Sasuke klopfte sich den Schnee vom Mantel und schlich durch die dunklen Gassen My‘shus. Zum Glück hatte es nicht lange geschneit und auf dem Kopfsteinpflaster war nichts liegengeblieben, das seine Schritte dokumentieren konnte. Seine Lederstiefel verursachten keinen Laut, doch er hielt sich im Schatten der Häuser. Der Mond strahlte heute hell und die Augen der Frostalben waren scharf. Sein Ziel war ein Etablissement mit dem Namen Kashmir. Seit Wochen beobachtete er den Kommandanten, wusste wann er aufstand, wann er aß und wann er sich mit den jungen Arashimädchen vergnügte, die mangels Zukunftsaussichten im Kashmir angeheuert hatten. Heute Abend war einer dieser Tage.
Er näherte sich dem Gebäude von hinten. Seinesgleichen war hier nicht länger willkommen. Die nobleren Bordelle waren ausschließlich für frostalbische Kundschaft reserviert. Wie geplant entledigte er sich seines Mantels und seiner Stiefel, versteckte sie in einer Nische und schlich durch den Kücheneingang, vorbei an den Türmen leerer Kisten und Fässer direkt zum Lastenaufzug, der die Servierwägen in die einzelnen Suiten brachte. Der Aufzug war nicht da, doch Sasuke wollte ihn ohnehin nicht benutzen. Er kletterte parallel an der Wand entlang auf die andere Seite. Dort befand sich eine kleine Vertiefung, in die er sich pressen konnte, sollte der Aufzug plötzlich vorbei fahren. Dann begann der Arashi zu klettern. Kraftvoll und in gleichbleibendem, kontrolliertem Tempo zog er sich Meter um Meter nach oben.
Sasuke schlüpfte aus dem Aufzugschacht. Direkt daneben befand sich der Eisspender dieser Etage und Sasuke füllte einen Eimer, bevor er sich zur Kaisersuite aufmachte.
Vor der Tür standen zwei Leibwächter des Kommandanten und unterhielten sich leise. Sasuke trat vor, verbeugte sich und hielt den Eimer hoch.
„Der Kommandant hat heute keine Männer bestellt“, sagte einer der Soldaten.
„Geschenk des Hauses“, erwiderte Sasuke.
Die beiden Forstalben sahen sich kurz an, dann öffneten sie die Türe und schoben Sasuke in den Raum. Der Wohnraum der Suite war leer, doch aus dem Schlafzimmer drangen die Töne des Liebesspiels, die je stoppten, als die Tür mit einem Klicken ins Schloss fiel.
„Was ist?“, knurrte der Kommandant.
„Entschuldigung für die Störung“, rief einer der Soldaten ohne in das Zimmer zu sehen. „Hier ist ein Freier, der sagt, er sei ein Geschenk des Hauses.“ Er zögerte kurz, doch fügte dann an: „Das letzte Mal, als wir solch ein Angebot abwiesen, da wart ihr außer euch –“
„Schickt ihn rein und verschwindet!“, unterbrach ihn der Kommandant.
Die Männer gaben Sasuke einen Stoß in Richtung Türe und gingen wieder nach außen. Der junge Arashi betrat langsam den Raum und fand den Kommandanten dort nackt zwischen zwei jungen Mädchen mit einem lüsternen Grinsen im Gesicht. Das große zweiflügliche Fenster stand offen und die weißen Vorhänge wurden vom eisigen Wind hineingeblasen.
„Ausziehen“, befahl der Kommandant und Sasuke folgte seinem Wunsch ohne eine Miene zu verziehen.
„Nicht schlecht“, pfiff der Frostalb und musterte Sasuke. „Einen derart trainierten Freier hatte ich noch nie. Reib dich mit dem Eis ein und dann komm her! Ich kann nicht ausstehen, wenn eure Körper vor Hitze dampfen.“
Sasuke bezweifelte, dass hier irgendwer dampfte. Im Raum war es eiskalt und die Mädchen schienen zu frieren. Der Kommandant bemerkte seinen Blick. „Oh ja“, grinster er, „ich mag es, wenn ihr friert und zittert wie hilflose kleine Ratten.“
Sasuke nahm eine Hand voll Eis aus dem Eimer und rieb es sich über den Oberkörper, die Arme und Beine. Eine Gänsehaut breitete sich auf seiner Haut aus. Dann ging er langsam auf das Bett zu und stieg auf Knien hinein. Sofort packte ihn der Kommandant im Schritt, doch der Arashi ließ es geschehen und nahm den Kopf des Frostalben in beide Hände. Während sich auf dessen Gesicht noch ein wildes Grinsen ausbreitete, packte Sasuke zu und mit einer einzigen schnellen Bewegung war das Genick des Mannes gebrochen.
Eines der Mädchen schrie auf, doch Sasuke beachtete sie nicht weiter. In diesen Räumlichkeiten schrien die Frauen und Mädchen oft.
„Sobald ich diesen Raum verlassen habe, werdet ihr die Leibwächter holen und ihnen sagen, dass der Freier den Kommandanten umgebracht hat und durch das Fenster geflohen ist. Ihr werdet ihnen weiterhin sagen, dass, sollten Unschuldige dieses Etablissements zu Schaden kommen, weitere Morde folgen werden.“
Sasuke hatte den Mädchen den Rücken zugewandt. Sie durften sich sein Gesicht nicht einprägen. Er zog seine Kleider wieder an und ging ein paar Schritte auf das geöffnete Fenster zu. „Und gebt ihnen dies.“
Er warf eine gelbe Blüte nach hinten auf das Bett. Dann stieg er aus dem Fenster, balancierte das kleine Fenstersims entlang und griff mit beiden Händen die Regenrinne. Binnen Sekunden war er nach unten gerutscht, landete lautlos und eilte zu Mantel und Stiefeln. Als er aus dem Hinterhof schlüpfte, konnte er die ersten Rufe aus dem Gebäude hören. Sie würden ihn niemals finden.