<< Der Eiskuckuck - Das Tagebuch des Kakko Korikara
Rattes kleiner Kuckuck
Jahr 180 nach der Asche
Ratte ließ sich von einem Handelskarren zurück nach Obenza mitnehmen. Ihre Reise hatte bislang keine 12 Stunden gedauert. Sie konnte nicht lange von den ihr anvertrauten Kindern fortbleiben, ihre Brüste waren übervoll und schmerzten. Im gleichen Maße schmerzten die leeren Mägen der Kinder. Ihr Auftrag war es gewesen, Archibald die Botschaft zu überbringen und das hatte sie getan. Dass sie dabei in Schwalbingen auch einen Säugling auf der Straße kaufen würde zu einem Spottpreis, damit hatte sie nicht gerechnet, aber die Gelegenheit hatte sie nicht verstreichen lassen.
Trotz der Kälte legte sie den Winzling an ihre riesige Brust, an der sich ein Netz dunkler Adern deutlich abzeichnete. Die gerötete Brustwarze glänzte feucht. Ratte war eine erfahrene Amme und hatte keine Mühe, den neugeborenen Säugling anzulegen, dem die Milch regelrecht in das Mündchen schoss. Dankbar spürte sie die Erleichterung und ließ ihn trinken, ehe sie ihn auch an die andere Seite anlegte. Der Kutscher gaffte und sie grinste dem Mann mit gelben Zähnen zu. Sollte er nur schauen ... sie war ganz andere Männer gewohnt.
Als sie ihre Kleider wieder in Ordnung gebracht hatte, schlief der Junge in ihren Armen. Speichel und Milch liefen aus seinem Mündchen. Was für ein wunderschöner kleiner Junge, dachte Ratte. Und wie lieb er ist. Der Mann, der ihn verkauft hatte, war ein Narr gewesen. In Obenza kannte sie den Weg. Sie huschte durch enge gassen und Abwasserrohre, um den kürzesten und sichersten Weg zu nehmen. Ihre geringe Körpergröße kam ihr zugute. Nur rennen und springen konnte sie nicht, die Schmerzen in ihren Brüsten wären zu groß.
An der Eisentür klopfte sie. Ein Schieber wurde zur Seite geschoben und aus dem Spalt schauten zwei in der Dunkelheit kaum erkennbare Augen.
"Was hast du mitgebracht?", tönte eine Stimme. Die Augen richteten sich unheilvoll auf das Kind.
Zur Antwort hielt Ratte nur ein Spielzeug hoch, dass Hector ihr ausgehändigt hatte, damit sowohl Archibald als auch der Mann hinter der Tür wussten, dass sie zu ihm gehörte.
Als man sie einließ, kehrte sie sofort zu Hector zurück.