Die Worte Emilias, welche er zu seinem Bedauern nur zu lesen bekam, ließen seinen Körper vollkommen versteifen. Zu Anfang wusste Dimicus gar nicht erst, was er dort zu lesen bekam, doch Wort für Wort wurde ihm mehr bewusst, dass er einen Fehler getan hatte. Einen Fehler den er jedoch sich nicht verzeihen könne. Ein einziges Mal hatte er es geschafft die Stimmen in seinem Kopf zu besänftigen und wurde nun von den Worten Emilias niedergewalzt, dass er keinerlei Chance auf eine Gegenwehr empfand. Seine Miene wurde augenblicklich hoffnungslos, die Augen wichen ihrem Blick aus und seine Schultern hingen letztendlich schlaff herab.
Was hatte er sich auch dabei gedacht, für diese junge Frau seine Barrieren fallen zu lassen und sich zu erhoffen, Frieden mit ihr finden zu können. Ihr zu helfen schien ihr nicht genug zu sein und obendrein verspottete sie ihre gemeinsame Zeit auch noch als eine frevelhafte Angelegenheit. Beinahe sofort wurde die Stimmen in seinem Kopf wieder wesentlich lauter, lachten ihn aus und stellten ihn als vollkommenen Idioten hin. Sein Gesicht verzog sich nicht mehr weiter, als nur ein Stück weit in die Gleichgültigkeit. „Ich verstehe.“, sagte er völlig erkaltete, von der vorhergehenden Überschwänglichkeit war nichts mehr zu sehen. Kälte machte sich in seinen Zügen breit und merklich abgebrühter wurde er wieder.
Es war für ihn ein völliges Unverständnis, wie dieses Gespräch sich plötzlich entwickelt hatte. Anfangs war es noch friedlich und emotional, gar hatte sich Positivität in beider Köpfe einnisten wollen, doch scheiterte dieses Vorhaben nun kläglich. Beinahe augenblicklich zog sich das Ich zurück, welches ihr noch zuvor offen seine Zuneigung und Nähe gegeben hatte. Stattdessen schaute sie wieder in den eiskalten Blick des Künstlers, wie sie ihn einst angetroffen hatte. Ohne sie zu fragen, nahm er ihr den Stift aus der Hand und das Notizbuch entgegen. Damit erhob er sich auch, schritt herüber zu der Kommode und zückte dabei noch Feder samt Tinte aus seiner Tasche.
Schon begann er zu schreiben. Jedoch nicht an Emilia gewandt, so waren diese Worte für gänzlich andere Hände bestimmt. Mein Name ist Dimicus, viele dieser Stadt kennen mich auch unter dem Namen des Rosendämons. Niemand war imstande meine Kunst zu entziffern, noch meine nächsten Schritte vorherzusehen. Diese Welt hat nichts Größeres als meine einzigartige Kunst gesehen, Schrecken und Furcht verbreitete ich durch die Stadt Drakenstein. Einst erhoben aus Dreck und Schlamm, nun der Beste seines Fachs, fordere ich die gesamte Stadt Drakensteins heraus, mein Kopfgeld zu erhalten. Kommt und findet mich, es wird ein leichtes für euch sein. Kein Versteckspiel mehr, ihr findet mich im Bordell Malik Al Kubras, dass obere Stockwerk, die zweite Tür rechts. Sein Blick ging über seine Schulter und direkt auf Emilia nieder, sie wirkte sichtlich verwirrt und schien gar nicht zu wissen, was sie tun sollte. Geheuer war ihr die Situation nicht.
Dies vollkommen ignorierend fertigte er noch eine Zeichnung seines Gesichtes aus dem Gedächtnis an, dass wohl seinem realen Angesicht am nächsten kam. Kurz darauf riss er die Seite sehr sauber aus dem Notizbuch heraus, sie wirkte wie ein Brief. Mit diesem in der Hand schritt er zu Emilia herüber, reichte diesen ihr weiter. „Du sagtest, du willst mich aufhalten? Das ist deine Möglichkeit, wenn du nicht bereit bist mich zu töten.“ Er hielt eine kurze Sprechpause, intensivierte dabei seinen kühlen Blick der auf ihr ruhte. „Es ist gut zu wissen, wie du über mich denkst und was ich dir zu bedeuten scheine. Natürlich bin ich kein Mensch, den du an deiner Seite haben willst. Welch ein Narr wäre ich auch, dies anzunehmen? Für dieses frevelhaften Vorstellungen entschuldige ich mich bei dir.“
Plötzlich machten sich jedoch Enttäuschung und Trauer in seinem Blick breit, glichen sich mit der Kälte seiner Züge an. Eine einzelne Träne rang sich aus seinem rechten Augen und suchte einsam ihren Weg an seiner Wange hinab zu seinem Kinn, ehe sie zu Boden fiel. „Dennoch muss ich eingestehen, dass ich es sehr bedauerlich finde, was die Erziehung und Disziplinierung deiner Familie mit dir macht und auch noch machen wird. Verlobt mit einem Manne, dem du nichts bedeutest und dessen Verlobung somit nicht mehr wert ist, als seine Absichten durch dich an Reichtum zu gelangen. Ganz von seinen Absichten abgesehen, Valerius Feldweber töten zu wollen und dazu auch noch den Rosendämon anzuheuern.“ Unglaubliche Schmerzen durchzogen seine Seele, noch nie hatte er sich in diesem Maße zurückgestoßen gefühlt, geschweige denn diese schlagartige Leere gefühlt. Als ob man ihm etwas genommen hätte, was wichtig für sein Empfinden war, doch nun war es erloschen.
Im selben Moment begriff er, dass sie das Gleiche getan hatte als er es noch wenige Minuten bei ihr getan hatte. Doch über seine emotionale Reaktion hinweg, so fragte er sich, ob er ihr gerade wirklich einen Antrag um ihre Hand gestellt hatte. Natürlich nicht, oder? So lebten sie seit nun mehr als zwei Wochen zusammen und es war vollkommen in Ordnung, doch gab es die Möglichkeit auf ein Haus, war es scheinbar plötzlich etwas vollkommen anderes. Wobei sie ihre Zeit entwertete und sie als frevelhaft zu bezeichnen vermochte. „Letztendlich … bin ich nur das Werkzeug eines jeden. Deinen Worten nach, schlussendlich auch deines. Ich verstehe es, Emilia.“
Er vermisste seine Staffelei und die Möglichkeit zu malen in genau diesem Augenblick. Zu gern hätte er gemalt, mit Farbe und Blut, wie es in ihm aussah. Doch hatte er wieder die Utensilien noch die Staffelei dort. Keinerlei Möglichkeit bot sich ihm, mit diesen Gefühlen umzugehen. Sein kompletter Körper schrie danach zu fliehen, diese Art des Kampfes konnte er nicht gewinnen, es war ihm bewusst. Doch konnte er nicht immer weglaufen und dementsprechend stand er wie angewurzelt da und betrachtete sie. Dabei fiel ihm aber erst zu spät auf, dass er Emilias einzige Möglichkeit zu antworten genommen hatte. Drum nahm er Notizbuch und Stift wieder auf, legte diese Dinge ihr für die Situation seltsam sanft in die Hand.
Schließlich aber, weil er nichts mehr mit sich anzufangen wusste, nahm er wieder auf dem Bett platz, doch mit gebührenden Abstand zu Emilia. Ihm kam diese Frau plötzlich vollkommen fremd vor, wenn er sie in dieser Situation anblickte, erkannte er sie nicht wieder. War dies der Preis für ihre Unabhängigkeit? Nein, das war er nicht. Ganz im Gegenteil. Sie sagte diese Dinge nur, weil sie noch immer in den Marotten ihrer Erziehung festhing. Doch das Gleiche konnte er nicht über ihre Begründungen sagen, dass er ein Mörder sei und dabei nicht tatenlos zusehen wolle. Sein Gesicht war blass und die Hände verschränkten sich ineinander. Offensichtlich fiel es ihm schwer, noch etwas zu sagen oder tun zu können.