Jaro Ballivòr
Schweigend verfolgten Jaro und Kirona die Diskussion. Er war froh, dass die Albin das Wort ergriffen hatte, nachdem die Situation zusehends merkwürdiger und beängstigender geworden war. Woher sie all diesen Mut und das Gespür nahm... Die Anspannung war greifbar und Jaro ertappte sich dabei, wie er bereits abwägte, vom Wagen zu springen. Wie musste er landen, um sich nicht die Knöchel zu verstauchen? Würde Foranir oder Morond hinterher eilen? Und Kirona? War sie schon wieder stark genug? Er schluckte schwer und sah zu ihr hinüber, doch Kirona verfolgte aufmerksam das Gespräch. Dann - endlich - lenkte Sinyah ein. Es war wie ein kollektives Ausatmen. Kirona stand auf und ging zu der Mutter hinüber, legte ihr den Arm auf den Rücken und strich darüber. Trotzdem entging ihr nicht, welch neue Wandlung die kleine Tinriel nahm, ebenso wenig Alaryahs Warnung, denn sie nickte knapp und auch Jaro sah es ein: irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht.
"Na, na, mein Schatz", sagte Morond wieder viel sanfter. "Mama geht es gut und niemand verlässt uns einfach, nicht wahr?" Er lächelte die drei an, doch Jaro erinnerte es eher an Zähne fletschen. "Außerdem sind wir schon fast da..." Sein Arm wies in Fahrtrichtung und unwillkürlich folgte ihm Jaro mit den Augen, obwohl er nicht wusste, wonach er eigentlich Ausschau halten sollte. "Es ist alles gut, seht ihr?", fuhr Morond derweil unbeirrt fort. "Wir haben euch hierher gebracht, wie verspr-" Der Einschlag eines Pfeils in den Wagen unterbrach ihn. "Runter", brüllte Alaryah unmittelbar bevor ein zweiter Pfeil über sie hinweg surrte, ein dritter sich neben dem ersten tief ins Holz bohrte.
Alaryah Schattenwind
Hastig tastete Alaryah nach ihren Waffen, endlich bekam sie den Umhängegurt ihres Köchers zu packen. Sie zog daran, doch hatte sich der Bogen irgendwo verkeilt. "Verdammt.", zischte sie und riss fester daran. Irgendetwas knackte und der verklemmte Köcher löste sich ruckartig. Alaryah fiel nach hinten über, der Köcher raste über sie hinweg und hinterließ einen Schweif aus herausfallenden Pfeilen. So gut es ging rollte die Albin auf den Bauch, sah den Bogen dort am Ende des Karren liegen. Wieder flog ein Geschoss über sie hinweg, dann zischte auch schon wieder eins aus der anderen Richtung vorbei. "Unten bleiben!", rief Alaryah ihren Gefährten zu, die ebenfalls auf dem Boden des Karren umherkrochen. Dann robbte Alaryah in Richtung Bogen, bekam ihre Waffen endlich in die Hand. Ein Blick über die Schulter verriet ihr, dass sowohl Morond, als auf Foranir nicht mehr auf dem Bock des Karren saßen. Hatte man sie niedergeschossen? Unmöglich, man hätte Schreie hören müssen. Keine Zeit dafür. Alaryah wagte einen hastigen Blick über die Bande des Karren hinweg. Gerade rechtzeitig zog sie den Kopf wieder ein, denn ein Pfeil hämmerte knapp unter der Kante in die Bande. "Kannst du etwas erkennen?!", fragte Jaro mit zitternder Stimme und zuckte bei jedem Einschlag zusammen. Seine Augen schienen feucht. "Wie viele sind es?", wollte Kirona wissen. Sinyah hatte Tinriel fest an sich gedrückt, nachdem diese von Alaryahs Schoß gekullert war. Alaryah packte Jaro am Kragen und zog ihn ganz nah an sich heran. Sie erkannte deutlich einen Anflug von Panik in seinen Augen, begegnete ihm mit purer Entschlossenheit. "Wir werden hier nicht einfach von Pfeilen durchbohrt.", sagte sie ernst. "Wir werden aus dieser ganzen Sache rauskommen, wie auch aus den anderen davor. Ich lenke sie ab, versuch du an die Zügel zu kommen. Bringt sie hier raus.". Alaryah nickte in Richtung Sinyah und Tinriel, die die beiden nun mit großen Augen ansahen. "Fahrt mit dem Karren so weit fort von hier wie ihr könnt, folgt der Straße. Ich werde euch finden.".
Ohne auf eine Antwort zu warten rollte sich Alaryah von dem Karren hinab. Sie verschwand für wenige Sekunden aus Jaros Blickfeld und plötzlich trat Stille ein. Zu Jaros Erleichterung erhob sich Alaryah wieder, riss den Bogen hoch und der erste Pfeil löste sich von der Sehne. Die Albin hatte einfach in die Richtung geschossen, aus der sie meinte den letzten Pfeil kommen gesehen zu haben. Dann raste ihr Kopf herum, erneut trafen sich ihre Blicke mit denen von Jaro. "Los doch!", rief sie und legte neu auf. Dann spurtete die kleine Albin los. Auch wenn Jaro und Kirona sie nicht sehen konnten, so hörten sie deutlich die einschlagenden Pfeile und konnten somit ihre Laufrichtung erahnen. Zwischendurch zischte jedoch auch immer wieder der Bogen der Albin. Wie lange mochten die Pfeile, die sie aus dem Karren hastig aufgegriffen hatte, noch reichen? Irgendwann wurden die Einschläge an den Wänden des Karrens weniger, doch nicht wirklich ungefährlicher...
Jaro Ballivòr
Wie vom Donner gerührt saß Jaro da, wie Alaryah ihn zurück gelassen hatte. Unterdessen war Kirona auf die Beine gesprungen und ging geduckt nach vorne. Der Karren holperte und schwankte. Die Tiere waren vermutlich in Panik und es war unmöglich zu sagen, ob Morond und Foranir noch auf dem Bock saßen oder ob die Zügel ohne Führung waren. "Tu was!", drängte Jaro sich selbst. Sinyah hatte sich, die kleine Tinriel in den Armen, auf den Boden sinken lassen. Bogensehnen surrten und ein Schrei ertönte - Oril sein Dank der Schrei eines Mannes... Dann kam plötzlich Lärm vom vorderen Teil des Wagens. Es klang wie ein Handgemenge, doch gesprochen wurde nicht. Die Fahrt wurde unruhiger und Jaro wurde gegen die Wagenseite geworfen. Der Karren schwankte bedrohlich, dann schrie jemand, Foranir, wenn Jaro nicht irrte, und plötzlich sah er Kirona vom Karren springen. Sie war sofort aus seinem Blickfeld. "Jaro! Pass auf!", rief Sinyah. Es war gerade rechtzeitig. Der Karren schlingerte und kippte letztlich und Jaro warf sich in letzter Sekunde auf den Boden, um nicht hinausgeschleudert zu werden. Laut scheppernd schlugen das Gefährt auf dem Boden auf und rutschte noch eine Weile. Die Hufschläge entfernten sich. Offenbar hatten die Pferde sich losgerissen. Jaro stöhnte auf. Er war hart mit der Hüfte aufgekommen, doch ansonsten schien alles in Ordnung zu sein. "Sinyah? Tinriel?" rief er in die Staubwolke hinein. "Jaro?" Sinyahs Hand tastete den Boden entlang auf ihn zu. "Alles in Ordnung?", fragte sie. "Wir müssen hier weg, schnell!" Noch immer unfähig selber eine Entscheidung zu treffen, nickte Jaro nur und rappelte sich gemeinsam mit der Frau auf. Mehrere Pfeile schlugen in den gekippten Karren ein, während sie geduckt in das schützende Unterholz hetzten. Sie kämpften sich einige Meter in den Wald und blieben dann völlig außer Atem stehen. Jaro hatte die Orientierung verloren, wo Kirona und Alaryah waren konnte er unmöglichlich sagen. Er hielt inne, seine Augen weiteten sich. "Wo ist Tinriel?" Sein Herz klopfte. Wie hatte Sinyah das nicht bemerken können?
Alaryah Schattenwind
Wieder und wieder schlugen Geschosse um sie herum ein. Alaryah rollte sich über die Schulter ab, schoss erneut dahin, wo sie einen Schützen meinte entdeckt zu haben. Es war keine Zeit die Sinne zu schärfen, also musste sie sich auf ihren Instinkt und ihre Erfahrung verlassen. Dann passierte es plötzlich. Eine unfassbare Wucht riss die Albin herum und ihre linke Schulter fühlte sich unnatürlich warm an. Ungläubig schaute die Albin auf einen Pfeilschaft, der aus ihrem Oberarm ragte. Sie versuchte den linken Arm zu heben, doch gelang es ihr eher mittelprächtig. Keine Zeit. Reflexartig warf sich die Albin auf zur Seite, als ein weiterer Pfeil sein Ziel verfehlte. "Das wirst du büßen!", fauchte Alaryah, ließ Bogen und Köcher fallen und stürmte in Richtung Unterholz. Unterwegs brach sie den Pfeilschaft ab, ließ die Spitze jedoch stecken. Dann wurde die Albin von den Ästen einens Gebüsches umarmt.
Sie wartete dort, bleib im Verborgenen. Der Karren war losgepoltert, was Alaryah zumindest etwas beruhigte. Doch war dies nur ein kurzer Moment, denn plötzlich krachte es laut gar nicht so weit entfernt. "Oh nein.", hauchte Alaryah und fürchtete, dass ihre Gefährten nun endgültig erledigt waren. Dann knackte es hinter ihr. Kaum merklich zuckte die Albin zusammen, zog leise einen Langdolch. Sie sah deutlich den Schatten, der auf das Gebüsch in dem sie sich verbarg herabfiel. Eine Person stand hinter ihr und brummte irgendetwas. Alaryah ließ ihre Tarnung fallen, drehte sich um sich selbst und hämmerte den Dolch nach vorn. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, als sie in die leeren Augen eins anderen Alben sah. Es war ein Mann mittleren Alters, der mit Pfeil und Bogen und einem schartigen Schwert bewaffnet war. Der Mann röchelte und spuckte Blut, Alaryah drehte die Klinge in seinem Hals und machte ihm ein schnelles Ende. "Alben?!", flüsterte sie ungläubig und untersuchte die Leiche. Er war blass, doch seine Augen und Ohren waren unnatürlich dunkel. Ein weiterer Alb griff Alaryah an. Er stach mit einem Speer nach ihr, doch konnte sie seinen Angriffen ausweichen. Alaryah bekam den Speer zu packen und lenkte ihn von sich ab, sodass der Angreifer in den Boden stach. Alaryah wusste, dass sie schon fast gewonnen hatte wenn sie nur an der Speerspitze vorbei war.
"Alaryah!". Was? Konnte das...? Alaryah war sich nicht sicher. "Alaryaaaah!!". "Tinriel.". Alaryah stürmte los, überließ den sterbenden Speeträger seinem Schicksal. "Tinriel!", rief sie. "Alaryah hilf mir!". Die Stimme des kleinen Albenmädchens war panisch. "Ich bin gleich bei dir!", gab Alaryah zurück, nun sämtliche Vorsicht fallenlassend...Dann endlich entdeckte Alaryah Tinriels Haarschopf in der Nähe eines umgestürzten Baumes. Ihre Blicke rasten umher. War das Kind wirklich ganz allein?
Jaro Ballivòr
"Wo ist Tinriel?", wiederholte Jaro und sah Sinyah eindringlich an. Fast meinte er, einen fragenden Ausdruck über ihr Gesicht huschen zu sehen. "Eben war sie noch bei uns! Auf dem Karren!" Er konnte es nicht fassen. Wie konnte die Albin ihre eigene Tochter einfach vergessen? "Ich... ich weiß es nicht", stammelte diese nun. Ihre Augen bewegten sich hektisch von Seite zu Seite, während sie nachdachte. "Wir müssen sie suchen." Endlich fiel die Starre von Jaro ab. Nicht auszumalen, was der Kleinen alles zustoßen konnte. "Wir müssen zurück." "Nein!" Sinyah packte Jaros Arm mit eisernem Griff. Ungläubig starrte er sie an. "Es ist deine Tochter." Verzweiflung schwang in seiner Stimme mit. "Ich sagte nein." Die Augen der Frau waren eiskalt. "Wenn wir gehen, sterben wir." "Und wenn nicht, stirbt vielleicht Tinriel!" Er würde nicht so schnell aufgeben. "Sinyah! Das muss dir doch klar sein." Mit großen Augen starrte die Albin ihn an. Ihr Mund öffnete sich ein Stück, dann blinzelte sie mehrere Male. "Jaro?" Ihre Stimme war plötzlich leise und dünn. "Was ist los?" "Was?" Fassungslos zog Jaro die Augenbrauen zusammen. "Ich sagte, wenn wir gehen, sterben wir." Die Kälte war in ihre Augen zurückgekehrt. Einen Augenblick sahen sie sich einfach nur an, dann versuchte Jaro sich loszureißen. Erst zögerlich, dann mit zunehmender Vehemenz, während Sinyah ihn mit unfassbarer Kraft festhielt. "Lass mich los!", rief Jaro, der es langsam aber sicher mit der Angst zu tun bekam.
Alaryah Schattenwind
"Tinriel ich bin hier!". Das Mädchen reagierte nicht. Sie stand einfach nur so da, neben dem Baumstamm, mit dem Rücken Alaryah zugewandt. "Tinriel wir müssen hier weg. Ganz, ganz schnell.", erklärte Alaryah nun wieder mit gedämpfter Stimme und sah sich um. Niemand schien in der Nähe. Das war gut und schlecht zugleich. Zum einen war kein Feind zu sehen, jedoch fehlte auch jede Spur ihrer Gefährten. "Tinriel, komm.", flüsterte Alaryah und ging auf das Mädchen zu. Als die Albin das Kind berührte drehte es sich langsam um. "Da bist du ja.", stellte Tinriel fest und langsam kippte ihr Kopf in Richtung rechter Schulter. "Wir haben gewusst, dass du uns finden wirst.". Alaryah schreckte zurück. "Tinriel...was...was zum...". Wie in Zeitlupe ließ Tinriel ihre Puppe, die Alaryah vorher gar nicht bemerkt hatte, fallen. Dann reckte das Albenkind Alaryah langsam die Arme entgegen. "Jetzt wo du hier bist...bring uns weg von hier.". Alaryah schluckte einen Klos in ihrem Hals hinunter. "Tinriel, was ist mit dir passiert?", fragte sie leise und machte einen weiteren Schritt zurück, als das Kind mit ausgestreckten Armen auf sie zu kam. "Du musst mich zu meiner Mama zurückbringen.", sagte Tinriel und klang dabei so unschuldig und hilflos. "Tinriel bleib stehen.", mahnte Alaryah, weiterhin in Rückwärtsbewegung. "Wir werden deine Familie finden und alles wird wieder gut werden.". "Du brauchst doch keine Angst vor mir zu haben.", sagte Tinriel und verzog das Gesicht. Tatsächlich blieb sie stehen und wirkte traurig. "Du willst mir gar nicht helfen, oder?". "Sag doch sowas nicht!". Alaryah war sich nicht sicher, was gerade um sie herum passierte. Was war nur mit der kleinen Tinriel los?
Dann spürte Alaryah Widerstand hinter sich. Sie tastete nach hinten. Es war zu ihrem Erschrecken weder Baum noch Fels, es war eine Person! Alaryah drehte den Kopf. Ein großer und breit gebauter Alb schaute auf sie mit leeren Augen hinab. Rasend schnell näherte sich eine Faust und wenige Augenblicke später fand sich Alaryah auf dem Boden liegend wieder. Tinriel stand direkt neben ihr und der groß gewachsene Alb zog einen gezackten Dolch. Weiße Sterne tanzten hell in Alaryahs Blickfeld umher und sie war nicht in der Lage den kommenden Angriff zu sehen.
Jaro Ballivòr
Jaro stoppte seine Bemühungen, um nach kurzer Atempause nur noch heftiger gegen ihren Griff anzukämpfen. Mit der freien Hand schlug er ihr gegen Arm. Anfangs hatte er noch Hemmungen, doch schnell siegte die Furcht und er schlug fester und fester zu, bis Sinyah endlich losließ. Durch die plötzliche Befreiung stürzte Jaro nach hinten und ehe er sich berappelt hatte, fand er die Frau über sich. Ihre Gesicht war ausdruckslos, doch er wusste trotzdem genau, was sie wollte, erkannte es in diesem Augenblick. Sie würde ihn töten. "Alaryah! Kirona!" Er rief so laut er konnte, bevor sich Sinyahs Hände um seinen Hals schlossen und zudrückten. Vergeblich kämpfte er gegen sie an. Sie hatte eine unglaubliche Kraft. Verzweifelt versuchte Jaro Luft zu schnappen, doch es war hoffnungslos. Das letzte, das er sehen würde, waren die kalten Augen einer Frau, die er eigentlich gemocht hatte. "Jaro?" Kironas Stimme ertönte. "Jaro!" Die Frau stürzte sich auf Sinyah und stieß sie von Jaro herunter, der gierig nach Luft schnappte. Mühsam rappelte er sich auf die Beine. Kirona schlug Sinyah hart ins Gesicht. Ihr eigenes war blutverschmiert, wie auch der Großteil ihrer Kleidung. "Du musst hier weg, Jaro", sagte sie ruhig. "Schnell." Hier sprach die Killerin zu ihm, die perfekte Waffe, doch sie war nicht sein Feind. "Wo ist Alaryah?", fragte er. "Was ist geschehen?" "Keine Zeit jetzt. Geh!" Kironas Stimme war bestimmt. Im Hintergrund sah Jaro eine Bewegung und Morond und Foranir schälten sich aus dem Gebüsch. Beide waren übel zugerichtet. "Da ist sie ja!", knurrte Foranir und Kirona sprang auf die Beine. "Habt ihr noch nicht genug?" "Freu dich nicht zu früh." Ein fieses Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Jungen auf und fast im selben Moment traten drei weitere Männer hervor. Kirona straffte die Schultern und nickte, als bestätigte sie sich selbst einen Gedanken. "Jaro, du musst jetzt gehen. Tu was ich sage. Ich weiß nicht, was gleich passiert" Die Beherrschtheit in ihrer Stimme erschrak Jaro. Das war keine Bitte, das war ein Befehel und was blieb ihm schon anderes übrig? Nach einem letzten Blick in die Runde drehte Jaro um und rannte fort, versuchte vergeblich die Geräusche der ersten Gefechte zu ignorieren. Dann passierte plötzlich etwas, womit er nicht gerechnet hatte. die Welt verlor für einen kurzen Augenblick ihre Richtung. Es zog Jaro die Füße weg und eine Druckwelle fegte über seinen Kopf, gefolgt von einem roten Licht und einem schmerzhaften Dröhnen. Reflexartig hielt er sich die Ohren zu und kniff die Augen zusammen. Er traute sich nicht, sich zu rühren.
Alaryah Schattenwind
Dumpf grollend hob der Angreifer seine Waffe. Alaryah lag nur da, außer Stande sich zur Wehr zu setzen. "Tinriel.", hauchte sie noch und versuchte das Albenkind zu fassen zu kriegen. Wie ein toter Fisch fiel Alaryahs noch intakter Arm auf den weichen Waldboden, kraft- und nutzlos.
Dann plötzlich gab es einen Knall. Wie das Hämmern aus tausenden Schmieden brandete eine Welle aus Lärm durch den Wald, riss kleine Äste und Blätter mit sich und wirbelte Erde auf. Hier und da bildete sich Glut an den Enden von Ästen und Blättern, doch bleib sie nicht lang und schon bald suchten viele dünne Rauchschwaden ihren Weg gen Himmel. Dieser Moment war majestätisch und grausam zugleich. Alaryah traute sich nicht sich zu bewegen. Entweder würde sie in die Augen eines Mannes sehen, der sie töten würde oder etwas viel schlimmeres erblicken?
Es war eher ein Zwischending. Als Alaryah wieder wagte zu blinzeln sah sie immer noch den Angreifer vor sich, jedoch war da noch jemand. Langsam klärte sich ihr Blickfeld. Eine Gestalt hatte den Alben zurückgehalten. Es rauschte einmal laut, dann waren Alaryahs Sinne wieder einigermaßen im Normalzustand. Sie schüttelte den Kopf, als wolle sie eine Fliege vertreiben und dann erkannte sie es. Dieser Jemand hatte sie gerettet? Wer es auch war, die Person hatte sich in eine Robe gekleidet und eine Maske verbarg das Gesicht. Keuchend ging ihr Angreifer zu Boden, während ein Schwall Blut seine Kehle verließ wie Wasser einen Springbrunnen. "Sorgt Euch nicht.", sagte eine dumpfe Stimme und ließ von dem Alben ab. Dieser sackte nun leblos zusammen und verteilte röchelnd viele Spritzer Blut auf dem sonst so grünen Waldboden. Alaryah versuchte aufzustehen, jedoch schaffte sie es nur auf alle viere. Dann sah sie Tinriel unweit von sich im Gras liegen. "Nein.", flüsterte Alaryah und krabbelte in Richtung Albenkind. Dort angekommen tastete sie Tinriel ab. Tatsächlich spürte Alaryah noch einen Puls. Tinriel war noch am Leben! Behutsam hob Alaryah das kleine Mädchen auf und stemmte sich mit letzter Kraft nach oben. Auf wackeligen Beinen stehend hob sie nun dem mit Dreck und Blut verschmierten Kopf in Richtung berobter Gestalt, ihr zerzaustes Haar wehte dabei sanft im Wind. "Ihr solltet nun besser gehen.", sagte die Person und Alaryah nickte. Stolpernd setzte sie sich in Bewegung, wollte Tinriel nur noch von diesem Ort wegbringen. Dann plötzlich blieb Alaryah stehen. "Ich...ich danke Euch für die Rettung.", sagte sie leise. Erst jetzt spürte die Albin den Schmerz, der sich in ihrer verwundeten Schulter breitmachte. Trotz allem hielt sie Tinriel sicher und fest in ihrem Arm. Sie würde sie retten. "Lauft nun.", sagte die Gestalt. "Geht zurück zu Euren Gefährten.". "Ich hätte tot sein können?!", sagte Alaryah und war etwas verwundert, dass ihre Rettung und der zugegeben schwache Dank so leicht abgetan wurde. "Du kannst es immer noch werden.", sagte die Gestalt. Alaryah wollte etwas erwidern, doch Tinriel öffnete nun flackernd die Augen. "Geht nun, bevor doch noch alles anders wird.". Die Person hob langsam das von Blut triefende Messer, mit dem das Leben des Alben beendet worden war. Dann deutete die Gestalt mit der Klinge auf Alaryah, die sich nun endlich in Bewegung setzte. "Ich wollte dir nichts tun!", hörte sie die Stimme der Person hinter sich. "Lauf zu deinen Freunden.". Die Stimme entfernte sich. "Flieg nur, Vögelchen, flieg!". Wie von Blitzen aus tausend Gewittern getroffen blieb Alaryah in der Dunkelheit des Waldes stehen. Sie hatte die Augen weit aufgerissen, den Mund vor Schreck aufgerissen. "Was?", hauchte sie, doch da war nichts. Ihr Herz raste und sie war kurz davor einfach zusammenzubrechen. Diese Worte. Es war, als glühe ein Eisenbarren in ihren Gedanken. War es wirklich möglich? "Das kann doch nicht...". Alaryah drehte sich um, fiel dabei fast hin. "Linor?", fragte sie kaum hörber. Dann spürte die Albin plötzlich, dass ihr jemand an den Haaren zog. Es war Tinriel, die weiterhin von Alaryah im Arm gehalten wurde. "Alaryah.", sagte das Kind. "Ich...ich will...Wo ist Mama? Ich will zu meiner Mama!". Alaryah wusste weder ein noch aus. Sie wäre am liebsten der Gestalt nachgerannt, doch konnte sie Tinriel unmöglich allein zurücklassen. "Wo ist sie? Wo ist Mama?!", rief Tinriel und begann bitterlich zu weinen. Dicke Tränen kullerten die Wangen des kleinen Mädchens hinab und Alaryah rannte los. Die Gestalt...Linor...würde sie bestimmt wiederfinden...