Missgelaunt ließ Argram seinen Seesack auf die dünne Schneedecke sinken. Kräftig zog er seine Kapuze ob des beißenden Windes tiefer in das vor Kälte gerötete Antlitz. Einzelne Schneekristalle hatten sich in dem blonden Bart verfangen und waren durch die Feuchtigkeit des Atems zwischen den Haaren gewachsen. Das Ganze bot einen einsiedlerischen Anblick, was auch nicht unbedingt ein trügerischer Schein war, denn der Hüne war in der Tat lange einsam unterwegs gewesen, hatte seinen Weg allein durch die Weiten des Nordens gefunden. Der Umstand, dass dieser seine Heimat war, hatte ohne Zweifel sein Leben dabei gerettet und amüsanterweise hatte Argram auf seinem Weg nach Süden ein immer milder werdendes Klima vernommen, das, auch wenn es ihm unbekannt war, für die meisten Südländer bereits eine tödliche Kälte sein konnte.
Abschätzend ließ der junge Krieger einen Blick über den sich vor ihm erstreckenden Küstenabschnitt gleiten. Hoch oben auf der Hügelkuppe wo er sich befand, war die eisige Seeluft kaum zu ertragen und die hellen Augen begannen leicht zu tränen, als Argram die Siedlung begutachtete, die sich Jorsalaheim nannte. Mit seinem Bruder war er bereits einmal dort gewesen und hatte Freiwillige gesucht, um einen Raubzug zu unternehmen. Es hatte ihn gewundert, dass man selbst an diesem Ort bereits von Kjartil, seinem älteren Bruder gehört hatte, ja sogar von ihm und so war es nicht schwer gewesen Waffengefährten anzuheuern, mit denen sie die Händler aus dem Süden überfielen. Seitdem aber war Argram nicht mehr in Jorsalaheim gewesen und es hatte sich sicherlich einiges geändert nach der Gründung der kalten Fluten. Er hob den Seesack wieder über seine Schulter und stapfte den Abhang vorsichtig hinab, stets darauf bedacht nicht auszugleiten, was gerade bei dünnen Schneedecken schneller geschah als es einem beliebte. Richtige Straßen und Wege gab es nicht und so konnte man aus allen Richtungen vereinzelte Punkte sehen, die sich über den Landweg näherten. Anders war das bei einer Vielzahl von Schiffen, die sich in dem engen Hafen tummelten Zu lange hatte er keine Planken unter den Füßen gehabt, dachte er wehmütig beim ihrem Anblick und beschleunigte seine Schritte. Vielleicht, so hoffte er, konnte er ja bei einem ausländischen Kapitän anheuern und dort so lange leben, bis Gras über seine Taten gewachsen war oder aber er machte sich wirklich auf in die ihm unbekannte Welt des Südens. So etwas war jedoch niemals leicht für einen Norkara, denn das Land seiner Vorväter zu verlassen bedeutete Schande... zumindest war das ein Grund für den Krieg zwischen Wölfen und Raben. Auf ewig aber wollte Argram nicht fern der Heimat bleiben, dessen war er sich mehr als sicher.
Wenig Beachtung wurde dem Hünen geschenkt, als er die Grenze der Stadt überquerte, er war ein Mann wie jeder andere auch. Lediglich seine enorme Grüße zog dann und wann Blicke auf sich, was allerdings nichts neues für ihn war. Dass man ihn hier erkannte, glaubte Argram nicht. Gerüchte verbreiteten sich langsam unter den Clans und auch seine Kapuze verdeckte sein Gesicht ausreichend, dass selbst im Falle des Falles vorerst keine Gefahr bestand. Sein Ziel war der Hafen, wo es allerhand Absteigen gab, die nötige Kontakte zu etwaigen Schiffsbesitzern ermöglichen würden. So zumindest hatte er damals mit seinem Bruder nach Gleichgesinnten gesucht und diese Methode würde sich wohl nicht allzu schnell ändern. Es war jedoch ein ungewohntes Gefühl wieder unter so vielen Menschen zu wandeln. Gegen dieses Treiben wirkte seine Heimat einsam und verlassen und dabei war es wohl im weltweiten Vergleich nicht einmal viel.
Die nächstbeste Kneipe trug den Namen "Zum hetzenden Hund" und machte einen ziemlich abgerissenen Eindruck. Dennoch offenbarte der stetige Rauch aus dem Schornstein einen warmen Kamin und das zog Argram ohne Zweifel an. Die letzten Tage waren anstrengend gewesen und so richtig warm war ihm schon lange nicht mehr gewesen, sodass er nicht lange zögerte.