Kapitel 07 -Raubtierfütterung

  • Raubtierfütterung

    Tekuro führte seine Gäste wieder hinunter. Auf diesem Schiff konnte man sich verirren, doch er kannte den Weg in uns auswendig. "Hier unten halten wir unsere Sklaven", sagte er mit einem sehr genüsslichen Gesichtsausdruck. Er war unverkennbar hibbelig in seinen Bewegungen. Dies war sein Lieblinsbereich des Schiffs, von der Spielwiese und dem Bugraum abgesehen. Natürlich gab es auf der Tordalk aufgrund ihrer schieren Dimensionen etliche Bugräume, doch ihre private Nestkajüte trug nach wie vor diesen Namen.


    "Welchen Geschmack habt ihr zwei denn? Unsere Proviantkammer bietet fast alles, außer Kinder. Das hat Prince Ciel verboten. Diese Sklaven sind kriminelles Lumpenpack aus Souvagne und Ledwick, was der Todesstrafe harrt. Leider nur zum Teil abgerichtet, was man in der kurzen Zeit hier so zustande bekommt, ist ein Zeitvertreib von manchen hier. In der Kajüte hier sind welche, die nicht gegessen werden dürfen, der Rest steht zur freien Verfügung. Aber nix verschwenden, alles vewerten."

    "Not all those who wander are lost."
    J.R.R. Tolkien

  • Hector folgte Tekuro und prägte sich die Wege so gut wie möglich ein. Im Notfall musste er seine Leute auf dem kürzesten Weg aus dem Schiff führen können. Natürlich in der Hoffnung, dann wäre es Nacht. Einer der wichtigsten Vorteile in einem Nest war es, dass man jeden Winkel und jede Ecke kannte. Man löschte sämtliche Beleuchtung und kämpfte in der Finsternis gegen den Feind. Wer blind durch die Gänge stolperte, fand keine Beißer sondern den Tod. Aber wie man das auf einem Schiff handhabte, wusste Hector nicht. Vermutlich ganz ähnlich.


    Die Sicherheit des ganzen Schiffes war zudem nicht sein Problem, er hatte sich nur um Kakko und Kirimar samt der Pferde zu sorgen. Der Rest konnte sehen wo er blieb. Sie waren ein eingeschworenes Team, also sicher auch dort. Er machte sich gedanklich Randnotizen, was er sich alles anschauen musste, schob sie dann aber beiseite, als sich sein Hunger zurück ins Gedächtnis rief.


    Sie hatten den Sklavenpferch erreicht und Tekuro erklärte ihnen als guter Gastgeber, was er auf der Speisekarte führte. Alles außer Kinder. Ciel hatte es verboten. Da war er wieder, der Name von des Princen der den Ältesten in den Arsch getreten hatte.


    "Als Gabad müssen sie nicht abgerichtet sein, das wäre Zeitverschwendung. Kakko und ich teilen uns ein Opfer. Lass uns das Essen einmal sehen. Wem gehören hier eigentlich die Matrosen? Sind das ebenfalls Sklaven oder was sind das für Leute?", hakte Hector nach.


    "Wo ist überhaupt Dein Patti und wo ist Kirimar abgeblieben? Hat Archibald hier ein Quartier an Bord oder ist er nur kurzzeitig anwesend? Wie verwandelt man sich in eine Fledermaus und kann das jeder Vampir? Hast Du eine Zahnfeile dabei? Fragen über Fragen", grinste Hector und deutete hungrig auf den Pferch.


    "Kakko und ich werden gemeinsam ein Quartier beziehen, Kiri kann sich was anderes suchen. Ich bin nicht mit ihm gemeinsam losgezogen um mich mit ihm zu streiten, oder Eure Balzversuche zu bezeugen", warf das Grauen ein und legte Kakko einen Arm um die Schulter.

  • Tekuro legte den Kopf schräg und schaute für seine Verhältnisse sanft. "Dein Kiri ist sehr verlockend. Eine süße Frucht. Hab ich ja gesagt, von Anfang an. Als wir uns stritten, war dir das nicht recht. Ich sollte ihn gefälligst respektieren. Nun tu ich das und mag ihn. Auch falsch? Entscheide dich, Hec.


    Mein zuckersüßer Patti ist momentan mit Boldi und Vano in der Kombüse. Wieso?


    Die Matrosen sind keine Sklaven! Keinesfalls dürfen sie angegangen werden, sie gehören ihren Lehnsherren und von den Anwesenden ist das der Höchste, also Prince Ciel. Niemand, der hier frei rumläuft, ist ein Sklave, theoretisch nicht mal Patti, nur will der unbedingt einer sein. Aber der ist meine. Wer ihm was tut, dem wird es schlecht ergehen, dass zur Klarstellung. Er ist der einzige Freigänger, so weit ich weiß, sofern Papa seinen Schielenden Johann weiterhin wegsperrt. Wenn einer hier klein und blond ist und schielt, darf dem auch kein Haar gekrümmt werden, weil das dann der Johann ist."


    Tekuro tippte nacheinander auf die Türen. "Soll ich aufschließen? Sind nach Alter und Geschlecht sortiert."

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    J.R.R. Tolkien

  • "Aufschließen wäre echt praktisch, so isst es sich schlecht. Am besten jung und weiblich", grinste Hector.


    "Danke dass Du mich so dezent auf mein Problem hinweist. Ihr könnt treiben was Ihr wollt, aber muss ja dann nicht vor meiner Nase sein oder? Gut ich gebe es zu, vielleicht bin ich ein klein wenig eifersüchtig gewesen. Immerhin sind wir nicht grundlos zusammen losgezogen. Vielleicht bleibt er ja hier bei Dir, wer weiß. Ihr habt Euch ja scheinbar gefunden. Vergiss was ich sagte.


    Nach Patti hatte ich gefragt, da ich ihn noch nicht gesehen habe. Ich werde weder ihn noch Johann fressen. Wir respektieren das Eigentum anderer. Was die Matrosen anbelangt, Danke für die Info. Das gilt für sie ebenso. Gerade weil sie Ciel gehören, wo ist der Bursche? Du wolltest uns vorstellen. Aber zuerst, was zu essen bitte. So langsam wird der Hunger unerträglich", antwortete Hector und sein Magengrummeln ließ daran keinen Zweifel.


    "Wo habt Ihr die Pferde untergebracht? Ich muss nachher kurz zu meinem Pferd", sagte freundlich.

    "Mal eine Frage, wieso steht Dein Vater auf einen schielenden Typen?", fragte er neugierig.

  • "Ähm", sagte Tekuro ausgesprochen ungeschickt, "er steht nicht auf ihn. Er hat ihn einfach. Als Kuriosität. Was willst du bei deinem Pferd? Ich mag Gäule nicht, die sind zu groß, aber sie sind da auf der anderen seite irgendwo. Glaube ich. Einfach dem Geruch nach, ich bin da nicht gern."


    Tekuro schloss eine der Türen auf. "Jung und weiblich, fünf Mörderinnen zur Auswahl. Nicht sehr schön, glaube ich, hab sie mir nicht angeschaut. Dass Kiri bei mir bleibt, denke ich nicht. Er mag mich, aber er liebt dich. In Ordnung?" Tekuro blinzelte ein wenig.

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    J.R.R. Tolkien

  • Hector betrat den Verschlag und blieb bei dem letzten Kommentar von Tekuro in der Tür stehen. Das Grauen musterte Tekuro offen erstaunt über die Schulter.

    "Hat er das gesagt?", fragte er mit nicht zu deutender Stimme, aber Teku sah dass sich ein Lächeln in seine Mundwinkel gestohlen hatte.


    "Mein Pferd ist einer meiner besten Freunde, er bedeutet mir sehr viel. Er ist klug, taff und ein ausgezeichneter Kämpfer. Archibald fürchtet Pferde ebenso. Sie spüren Eure Angst, vielleicht solltest Du mal ein passendes Pferd kennenlernen. Falls Du möchtest, ich biete es Dir an. Er wird Dir nichts tun.


    Ich ging davon aus, dass Dein Vater etwas für Johann empfindet, wenn er sich frei bewegen darf und unter seinem persönlichen Schutz steht. Warum sonst sollte man sich so einen Sklaven halten? Gut, wenn er Abnorme sammelt, manche tun das. Jedem das seine. Dass entzieht sich wieder meinem Verständnis. Ich würde sie weder halten, vögeln noch fressen wollen. Oder hättest Du ein Steak verspeist, dass faulig oder mit Eiterpusteln überzogen ist? Ist für mich so ähnlich.


    Kakko welche trifft Deinen Geschmack Kurzer? Such Dir eine aus", bat Hector und knuffte seinen Ziehsohn.

  • "Hat Kiri nicht gesagt. Aber ich seh so was. Ich weiß das. Du liebst ihn genau so. Ihr könnt jeden belügen, vor allem euch selbst. Aber mich nicht. Mein Papa, nein, natürlich mag der keine Abnormen, das ist so was wie ein Witz, den Johann rumlaufen zu lassen, ja? Kazrar mag nur junge und schöne Männer, so wie ich. Pferde wollte mir schon Boldi nahebringen. Ist ihm nicht gelungen. Ich kann reiten, aber sie sind einfach zu riesig und gehören auf den Teller."

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    J.R.R. Tolkien

  • Hector schenkte Teku ein Lächeln.


    "Du siehst viel Teku Sohn von Kazrar Chud. Du hast einen anderen Blick auf die Welt, nicht nur was Kiri und mich betrifft. Was man sich selbst vormacht, macht einen keiner nach. Möglicherweise halten wir aus Vorsicht einen Sicherheitsabstand ein. Oder eher gesagt ich.


    Boldi hat es gut mit Dir gemeint, Du weißt nicht was Dir entgeht. Mit Pferden ist es wie mit Sklaven oder Gabad. Die namenlose Masse ist Dir gleich, sie sind Futter oder einfach nur existent. Aber einer von ihnen liegt Dir doch am Herzen, weil Du ihn magst oder sogar liebst. Du nennst ihn Freund, auch wenn er keiner Deiner Art ist. Und so finden sich zwei, die trotz aller Unterschiede zusammengehören. So ist es mit Menschen und Pferden Teku. Seine Spezies spielt keine Rolle mehr, es ist die Freundschaft die zählt. Hast Du nie für ein anderes Wesen so empfunden?", fragte Hector mit einer Milde in der Stimme, die man selten bei ihm hörte.


    "Du hast den Kurzen gehört, alle nicht sein Ding. Mach den nächsten Verschlag auf, mal schauen ob dort etwas das Interesse von Kakko weckt", grinste Hector Teku an.

  • Tekuro schloss den nächsten Verschlag auf mit dem gleichen Ergebnis. Nach und nach öffnete er alle Türen, auch die der Männer, aber niemand war dem kleinen Arashi genehm. So was Mäkliges war ihm noch nicht untergekommen. "Dann musst du eben verhungern", blaffte Tekuro wütend. Beim Essen herumzumäkeln, das mochte er, der so lange Jahre hatte Hungern müssen, überhaupt nicht.


    "Ich kann gegenüber Tieren keine Freundschaft empfinden, Hector. Nur Essbarkeit oder Ekel. Die einzigen Tiere, die ich mehr oder weniger mag, sind Skorpione, weil sie sind wie ich."

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    J.R.R. Tolkien

  • Hector schaute verdutzt und zuckte dann mit den Schultern.


    "Ganz ruhig Teku, er isst schon. Nun wenn Du keine Wahl treffen möchtest Kakko, treffe ich sie. Dann wird gegessen was auf den Tisch kommt", erklärte Hector seinem Küken, so friedlich und neutral als hätte er ihm angedroht ein Käsebrot essen zu müssen.


    "Doch das kannst Du, Du bist nur noch nie einem Tier begegnet, bei dem Du passend empfindest. Nicht nur die Welt der Tiere teilst Du in Essbarkeit und Ekel, sondern auch die der Menschen. Du bist ein Beißer, Du bist ein Scharfzahn. Hast Du jemals einen Kameraden an Deiner Seite, der Dir treu zur Seite steht, gleich was geschieht wirst Du ihn ebenso sehen. Ob Mensch, Hund oder Pferd, Freund ist Freund. Und nur das zählt Tekuro.


    Weshalb sollte ich einen anderen Menschen Achtung entgegenbringen, nur weil er in einer menschlichen Hülle steckt? Für mich ist er nicht mal das - ein Mensch. Hat er Zähne? Nein? Ist er ein Beißer? Nein? Also ist er Gabad - Fressfleisch, Beute. Nichts weiter. Da ist ein Rind schon schwerer Mann gegen Vieh zu erlegen, als ein Gabad, das sage ich Dir. Ich habe es als Knirps mal versucht.


    Warum schminkt sich Silvano mit dem ellenlangen Namen wie eine Puppe aus dem Abgrund? Boldi scheint Dir extrem viel zu bedeuten. Das habe ich gesehen, ebenso Dein Vater und Dein Mann. Ach ist das üblich, dass Ihr auf der Spielwiese nackt seid?", fragte Hec und packte eine der Frauen brutal im Genick.


    Er zerrte sie aus dem Verschlag, schnupperte kurz an ihr und rammte ihr dann die messerscharfen Zähne in den Hals um mit einer Gier zu trinken, die dem Hunger auf Fleisch in nichts nachstand.

  • "Ich mag diese Frauen nur tot", motzte Kakko. "Ich mag es nicht, wenn das Essen sich noch bewegt, das ist eklig. Außerdem hast du davon gesprochen, ob sie mir gefallen und nicht davon, welche ich essen möchte."

  • "Boldi bedeutet mir alles", sagte Tekuro sehr ernst. "Boldiszàr ist mein Leben und ohne ihn bin ich tot. Er ist mein Bruder und mein Gott. Silvano schminkt sich, weil er ein Adliger ist. Das ist ganz normal bei denen und er übertreibt es eben ein wenig."


    Warum Silvano das wirklich tat, wusste er. Doch das würde er Hector nicht sagen, denn damit würde er Silvano schwächen.

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    J.R.R. Tolkien

  • Hec nickte auf Tekuros Erklärung hin.


    "Silvano ist einer von uns Tekuro, Du solltest ihn öfter mal zu Essen einladen. Zudem taxiert er Dich genau, er scheint ein Auge auf Dich geworfen zu haben. Böser Wortwitz. Achtung und Ehre Deinem Bruder gegenüber. Du bedeutest ihm ebenso alles, seine Narbe sieht der meiner Freund Jimena ähnlich. Heftige Wunde, woher?", fragte er ehrlich interessiert.


    Hector musterte Kakko über seine Beute hinweg während er trank. Der Blick seines Meisters bohrte sich in den des kleinen Eiskuckucks. Eine stumme Ermahnung, dass Thema nicht zu vertiefen. Es dauerte eine geraume Weile, bis das Grauen seine Beute ausgetrunken hatte und sie danach achtlos zu Boden fallen ließ. Er wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und zückte seinen Dolch.


    "So etwas wirst Du nie wieder sagen Kakko, vor allem nicht wenn Archibald in der Nähe ist. Du wolltest lernen, dann lerne. Hier, schneide Dir Dein Futter aus dem Stück Fleisch", befahl Hector streng und reichte ihm den Dolch mit dem Griff voran.


    "Du musst sie nicht stechen, aber fressen schon. Dargebotenes Fleisch eines Gastgebers abzulehnen ist eine Beleidigung Kakko. Du beschähmst das fremde Nest. Isst Junge!", zischte Hector und reichte ihm den Dolch mit dem Griff voran, ehe er mitten in der Bewegung inne hielt.


    Er steckte den Dolch zurück in den Gürtel, riss die Tote an den Haaren zurück auf die Beine und biss ihr geräuschvoll einen großen Klumen Fleisch aus der Schulter. Das Grauen spuckte sich den Fleischbrocken in die Hand und hielt ihn Kakko hin.

    "Essen ist fertig", verkündete er mit blutverschmiertem Maul.

  • "Mein Silvano mag mich, ja. Und ich mag ihn auch, nur leider ist er mitunter bockig. Er ist sehr süß, aber seine Krallen sind aus Stahl und eine davon trägt er sogar offensichtlich am Gürtel, diesen Fleischerhaken, oder was das ist.


    Boldi hat seine Narbe von einem feigen Angriff von hinten erhalten. Ich vermute, es sollte seine Kehle erwischen, aber er hat das Kinn auf die Brust gedrückt, so stieß ihm sein Angreifer das Messer stattdessen in den Mund. Als die Klinge dann nach hinten weggerissen wurde, war nicht seine Kehle aufgeschlitzt, sondern seine Wange, bis fast zum Ohr. Mein armer Boldi. Aber dafür sieht er jetzt echt heftig damit aus, mir gefällt das. Findet er zwar nicht, aber man sieht sofort, er ist ein Krieger, das trägt er im Gesicht.


    Wie geschah das bei deiner Jimena? Und hat sie auch Probleme mit dem Reden und Sabbern? Boldi kann nur mit der halben Zunge schmecken, das ist sehr merkwürdig. Aber ich mag das alles. Das alles formte Boldi zu meinem Bruder, wie ich ihn liebe."

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    J.R.R. Tolkien

  • Kakko öffnete den Mund. Genüsslich kaute er auf dem dargebotenen Fleischbrocken herum, aber so ohne scharfe Zähne war das Kauen mehr ein Zerdrücken. Aber das war er gewohnt. Er würgte das Stück hinunter.


    "Verzeih, Meister, ich wollte nicht unhöflich sein. Es ist nur, dass ich bislang nur totes Fleisch gegessen habe", räumte Kakko leise ein. Er merkte, wie Tekuros Blick sich gerade zu bohrend auf ihn richtete, als er so unterwürfig mit Hector sprach. Und er musste zugeben, dass ihm das Angst machte, auch wenn der Vampir ihn sicher nicht anrühren würde. "Aber ich bin bereit, zu lernen", fügte er darum hinzu, kniete sich bei der Beute nieder und begann, sie mit den Händen abzutasten. Er suchte weiches Fleisch, wobei er Haut nicht gerne aß. "Was empfiehlst du?" Zerlegt hatte er auch noch niemanden ... "Haben wir einen Sklaven, der entbeinen kann dabei?"

  • Hector knuffte Tekuro freundlich für seine lieben Worte, zeitgleich als Zeichen, dass er einen Moment warten sollte. Er hockte sich neben Kakko und zückte seinen zweiten Dolch. Die Waffe war kürzer, die Klinge ähnlich wie eine Klaue gekrümmt und sie war schärfer als so manches Rasiermesser.


    "Am Anfang häutet man die Beute. Idealerweise frisch und noch warm. Je sorgsamer Du vorgehst, je weniger Arbeit hast Du später. Zuerst schneidest Du um jeden Fuß des Gabad einen Ring, direkt über dem Fußgelenk. Schneide nur so tief um durch die Haut zu kommen. Nicht zu tief ins Fleisch schneiden. Jetzt machst Du von jedem Bein des Gabad aus einen einzelnen geraden Schnitt vom Ringschnitt aus nach oben zur Rückenseite der Beute. Das macht das Häuten zum Schluss einfacher, Du siehst es gleich.


    Nun kannst Du anfangen, etwas von der Pelle abzuziehen, wobei Du Dich von dem Ringschnitt am Fußgelenk bis hinunter zur Rückenseite oder den Genitalien der Beute vorarbeitest. Die Pelle geht ziemlich leicht ab, siehst Du?


    Nun schneidest Du bis zum Steißbein, dass ist der Schwanzstummel des Menschen. Achte darauf, dass Du nicht die Blase zerstörst. Du möchtest Dir ja nicht Dein Futter verderben. Nächster Schritt, Du hast es fast geschafft. Nun packen wir die Pelle mit beiden Händen und ziehen sie vom Körper.


    Sieh genau hin, die Haut rutscht sehr leicht vom Torso, fast so als ob man eine Banane schält. Nun gehtst Du mit den Fingern in die Ärmel der Haut - also die Arme und ziehst sie aus der Haut heraus, als hilfst Du jemanden aus der Jacke. Das ist am Anfang der schwierigste Teil. Meist hilft da etwas Knochen- oder Bauchfett. Greif zu, schmier das Fleisch damit ein und Du siehst, die Arme gleiten aus ihrer Haut. Nun folgt das, was jeder als Sprichwort kennt, jemanden das Fell über die Ohren ziehen. Hierzu ziehst Du die Haut vom oberen Körper bis zum Kopf runter, so weit bis zur Schädelbasis", erklärte Hector, während er Schritt für Schritt in Ruhe vorführte.


    "Nun benötigen wir kurz eine andere Waffe, da es schnell und sauber gehen soll", warf das Grauen ein und zog Kakko das Jian vom Rücken. Mit einer fließenden Bewegung, der man mit menschlichen Blick kaum noch folgen konnte schlug er der Beute den Kopf ab. Er legte das Schwert ordentlich beiseite und hockte sich wieder zu der Beute.


    "Wie Du gesehen hast, ist der nächste Schritt den Kopf von der Wirbelsäule zu trennen. Damit wird sich die Haut nun vollständig vom restlichen Fleisch ablösen. Einer mit der letzten Schritte ist es, die Knochen an den Gelenken der Beine und Arme zu brechen. Entweder mit einem passenden Handkantenschlag, einem Tritt oder mit Hilfe des Dolches", lehrte Hector sein Küken weiter, stand kurz auf und zertrat mit knochenbrechenden Tritten die Gelenke der Beute, wie er es beschrieben hatte.


    "Da wir die Brüche erledigt haben, reißen wir hier die Haut von den Gelenken und dem Knochen. So fertig mit dem Häuten. Nun folgt der letzte Schritt, Du brichst sie auf. Das ist einfach, Du schneidest Dein Opfer einfach von der Drosselgrube bis zum Schritt der Länge nach auf und rollst es auf die Seite. Du gehst mit beiden Händen vorsichtig in die Bauchhöhle, also den Torso und räumst alles raus. Achte dabei darauf, nicht die Galle zu beschädigen, sonst wird das Fleisch ungenießbar. Gallebitter ist nicht nur eine Beschreibung, sondern die Gallenflüssigkeit schmeckt tatsächlich so. Du kannst es gleich mal testen", sagte Hector und schlitzte die Beute derart gekonnt auf, dass Teku und auch Kakko wussten, der Mann aß garantiert nichts anderes.


    Als das Grauen die Beute ausgeräumt hatte, legte er sie zurück auf den Rücken.

    "Bevor Du isst, achte darauf, dass Deine Beute sauber und gesund gewesen ist. Dazu nimmst Du Dir die Leber und überprüfst sie. Schön rot, gesund und blutig? Dann hat Deine Beute sauber gelebt. Als erstes isst Du das Herz, die Milz - sie ist schön süß und die Leber. Die Innereien sind wichtig für Dein Vitaminhaushalt. Bedenke, je weniger Brot und so einen Dreck Du isst, je weniger zusätzliche Vitamine muss Du Dir reinschaufeln. Also je weniger Brot, je weniger Grünfraß. Als Küken musst Du allerdings noch einiges davon essen", gab Hector seinem Ziehsohn mit auf den Weg und händigte ihm die besagten Organe aus.


    "Falls Du mal zuviel Muskelfleisch oder Knochen und Knorpel gegessen hast und Du nicht auf den Topf kannst, iss Gammelfleisch. Klingt widerlich, ist es aber nicht, es hilft bei der Verdauung. Auch bei anderen Verdauungsproblemen hilft es, es gibt Deinem Körper Stoffe zurück, die sich im fauligen Fleisch bilden.

    Manche Beißer die sich zu sehr auf Muskelfleisch beschränken bekommen die Seemannskrankheit Skorbut. Dagegen hilft ganzheitlich zu essen. Die Organe der Tiere enthalten die benötigten Stoffe um Skorbut zu vermeiden. Wie gerade erklärt, je weniger Brot, Getreide und anderen Mist Du isst, je weniger benötigst Du diese Stoffe. Du isst also neben dem Fleisch auch die Organe, das Bindegewebe, die Knorpel und so weiter", sagte Hector und wartete einen Moment.


    "Jetzt zum Thema Entbeinen oder auch Ausbeinen genannt. Ausbeinen fangen wir bei den Beinen an. Zuerst trennst Du die Unterschenkel ab. Im Kniegelenk immer schön rund um den Knochen schneiden, von der Innenseite der Keule her. Dabei klappt das Stück auf. Also immer schön rund um den Knochen schlitzen, wichtig ohne auf die Außenseite zu schneiden. So trennst Du mit ein wenig Geschick die Röhrenknochen aus dem Fleisch, Deine Keule bleibt ganz. Dann der Oberschenkel, gleiches Spiel, Beckenknochen raus und so weiter. Gesehen? Man schneidet das Fleisch gegen die Faser, sobald man es in Portionen schneiden möchte. Das ist der ganze Zauber", erläuterte Hector und deutete auf die fachmännisch zerlegte Beute. Von der Optik her sah sie aus, als wäre sie von einem Metzger zerlegt worden.


    Blut floß kaum, da die Frau vorher als Mahl des Vampirs gedient hatte.


    "Nimm den Stahlzahn um besser essen zu können, aber gib ihn mir danach wieder zurück. Du wirst Dir Deine Zähne schon verdienen Kakko und zur Not, wenn alle Stricke reißen, füttere ich Dich", grinste Hector. Er leckte sich die Finger ab und betrat erneut den Verschlag. Die restlichen Sklaven hatten mitbekommen was vor der Tür geschehen war und drängten sich panisch in eine Ecke. Das Grauen störte sich nicht daran, sondern packte zu und zerrte eine weitere Frau nach draußen. Dort brach er ihr das Genick und legte sie auf den Boden.


    "Übung mach den Meister, Du bist dran Kakko", grinste Hec.


    Das Grauen zog den Verschlag zu und schmunzelte Tekuro dankbar an.


    "Danke für die Mahlzeit. Ich verstehe was die beiden Dir bedeuten. Mit einem Haken zu kämpfen ist schwer und er ist für die Gegner eine höchst gefährliche Waffe. Der Haken kann andere leicht entwaffnen und einmal damit getroffen gibt es kaum ein Entrinnen. Falls Dein Freund Vano damit so gut ist, wie ich vermute, wird er damit nach den Kehlen seiner Opfer schlagen. Zuschlagen, verdrehen und das Opfer kann nicht einmal mehr schreien.


    Was Boldi geschehen ist, hat ihn für den Rest seines Lebens gezeichnet. Er trägt sein Mal offen im Gesicht, andere tragen es unter der Haut, wieder andere in der Seele. Ich vermute, erträgt es zumindest in zwei Sphären - Gesicht und Seele. Sein Schatten wird dieses Mal übernehmen, den es erschütterte sein Selbstbild.


    Ein Angriff von hinten ist nicht feige, sondern vermutlich war er heimtükisch. Ein Lauerjäger hat ihn versucht zu fällen, dass er so einen Angriff überlebt hat, zeigt die wahre Stärke von Boldi. Die uralte Regel besagt, wenn eine Beute einen derartigen Angriff überlebt, wenn sie derart hart um ihr Leben kämpft, dann hat sie das Leben verdient. Sie wird nie wieder als Beute angesehen werden. Das sieht man ihm an, auch jene die unsere Regeln und Dogmen nicht kennen.


    Die Problme die mit seiner Verletzung einher gehen, sind schlimm genug Tekuro. Boldi redet nicht daher, dass er mit der Zunge nur halb schmeckt.


    Jimena hat eine ähnliche Narbe und zwar auf der linken Gesichtshälfte. Ein Teil ihrer Wange fehlt, so dass man auf die hinteren Backenzähne schauen kann. Ihr Mund ist dort offen, auch wenn es verheilt ist. Ihre ganze linke Gesichtshälfte ist gezeichnet. Ein Hieb mit einem Streitkolben hat ihr dort das Fleisch und die Haut weggerissen. Ich weiß um ihre Probleme, aber für mich ist sie immer noch Rojo, die Mutter von zweien meiner Kinder. Sie trägt die Zähne mehr als verdient und ihrer Schönheit tut die Verletzung keinen Abbruch", antwortete Hector und Teku hörte, was er für die Frau empfand.

  • Während Kakko sich stümperhaft an dem neuen Leichnam zu schaffen machte, um dieser ausführlichen Anweisung folge zu leisten, folgte Tekuro ihm mit den Blicken.


    "Ein sehr wohl erzogener ... Sohn. Sehr unterwürfig. Er riecht nicht nach Beue, aber ihm fehlt noch der Biss, manch einer von uns hat niedrige Hemmschwellen, vor solchen Leuten muss er als Jäger bestehen, um Achtung zu erlangen. Alles, was er braucht, um zu überleben, wird er auf dieser Reise lernen. Dieses Schiff ist voller Beißer, wir werden dir gern dabei helfen. Er sollte sich auch langsam mal aufstechen lassen, falls das noch nicht geschehen ist, das rückt das Weltbild noch mal zurecht.


    Eine Korrektur, Hector: Boldiszàr war keine Beute. Er war derjenige, der Schlitzer-Toni kontra gab, vor dem sonst alle anderen Kinder Angst hatten. Antoine hatte Angst vor Boldi und ich war an seiner Seite. Antoine war die Beute, das spürte er, aber Beute kann wehrhaft sein. Sie griff den Jäger an, das macht ihn aber nicht selber zur Beute. Sonst ist Jimena auch welche."


    Er nickte zur Bekräftigung seiner Worte. "Du scheinst sie zu lieben. Dann muss es eine gute Frau sein. Ich hab auch eine hier", sagte er stolz. "Aber die darfst du nicht sehen."

    "Not all those who wander are lost."
    J.R.R. Tolkien

  • Hector neigte in einer seltsamen Geste den Kopf, als Zeichen der Anerkennung.


    "Es wird Kakko nicht schaden, andere seiner Art kennenzulernen. Ja es wird nicht nur eine Reise zu seinen Wurzeln, es wird sein Erwachsenen-Ritus. Ich habe nichts dagegen, dass Ihr uns dabei unterstützt. Solange er unversehrt bleibt, dass ist absolutes Dogma. Wer seine Unversehrtheit bricht, verliert seine durch mich. Da bin ich rigoros.


    Er wurde mir einst genommen und er wurde mir genau auf meinen Geburtstag zurückgegeben.

    Wer ihn angreift weißt was er damit auf sich zieht. Falls nicht, sein Problem.


    Mit dem Wort Liebe bin ich vorsichtig, meist zieht es die Dunkelheit an. Allerdings gibt es Moment, die schon so schwarz und finster sind, dass man es aussprechen muss. Es ist alles was einem bis zum Schluss bleibt, alles was man in dem Augenblick noch geben kann. Selbst in dem Moment wo ich versagte Kakko zu lehren und zu schützen, wo ich ging... eines wusste er - er wurde von mir geliebt.


    Jimena liebe ich von ganzem Herzen, ebenso wie Kirimar den Drecksack. Und noch einige andere, meinen Vater das blöde Arschloch zum Beispiel oder Jesper und einige der Nasen. Aber sollte mich jemand fragen, habe ich das niemals gesagt oder auch nur gedacht.


    Nein da hast Du Recht, nur weil man fiel, wurde man noch lange nicht zur Beute. Er war gefällt, aber ungebrochen nicht wahr? Jimena wäre Beute geworden, wäre ich nicht bei ihr gewesen, vermutlich wäre sie sogar umgekommen. Aber dafür ist Familie da. Gleich wie beschissen die Situation ist, wir stehen einander bei und hauen einen raus. Jedenfalls solange das möglich ist.


    Ich zum Beispiel war im Wald auf mich allein gestellt. Rückblickend wäre auch die Erfahrung nicht nötig gewesen, hätte ich die Entscheidung von Archibald akzeptiert und Dir ohne Wut zugehört. Du bist in friedlicher Absicht gekommen mit einem Geschenk im Schlepptau.


    Wo wir beim Thema sind, ich kenne Deine Frau - Nori. Sie ist immer noch meine Schwester Tekuro. Ich frage Dich nicht bezüglich Deiner Leute aus um eine Schwachstelle in Deiner Deckung zu suchen, sondern um Dich persönlich kennenzulernen. Du hast mich auf die Knie gezwungen und Du hast mich wieder aufstehen lassen. Das achte ich, mehr noch ich zolle dem Respekt. Aus dem Grund frage ich, Du hast von mir nichts zu befürchten, es sei denn Du fürchtest Freundschaft und Schutz", antwortete Hector ehrlich.

  • "Du fragst? Was fragst du?", wollte Tekuro wissen. "Nori ... ah ja. Da war ja was. Du hast mich als widerlichen Schwager bezeichnet. Jetzt macht das erst mal richtig Sinn. Wobei, eigentlich wusste ich das. Aber irgendwie habe ich das nicht ganz realisiert. Du bist demnach der Onkel meines süßen kleinen Tanuki. Er ist verborgen aufgrund einiger Beißer hier, suche nicht nach ihm, er wird schärfer bewacht als alles andere.


    Ich hatte überlegt, Nori und ihn zu verstecken ... Patti meinte, seine andere Seelenhälfte würde auch Vater werden demnächst. Und diese andere Seelenhälfte ist sehr, sehr schlau und der Sohn eines der gefährlichsten Beißer, auch wenn er selbst kein Beißer geworden ist. Vielleicht ... sollten Tanuki und Nori zu ihnen ziehen. Ihr Nest soll extrem sicher und vor allem bestens verborgen sein. Im Gegensatz zur Himmelsröhre, die jeder Blödmann kennt."


    Er musterte Hector freundlich.


    "Ich werde gar nichts sagen, natürlich liebst du nicht, du akzeptierst nur ihre Nützlichkeit. Bis zu dem Tag, an dem du erkennst, dass es den Beißer nicht schwächt, wenn er liebt, sondern stärkt. Aber das kann dauern. Zwanzig Jahre bei mir.


    Deinen Kakko rühre ich nicht an ohne deine Erlaubnis, aber Training kann und muss Beulen schaffen, sonst musst du besser allen trainieren mit ihm, wenn dich das stört."

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    J.R.R. Tolkien