Jozos Frosch-Jagd -- Obenza 202 n.d.A.
Es war später Nachmittag als Jozo seine Bude verließ. Obenza war im Grunde eine vertikale Stadt, die mit engen Gassen durchzogen war. Es gab Wohnungen, Geschäfte, auf größeren Plätzen gab es Ansiedlungen von Hütten. Es war das reinste Labyrinth und überall gab es besondere Zeichen, die auf irgendwas hinwiesen. Jo konnte sie lesen und orientierte sich daran.
Er lebte schon lange genug auf der Straße, in der Dunkelheit und auch in Obenza um zu wissen, was die Gaunerzinken bedeuteten.
Er bog in eine Nebenstraße. Die Straße war schmal und wirkte düster, selbst für die niederen Obenza-Verhältnisse und das bei Tageslicht. Die Fenster waren schmutzig, schwarzes Geschmiere bedeckte die Fassaden.
Jozo hätte es nicht gewundert, wenn in diesem Moment jemand mit Schusswunden übersät und blutüberströmt aus einem der Hauseingänge getorkelt wäre. Gelassen schaute er sich um und schlackerte mit den Ohren. Der Gelbe fürchtete keine Gefahr - er war die Gefahr.
Über dem Eingang einer Bruchbude hing ein schräges Schild. Dort stand in krakliger Schrift bei Shortys.
Die Scheiben der beiden kleinen vorderen Fenster waren mit schwarzer Farbe ausgemalt. Die Tür war aus Holz und hatte keine Öffnung. Jozo blickte über die Schulter.
Er wusste worum es den meisten Besuchern in dieser Kneipe ging. Sie waren auf Partnersuche. Er war auf der Suche nach einer Beute. Zudem schmeckte das Gemüsebrot in dem Laden.
Der plötzliche Schwall von Kneipengeräuschen und der Essensgeruch, der Jo entgegenschlug, hauten ihn beinahe um. Geruch war sein Weltbild, er brauchte einige Sekunden um sich orientieren zu können.
Bei Shorty war es dunkel, und es war rappelvoll.
Die Wände säumten Sitzecken, und in der Mitte des Raumes standen verstreut Tische. Ein altmodischer Barde plärrte Musik.
Das Publikum bei Shorty bestand hauptsächlich aus Männern, die wenigen Frauen sahen von der Statur nicht ungefährlicher aus. Die Männer trugen Arbeitskleidung oder Rüstung, schwere Schuhe und Bewaffnung als könnte jeder von ihnen im Alleingang einen Krieg gewinnen.
Es waren alte und junge Kerle, die Gesichter gezeichnet vom Wetter, Rauchstangen, Drogen, Vereinigungen und Kämpfen.
Jozo schlenderte einfach weiter. In einer Ecke fanden er einen gemütlichen Sitzplatz. Es war so dunkel, dass man Blutflecken und Kakerlaken nicht hätte erkennen können.
Der Gelbe wirkte zufrieden, er saß mit dem Rücken zur Wand, seine schwarzen Klamotten ging nahtlos in die schwarzen Schatten hinter ihm über.
Die Kellnerin trug ein weißes Shirt, damit man sie besser sah, vermutete Jozo.
„Was darf es sein?“, fragte sie.
„Gemüsebrot und Bier“, antwortete Jo und sie verschwand wieder.
Jozo war langweilig. Und wer den gelben Goblin kannte, der wusste das dies einer der gefährlichsten Zustände war, in die Jo geraten konnte.
Sein Blick schweifte durch die Taverne, in der es sich der Gelbe gemütlich gemacht hatte. Auf Vicarri hatte er im Moment keine Lust, er brauchte etwas Abwechslung.
Zudem spürte er seinen Spiel- und Jagdtrieb. Den wollte Jozo nicht an Vic auslassen. Dafür war Vic zu wertvoll. Wer zerstörte schon freiwillig sein bestes Werkzeug? Niemand der bei klarem Verstand war.
Sein Blick fiel auf einen schmächtigen Ork, der ebenfalls allein und scheinbar verängstigt in der Taverne saß. Kaum dass die Bedienung sein Essen und sein Bier gebracht hatte, schnappte sich Jo sein Zeug und setzte sich ungefragt zu dem Ork.
Der dürre Ork trank einen Schluck Bier und musterte den gelben Goblin.
"Hab ich Dich herbestellt?", fragte der Ork.
Jozo roch Angst.
Angst war eigentlich ein Wort dass man nur für lebensbedrohliche Situationen nutzen sollte - so gesehen, war dann Angst doch der angemessene Ausdruck für diesen Ork.
„Nicht so unhöflich. Du gehst ein ziemliches Risiko ein, findest Du nicht? Wo ich der Einzige bin, der Dich vor dem Kerl am Tresen mit dem Schlangen-Tattoo auf der Stirn beschützen kann. Er scheint Dich zu mögen, er schaut ziemlich oft rüber. Wenn ich gehe wirst Du heute Nacht einen ziemlich wunden Hintern haben“, flüsterte Jozo grinsend.
Der schmächtige Ork sah sich nach dem Mann mit der auf der Stirn eintätowierten Schlange um und schluckte.
„Sieht doch ganz nett aus“, antwortete er seine Angst überspielend.
`Jedenfalls für einen halb irren Menschen´, dachte sich Frosch.
Jozo lachte, schüttelte nur den Kopf und küsste Frosch demonstrativ und fest auf den Mund.
„Nur Spaß“, sagte der Gelbe und knuffte den Ork.
Frosch starrte Jozo wie versteinert an und wusste nicht wie er reagieren sollte.
"Was willst Du von mir?", fragte Frosch vorsichtig, als er seine Stimme wieder gefunden hatte.
"Na rate mal...", säuselte Jozo lauernd.
"Ich will hier nur in Frieden mein Bier trinken", maulte Frosch und es klang etwas kläglich.
"Und genau da komme ich ins Spiel - ich ermögliche Dir das. Und noch viel mehr", grinste Jozo über beide Ohren.
Irgendwie stellten sich Frosch die Nackenhaare auf bei diesem Grinsen. Es hatte nichts freundliches. Die dunklen Augen in die er starrte hatten etwas von einem Hai. Tote, schwarze Knopfaugen. Nervös nahm er noch einen Schluck Bier und stellte dann seinen Humpen ab.
"Magst Du ein bisschen reden?", fragte der Ork um die Situation zu entspannen.
"Reden?!?", fragte Jo im fast kindlichen Singsang und legte den Kopf schief.
Der gelbe Goblin zog die Ohren nach hinten und seine Ohrenspitzen rollten sich leicht ein. Die Geste hätte niedlich ausgesehen, fand Frosch, wenn dem Goblin nicht irgendwie diese unterschwellige Bedrohung angehaftet hätte.
Eine Fliege schwirrte an ihrem Tisch vorbei. Jozos Hand zuckte als schwarzer Schatten binnen eines Sekundenbruchteils hoch und fing das Tier aus der Luft ein. Frosch hatte nicht einmal mehr die Zeit aufzukreischen. Seine einzige Reaktion war ein Zusammenzucken, dass durch seinen ganzen Körper lief.
"Fliegen... ich mag keine Fliegen", säuselte Jozo. Er riss der noch lebenden Fliege die Flügel aus und warf sie in Froschs Bierhumpen.
"Seemannsbestattung", lachte Jozo und prostete Frosch dann mit seinem Bier zu.
Frosch blinzelte in Zeitlupe und versuchte abzuschätzen wie weit es bis zum Ausgang dieser Spelunke war. Sein Blick wanderte zurück zu dem gelben Goblin. Er hatte die Reflexe von dem Kerl gesehen, er würde es niemals bis zur Tür schaffen. Was immer dieser Wahnsinnige von ihm wollte, am besten spielte er das Spielchen mit.
"Ich mag auch keine Fliegen und jetzt hab ich eine im Bier", sagte Frosch zu Jo.
"Nicht meine Schuld", flötete Jo.
"Du hast sie doch da rein geworfen", hielt Frosch dagegen.
"Hast Du dafür Beweise?", fragte Jozo mit Unschuldsblick Retour.
Frosch starrte den Gelben wie vom Donner gerührt an. Er hatte doch mit eigenen Augen gesehen, wie der Kerl gerade die Fliege gefangen hatte und in seinem Bier ertränkt hatte! Was brauchte er da für Beweise?
"Ich habe einen Augenzeugen, mich!", gab Frosch zurück.
"Ja Du hast schöne Augen. Wie ist denn der Rest so von Dir gebaut? Gib mir mal ein Längenmaß", lachte Jozo.
"Von was?", fragte Frosch total durch den Wind und versucht die Fliege aus seinem Humpen zu fischen.
"Trink sie einfach mit. Ist reines Protein, gut für Dich. Gut für uns", lächelte Jozo freundlich und strich Frosch einmal über seine Haare.
In dem Moment sprang Frosch auf und stürmte aus dem Laden. Es wurde ihm einfach zu viel. Dieser wahnsinnige Goblin hatte ihm den ganzen Abend ruiniert. Gehetzt drückte er sich in einen Winkel hinter der Spelunke und linste um die Ecke.
"Ksss ksss, was siehst Du da? Was Interessantes?", flüsterte jemand genau hinter ihm. Die Stimme kam Frosch sehr vertraut vor...
Frosch schluckte, bewegte sich dann aber keinen Millimeter mehr, als er die Klinge an seiner Kehle spürte.
"Nuckeln und Buckeln Ork! Erst lutscht Du mir einen und dann darfst Du mir zu Diensten sein. Ich esse zeitig. Ausziehen", befahl Jo vergnügt.
Zeitgleich packte er Frosch felsenfest im Genick, trat ihm die Beine weg und zwang den Ork so auf die Knie.