sie das Meer.
Nepomuk hatte noch nie eine Küste gesehen, geschweige denn so viel Wasser in einem Krater, wie er sich ausdrückte. Er sog den Geruch tief in die Nüstern und musste niesen.
Auch Cheona schien von der Schönheit der blaugrünen Wellen beeindruckt zu sein und so sassen die beiden Gefährten eine Zeit lang einfach nur da und beobachteten das Schauspiel.
Mit ihren scharfen Augen erkannte die Sonnenalbin jedoch Schiffe, welche sich ihren Weg suchten. Sie schienen alle auf einen Punkt zuzusteuern, der sich noch ausserhalb ihres Sichtfeldes zu befinden schien. Neugierig geworden machten sich die beiden auf den Weg. Um schliesslich in einer riesigen Hafenstadt zu landen.
Weder Cheona noch Nepomuk waren sich solche Ansammlungen von Menschen und Gebäuden gewohnt und anfangs wirkten sie ziemlich verloren.
Doch bald hatten sie auch begriffen, dass es unter so viel Gewimmel weit weniger auffiel, wenn man zwischendurch unauffällig etwas mitgehen liess. Zwar gab es auch hier Stadtwachen, welche ihre Runden machten, doch mit etwas Geschick konnte man ihnen in dem Getümmel ausweichen.
So durchlebten die Gefährten eine relativ angenehme Zeit. Zum Schlafen hatten sie etwas ausserhalb der Stadt ein Plätzchen gefunden. Obwohl sie in der Stadt untertauchen konnten, schätzen sie doch beide die Abgeschiedenheit und Ruhe am Abend und in der Nacht.
Eines abends jedoch, es war schon bald Zeit, sich zurückzuziehen, entdeckte Nepomuk etwas, das er unbedingt haben wollte. Im Nachhinein wusste er nicht einmal mehr genau, was es eigentlich war. Er wusste nur, dass es dieselbe betörende Farbe wie Cheonas Augen hatte und er es ihr schenken wollte. Er bedeutet ihr, in einiger Entfernung zu warten, und schlich sich zu dem Stand vor.
Der Händler war scheinbar mit einem Kunden beschäftigt, und achtete nicht auf seine Umgebung.
Nepomuk hatte nur Augen für das rubinrote Leuchten. Aus diesem Grund bemerkte er nicht die bemalten Tontöpfe, und mit einem Zucken seines stacheligen Schwanzes wurde prompt einer zur Seite gewischt und zerbrach mit einem lauten Scheppern. Es waren nur noch wenige Menschen unterwegs, denn es war ein kalter Tag gewesen. Der Händler drehte sich wütend zu dem Geräusch um und dachte offensichtlich, ein Fussgänger hätte versehentlich den Topf umgeworfen. Als er den grünen Drachen erlickte, schrie er erschrocken auf: „Bei den Göttern! Ein Dämon, eine Ausgeburt des Bösen!“ Offensichtlich hatte er noch nie einen Xarrxe gesehen. Plötzlich waren alle Blicke auf Nepomuk gerichtet. Dieser nutzte den Moment, sprang auf den Tisch und schnappte sich den rubinroten Stein.
Zornig grapschten die Hände des Verkäufers nach ihm, doch der Xarrxe entwischte ihm. Inzwischen hatte sich ein Auflauf gebildet. „Ein Dämon Kargons! Ein Getier der Untiefen! Ein Seemonster, welches unsere Töchter frisst!“, die Worte verteilten sich in Windeseile und bereits kamen die Stadtwachen angerannt. Nepomuk wurde sich plötzlich seiner Lage bewusst und rannte los, huschte zwischen den Beinen hindurch. In diesem Teil der Stadt kannte er sich jedoch schlecht aus. In seiner Verzweiflung sprang er auf eine Kiste und breitete seine Flügel aus, um in die Lüfte zu entfliehen. Gerade als er meinte, den salzigen Wind zu spüren, ging ein schmerzhafter Ruck durch seinen kleinen Körper. Wie wild flatterte er mit den Flügeln und versuchte sich zu befreien, doch eine kräftige Hand hatte ihn an seinem Schwanz zu fassen gekriegt. "Hab ich dich, Drix!"
Gerade als er dachte, jetzt sei er verloren, liessen die Finger los. Nepomuk wurde nach vorne geschleudert, konnte die Wucht nicht mehr auffangen und prallte gegen eine Wand. Ihm schwirrte der Kopf und er sah Sterne. Gleich darauf hörte er jedoch Cheona rufen: „Beweg dich, lauf!“
Nepomuk begriff, dass sie sich eingemischt und ihn somit befreit hatte. Leider hatte sie sich damit den Ärger der anderen Leute zugezogen und der Mann, den sie irgendwie umgestossen hatte, rappelte sich bereits wieder auf.
„Fangt die Diebe! Sie machen gemeinsame Sache! Ich setze eine Belohnung aus!“, schrie da der Händler, und plötzlich setzten sich alle Schaulustigen gleichzeitig in Bewegung.
Der Fluchtweg war versperrt.
Da rannte Cheona plötzlich los. Nepomuk fühlte sich zwar noch etwas benommen und er würde eine riesige Beule behalten, doch jetzt gab es wichtigeres. Er huschte der Albin hinterher und sie flohen in die einzige Richtung, welche noch offenblieb – zu den Schiffen.
So kam es schliesslich, dass die beiden Diebe auf einem der Handelsschiffe gelandet waren.
Leider hatte Nepomuk seine Gefährtin aus den Augen verloren, so geschmeidig hatte sie sich bewegt in der Dunkelheit, die inzwischen angebrochen war. So blieb dem Xarrxe nichts anderes übrig als darauf zu hoffen, dass sie das Boot nicht wieder verlassen hatte.
Er suchte sich einen geschützten Platz in der Höhe und wollte mit einem Blick auf den Steg darauf achten, wann seine Begleiterin das Schiff verlassen würde.
Fürs erste war er hier am sichersten, bis sich der ganze Trubel wieder gelegt hatte.
Der Gedanke davon zu fliegen kam ihm erst gar nicht. Zum einen fühlte er sich dazu nicht in der Lage mit seinem schummrigen Kopf, zum anderen wollte er Cheona auf keinen Fall verlassen.
Auf seinem Wachposten verging die Zeit nur langsam, und so kam es, dass dem völlig übermüdeten Kleindämon schliesslich die Augen zu fielen.
Geweckt wurde er von rauen Stimmen. Als er sich vorsichtig umschaute, bemerkte er erst, wie hoch oben er sich befand. Er war auf einem der kleineren Schiffsmasten gelandet, von wo er wirklich einen guten Blick hatte und auch nicht so leicht gesehen wurde.
Doch leider musste er plötzlich mit Entsetzen feststellen, wo er sich genau befand.
Nämlich mitten im blauen Ozean.
Überall um ihn herum bloss Wasser!
Angst packte ihn. Er hatte verschlafen. Wie viel Zeit war wohl vergangen? Und wo war seine Gefährtin? Auf dem Schiff unten wimmelte es von Leuten. Zu seinem Erstaunen bemerkte er, dass es nicht nur Menschen sondern auch Goblins und sogar einige Trolle waren, die das Schiff manövrierten. Doch von seiner Sonnenalbin keine Spur.
Nepomuk zitterte am ganzen Körper. Er war auf sich alleine gestellt. Und er hatte keine Ahnung, wo das Boot mit seiner Ladung hinwollte.
Eine Nacht darauf hatte Nepomuk das Schiff durchforstet so gut es ihm möglich war. Er hatte dabei herausgefunden, dass es ein Handelsschiff war, das nach Asamura fuhr. Er vermutete, dass dies ebenfalls eine grosse Hafenstadt sein müsse.
Er hatte auch die Vorräte entdeckt und als er seine Begleiterin nicht auffinden konnte hatte er sich entschlossen, im Schiffsbauch zu verharren, neben eingesalzenen Heringen und in Gesellschaft von Schiffsratten. Immer wieder hoffte er, von einem Gespräch der Matrosen etwas über den Verbleib einer wunderschönen Albin zu hören, doch entweder war sie nicht mehr an Bord, man hatte sie nicht gefunden oder es wurde nicht mit dem niederen Volk über einen solchen Fang gesprochen.
Nepomuk konnte nur hoffen, dass sie wohl auf war.