Der Biss des Leone di Marino
Tazio Ferdinando di Ledvicco
Der Leone di Marino, der das Wappen Ledwicks zierte, war ein kluges Raubtier. Eine seiner Jagdtaktiken bestand darin, aus dem Dunkel des Ozeans langsam an die Oberfläche zu steigen und unter einer Eisscholle zu lauern, bis ein argloser Wasservogel sich zu nah an den Rand zu seinem nassen, kalten Reich begab. Die große Robbe schnellte aus der Deckung hervor, packte den Vogel und riss ihn mit sich. Für eine kurze Zeit färbte der Dhunico sich rot, ehe die Strömung alle Spuren der kurzen Schlacht davonspülte. Türkisfarben und kristallklar wogten die Wellen, als wäre nichts geschehen. Der Effektivität dieser Jagdtaktik ging eine lange Vorbereitungszeit und sehr viel Geduld voraus. Vor allem hieß es, sich ruhig und unscheinbar zu verhalten, um die Beute in trügerischer Sicherheit zu wiegen. In der Regel brachte ein einziger Angriff den unausweichlichen Tod.
Tazio, der wie seine Vorfahren nicht von ungefähr im Amt einen Mantel aus dem Fell des Leone di Marino trug, hielt es ganz ähnlich. Er war ein stiller Mann, ein Grübler und dachte sehr lange nach, bevor er handelte. Manch einer glaubte, der junge Duca würde sich gewisser Probleme gar nicht annehmen wollen, da so lange nichts geschah, doch der Schein trügte.
Tazio hatte seinem Schwiegervater nach einer monatelangen Zeit des Nachdenkens eine Einladung geschickt. Sie trafen sich zwar privat, dennoch war das Thema, was er mit Maximilien besprechen wollte, von großer Brisanz. Tazios Idee war in der Lage, die internationalen Strukturen umkrempeln, wenn er sie bis zum bitteren Ende umsetzte. Doch bevor er etwas in die Wege leitete, wollte er die Meinung des Duc de Souvagne dazu hören, denn letztlich betraf sie ganz Almanien.
Nach seiner Ankunft wurde Maximilien mit einem dampfenden Teller warmer Muscheln begrüßt. Auf Wein musste er noch verzichten, was ihn vielleicht ahnen ließ, dass es ein ernstes Gespräch werden würde. Stattdessen kredenzte man einen Saft aus Algen, der dunkelgrün aussah und durch eine Beimengung von Apfelsaft, Limette, Rohrzucker und einigen wenigen Blättern Minze einen angenehm frischen, süß-sauren Geschmack erhielt. Als der Tisch für ihn und seinen Gastgeber gedeckt war, gesellte sich auch Tazio hinzu, der noch zu tun gehabt hatte und daher erst jetzt zur Begrüßung erschien. Er trug ein leichtes, knöchellanges Gewand und weiche Schuhe. Weder die Maske noch andere Staatsinsignien waren heute an ihm zu finden.
»Schwiegervater«, grüßte er Maximilien freundlich, fasste ihm an die Schultern und drückte ihn, ehe er auf die Idee kam, irgendwelche Förmlichkeiten in die Wege zu leiten. »Schön, dass du da bist. Ich hoffe, du hattest eine angenehme Reise.«
Maximilien Rivenet de Souvagne
Maximilien erwiderte die Umarmung seines Schwiegersohnes und schmunzelte diesen freundlich an. Im Rang und Würden waren sie sich gleich, was die Familie anging hatte Max einen Sohn dazugewonnen und Tazio erneut einen Vater erhalten. "Danke für die überaus charmante Einladung und Verköstigung. Wo könnte man besser Meeresfrüchte genießen als in Ledwick? Allerhöchstens noch an der Azursee. Dieses seltsame Getränk hat etwas für sich, das fehlen von Wein interpretiere ich richtig, meiner Vermutung nach. Du wünscht nicht nur einen privaten Plausch? Die Reise war wie immer angenehm Tazio, mein Adler macht es sich in Euren Stallungen gerade bequem. Vermutlich wird er genauso gut behandelt wie ich. Setzten wir uns und rede offen. Welches Problem bedrückt Dich?", fragte Maximilien.
Tazio Ferdinando di Ledvicco
»Du liegst ganz richtig mit deiner Vermutung. Das Problem, was mich bedrückt, liegt im Westen.« Bei der Härte, die Tazios Blick nun annahm, war klar, dass damit die Person gemeint war und nicht das Land an sich. »Ehveros gibt sich noch immer unschuldig. Von ihm ging es aus, die Ordnung vor den Toren Dunkelbruchs gegen das Chaos zu unterstützen. Ehveros koordinierte diesen Feldzug, Großherzog Roderich und mein Vater ordneten sich vertrauensvoll unter. Bezahlt haben sie, unbefleckt von Blut blieb Ehveros. Während die Hohe Mark völlig im Chaos versank und Ledwick ohne Führung und Militär einer Überschwemmung samt Seuche trotzen musste, saß Felipe von Ehveros zufrieden auf dem Thron seines intakten Landes. Geschah eine Wiedergutmachung an jenen, die unter dem Krieg zu leiden hatten, den er anzettelte? Irgenwelche Gesten der Reue oder Reparationsleistungen? Wie sieht das Ganze für dich aus, Max?« Tazio sah seinen Schwiegervater durchdringend an und war gespannt, ob er zu einem ähnlichen Schluss kommen würde oder ob er das Ganze anders interpretierte. Tazio spießte mehrere Muscheln auf seine Gabel und ließ sie sich schmecken.
Maximilien Rivenet de Souvagne
Maximilien nahm sein Getränk zur Hand, nahm einen Schluck und ließ sich das Gesagte von Tazio durch den Kopf gehen. Er stimmte mit seinem Schwiegersohn überein, vielleicht ging er mit seiner Meinung sogar noch ein Stück weiter. Aber sie beide hatten auch die gleiche Meinung bezüglich der Zwerge oder Farisin. Max schaute Tazio in die Augen, sein Blick war ruhig und hart. Die Härte darin galt aber keineswegs Tazio. "Felipe von Ehveros ist der größte Feind Almaniens, meiner Auffassung nach. Ainwuar weiß, weshalb er diesen Mann ohne männliche Nachkommen ließ und ihn mit dieser missratenen Tochter abstrafte. Jeder Vater kommt an den Punkt, wo er mit seinen Kindern Probleme bekommt. Felipe hingegen hat einen Spiegel vorgehalten bekommen. Das Treffen im Triangle hat uns einmal mehr aufgezeigt, wie verbohrt und vor allem verbittert dieser Mann ist. Tazio alte Männer ohne Kinder sind ohne Zukunft und so verhalten sie sich auch. Ich hatte bereits ganz ähnliche Gedanken wie Du. Meine Gedanken waren dergestalt, dass ich die Beseitigung von Felipe zum Wohle Almaniens anordnen wollten. Allerdings würde ich dies nicht ohne einen festen Plan umsetzen, denn damit würde ich das Land ins Chaos stürzen. Selbst der Kopf einer Schlange ist ein Kopf, Du verstehst? In diesem Fall hätte ich Ehveros erobern müssen, um Almanien Frieden zu bringen. Rekapitulieren wir doch einmal Felipes Taten. Alles was dieser Mann sein Leben lang geleistet hat, war von Selbstsucht und maßloser Gier gezeichnet. Mehr noch, er war dafür sogar bereit sein eigenes Volk wie ganz Almanien zu verraten. Wir hatten ein Bündnis, das Kaisho-Abkommen. Ein Bündnis Tazio, funktioniert auf Gegenseitigkeit. Sollte je der Tag kommen wo Dich eine fremde Nation bedroht, werden Souvagne und Ledwick Seite an Seite stehen und kämpfen. Aber Felipe maßte sich an, im Namen des gesamten Bündnisses einem Krieg beizutreten. Er mobilisierte alle almanischen Heere und das der Goblins und zog gen Dunkelbruch um den Zwergen beizustehen gegen die Rakshaner. Er passierte ungefragt unser Land, unsere Schiffe wurden geraubt. Ist das ein Bündnis? Das ist Hochverrat und darauf antworteten wir entsprechend. Ich antwortete darauf entsprechend, entschuldige in den Dingen denke ich umgehend als Duc. Hat Felipe hinterfragt, weshalb die Rakshaner Dunkelbruch angegriffen haben? Nein! Hintergrund war, dass die Zwerge Alkena überfallen haben um dort große Verwüstung anrichteten. Alkena wandte sich an die Rakshaner. Ergo, die Zwerge haben die Antwort auf einen Angriffskrieg erhalten! Weshalb wurde dieser Krieg vom Kaisho-Abkommen unterstützt? Die Zwerge haben Wind gesät und Sturm geerntet! Wie ich reagiert habe ist bekannt, ich habe dem Bündnis den Rücken gekehrt und die Grenzen geschlossen. Ich selbst habe den Kriegszustand ausrufen müssen - müssen wohlgemerkt gegen die eigenen almanischen Brüder-Länder. Aber Tazio, ich bin meinem Volk verpflichtet und so verhalte ich mich auch. Felipe hingegen fühlt sich nur einer einzigen Person verpflichtet - sich selbst. Selbstsucht und Selbstherrlichkeit hat nichts auf einem Thron verloren. Er herrscht, ich regiere. Das ich bis jetzt noch nicht gehandelt habe liegt daran, dass wir unsere innere Stabilität wieder aufgebaut haben. Wir bekamen Dank des Fürsten von Alkena die Hohe Mark übereignet und diese haben wir in Souvagne eingegliedert. Ferner hat Dreux Landzugewinn für Souvagne gesichert und auch dieses Fleckchen wurde Souvagne eingegliedert. Aber ich stimme mit Dir überein, Felipe hat niemals eine Wiedergutmachung für seine Frevel geleistet. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter Tazio, er hat es auch nicht vor. Hinter vorgehaltener Hand lacht er uns aus und freut sich, dass der Kelch an ihm vorüber ging. All jene deren Kochen in Dunkelbruch in der Wüstensonne verbleichen, interessieren ihn einen Dreck. Einzig und allein was ihn im Moment interessiert, ist das nach seinem Tod der Thron kalt bleiben wird. Aber ich finde, soweit sollte es nicht kommen... wir sollten Felipe vorher kalt machen... à votre santé mein Lieber", sagte Max und hob auf Tazio das Glas.
Tazio Ferdinando di Ledvicco
»Alla salute, Max.« Auch Tazio hob sein Glas, sie sahen sich in die Augen und Tazio trank einen Schluck. »Warme Speise, eiskaltes Getränk. Ich mag diesen Kontrast.«, Er stellte das Glas wieder neben den dampfenden Teller. »Wir denken in eine ähnliche Richtung. Als Opfer von Felipes Niedertracht gehe ich so weit, zu behaupten, er hat so wenig Interesse, uns aus der angerichteten Misere zu helfen, dass mir der Gedanke kam, dass diese vielleicht sein eigentliches Ziel war. Was, wenn es gar nicht um Dunkelbruch ging? Wenn es Felipes Absicht war, uns dort scheitern und sterben zu lassen? Der Großherzog von der hohen Mark fiel! Der Duca von Ledvicco fiel! Ich wäre fast gefallen! Was, Maximilien, hätte Ehveros aus dieser Situation alles machen können mit einem fähigen Thronerben, der den Greis tatkräftig unterstützt?«
Maximilien Rivenet de Souvagne
"Das Tazio schmerzt Felipe erst jetzt im Rückblick auf seine Tochter. Vorher hatte er daran kein Interesse. Was Du sagst, entspricht den Tatsachen. Gleich wie es ausgegangen wäre, Felipe wäre auf der Siegerseite gewesen. Entweder als strahlender Retter von Dunkelbruch, oder aber als Eroberer Almaniens. Bringen wir es auf den Punkt, er wollte die Hohe Mark. Er wollte Ledwick. Letztendlich wird er auch Souvagne gewollt haben. Aber mit meiner Reaktion hat er nicht gerechnet, sprich er ging nicht davon aus, dass ich das Bündnis aufkündigen würde. Wäre die Hohe Mark nicht an uns gegangen, hätte er sie eingenommen. Sie war wehrlos. Was war mit Ledwick? Das hätte er ebenso in die Tasche gesteckt, denn auch Ihr lagt am Boden. Verhindert haben das bei der Tagung in Ehveros die Counts - so fair muss man sein. Ich forderte die Hohe Mark tatsächlich nur aus dem Grund, damit sie nicht an Felipe fiel. König Dunkelerz war dafür, die Counts waren dafür und der Fürst waren dafür. Und wären sie dagegen gewesen, hätte Felipe sie trotzdem nicht bekommen. Mein Heer steht, wir sind voll einsatzbereit, mit all unserer Streitmacht, mit allem Tazio. Felipe hätte nicht geahnt, welche Katastrophe er damit entfesselt hätte für sich. Wir führen keine Angriffskriege, aber wir verteidigen uns mit aller Vehemenz. Zur Not auch gegen Felipe. Und zur größten Not auch provisorisch. Das er die Hohe Mark und Ledwick wollte, hat er unumwunden in Ehveros zugegeben. Leider war Dein Land im Nachgang mit den Counts nicht besser dran, denn sie suchten Ihr Heil bei den Zwergen, anstatt bei ihren Nachbarn, sprich den anderen almanischen Völkern. Hinzu kam, dass sie zwar Ledwick in Ehveros vor Felipe verteidigten und uns unterstützten, aber dies auch nur zum Selbstzweck, denn sie wollten sich das Land das ihnen so leichtfertig in den Schoß gefallen war, nicht wieder abnehmen lassen. Sie haben nicht einmal nach einem legitimen Erben gesucht. Ihre vermeintliche Güte war also nichts anderes als verpackte Selbstsucht und Machtgeilheit. Niemand sagt, dass Felipe es nicht auf seine alten Tage noch einmal versucht Tazio. Wir sollten ihm zuvorkommen. Mein Plan wäre, ihn zu einer Abdikation zu Deinen Gunsten aufzufordern. Er soll Dir Ehveros überschreiben. Damit geht es in Ledwick auf, Ledwick vergrößert sich. Stimmt er seiner Abdankung nicht zu, danken wir ihn ab", antwortete Max.
Tazio Ferdinando di Ledvicco
Tazio beugte sich über den Tisch. »Er wollte Almanien unter seiner Krone, und zwar ganz Almanien. Ehveros wollte die Hohe Mark, Ledvicco und auch Souvagne. Das haben wir damals nicht gesehen, doch rückblickend ist es so offensichtlich, dass ich mich frage, wie blind wir waren. Diesen Fehler wieder auszugleichen, wird vermutlich meine gesamte Lebensdauer in Anspruch nehmen. Erst in fünfzig Jahren mag Ledvicco wieder das Land sein, als das man es früher kannte, mit blühendem Seehandel, einer stolzen Flotte und einem Sumpf, der keine modernde Brutanlage für Moskitos ist, sondern Nahrungsgrundlage, Wohnland, Transportweg und Rohstofflager. Unser Norden ist zur Kloake verkommen. Die Marchese haben den Auftrag, vor allem anderen, den Sumpf wieder urbar zu machen und das natürliche Bewässerungssystem zu reparieren. Nur so bekommen wir die Cholera in den Griff und in vielen Bereichen ist sie rückläufig. Wir haben Felipes Sohn hier, Max ... den unerwünschten Bastard. Ließe sich daraus etwas machen oder ist er Felipe auch nach dem Tod seiner Tochter noch vollkommen gleichgültig?«
Maximilien Rivenet de Souvagne
"Ich weiß wer der Mann ist, Toni. Nun die Frage sollten wir ihm selbst stellen. Würde Toni auf dem Thron sitzen, dann wäre er völlig unbedarft. Das heißt Du oder ich müssten ihn anleiten, denn ansonsten regiert irgendjemand durch Toni die Marionette. Warum sollte Felipe auf einmal seine Familienseite entdecken? Tat er das bei seiner Tochter? Nein, er hat das unfähige Mädchen nur auf den Thron gesetzt, um jeder Repressalie zu entgehen. Ricarda saß auf dem Thron und sollte alles wieder richten, er wusch seine Hände in Unschuld. Aber seine Tochter war auf den Thron nicht vorbereitet und gelinde gesagt hatte die Frau auch keinerlei Ambitionen dazu. Sie schlenderte lieber durch den Wald und gab sich ihrem privaten Vergnügen hin. Natürlich hat die auch jeder Großherzog von uns, neben den Regierungsgeschäften. Ein Land regiert sich nicht von selbst. Treue und Loyalität gegen Schutz und Schirm. Schutz? Schirm? Wo war sie für ihre Untertanen da? Bis auf ein rauschendes Fest für den ausländischen Adel hat Ricarda nichts geleistet. Sie hatte nicht einmal Interesse daran ihre Blutlinie fortzuführen. Für mich war dieses Mädchen genau das, ein unreifes Mädchen, dass die Pubertät noch nicht überwunden hatte. Sie spielte gerne im Wald, rannte mit dem Flitzebogen herum und hatte so manche niedliche infantil-gute Idee, aber sie war weder eine Frau, geschweige denn eine Großherzogin, von einer Regentin ganz zu schweigen. Also Tazio, was möchtest Du? Möchtest Du das wir Ehveros Ledwick angliedern oder möchtest Du das Toni Regent von Ehveros wird? Die Frage ist dann, ob er dies kann. Aber das könnten wir klären", sagte Max.
Tazio Ferdinando di Ledvicco
»Was ich möchte, ist mit einem Wort zu beantworten: Gerechtigkeit. Und da wir sie nicht von allein bekommen, werden wir sie uns nehmen. Felipe von Ehveros ist ein Verräter und Massenmörder, das ist er! Was seinesgleichen erwartet, wird sich in unseren beiden Ländern nicht sehr unterscheiden. Felipe den Fuchs, nannte man ihn. Schakal wäre der ehrlichere Titel. Ich beanspruche seinen Kopf, im Namen meines Vaters, im Namen meiner gefallenen Soldaten, im Namen aller Almanen, die unter ihm leiden mussten!«
Maximilien Rivenet de Souvagne
"Auf Hochverrat steht der Tod Tazio, jedenfalls in Souvagne. Verrätern ist nicht zu trauen, sie haben jede Lebensberechtigung verwirkt. Felipe war seine gesamte Amtszeit über so gestrickt. Mein Vater kannte ihn nicht anders. Was immer er damit kompensieren wollte, mir ist es gleich. Das was er angerichtet hat, das ist entscheidend. Gerechtigkeit? Gericht und gerecht sollten stets Hand in Hand gehen. Gerechtigkeit zu fordern ist das eine Tazio, aber wie möchtest Du die Gerechtigkeit umsetzen?", fragte Max.
Tazio Ferdinando di Ledvicco
»Das ist, was ich mit dir besprechen möchte. Ich werde dir meine Gedanken dazu schildern und anschließend würde ich gern die deinen hören. Der Orden des Stählernen Lotos wurde eins von unseren beiden Ländern ins Leben gesetzt, um im Verborgenen für die Sicherheit der Krone zu sorgen. Doch lassen sich die Antimagier des Ordens auch anders einsetzen. Felipe von Ehveros ist alt, er könnte friedlich entschlafen. Und sein Sohn ist leicht gefügig zu stimmen, er hat niemanden, der hinter ihm steht. Er kann hundert mal der rechtmäßige Thronerbe sein, was nützt ihm das ohne ein Heer, das seinem Anspruch auch Nachdruck verleiht? Antoine, der eigentlich Antonio von Ehveros heißt, sollte das Land mit ein wenig Hilfe unsererseits an Ledvicco überantworten.«
Maximilien Rivenet de Souvagne
"Nun bevor Du Dein Volk per Heer zum Gehorsam bemühen musst Tazio, sollte es schon von sich aus gehorchen. Du kommst Deiner Aufgabe nach und Deine Untertanen kommen ihren Aufgaben nach. Im schlimmsten Fall, sollte es zu Unordnung und Unruhe kommen, dann muss man das Militär bemühen, aber soweit sollte man es nicht kommen lassen. Für Deine Leute solltest Du immer ein offenes Ohr haben und ein offenes Herz. Spinner, die mit allem generell unzufrieden sind, findest Du überall. Aber jene ausfindig zu machen, ist ebenso Aufgabe der Ordnungsorgane, wie bei uns die entsprechenden Orden und Büttel. Das ist ein anderes Thema. Gut wir könnten Felipe schlafen schicken und Toni übereignet Dir Ehveros. Ebenso könnten wir Toni hiervon überzeugen, das er gar nich das Amt antritt. Dann müsste Felipe abtreten und dann entschlafen, aber das wäre zu auffällig. Also korrekte Vorgehensweise Felipe schließt für immer die Augen, Toni übernimmt den Thron und Toni überreicht Dir den Thron durch Abdikation. Wie möchtest Du Toni dafür entschädigen? Und wie schwebt Dir vor, den Lotos einzusetzen? Sie sind eine gute Wahl. Einen der Lotosse, genauer gesagt der Lotos Vendelin hat bei uns noch eine Schuld offen. Er unterstützte meine Mutter, Du weißt wobei", gab Max zu bedenken.
Tazio Ferdinando di Ledvicco
»Das Heer im eigenen Land musste ich Ainuwar sei dank noch nie einsetzen, aber du verstehst, was ich damit ausdrücken wollte: Dass Antoine absolut keine Ahnung hat, wie er sich Gehör verschaffen soll. Der Hochadel wird Pingpong mit ihm spielen und bestenfalls endet er als Strohmann, schlechtestenfalls unter der Erde. Wie man Antoine entschädigen könnte dafür, dass man ihm das Leben und die Würde rettet, habe ich mir noch nicht überlegt. Ein symbolisches Amt, wo er mit seinem Unwissen keinen Schaden anrichten kann, eine Scholle? Der Lotos sollte sich selbst überlegen, wie er an Ehveros herankommt, ich denke, er kann das gut alleine planen, oder hast du einen Vorschlag? Vendelin, der Name ist mir bekannt. Er hat also die Wahl, Block oder Reinigung des Throns? Eine noch risikoreichere Aufgabe kann man einem Lotos wohl kaum überantworten.«
Maximilien Rivenet de Souvagne
"Eine Scholle ist ebenfalls ein Land das man verwalten muss. Aber natürlich im wesentlich kleineren Rahmen. Fair wäre zum Beispiel eine Scholle und eine dazugehörige Apanage. Du sagtest er ist hier, bitten wir ihn dazu. Allein würde ich die Planung einem Lotos nicht überlassen und schon gar nicht diesem Lotos. Er unterstützte meine Mutter bei einem Hochverrat. Am Ende sind wir es die gestürzt werden, da Felipe ein besseres Gegenangebot gemacht hat. Nein, wir senden Vendelin mit klarer Aufgabe und wir senden jemanden hinterher der genau das im Auge behält. Einen Dolch aus der Dunkelheit. Versagt er, betrügt er uns, wird Vendelin seinen eigenen Auftrag nicht überleben. Besteht er und bleibt treu und loyal, ist seine Schuld getilgt. Bitte Toni zu uns", bat Maximilien.
Tazio Ferdinando di Ledvicco
Tazio blickte seinen Leibdiener an. »Vianello, bring Antoine zu uns. Er ist im kleinen Gästezimmer zu finden, wo er mit seinem Begleiter eine Erfrischung genießt.«
Vianello Leonardo
Vianello machte sich sofort auf den Weg und schloss leise hinter sich die Tür. Dann eilte er los zum Gästezimmer. Keiner im Palast stellte ihm eine Frage oder wunderte sich über den eiligen Schritt. Den Leibdiener des Duca hielt man nicht auf, eine ungeschriebene Regel, die in allen Höfen galt. Vianello klopfte und betrat das Gästezimmer. "Signor Antonio? Folgt mir bitte, Ihr werdet gemeinsam mit Eurem Gefährten von seiner Majestät Ducca di Ledvicco und seine Majestät Duc de Souvagne erwartet", sagte Vianello. Er wartete ab bis sich die beiden erhoben hatten und führte sie umgehend zu seinem Herren. "Eure Majestät, Antonio samt seinem Begleiter", verkündete Vianello und schloss hinter den beiden Gästen umgehend die Tür.
Antoine
Antoine blickte zu Boden und klammerte sich am Ärmel des Büttels Gilbert fest, so als ob dieser ihn vor den beiden Staatsoberhäuptern beschützen könnte. Einer seiner nackten und schmutzigen Füße stand auf dem anderen und knetete ihn mit den Zehen. Er verstand nicht, warum sich diese Männer der Macht mit ihm befassten. Wohl wegen seiner vergangenen Untaten, all der Diebstähle, der entwendeten Kristallrose und nicht zuletzt der Entstellung, die er Coutilier Boldiszàr zugefügt hatte. Natürlich, Boldiszàr war geadelt worden, er hatte das Antlitz eines Chevalier verstümmelt. Jeder wusste, wie nahe Boldiszàr Prince Ciel stand. »Es tut mir leid«, sprach Antoine leise.
Gilbert Jardine
Gilbert verneigte sich vor den beiden Regenten und zog Toni mit sich, so dass er sich ebenfalls verbeugte. "Eure Hoheiten", sagte Gilbert ergeben, da er nicht wusste, was er sonst anderes sagen sollte. Er wollte einfach abwarten, weshalb man Toni herbeordert hatte. Er hoffte nicht, dass seine Taten derart gigantische Kreise gezogen hatten. Insgeheim fragte sich Gil, was Toni hier gestohlen hatte. Seine Augen zuckten kurz zu seinem Kumpel und seine Hand schloss sich fester um die von Toni.
Tazio Ferdinando di Ledvicco
Manieren hatte Tazio bei dem ehemaligen Obdachlosen ohnehin nicht erwartet, er sah darüber hinweg. Auch, dass die Füße zwar grob gewaschen worden waren, aber bei dem Anblick der rissigen Hornhaut und der langen Nägel hätte er sich dann doch lieber gewünscht, dass ihm jemand Schuhe überzöge. »Vianello, bring unsere Gästen jeweils einen Stuhl.« Er wies auf eine benachbarte Sitzgruppe, wo mehrere überzählige Stühle standen. »Ich nehme nicht, an, dass Ihr wisst, warum Ihr hier seid, Prinz Antoino von Ehveros«, sprach Tazio höflich. Der Mann sah zwar aus wie ein Penner, aber nichtsdestotrotz war er von edelstem Geblüt. Er warf Maximilien einen Blick zu, ob dieser etwas sagen mochte.
Maximilien Rivenet de Souvagne
Während Vianello zwei Stühle herbeitrug und für Toni und Gilbert bereitstellte, schaute Gil total verdattert bei dem Namen von Toni. Maximilien deutete beiden an sich zu setzen. Als sie Platz genommen hatten, ergriff der Duc das Wort. "Wir kennen uns schon eine Weile persönlich Toni, oder wie wir herausgefunden haben Prinz Antonio von Ehveros. Du bist ein Nachfahre von Felipe von Ehveros und hast somit Anspruch auf dessen Thron, sobald der Großherzog verstirbt. Du hast mitbekommen, dass ein Krieg vor Souvagnes Mauern getobt hat. Schuld an dem Krieg Toni war der Großherzog Felipe von Ehveros. Er brach das almanische Bündnis, welches als Kaisho Abkommen bekannt war. Durch diesen Bruch stürzte er unser Land fast in einen Krieg, der nicht der unsere war. Die Hohe Mark, Ledwick und sein eigenes Land hingegen stürzte er in einen Krieg. Gelitten haben die Hohe Mark und Ledwick. Wie es für die Hohe Mark kam, weißt Du sicher - sie wurde Teil von Souvagne. Ledwick wurde von den Counts stellvertretend regiert und Tazio gelang es in seine Heimat zurückzukehren. Das alles ist der Vorlauf dessen worum es nun gehen wird. Keiner von uns beiden, möchte Dir den Thron streitig machen Toni. Aber Du bist nicht in der Lage ein Land zu regieren. Du wärst auf dem Thron die Marionette eines Adligen, vielleicht auch von jemand anderem. Felipe ist der Feind aller Almanen Toni, sogar der seines eigenen Volkes. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, die Gefahr für Almanien ein für alle male zu beseitigen. Ist Felipe von uns gegangen würdest Du den Thron besteigen. Wir wünschen uns, dass Du auf genau diesen Thron dann verzichtest und ihn Ducca Tazio di Ledvicco übereignest, damit Almanien aus zwei Länder besteht - Souvagne und Ledwick. Uns beiden liegt Almanien am Herzen, ich hoffe das ist Dir bewusst. Wir möchten Dich nicht übervorteilen. Als Entschädigung würdest Du eine Scholle bekommen, die Du regierst. Eine kleine Regierung, die Du mit Unterstützung leisten könntest. Zuzüglich einer Apanage, das ist eine Geldleistung damit Du standesgerecht leben kannst. Überlege bitte, dann antworte. Falls Du Fragen hast, frage mich was immer Du mich fragen möchtest. Eines allerdings noch - überlege Dir einmal, warum Du gelebt hast wo Du lebst und nicht am Hofe von Ehveros Toni", sagte Max freundlich.
Antoine
Antoine starrte sprachlos vor sich hin. Das alles konnte nur ein Scherz sein, anders konnte er sich das nicht erklären. Oder ein grauenvoller Irrtum. Wobei, grauenvoll? Wenn er Geld geschenkt bekam? »Was heißt standesgemäß, Majestät?«, wagte er zu fragen. Seine Hand hielt immer noch die von Gilbert umklammert. »Mit einem eigenen Haus?« Er überlegte, ob er die nächste Frage wirklich stellen sollte. Am Ende machte er alles, was man ihm versprach, wieder zunichte. »Warum lebe ich nicht am Hof von Ehveros? Und woher wisst Ihr das alles? Ich möchte nicht unverschämt sein. Vergesst die Frage am besten einfach wieder. Ich bin dankbar für die erwiesene Gnade und mag meine Arbeit nicht wieder verlieren.«
Maximilien Rivenet de Souvagne
"Standesgemäß als Nichtregent ist die Apanage eines Prinzen, also ja natürlich hättest Du ein eigenes Haus, eine Burg. Geld wäre keine Deiner Sorgen. Das wissen wir von einem Ordensmitglied das uns auch über andere sehr wichtige Dinge informierte. Die Fakten entsprechen der Wahrheit, habe ich Dich je belogen? Deine Arbeit wärst Du wieder los, aber auf Deiner Scholle leitest Du Deine Büttel, also bist Du dort der Oberbüttel, wenn man den Lehnsherr so beschreiben möchte. Nein jede Frage ist legitim, also erlaubt. Woher sollst Du so etwas wissen, wenn es Dir niemand sagt Toni? Ich selbst weiß noch nicht lange davon. Dennoch müssen wir wissen, ob Du bereit wärst auf den Thron zu verzichten. Ist Ehveros an Ledwick übereignet worden durch Dich, ist das ein unumstößlicher Fakt Toni. Du kannst Dich dann nicht mehr umentscheiden. Tazio muss planen können und wir planen dahingehend, dass es keinen Krieg mehr in Almanien gibt. Vielleicht bedroht uns irgendwann einmal irgendwer von außen, aber dem werden wir mit aller Härte begegnen. Innerlich sollten wir freundschaftlich und brüderlich geeint sein. Souvagne und Ledwick sind sogar mehr, wir sind durch Verwandtschaft verbunden Toni", sagte Max.
Antoine
Antoines Finger zerdrückten fast die Hand von Gilbert. Er zitterte. »Darf ich, falls es nicht stört ... kurz Gilbert fragen?«, fragte er mit erstickter Stimme.
Maximilien Rivenet de Souvagne
"Natürlich, so eine Entscheidung bricht man nicht übers Knie. Und selbst wenn Du ablehnst, dann müssen wir uns etwas anderes einfallen lassen. Nur überlege gut und weise, anderes kann ich Dir nicht raten. Sei ehrlich zu Dir selbst, was kannst Du und was bist Du im Stande zu leisten? In dem Moment wo Du den Thron besteigst, gehören alle Leben in Ehveros Dir Toni. Denn genau darum geht es", antwortete Max schlicht.
Antoine
Antoine nickte rasch, stand auf und zog Gilbert an der Hand mit nach draußen vor die Tür. Dort starrte er nach oben, alles war so groß, so ordentlich und schön, viel zu gut für ihn, Penner-Toni. Konnte das denn wahr sein? Nein, das konnte es nicht! Er fiel Gilbert um den Hals und wurde von Schluchzern geschüttelt. »Was mache ich jetzt?«, jammerte er. »Die verarschen mich! Ich habe Angst, wenn ich was Falsches sage! Sie werden mich köpfen wegen dieser Diamantrose und wegen Boldis Narbe. Hilf mir, Gil, bitte hilf mir!«
Gilbert Jardine
Gilbert umarmte Toni und hielt ihn ganz fest an sich gedrückt. "Toni, der Duc hat Dir damals das Leben geschenkt und ich sollte Dich ausbilden. Hat er Dich je belogen? Hat er jemals einem von uns geschadet, wenn er es nicht musste? Niemals Toni. So wahnsinnig das auch klingt, es muss wahr sein, wenn der Duc Dir das erklärt. Es geht hier nicht um die Rose oder Boldis Narbe, es geht um Dich und das Du in Wahrheit ein Prince bist und zwar der von Ehveros. Sie wollen Dir sagen, dass Felipe bald umzieht. Dann besteigst Du den Thron. Und sie wünschen sich, dass Du den Thron dann an Tazio verschenkst. Damit Almanien zwei Länder werden. Eines ist Souvagne, eines ist Ledwick. Möchtest Du den Thron behalten, dann bleiben es drei Länder. Dann musst Du dieses Land regieren. Und sie befürchten, dass Du das überhaupt nicht kannst und andere Dich benutzen würden. Darum sollst Du es Tazio übergeben. Also dem Ducca. Ich würde dem Duc vertrauen, so wie Du ihm damals vertraut hast. Ich würde ihm generell immer vertrauen Toni, da er unser Duc ist. Er stand Dir bei und er stand uns bei. Er hat Dich sogar freigegeben und Dich auswandern lassen. Erinnere Dich einmal. Wir haben doch noch überlegt, wohin wir ziehen sollen, wegen Tekuro und den anderen rund um Boldi. Ein Land regieren, also wäre ich in Deiner Lage ich würde es den beiden überreichen. Erstens kann ich kein Land regieren, ich führe nicht mal eine Dienstgruppe oder eine Wache! Wie da ein Land? Ich habe davon keine Ahnung und ich möchte nicht, dass wegen mir ein Land völlig abrutscht. Ich bin Büttel, weil ich für die Leute da sein möchte. Deshalb fangen wir Verbrecher und knüpfen sie auf. Du kannst nicht einmal lesen und schreiben Toni. Die Adligen würden Dir das Leben zum Abgrund machen, so müssten sie sich einfach einem neuen Großherzog fügen. Tazio kann die Schollen übernehmen. Die Hohe Mark war leergefegt, das musste unser Duc alles neu hochziehen mit eigenen Leuten. Stell Dir doch die Antwort vor, Du bekommst eine Burg und ein kleines Stück Land. Daran können wir uns versuchen und Du bekommst Geld fürs Nichtstun, weil Du ein Prince bist oder warst dann. Du musst nie wieder arbeiten, nie wieder wird Dich jemand bedrohen und Du hast Deine eigenen Büttel. Alles im Kleinen, statt ein Land. Also ich hätte das selbst für einen Hof mit Vieh gemacht und einer kleinen Ecke nur für mich. Eben mit einem richtigen Zuhause weißt Du? Da wo ich mal etwas mehr Platz hätte als nur ein Zimmer, aber all das hast Du. Warum denn den großen Ärger auf Dich laden? Das sind wir doch gar nicht, das bist Du auch nicht Toni", erklärte Gil und dachte angestrengt nach. "Das heißt, wenn Du mich dann bei Dir wohnen lässt und sich dann unsere Wege nicht trennen, jetzt wo Du dann Geld hast...".
Antoine
»Natürlich nehme ich dich mit! Das heißt, wenn sie mich lassen. Ich weiß was, das sage ich denen als Bedingung.« Er gab Gilbert frei, nahm ihn dann aber gleich wieder an der Hand. Allein hatte er zu große Angst, doch Gilbert hatte sich stets um ihn gesorgt und ihn schon in so manch schwieriger Situation beschützt. So nahm er ihn mit hinein und setzte sich wieder. »Wir haben nachgedacht«, sagte er so tapfer, wie er konnte. »Ich schenke euch Ehveros, aber nur, wenn Gil bei mir wohnen darf und meine Freunde von der Straße. Sonst mach ich gar nichts, auch nicht, wenn ihr mir den Kopf abhackt!«
Gilbert Jardine
Gilbert musste ein blödes Grinsen unterdrücken, wie fest Toni zu ihm hielt und für ihn sprach rührte ihn sehr. Nur dass er anbot, sich sonst den Kopf abhacken zu lassen, beunruhigte Gil und er wischte sich mit dem Handrücken über die plötzlich ziemlich schweißnasse Stirn.
Maximilien Rivenet de Souvagne
Maximilien schmunzelte Toni an. "Wir hacken Dir nicht den Kopf ab, wieso sollten wir das tun? Wir reden und verhandeln mit Dir. Du kannst in Deiner Burg und auf Deiner Scholle leben lassen wen Du möchtest. Da Ehveros in dem Falle an Ledwick ginge, gebe ich Gilbert und jene frei Du Du mitnehmen möchtest. Ab dato wärst Du, Gil und all die anderen Ledwicker. Somit ist jedes Problem behoben Toni", antwortete Maximilien freundlich. Er verstand die Sorge von Toni, er hatte ein Leben lang ein Leben voller Entbehrungen geführt und wollte das bisschen, was er sich zusammengekratzt hatte nicht verlieren. Es zeigte aber auch, in welchen schlichten Bahnen Toni dachte. Er war eine gute Seele, die sich durchgeschlagen hatte, jemanden den man an die Hand nehmen musste, so wie er gerade die Hand von Gilbert zum Schutz hielt. Er war keine Person, die ein Land regieren konnte. Er konnte nicht einmal für sich selbst sorgen. Vielleicht wäre dies alles anders gelaufen, hätte man Toni entsprechend angeleitet und ausgebildet. Ganz sicher sogar. Im Kleinen konnte man dies nachholen, im Großen nicht. Nicht umsonst wurden die Söhne von Großherzogen im Grunde seit dem Tag ihrer Geburt auf das Amt vorbereitet, vor allem die Erstgeborenen. Er selbst hatte für sein Amt mehr lernen müssen, als er es sich bei all seinem jungen Wissen hatte träumen lassen. Und sein Vater hatte ihn gut ausbilden lassen, dennoch nicht gut genug als Zweitgeborenen. Max hielt es anders, er ließ all seinen Söhnen die gleiche Ausbildung zu Teil werden. Aber das nützte Toni nichts. In seinem Alter musste er bei Stand Null anfangen und vermutlich sogar noch davor, denn er konnte gewiss nicht lesen und schreiben. Und von den einfachsten Dingen am Hofe, hatte er keine Ahnung. Toni dieses Amt zu überlassen, würde in einer Katastrophe enden. Und zuerst würde genau jene Katastrophe über Toni selbst hereinbrechen, dies war nicht nur unverantwortlich, dies wäre auch wider alle dem, was Max sich für Toni wünschte.
Tazio Ferdinando di Ledvicco
Tazio gestattete sich ein aufmunterndes Lächeln für den Gossen-Prinz. Er mochte den Kerl. Antoine, oder Antonio, wie er wirklich hieß, tat ihm leid in seiner Unbedarftheit und der Einfachheit seines Denkens und seiner Wünsche. Ein Dach über dem Kopf und seinen Freund an der Seite, dafür verzichtete er auf die Ehre und Bürde der Krone. Er verzichtete auf sein ganzes Land! Das würde wohl den wenigsten Adligen einfallen, aber es zeigte auch, welchen Unterschied eine standesgemäße Erziehung machte. Mit dem Blut in den Adern hatte das nach Tazios Auffassung weniger zu tun, als manch einer glaubte. »Ihr könnt unbesorgt sein, Antonio«, sprach er ruhig. »Wir beraten Euch, so lange ihr Prinz von Ehveros seid und wenn Ihr wünscht, übernehmen wir auch für dies und das die Verantwortung, aber wir werden nichts, was Euch oder Euer Land betrifft, über Euren Kopf hinweg entscheiden. Wir gehen es langsam an und überstürzen nichts. Verdaut diese Botschaft erst einmal. Betrachtet Euch als Gast, Ihr dürft bleiben, so lange Ihr wünscht, das gilt natürlich auch für Euren Begleiter. Es wird Euch hier an nichts mangeln. Nach der Abdikation helfen wir Euch, Eure eigene Scholle auch eigenmächtig zu verwalten. Wir stellen Euch fähige Berater zur Seite, bei deren Auswahl Ihr ein Wörtchen mitzureden habt. Ich habe für Euch und Euren Begleiter einen Diener abstellen lassen, der Euch in Euer Gemach führen wird. Wie Ihr die kommende Zeit verbringen möchtet, liegt ganz bei Euch, Iacopo wird Euch gern Empfehlungen machen und Euch über die Annehmlichkeiten informieren, die unser schönes Land zu bieten hat. Wenn ich einen Rat geben darf, besucht einmal die Thermalquellen, Sinterterrassen und Kristallpilze von Riva Verde, unserem beliebtesten Erholungsort.« Er gab Vianello ein Zeichen, dass er Iacopo holen durfte.