Danilos erwachte mit starken Kopfschmerzen, er hatte die ganze Nacht kaum ein Auge zu gedrückt und jetzt, wo er endlich in einen unruhigen Schlaf gesunken war, wurde er auch schon wieder herausgerissen. Wer wagte es, ihn in seiner Ruhe zu stören?
„Herr Dekan“, piepste es vor seiner Zimmertüre und er erkannte in der Stimme seinen Sekretär. An den Namen erinnerte er sich nicht, dafür war sein Verschleiss an Personal einfach zu ausgeprägt.
„Geehrter Herr Androklis. Ihr habt mich gebeten, Euch an diesem besonderen Tag früh genug zu wecken.“
Klang er dabei gar leicht verzweifelt? Argh, diese Kopfschmerzen…
Der Farisin lag ohne Bekleidung auf einem glatten, leicht abgerundeten Stein. Sein Echsenkörper schmiegte sich an die warme Oberfläche, die er selbst mit seiner Magie erhitzt hatte. Der breite, stachelige Schweif hing nachlässig bis zum Boden hinunter, während sein länglicher Kopf bequem auf dem Felsen ruhte. Man hätte ihn gut mit einer gewöhnlichen Eidechse verwechseln können, wären da nicht seine beachtliche Grösse und die farisintypischen Segel gewesen, die locker an der Seite zusammengefaltet waren.
Müde blinzelte er zwischen den Augenlidern hervor und versuchte sich zu erinnern, was heute Wichtiges bevorstand.
„Meister Androklis?“, hörte er da bereits wieder das Nerv tötende Gequake vor seiner Tür, das ihm gleich ein noch heftigeres Pochen in seinem Schädel bescherte.
„Wass issst denn loss?“, zischte Danilos schliesslich und dabei klang er alles andere als freundlich. Er hob nun sein Haupt und entliess ein Gähnen in den Raum, das seine Raubtierzähne und die spitze, gespaltene Zunge entblösste.
„Es ist Prüfungstag Herr Dekan!“
Eine halbe Stunde später marschierte der Dekan der intermagischen Akademie bereits eilig durch die Gänge, wobei seine Augen ungewohnt hektisch umherirrten.
Er war in eine edle bordeauxrote Robe gewandet und hatte zur Feier des Tages sogar noch einige goldene Ringe an die ausgeprägten Hornstacheln seines Hinterkopfes gelegt.
Trotzdem wirkte er nicht gar so majestätisch wie gewohnt. Sein Blick war fiel zu unruhig und als er um eine Ecke bog, streckte er plötzlich abwehrend den Arm aus und zuckte zusammen.
Im nächsten Moment versteifte er sich und ein verärgertes Zischen entfuhr dem Farisin.
Verfluchte Schaben…
Obwohl es erst zwei Tage her war, dass die Viecher ihm auf unbekannte Weise entkommen waren, verspürte Danilos bereits die Entzugserscheinungen seiner Droge.
Obwohl sein Gedächtnis eindeutig schon schlechtere Tage erlebt hatte, plagten ihn stattdessen Kopfschmerzen und erste kleine Halluzinationen machten sich bemerkbar.
Und ausgerechnet nun mussten die Prüfungen der höheren Ränge stattfinden.
Die Mondpriesterin und Professorin Myope sass ihrem Studenten Davard von Hohenfelde gegenüber, der Stuhl neben dem ihren war noch leer.
Es sah dem Dekan nicht ähnlich sich zu verspäten.
„Nun, wir können schon einmal mit dem formellen Prozedere beginnen, Herr von Hohenfelde. Sie sind hier, um den Grad des Meistermagiers in der Geistmagie zu erlangen. Ist das korrekt?“, wandte sie sich gelassen an den Prüfling.
„Bestätigen Sie hiermit, dass Sie den Auflagen gefolgt sind und in der letzten Woche Ihre astrale Energie geschont haben, um die Prüfung angemessen und ohne unnötige Risiken einzugehen durchführen zu können?“
Nachdem sie einige weitere Formalitäten mit ihm geklärt hatte, war Professor Androklis noch immer nicht erschienen.
Einen Moment runzelte die Mondpriesterin die Stirn und blickte zum Himmelszelt hoch, wo eine magische Sonne die Uhrzeit erkennen liess.
Ein Kommentar lag ihr auf den Lippen, doch sie verkniff ihn sich in priesterlicher Manier.
„Also Herr von Hohenfelde. Beginnen wir mit einigen theoretischen Fragen. Definieren Sie die Rolle der Irrlichter in der Geschichte der Geistmagie, und erläutern Sie die Frage, welche Rückschlüsse ihre Bestrafung zulässt im Hinblick auf das Wohlwollen der Götter gegenüber der Geistmagie. Welche Konsequenzen leiten Sie daraus auf Ihre eigene Handhabung der Magieformen ab?“
Danilos strich seine Robbe glatt und fixierte mit seinen Augen die Tür. Er musste einen seriösen Anschein machen.
Er klopfte kurz dagegen, bevor er sie aufstiess und den Raum betrat.
Die beiden Personen verstummten und ihre Blicke richteten sich auf den Farisin.
Man konnte nicht behaupten, dass er keinen imposanten Eindruck hinterliess mit seiner eleganten Robbe, dem raubtierhaften Schädel mit den gekeilten Schuppen und seiner ansehnlichen Statur.
Er nickte Eleonore Myope knapp zu und ging dann angemessenen Schrittes, beinahe gemächlich, zu seinem Stuhl hinüber, der wie die anderen aus kunstvoll geschwungenem Eisen geformt war.
„Fahren Ssie fort in Ihrem Tun!“, befahl er den Anwesenden und sein Blick fixierte erwartungsvoll den Herren von Hohenfelde.
„Seien Sie gegrüsst, Herr Androklis. Wie Sie wünschen, Dekan“, antwortete die Mondpriesterin höflich, bevor Sie sich mit der nächsten Prüfungsfrage an Davard wandte.
„Bevor wir zum praktischen Aspekt gelangen, möchte ich von Ihnen, dass Sie mir die Potenziale und Risiken beim Entziehen astraler Energie beschreiben und wie sich ein Magier darauf vorbereiten kann. Erläutern Sie auch Möglichkeiten, einen solchen Eingriff abzuwehren.“
Während der Almane seinen Antworten nachkam, fixierte Danilos ihn wie ein Raubtier seine Beute. Gleichzeitig zuckte sein eigener Schweif jedoch immer wieder ungesehen von dem Prüfling, was auf seine innere Unruhe hindeuten liess. Die Kopfschmerzen plagten ihn ungehindert und er hatte phasenweise Mühe, sich auf die Worte des Studenten zu konzentrieren.