Kapitel 27 - Der Tag, an dem es Asche regnete

  • Der Tag, an dem es Asche regnete

    Burg Drakenstein, Ehveros


    Die Laternen zu beiden Seiten der Straßen spendeten Licht in dieser schneefreien Winternacht. Das Kopfsteinpflaster glänzte feucht. Die alte Burg Drakenstein ragte erhaben über die Stadt wie eine steinerne Krone. In den Mauern ihres innersten Ringes drängten sich trotz der späten Stunde die Massen. Kollateralschädenwaren unvermeidlich, doch das war nicht die Sorge Vendelins, der sich durch die eintreffenden Bewohner in die entgegengesetzte Richtung zum Tor hin drängte. Ihn kümmerten diese Menschen nicht. Ihn trieb anderes an. Er hatte einen Auftrag und er würde diesem lächerlichen Hohenfelde, der ihm seit Wochen wie eine lästige Fliege folgte, zeigen, wozu er fähig war.


    An seiner Seite, mit zarten Händchen eingehakt in seinen Arm, trippelte eine sehr junge Magd, mehr Kind als Frau. Dies war sein Tag und sein Werk und er gedachte, ihn zu feiern. Davard würde seine Vorführung bekommen.


    Das Mädchen, mit Vendelin er sich seit einiger Zeit schon regelmäßig traf, hatte ihm gute Dienste dabei erwiesen, einen stillen und ungestörten Platz in den Eingeweiden der Burg zu finden. Mit roten Wangen und großen, glänzenden Augen hatte sie seine Rose entgegengenommen und die anderen kleinen Aufmerksamkeiten. Seine zärtlichen, wohlschmeckenden Küsse und seine wohlformulierten Lügen hatten sie davon überzeugt, dass er, der Edelmann, ausgerechnet an sie, die einfache Magd, sein Herz verloren hatte. Sein Leben lang hatte er auf die Richtige gewartet und nun traf er sie hier. Das musste Ainuwars Wirken sein. Seine Finger strichen über ihre von der Arbeit schwieligen Hände und versprachen ihr, dass er sie in Samt und Seide kleiden würde und sie eigenes Personal bekäme, sobald sie auf seinem Anwesen wohnte. Es war so einfach, wenn sie so jung waren und so ungebildet ... schön war sie obendrein. Für seine Zwecke war sie erste Wahl, sehr jung, sehr hübsch und sehr dumm.


    Den Schlüssel für den Keller hatte sie rasch organisiert und war nicht verwundert, dass er ausgerechnet seit diesem Moment einen besseren Platz für ihre Treffen gefunden hatte. Dass er den gestohlenen Schlüssel nicht zurück gab, schien sie nicht einmal zu bemerken. Auch, dass die Zusammensetzung des Personals sich kontinuierlich änderte, realisierte sie nicht als auffällig. Auch sonst niemand, denn natürlich gab es für jeden verschwundenen Dienstboten eine Begründung und für jeden neu eingestellten Mann den entsprechenden Brief. Alles hatte seine Richtigkeit, wenn man über die Möglichkeiten von Vendelin verfügte und dermaßen langfristig sein Werk gewebt hatte. Nach und nach füllte sich der Keller der Burg mit Fässern neuer Vorräte für den Winter. Die Zusammensetzung hatte natürlich Vendelin gewählt. Er bestimmte, was in diesen Kellern lagerte und wer sie bewachte und verwaltete.


    Nun war der Tag gekommen, da die Vorbereitungen in ihrem Finale münden würden. Vendelin gönnte sich den Luxus, ihm aus der Ferne, aber in Sichtweite, beizuwohnen und das in süßer Gesellschaft.


    Vendelin saß auf einer Parkbank im Innenhof des zweiten Ringes. Die Menschen sah er nun nicht mehr, aber den oberen Teil der Burg und das genügte. Er hatte von hier aus einen guten Ausblick auf den Balkon, von dem Felipe von Ehveros seine einfallslosen Ansprachen zu halten pflegte. Auf Vendelins Schoß saß das Dienstmädchen, das etwa ein Viertel so alt war wie er. Er war von Stand, das genügte, um sie, wann immer er wollte, von ihrem Arbeitsplatz wegzubeordern. Wer würde einem Edelmann von Vendelins Ausstrahlung misstrauen oder gar an seinem Wort zweifeln? Kein Küchenchef, keine Magd und keiner der Dienstboten. Schwieriger war es, die Garde zu überzeugen, doch das war alles eine Frage der Gewohnheit. Irgendwann gehörte er zum festen Inventar der Burg dazu. Vendelin wusste, wie er sich wem gegenüber geben musste und mit jungen Mädchen kannte er sich besonders gut aus. Sein Gesicht war stets eine kleine Spur freundlicher, als angemessen wäre und seine Grußworte an das Personal zeugten ebenso wie seine unauffällige, aber beim genauen Hinsehen sehr gewählte Kleidung von einem anständigen Herrn. Die letzten Zweifel fegte er mit einigen Münzen Trinkgeld hinfort. Vendelin ging in der Burg täglich ein und aus, ohne dass jemand Verdacht schöpfte.


    "Ist es nicht ein schöner Ausblick?", fragte er über die schmale Schulter des Mädchens hinweg. Sie saß mit nacktem Schoß auf seiner Hose, doch das war nicht zu sehen in Anbetracht der Stoffmenge ihres Gewandes, das zu allen Seiten über Vendelins Hüfte fiel. Seine gepflegten Finger streichelten den feuchten Flaum ihrer Scham unter dem Rock. Heute war das erste Mal, dass er sie intim berührte und sie zeigte keinerlei Abwehr. Er hatte es ausreichend langsam angehen lassen und nicht nur ihr Herz, sondern auch ihr Körper sehnte sich nach ihm. Das spürte er deutlich.


    "Wisst Ihr, welchen Tag man heute im schönen Ledwick feiert, mein schönes Fräulein?", fragte Vendelin mit sanfter Stimme, während er sie streichelte.

    Sie kiekste und schüttelte den Kopf. "Nein, Herr, das weiß ich nicht."

    "Es ist der letzte Tag des ledwicker Neujahrsfestes. Dort endet es nicht am 31. des zwölften Mondes, sondern am 6. des ersten Mondes. Die Tage des Wartens, die Giorni di attesa, finden heute ihr Ende. Zu Mitternacht beginnt in Ledwick nicht nur kalendarisch, sondern auch spirituell das neue Jahr. Und da der Duca und der Großherzog in einer merkwürdigen Beziehung stehen, seit Ehveros offen versucht hat, Ledwick zu annektieren, fühlt auch Felipe sich genötigt, heute eine Ansprache zu halten, um dies und das zu bekräftigen."

    "Was Ihr alles wisst, Herr! Ihr seid so schlau", hauchte sie.

    "Das bin ich", bestätigte er schmunzelnd.


    Sein Finger fand den Weg in ihr Inneres. Er ertastete ihr intaktes Jungfernhäutchen, so wie er es liebte. Die Ahnung eines verbotenen Akts. Kein Mann, der etwas auf sich hielt, heiratete eine schon eröffnete Frau. Entjungferungen waren Gründe für Duelle, für horrende Schadensersatzforderungen und für Zwangsheiraten, wenn es nicht gerade das eigene Eigentum als Lehnsherr war, das man entjungferte. Das war hier nicht der Fall. Wenn Vendelin ihr die Jungfräulichkeit nahm, sank ihr Wert auf dem Heiratsmarkt gegen null. Diesen Genuss konnte man pro Mädchen nur ein einziges Mal genießen. Danach war der Zauber vorbei. Er ließ sich also Zeit, zog den nun feuchten Finger wieder heraus und ließ ihn sanft zwischen ihren Schamlippen vor und zurückgleiten. Er wollte, dass sie freiwillig mitspielte, dass sie ihre gute Erziehung vor lauter Lust vergaß. Das hatte er sich verdient. Er küsste ihren Nacken, während Felipe am Balkon erschien und das Volk ihm zujubelte.


    "Heute ist auch der Todestag des Großherzogs", fuhr Vendelin fort.

    "Herr, ich verstehe nicht...?"

    "Aber bald, meine Teure. Bald."


    Auf die Entfernung war es nicht möglich, Felipes Worte zu verstehen. Vendelin öffnete seine Hose, dann nahm er beide Hände nach oben. Er umarmte das Mädchen, das atemlos und ganz aufrecht vor Anspannung auf ihm saß. Plötzlich wurde seine Umarmung zu einem Schraubstock. Ein Ruck ging durch ihren Körper, reißende Haut, dann von oben auf ihn herabsinkende Wärme und Feuchtigkeit, die ihn so zart wie ein küssender Mund umschloss. Als das Mädchen sich gefangen hatte, lockerte er die Umarmung wieder.


    "Der Duca war kein angenehmer Zeitgenosse in den letzten Tagen, doch den meisten blieb die Bedeutung verschlossen. Während der Raunächte stehen die Tore zum Nexus offen und er ist ihm in seiner tierischen Natur nach der Ankunft aus den Fluten hilflos ausgesetzt. Heute aber streift der weiße Seelöwe seinen Pelz ab. Erst Tier, doch nach dem Ablegen seiner Hülle wandelt er als Mensch. Mensch und Tier sind gar nicht so unterschiedlich."

    "Stimmt ... das alles?", keuchte sie. Ihre Oberschenkel zitterten.

    Vendelin lächelte, während er den heißen Druck in seinem Schoß genoss. "Aber ja. Man muss diese Geschichten nur zu deuten wissen. Und die Tage des Wartens enden stets mit einem lauten Knall, an dem die offenen Pforten ..." Er musste kurz durchatmen vor Erregung. "... an dem die offenen Pforten sich schließen und eine neue Ära beginnt!"


    Und dann geschah das Unfassbare.


    Die Erde bebte, die Menschen stürzten, die ganze Burg machte einen Sprung. Es folgte ein zweiter, noch lauterer Knall. Burg Drakenstein geriet völlig aus den Fugen, kein Stein blieb auf dem anderen. Die Schießpulverfässer in den Kellern erwiesen ihre Dienste. Sein Hut flog vom Kopf. Die Druckwelle schleuderte das Mädchen rücklings gegen Vendelin, ihr Kleid riss in der Mitte entzwei und flatterte wie die Flügel eines Schmetterlings. Sie schrie, es war nicht zu hören in dem brüllenden Tosen der Explosion, doch Vendelin spürte es an ihrem vibrierenden Leib. Es schüttelte sie auf seinem Schoß und er gab sich hemmungslos seiner Lust hin, während es um hin herum Steine, Holzbalken und Menschen regnete.


    Die Eruption sowohl von Vendelin als auch von der Burg war vorbei. Beides war ausgesprochen heftig ausgefallen. Vendelin war schwindelig und er benötigte einen Moment, um sich zusammeln. In einem Ohr hörte er ein Piepen und auf dem anderen gar nichts mehr. Er stand auf und ließ das zitternde und verletzte Mädchen, das ihm als lebender Schutzschild ebenso wie als Objekt seiner Lust gedient hatte, von sich herunter zu Boden sinken. Das Schlimmste hatte die Mauer des ersten Ringes abgefangen. Er brachte seine Kleidung in Ordnung und ging in Richtung Tor. Von dort aus betrachtete die Verwüstung so zufrieden wie ein siegreicher General das Schlachtfeld. Der Boden war voller Steine und Körper, die meisten tot, einige regten sich, hier und da schrie es unkontrolliert.


    Von Felipe von Ehveros, unter dessen Balkon der Großteil der Fässer gelagert gewesen war, war nichts weiter übrig als verbrannte Fleischfetzen, die nun als schwarzer Ascheregen niedersanken.


    Vendelin hob seinen Hut auf und setzte ihn wieder auf seinen Kopf. Er drehte sich in die Richtung, in der er Davard von Hohenfelde vermutete, tippte sich zum Gruß an die Hutkrempe und ging in die entgegengesetzte Richtung davon. Seine elegante Gestalt verschwand im grauen Rauch und niedersinkenden Ascheflocken.

  • Eine Erschütterung wie ein Erdbeben und eine Explosion die an einen Vulkanausbruch erinnerte und Felipe von Ehveros war Geschichte. Oder besser gesagt, er ging pulverisiert in die Analen der Geschichte ein...


    Menschen rannten in Panik von dem Ort des Geschehens davon, jedenfalls jene, die dazu noch in der Lage waren. Die Burg Drakestein stand nicht mehr. Eine rauchende Ruine die wie ein abgebrochener, verfaulter Reißzahn als Mahnmal in den Himmel ragte. Trümmer und Tote soweit das Auge blickte. Sterbende schrien ihren Schmerz in die Welt, Verletzte flehten um Hilfe.


    Der gesamte Regierungssitz war binnen Minuten in Aufruhr. Eine derartige Katastrophe hatte es bis dato in der Geschichte Ehveros nie gegeben. Der Mann der anderen gerne den Krieg erklärte, der verachten auf fremde Menschenleben herabgeblickt und wie Spielzeuge verbrannt und verschleudert hatte, hatte heute von seiner eigenen Medizin zu kosten bekommen...


    Die Dosis machte das Gift... und Felipe hatte sich einen zu großen Schluck zugemutet...


    Soldaten, Büttel und Schaulustige rannten an den Ort des Geschehens. Dave musterte sie von seiner Position aus. Die Vernichtung von Felipe war vollständig gewesen. Aber mit ihm starben unermessliche viele unschuldige Personen. Nicht dass Dave sonderlich mitfühlend war. Diese Schwäche hatte er sich größtenteils abgewöhnt oder hob sie sich für Personen auf, die sie in seinen Augen verdienten.


    Und war man ehrlich, hatte Felipe auch diese treuen Untertanen mit in den Tod gerissen. Seine Beseitigung war beschlossene Sache, nachdem er selbst beschlossen hatte, auf almanisches Leben keine Rücksicht zu nehmen für Zwerge. Nun was hatte der Alte da erwartet? Das man ihm dafür noch dankte oder mit Samthandschuhen anfasste?


    Andere kannten sehr wohl Loyalität zu Volk und Vaterland, alles das was Felipe abging. Nun ging dem Burschen noch wesentlich mehr ab, Asamura war von einer Pestilenz gereinigt worden. Mit einem großen Knall und sehr endgültig. Ob dies Vendelins persönliche Note der Meuchelei war, oder ein geheimer Wunsch des Duca di Ledvico, konnte Dave nicht sagen.


    Allerdings tippte er auf den Duca.

    Seit dieser aus dem Krieg zurückgekehrt war, hatte er jeden seiner Feinde mit einem großen Knall in den Abgrund gebombt. Er war ein geradliniger Mann, der seine offenen Rechnung stets pünktlich und eiskalt bezahlte. Dave mochte den Burschen. Es gab Dinge, die durfte man nicht auf sich beruhen lassen.


    `Jules hier ist Dave, ich muss seiner Majestät Bericht erstatten, lass mich durch´, bat das Oberhaupt der Fantome.

    `Gewährt´, kam die Bestätigung des Oberhauptes der Himmelsaugen.


    `Eure Majestät, Felipe ist soeben umgezogen´, übermittelte Dave gut gelaunt.

    `Wir Danken Euch für die Information, Ihr dürft Euch verabschieden´, antwortete Maximilien freundlich.


    Dave fiel ein, was er zusätzlich gesehen hatte. Entweder war Vendelin sehr dreist, lebensmüde oder dumm. Von Letzterem ging Dave nicht aus, sonst wäre dieser Bühnenreife Abgang von Felipe nicht möglich gewesen. Demzufolge konnte ihm das Schauspiel mit der kindlichen Magd zweierlei sagen - entweder wollte Vendelin ihn ärgern und provozieren, oder er war einer von den Bestien.


    Dave schob den Gedanken beiseite, dafür hatte er später noch Zeit.


    Der Magier lief durch die Gassen, da er sich ungefährt vorstellen konnte, wo sein Kollege lang laufen würde. Monleone zur Berichterstattung oder zurück nach Hause. Also den Ort wo er sich so gemütlich eingenistet hatte. Dave lief so, als würde er etwas suchen, mit gehetztem Blick und eine Mischung aus angemessenem Schritt, aber dennoch völlig aufgewühlt.


    Jetzt geradezu durch Drakestein zu schlendern, ohne eine Miene der Entrüstung oder Ungläubigkeit zur Schau zu tragen, bedeutete man hatte sich selbst ein Schild um den Hals gehängt, kurzum man machte sich sehr verdächtig. Dave ließ sich von einer Gruppe mitreißen und bog dann in eine Seitengasse ab. Die Schritte verklangen. Da er sich nicht sicher war wohin Vendelin wirklich lief, kontrollierte Dave den Lauf von Vanjas Bruder von einem Dach aus.


    Auf die Klettereinlage hatte er keine Lust, aber da Vendelin kein Purie, sondern ein Stumpfer war musste er den Kerl im Auge behalten, anstatt im Gespür.


    Vendelin betrat eine dunkle Gasse und lief auf das Licht und die Leute zu, die hektisch die Hauptstraße passierten. Fast hatte er das Ende der Gasse erreicht, als ihn jemand am Ärmel packte und in einen schmalen Seitengang zog. Er wurde gegen die Häuserwand gedrückt, ehe Dave ihn freigab und Vendelin in die Augen schaute. Nichts.


    "Auftrag ausgeführt. Wie... darüber ließe sich streiten. Anmerkungen?", fragte Dave und betrachtete Vendelin aus dem Schatten seiner Kapuze lauernd.

  • Verärgert registrierte Vendelin, dass der Hohenfelde sich angeschlichen hatte, obwohl er gewusst hatte, dass dieser hinter ihm her war. Es war nur ein kurzer Gewaltakt, zu schnell und nicht heftig genug, um eine sofortige Abwehrreaktion auszulösen, da war er wieder frei. Vendelin klopfte die Mörtelkrümel von seinem kurzen braunen Mantel und rückte seinen Hut wieder zurecht, nachdem Davard ihn freigegeben hatte. Er schätzte es nicht, wenn ihn jemand unerwartet von hinten berührte, schon gar nicht grob, doch heute war nicht der Tag für Zorn. So schenkte er dem Hohenfelde ein Lächeln, in dem keinerlei Wärme lag, aber auch keine Drohung.


    "Du berührst mich gern von hinten? Aber, aber! Dafür sollten wir uns ein wenig besser kennen, meinst du nicht? Oder lässt du es prinzipiell so zügig angehen? Nun, Vanja wird sicher nichts dagegen haben. Er wirkte ausgeglichen, bis Veyd uns besuchen kam. Mein lieber kleiner Bruder, ich hoffe sehr, dass du dich gut um ihn kümmerst, er liegt mir sehr am Herzen. Ich hoffe, die heutige Vorstellung war zu deiner Zufriedenheit. Felipe wird Almanien weder lebend noch als Ghul behelligen können, genau so wenig wie irgendwer seines Hofstaates übrig blieb, der an Vergeltung denken könnte."

  • Dave schmunzelte genauso gekünzelt zurück wie Vendelin.


    "Vielleicht kenne ich einfach nur Deine Vorlieben Vendelin? Wo Du schon keine Seele hast, hast Du ein Herz? Ich wusste nicht dass Du so etwas hast, Du bist ja ein wahres anatomisches Wunder! Vergleiche Dich doch bitte nicht mit Vanja, Du würdest doch auch nicht Fallobst mit einem knackigen, süßen Apfel vergleichen oder? Und da Vanja süß und knackig ist, bleibt nur noch eine Sparte für Dich. Aber genug der freundlichen, familiären Plaudereien Schwager in Spee...


    Oh ehe ich es vergesse... was schenkst Du uns eigentlich zu unserer Hochzeit?

    Ich befürchte Vanja wird Dich einladen...


    Deine Vorführung war gewagt... Du lebst gerne gefährlich nicht wahr?

    Der Umzug war gut organisiert, die Konditionen waren fair ausgehandelt und die Abreise ist schnell und zügig von statten gegangen. Du bekommst von mir ein halbes Häkchen", grinste Dave.

  • Vendelin lachte trocken. "Die Gefahr gehört zum Leben eines Mitgliedes der Sippe dazu. Ein halbes Häkchen? Für das?" Er wies in Richtung Drakenstein. "Die Hohenfeldes waren noch nie für guten Humor bekannt. Wo wir beim Thema Hochzeit sind, wer heiratet von euch eigentlich wen? Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, Vanja wird es sein, der deinen Namen annimmt, der kleine Trotzkopf. Dass du ihn als süßen, knackigen Apfel wahrnimmst, erfreut mich.


    Du möchtest also ein Geschenk von mir erhalten. Das sind dann wohl deine eibenbergschen Anteile, mich so direkt danach zu fragen. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht. Schwebt euch eines vor?"

  • "Diskret? Also ich verstehe was anderes unter diskret. Aber gut, ist vielleicht Auslegungssache Vendelin. Ich meinte es sollte wie ein Unfall aussehen. Oder war dem nicht so? Falls nicht, gestehe ich Dir ein Dreiviertel-Häkchen zu.


    Wer wen heiratet? Darüber haben wir uns ehrlich gesagt, noch gar keine Gedanken gemacht. Aber dass ich keinen großen Wert auf meinen Namen lege, ist bekannt. Sonst hieße meine Scholle nicht, wie sie heißt. Ich spreche meinem Namen nicht seine Vorteile ab, aber er auch hat ausreichend negative Eigenschaften. Von daher überlasse ich die Wahl Vanja.


    Gleich welches Geschenk? Deine Selbstentleibung steht sicher nicht auf der Wunschliste die legitim wäre oder?

    Lass mich nachdenken... heiratet Vanja mich und nimmt meinen Namen an, werten wir ihn damit als "Frau" in der Beziehung und Du als großer Bruder würdest eine passende Mitgift springen lassen nicht wahr?


    Wie sähe diese denn für den kleinen Vanja aus? Bedenke dabei, wie Du ihn vor seinem Verlobten bloßgestellt hast, nur um Dich in infantiler Manier an Deinem Geliebten zu rächen. Sogar Vittorio hat sich derart für Dich fremdgeschämt, dass sein nächster Besuch vermutlich erst in 30 Jahren stattfindet. So teilte er es uns mit.


    Übrigens ein überaus attraktiver Mann, er hat sicher sein Eisen in zig Feuern...


    Weißt Du Vendelin, ich habe Dich als Privatperson völlig falsch eingeschätzt, dass muss ich Dir gestehen. Ich dachte Du wärst bider, ein bisschen zugeknöpft, vielleicht auch ein wenig altbacken in Deiner Einstellung... Aber das Du eine offene Beziehung führst, wo jeder kommen und gehen kann wie er möchte... das hätte ich Dir nicht zugetraut.


    Im Grunde ist Sex mit anderen neben dem Ehegatten ja nichts weiter als eine kleine Indiskretion, nicht wahr?


    Da bin ich der zugeknöpfterte Bidermann von uns beiden, wer hätte das gedacht? Ich komme auf solche neumodischen Beziehungsmodelle nicht klar. Ich bin da wohl ehr der treue Trottel, aber der bin ich gerne. Auch meine Scheidungen laufen absolut altbacken und traditionell ab.


    Liegt vielleicht auch daran, dass ich Leute nicht wertschätze, die ihre Finger in alle Keksdosen stecken...

    Das Du das so nonchalant wegsteckst und selbst so lebst, hätte ich ehrlich gesagt nicht vermutet. Du hast mich überrascht, wie schon seit Jahren niemand mehr Vendelin.


    Falls Deine Frage nachdem was mir vorschwebt ehrlich gemeint sein sollte, etwas für Vanja. Ein gutes Pferd, eine gute Grundausstattung, irgendetwas dass ihn an seinen Bruder erinnert. Er mag Dich mehr als Dir zusteht.... Schwager", erklärte Dave freundlich.

  • Vendelins Gesicht gefror. Langsam schob er die Hände in die Manteltaschen. Er blickte Davard lange an und sein Blick war so kalt wie der Winter.


    "Wir alle haben unsere Geheimnisse. Dass du meinem Bruder treu ergeben bist, wundert mich nicht. Aber ich möchte nicht unfair werden, niemand kann etwas für sein Aussehen. Zudem hast du dich bereits in jungen Jahren auf jede nur erdenkliche Weise ausgetobt, sagt man. 169. Die Zahl kennen alle. Was für ein kleiner Nimmersatt. Da muss der gute Vittorio natürlich passen."


    Wenn es möglich war, wurde seine Miene noch eisiger.


    "Wir müssen uns nicht mögen und werden es nie. Aber Tritte unter die Gürtellinie werde ich nicht dulden. Und wenn du meinen Bruder als Frau bezeichnest, wobei du nicht ganz falsch liegst, solltest du auch bedenken, wer über ihn verfügt, so lange ihr noch nicht verheiratet seid und wer diese Entscheidung überhaupt billigen muss."

  • Daves Gesicht gefror nicht, sondern es wurde zu einer steinernen Maske. Vendelin hatte ihm die Bestätigung für etwas geliefert, von dem er nur eine Vermutung gehabt hatte.


    Nimmersatt...

    169... die Zahl kennen alle...

    Wer den Namen und diese abgrundartige Zahl kannte war klar...


    "Uns deucht Ihr habt vergessen, wer dieses Spiel begann. Oder hatten wir ein Kind auf dem Schoss sitzen? Ihr habt den Fehdehandschuh geworfen von Wigberg, wir heben ihn auf. Wir raten Euch, nicht zu unserer Hochzeit zu erscheinen, ansonsten halten wir zwei Feiern ab. Hochzeitstorte und Leichenschmaus.


    Ihr verfügt über Vanja? Ihr beliebt zu scherzen, Ihr verfügt nicht einmal über Euer eigenes Leben. Wäre es in unserem Sinne, würdet Ihr hier und jetzt sterben. Ihr wärt schon tot und Ihr hättet nicht einmal gewusst, was Euch getroffen hat.


    Wir raten Euch, haltet Abstand zu Vanja von Hohenfelde, sonst lernt Ihr die Bedeutung eines entfernten Verwandten von uns ganz persönlich kennen. Und glaubt mir, "Nimmersatt" weiß wie man einer Person no Grata eine Salami von 12 cm Durchmesser in den Arsch rammt. Erkundigt Euch doch bei Euren lieben Spielgenossen, einer davon hat heute noch den Arsch ganz weit offen. Auch er hatte geglaubt er wäre unantastbar, irren ist menschlich. Es kommt sogar bei Arashibastarden vor.


    Wir verabschieden uns von Euch Vendelin Zahnlos, so sagt man doch in Euren Kreisen zu jenen die es zu nichts gebracht haben oder?", erklärte Dave, drehte sich um und verschwand schlendernd in der Dunkelheit der Gasse.


    Er ging langsam, in der Hoffnung Vendelin würde ihm folgen...

    Dann hatte er seinen Grund....