Der Heiler brachte den ehemaligen Henker in seine Heimat - die Handelsallianz. Nur hier konnte Pavo ungestört seiner Arbeit nachgehen.
Eigentlich ging er jederzeit offen wie auch heimlich zugleich seiner Arbeit nach. Denn selbst wenn er einfache Krankheiten gegen bare Münze heilte, konnte er daraus immer noch neue Einsichten gewinnen.
Letztendlich war das große Endziel des alten Goblins schließlich nichts anderes als eine ultimative Heilung. Er wollte den Tod besiegen.
Den Feind jeden Arztes und Heilers. Auch wenn er Ainuwar verehrte, sah er den Tod als stärksten und härtesten Gegner des Lebens an sich. Und Ainuwar hatte mit der kurzen Lebensspanne der Goblins sie besonders herausgefordert. Wenn sich kein Heiler dieser Sache annahm, würde sich daran niemals etwas ändern.
Wieso sollte man einfach sein Schicksal ertragen? Selbst als Priester des Ainuwar konnte Pavo nicht einfach diesen Umstand hinnehmen. Natürlich konnte man den Umstand von Werden, Leben und Vergehen begründen.
Wissenschaftlich wie auch Philosophisch. Dennoch, nützte alles Wissen nichts, wenn einem die Zeit davon lief. Wenn man seine Freunde ansah und wusste, sie waren teilweise gleichaltrig oder sogar älter, aber sie würden einen mindestens mit einer doppelten Zahl an Jahre überleben.
Ainuwar war ein Gott. Wenn Gott die Goblins mit einer kurzen Lebensspanne erschaffen hatte, ihnen aber zeitgleich den schärfsten Verstand von allen Völkern schenkte und dass Wissen um die Heilkunst, dann musste man an dem Umstand etwas ändern können.
Gut im schlimmsten Fall konnte man dies sogar auf magische Weise, durch Nekromantie. Aber das war kein Leben sondern ein Un-leben als Untoter.
Pavo hing einen langen Moment seinen Gedanken nach und musterte dann seinen verbrannten Begleiter.
Den Tiefling hatte es ganz schön hart erwischt. Ein brennendes Luftschiff war auf ihn gestürzt, oder zumindest Teile davon und nun sah der arme Kerl aus wie ein geplatztes Brühwürstchen. Die Verbrennungen waren schlimm, aber nichts was nicht wieder in den Griff zu bekommen wäre, urteilte der geschulte Blick des alten Heilers.
Er hatte mit dem Burschen einen Pakt geschlossen, Heilung gegen Abarbeitung der Schulden. Nun Pavo hoffte, dass Urako genauso unempfindlich war wie er selbst. Überhaupt, generell, körperlich wie geistig gesehen.
Er konnte keinen Gehilfen brauchen, der beim kleinsten Schmerzenssschrei eines Patienten zusammenzuckte oder schlimmer noch in sein Labor kotzte, nur weil er eine Person eine Gliedmaße amputieren musste. Darüber musste Urako stehen.
Nun es würde schon werden, dachte Pavo vergnügt während Urako brav hinter ihm her trottete.
Ob der Tiefling immer noch unter Drogen stand, oder einfach nur seinem Versprechen nachkam wusste Pavo nicht. Solange er gehorsam folgte, hinterfragte der alte Goblin den Umstand nicht.
Ihre Reise hatte einige Zeit in Anspruch genommen, aber endlich waren sie wieder auf dem Gebiet der Handelsallianz.
Ein bunter Mischmasch an Völkern und Mischlingen bevölkerte die Straßen. An dem Tiefling störte sich ebenfalls niemand. Ob freier Mann oder Eigentum von Pavo, den Leuten war es gleich. Der ehemalige Priester freute sich zurück in seiner Stadt zu sein und führte Urako durch die Straßen der Stadt.
Sie liefen durch breite Straßen, vorbei an Verkaufsständen, dann durch schmale Gassen. Pavo führte Urako immer weiter, bis sie etwas außerhalb vor einem alten Fachwerkhaus standen.
Das Haus machte einen gemütlichen und einladenden Eindruck. Das spitz-zulaufende Dach, die Bleiglasfenster, die dicken dunklen Balken die sich kontrastreich von hellen Putz der Fassade abhoben. Auf der linken Seite ragte ein steinerner Kamin empor aus dem sich Rauschwaden in den Himmel kringelten. Das Haus war eingefasst von einem Garten wie von einer steinernen Mauer.
Pavo ging die Stufen zur Tür hinauf und hämmerte dagegen. Ein lautes, tiefes Bellen erscholl. Dann dauerte es noch eine Weile und ihnen wurde von einem Düsterling die Tür geöffnet.
"Pavo!", freute sich der Düsterling und drückte den alten Goblin.
Dann wandte sich der Blick des Burschen Urako zu. Er musterte den Tiefling von oben bis unten, von links nach rechts und schien sich jede Schuppe von ihm einprägen zu wollen.
"Wer ist das? Der sieht ja schlimm aus. Vielleicht sollte ich mir mal seine Wunden genau angucken?", schlug Gasmi vor und schnüffelte nach Urako.
"Das ist mein neuer Assistent Urako. Ich werde seine Verletzungen heilen. Da der Gute leider kein Geld zur Bezahlung hat, haben wir uns darauf geeinigt, dass er seine Schulden abarbeiten wird. Pass bitte auf, das er nicht versehentlich in den dritten Keller stolpert. Er ist nicht ganz auf der Höhe", sagte der alte Mann liebenswürdig.
"Na klar! Das wäre es noch, erst verbrannt und dann zu Tode gestürzt. Kommt rein!", grinste Gasmi breit und gab die Tür frei.
"Danke. Folge mir Urako", sagte der alte Heiler und gab den Weg vor in seine Heilstätte.
Gasmi schloss hinter Urako die Tür und verriegelte sie. Dann folgte er Pavo wie auch Urako auf dem Fuße.