Kapitel 21 - Die Laterne des heiligen Lichts

  • Die Laterne des heiligen Lichts



    Die Nacht zog auf und erneut färbte sich der Himmel schwarz, so als hätte jemand ein Fass Tinte darüber gegossen. Verrill stand an der Reling und betrachtete den Sternenhimmel, Chiara an ihrer Seite.


    "Schlüsselmeister des Lichten", grüßte sie ein fremder Mann respektvoll, mit einem Lächeln, dass anderen vermutlich das Blut in den Adern gefrieren ließ. Chiara stellte sich schützend vor ihre Herrin, obwohl sie zitterte wie Espenlaub.


    Verrill wusste instinktiv dass es sich bei diesem Mann um einen Bewahrer eines anderen Ältesten handelte. Er war ebenso ein Schlüsselmeister wie sie. Sein Auftreten war offenkundig friedlich, aber seine gesamte Erscheinung machte deutlich, welche Seite er sonst vertrat. Bleich wie eine Leiche und völlig in Schwarz gehüllt, ließ die Optik keine Spekulationen zu.


    "Schlüsselmeister Dunwolfs", grüßte Verrill zurück.

    Sie wartete ab, sie war es nicht gewöhnt, den ersten Schritt zu machen. Möglicherweise war dies ein Friedensangebot, da sie gemeinsam auf der Tordalk reisten. Immerhin hatte sich der Mann offen zu erkennen gegeben.


    Hector umrundete Chiara und bezog direkt neben Verrill Position an der Reling und schaute hinaus aufs Meer. Die Ducachessa war über das Verhalten etwas irritiert. Er stand so nah neben ihr, dass sie ihn hätte berühren können, hätte sie sich minimal zur Seite gelehnt. Seine ganze Körperhaltung war entspannt, dennoch blieb sie wachsam. Seine Statur verriet ihr, wozu dieser blasse Körper sonst in der Lage war. Sie selbst war zum Schwert- und Fechtkampf ausgebildet und sie war kein Stümper. Chiara schaute abwechselnd zwischen Verrill und dem Fremden hin und her, unschlüssig wie sie reagieren sollte.


    "Nicht mehr. Und genau deshalb möchte ich mit Euch reden, ich benötige Eure Hilfe", kam die verspätete Antwort von Hector, während er sich eine Rauchstange anzündete und einen grauen Rauchkringel in die Nacht hinaus blies.


    "Nicht mehr? Ihr wisst, was Ihr dort sagt und welche Konsequenzen das haben wird? Euer einstiger Meister ist nicht für seine Gnade bekannt. Mein Bruder bot ihm einst die Stirn und kam so gerade mit dem Leben davon. Ihr erbittet meinen Beistand? Nun ob ich Euch beistehen kann und werde, wird sich zeigen. Sprecht offen und ich antworte ebenso", bot Verrill an.

    "Niemandem ist das so bewusst wie mir. Ich habe vor diese Bedrohung auszumerzen und dabei benötige ich Eure Hilfe. Ich sammele Personen und Artefakte, die es mir ermöglichen werden Dunwolf zu fällen. Und Ihr könnt mir dabei helfen. Ich erbitte Eintritt in den Tempel des Lichts Schlüsselmeister. Im Gegenzug werde ich Euch jede Tür in die Finsternis des Ältesten öffnen, die Ihr wünscht. Jede Türe der einstigen Trinität. Unsere Ziele sind die gleichen, nur entstanden sie aus anderen Gründen. Ich sprach bereits mit Eurem Bruder, aber er ist etwas verbohrt, was den Tempel des Lichts angeht und Euch", erklärte Hector freundlich.


    "Ihr bittet nicht für Euch, Ihr hättet Schutz erbitten können. Steht Euch der Sinn nach Rache?", hakte Verrill nach.

    "Nein, mir steht der Sinn danach meine Kinder und die meines Mannes zu retten. Und all jene Beißer, die dem falschen Weg folgen. Ich räche nicht, ich rette. Die Rache kann danach noch kommen, aber die Prioritäten liegen anders bei uns. Bei Euch wie bei mir, nicht wahr? Wir sind Wächter, keiner Rächer. Ich habe nicht vor, meine persönlichen Rachegelüste auf den Rücken der mir anvertrauten auszuleben. Mein Vater und Tekuro Chud lehrten mich vor sehr kurzer Zeit etwas, sie brachten mir bei hinter den Schleier der Lügen zu schauen. Eigentlich eine unsere Fähigkeiten, aber die Selbstlüge ist größte aller möglichen Täuschungen. Jetzt wo ich klar sehe, habe ich ein neues klares Ziel. Ich muss die meinen retten, Rest folgt sobald das geschafft ist. Ihr an unserer Seite und wir werden siegen. Bedenkt das, bevor Ihr Eure Entscheidung fällt.


    Eine Welt ohne diesen Ältesten ist für Eure und unsere Nachfahren sicherer. Ich weiß ich welchen Umständen Ihr seid, auch wenn ihr diese Stoffberge tragt, ich rieche es. Ihr müsst selbst keine Waffe führen, ich werde die Waffen führen, Ihr müsst sie mir nur zur Verfügung stellen. Ich benötige die Laterne des heiligen Lichts und das gleichnamige Schwert. Und ich wünsche Eure Schriften lesen zu dürfen. Möglicherweise ergeben sich daraus noch andere Möglichkeiten.


    Der Dolch des Lichten, der Euch und Euren Kollegen fehlt, war bei uns in Verwahrung. Zum Schutze, da diese Waffe genau wie die Laterne und das Schwert die Trinität verletzen kann. Ich händigte den Dolch Eurem Bruder aus. Ich gab eine Waffe fort, die meinen ehemaligen Meister verletzen kann. Ein Vorfahre erbat sie von Eurem Meister, er gab sie nicht zurück aus Vorsicht, nicht in betrügerischer Absicht. Denkt über mein Angebot nach", bat Hector.

    "Mein Bruder hat die Waffe, ich habe sie selbst gesehen und er wollte sie mir ebenso wenig aushändigen. Ihr hättet sie mir geben sollen. Er wird nur Unsinn damit anstellen", stöhnte Verrill.


    "Nein Schlüsselmeister, Ihr erhaltet die Waffe rechtzeitig zurück, dessen seid versichert. Aber zur Zeit kann sie nicht in besseren Händen sein. Dunwolf fürchtet Euren Bruder wie den Dolch. Bedenkt das, bevor Ihr etwas zurückverlangt und somit den Blick des Ältesten auf Euch lenkt. Wir sind es die das Wissen verwahren und studieren, die ihm wie Sekretäre die Schriften reichen die er benötigt. Solange Ihr unerkannt lebt, seid Ihr sicher. Aber meine Amtskollegen sie wissen von Euch, sie wissen worauf sie achten müssen um Euch zu enttarnen.


    Genau wie Ihr wusstet, woran Ihr einen von uns erkennt, oder einen anderen Schlüsselmeister. Jeder hat seinen ureigenen Schlüssel. Euer Bruder begreift nicht, welche Stärke in Eurer Natur steckt. Nun unterschätzt zu werden, ist ebenso eine Gabe und ein Vorteil. Denkt gut darüber nach, oder haltet Rücksprache mit Eurem Meister. Es ist eine einmalige Chance, es wird vermutlich nach mir keinen weiteren Schlüsselmeister geben, der Dunwolf den Rücken kehrt.


    Und ich bin keine rühmliche Ausnahme, ich war vermutlich der fanatischste Anhänger meines Gottes. Bis mich Archibald und Tekuro auf den Boden der Tatsachen zurückholten. Auf ihre ureigene Art", warf Hector ein.


    "Und die Art wäre?", fragte Verrill freundlich.

    "Sie töteten mich...", antwortete Hector tonlos und entblößte seine Vampirfangzähne.

  • Eine schmale Gestalt drängelte sich zwischen Hector und Verrill. Sie wurden recht ruppig auseinandergequetscht, damit Ciel dort hinpasste, wobei er demonstrativ seine Schwester auf die Wange küsste. Mit einem Seitenblick auf Hector sprach er:


    "Da ist man einmal in der Stadt unterwegs und schon schwirren dicke schwarze Aasfliegen um die zarte Nelke. Wo sind Eure Leibwächter, Schwesterherz, dass dieser Vampir dermaßen unziemlich an Euch heranzutreten wagt und was sagt Euer Gemahl dazu, dass Ihr hier seid?"

  • "Das ich hier bin ist kein Geheimnis, Du hast mich schon gesehen Ciel und wir haben uns gerade über ein sehr wichtiges Thema unterhalten. Es geht um Dunwolf und dessen Ableben. Mein Gast hat sich vergessen vorzustellen, allerdings weiß ich Dank des Namens seines Vaters Archibald, seines Amtes und seiner offenbarten Einstellung wer er ist, das Grauen. Wie steht es mit Eurem bürgerlichen Namen?", fragte Verrill.

    "Verzeiht, Hector von Dornburg. Jedenfalls noch eine geraume Weile, bis zur Hochzeit", grinste Hector.


    "Tja wenn man einmal dabei ist sein Leben umzukrämpeln, wieso dann nicht ganz? Ich hoffe Ihr habt ähnlich weise gewählt, wie Eure Einstellung zum Thema Rache", antwortete Verrill und küsste Ciel liebevoll zurück.

    "Ich hatte gar keine Wahl, er war da und es war klar. Alles andere ist zu persönlich um es mit Dritten zu teilen", gab Hector freundlich zurück.


    "Ciel hast Du den Dolch des Lichten noch?", hakte Verrill vorsichtig nach.

    "Ich möchte anmerken, dass ich nicht unziemlich Eurer Bruder-Schwester gegenüber aufgetreten bin. Ich habe nicht um sie geworben, auf keine Weise. Sie kann das bestätigten. Nicht dass sie nicht attraktiv genug für mich wäre, aber ich bin verlobt. Also werbe ich nicht", klärte Hector Ciel auf.


    "Ich hoffe das beruhigt Euren Verlobten und meinen Bruder", antwortete Verrill verwirrt.

  • "Nein", gab Ciel zurück. "Zwischen euch hat ja kaum ein Blatt Papier gepasst. Das ist nicht in Einklang zu bringen mit euren Angaben. Zudem habt Ihr, Schwesterherz, vorgegeben, von der Tordalk abzureisen, um alsbald zurück zu Eurem besorgten Manne zurückzukehren. Ich werde Aurelien kontaktieren lassen und überprüfen, ob dein Besuch hier seine Richtigkeit hat, auch, damit die Leibwachen diszipliniert werden können, die ihre Pflichten augenscheinlich sträflich vernachlässigen. Das sind ja fast schon naridische Verhältnisse, ohne seinen Gatten allein am anderen Ende der Welt flanieren zu gehen.


    Und was den Dolch des Lichten angeht - nein, den habe ich nicht mehr", sprach Ciel spitz. "Er wurde mir geschenkt und ich kann damit tun und lassen, was ich möchte."

  • Lautlos trat jemand neben Hectors andere Seite. Vendelin stand etwa anderthalb Meter entfernt, die Hände auf die Reling gelegt und tat so, als würde er die Wellen genau so interessant finden wie die anderen, die ihnen stundenlang zusahen. Ein kaum merkliches Lächeln war in seinem Gesicht auszumachen, welches Hector galt. Wenn der Prince zürnte, war es gut, eine Ruhepol in der Gruppe zu haben und Verrill war das nicht. Inwieweit Hector ruhig bleiben konnte, wenn Ciel in seinem Element war, wusste er nicht. Etwas im Hintergrund drückten noch Boldiszàr und Bellamy sich herum als lebende Geheimwaffen. Wenn die auch nicht halfen, würde Vendelin Julien auf Ciel hetzen.

  • Hector musterte Ciel.


    "Ich weiß ja nicht wie Ihr geheime Dinge besprecht, vielleicht schreit Ihr sie von einem Ende des Schiffes zum anderen, aber wir sprachen vertraulich. Deshalb standen wir nah beieinander. Wo habt Ihr den Dolch gelassen? Natürlich könnt Ihr damit tun und lassen was Ihr wollt, aber Ihr seid damit wortbrüchig geworden. Ihr habt das Geschenk aus einer Geste heraus erhalten und Ihr habt etwas zugesagt.


    Wort verloren - Gesicht verloren. Gesicht verloren - alles verloren. Das kennt Ihr hoffentlich. Nun wie dem auch sei, Eure Schwester und ich sind zu einer Übereinkunft gekommen, bei wir Euch nicht länger benötigen. Von daher, ist es bedauerlich, dass Ihr den Dolch nicht mehr. Umso dringender ist es, dass wir uns um Nachersatz kümmern", sagte Hector gelassen.


    "Ich habe gewusst, dass Du nur Unsinn anstellen würdest. Nicht mal einen Dolch kannst Du bewachen Ciel Felicien de Souvagne! Geschweige denn ein Land! Vater setzt soviel Vertrauen in Dich, wenn er wüsste was mit Dir los ist. Und dann Deine üble Nachrede was Horatio angeht, Du hast wieder mal keine Ahnung, aber diesmal wirst Du nicht mit Linhard die halbe Welt einreißen, für was auch immer. Du hast doch Dunwolf erst dazu gebracht Souvagne heimzusuchen, weil Du ihn strubbelig gemacht hast. Tazio weiß wo ich bin, natürlich weiß er das!", knurrte Verrill und wandte sich an Hector.

    "Ich werde mit Horatio diesbezüglich reden, Ciel kommt nicht mit. Wir wissen ja beide was sonst geschieht. Er war es sicher auch, der vor Jahren den Seelenkoppler verloren hat!", erklärte Verrill, was Hector freundlich lächeln ließ.


    "Eigentlich nicht nein", grinste er freundlich und schenkte Ven ein unauffälliges Lächeln.

  • "Vater weiß, was er tut, oder willst du behaupten, der Duc würde sich irren? Und Linhard ist dein erster Mann, also kann er so schrecklich ja nicht sein, wie du ihn hier gerade darzustellen versuchst. Üble Nachrede, du bist nicht bei Sinnen!"


    Er drehte sich um. "Bellamy! Bitte bring mir mein Himmelsauge! Ich wünsche Aurelien zu kontaktieren."


    Kopfschüttelnd drehte er sich wieder zur Reling. Er verkniff sich einen Kommentar bezüglich Tazios merkwürdiger Visionen, die sich hervorragend mit Verrills fortschreitender geistiger Umnachtung ergänzten. Womöglich lag das an der Gegenwart von Thabit?


    "Dunwolf ist unser erstes Ziel", sprach Ciel dann versöhnlich. "Sobald wir das Schwert haben, reisen wir nach Obenza."

  • Bellamy nickte und verschwand unter Deck um ein wenig später mit Aurelien wieder zu kommen.


    "Wie kommst Du denn an Aurelien? Das war doch mein Himmelsauge in Ledwick, oder irre ich mich da? Natürlich rede ich nicht schlecht von Linhard und ich weiß, dass ich mit ihm verheiratet bin. Aber Du und er im Duo, dass ist noch nie gut gegangen. Ihr stiftet Euch ständig zu neuen Unsinn an. Ich habe nicht behauptet, dass Vater sich irrt, Du irrst Dich was Horatio angeht. Vater kennt ihn schließlich!", antwortete Verrill.


    Hector dachte einige Sekunden nach. Es stimmte, daran hatte er nicht gedacht. Gregoire Verrill de Souvagne war mit Linhard von Hohenfelde verheiratet. Das war sozusagen eine Familienangelegenheit. Linhard war sein Neffe 2. Grades, Ansgar und Dave waren seine Cousins. Das Ganze schien nicht nur gefährlich, sondern auch hochinteressant zu werden. Es war im Grunde eine gewaltige Familienangelegenheit.


    Denn einiges was sie ins Feld führten, gehörte einst einem Vorfahren vor Äonen. Und selbst Dunwolf gehörte zur Familie und war ein Vorfahre von ihnen allen. Nur würde er die Familie innerhalb der Sippe wechseln, er würde genau wie Linhard einen anderen Weg beschreiten. Er hatte die Familie und den Zusammenhalt gewählt, beziehungsweise sie hatte ihn eingefangen und in die Arme geschlossen.


    "Wir reisen noch lange nicht nach Obenza. Wenn Ihr dorthin reisen mögt, bitte. Niemand wird Euch daran hindern mein Prince, aber dann trennen sich unsere Wege", sagte Hector gleichmütig.

  • "Aber ich dachte, sobald wir das Schwert Schattenschlinger geborgen haben, würden wir gegen ihn zu Felde ziehen?", wunderte sich Ciel.


    Noch mehr wunderte er sich, als Bellamy nicht etwa sein eigenes Himmelsauge anbrachte - sondern Aurelien. Andererseits war das auch gut, so hatte wenigstens einer Verrill im Blick und Aurelien konnte Tazio sofort ins Bild setzen, wenn etwas nicht stimmte.


    "Schön, Euch zu sehen", sprach Ciel, was ihm einen schiefen Blick von Boldiszàr einbrachte, der offenbar verwundert war, dass irgendwer sich über die Anwesenheit dieses Pechvogels auf einem Schiff freuen könnte. "Ihr seid hier, um ein Auge auf meine Schwester zu haben, nicht wahr? Bitte informiert ihren Gemahl darüber, dass wir uns vor Schwalbingen prächtig amüsieren und übermittelt ihm beste Grüße."

  • "Ja das hätten wir auch so gemacht, aber um Schattenschlinger zu bergen, benötigen wir eine Waffe des Lichten. Da Ihr den Dolch verbummelt habt, müssen wir Ersatz besorgen. Folglich können wir nicht nach Obenza reisen. Kümmert Euch nicht weiter drum, wir übernehmen ab hier allein. Es ist besser so", sagte Hector höflich.


    Aurelien verneigte sich vor Ciel und Verrill.


    "Mir wurde gesagt, dass Ihr nach mir verlangen würdet. Ich werde den Duca gerne sofort informieren", sagte er freundlich und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden. Dort ließ er sich in Trance fallen und rief nach Tazio.


    `Hohheit Tazio Ferdinando di Ledvic? Eine Botschaft von Prince Ciel Felicien de Souvagne für Euch. Er möchte Euch ausrichten lassen, dass Eure Gemahlin die Duccachessa Gregoire Verrill di Ledvico Prince de Souvagne sich an Bord des Schiffes der Tordalk befindet. Linhard ist ebenfalls hier´, übermittelte er respektvoll und wartete auf eine Antwort.


    "Ciel was soll das bitte?", fragte Verrill, ehe sie aufkeuchte und zusammenbrach.

    "Salitar", knurrte Hector und griff nach Verrill, um sie zu stützen.


    Das Grauen hielt mitten in der Bewegung inne und zog sich einige Schritte zurück, als Verrill zu leuchten begann.

    In einer seltsamen, fließenden Bewegung richtete sie sich wieder auf und breitete die Arme aus. In einer Hand hielt sie eine Laterne aus Licht, in der anderen ein Schwert. Das Leuchten um sie herum, zeigte eine andere Person, jemand, etwas hatte von ihr Besitz ergriffen. Der Blick der Wesenheit war durchdringend, das Leuchten seiner sonst verborgenen Augen fast weiß.


    "Wo ist jener, der mich erschlagen will?", sprach die Stimme wie von einer anderen Welt.

    "Und Du? Du erbittest viel Schlüsselmeister, bist Du bereit eben so viel zu geben?"

  • Voller Entsetzen sah Ciel, was geschah. Er konnte weder schreien noch reagieren, denn die Welt raste plötzlich an ihm vorbei. Ciel flog von den Füßen, als Boldiszàr ihn am Schlafittchen packte und mit sich riss. Er wollte ihn vom Schiff bringen, doch der Prince brüllte und endlich blieb der Leibgardist stehen, um ihm zuzuhören. "LINHARD! Mein Speer", brüllte Ciel ihn an. Boldiszàr wusste, wo die Waffe war - er war derjenige, der sie für den Prince bewachte. Wo Linhard war, wusste er allerdings nicht. Vermutlich wurde der gerade von Patrice beackert oder umgekehrt.


    Wenig später hatte Ciel das Artefakt in beiden Händen. So schnell wie er konnte rannte er zurück zu Verrill. "Gib dich zu erkennen, Kreatur! Verlasse den edlen Leib meiner Schwester, Unhold", rief er. "Vor dir steht Prince Ciel Felicien de Souvagne und Hexer des Blutes! Aurelien, hilf mir, wir müssen das Wesen aus ihrem Leib treiben! Die Ducachessa und der Thronerbe von Ledwick sind in Gefahr!"


    Dann fiel sein Blick auf Vendelin von Wigberg.


    "IHR", kreischte er. "Ihr wart das, nicht wahr?!"

  • 'Aurelien?', antwortete Tazio. 'Danke für Eure Botschaft, ich war in Sorge. Ich wünsche meiner Gemahlin und meinem Ehebruder eine gute Reise. Sagt ihnen, dass ich sie liebe.'


    Wie sehr sie ihm fehlten und wie allein er sich fühlte, ließ er unerwähnt. Die Regierungsgeschäfte lenkten ihn ausreichend ab und wenn das nicht reichte, halfen ihm Vianello und Irving, sich zu zerstreuen.

  • Linhard kam aus dem Schiff angerannt, als Ciel nach ihm schrie. Aber keine Minute später hätte er am liebsten selbst gebrüllt.

    Was im Namen des Ältesten, hatte Verrill da im Griff? Und wieso beim Abgrund hatte er seinen Dolch abgegeben? Linhard stellte sich neben Ciel und schaute ihn verdutzt, wie besorgt an.


    "Timo hat mit all dem nichts zu tun. Er ist kein Anhänger Horatios", antwortete Hector Ciel und ging vor Horatio auf die Knie.


    "Ja ich bin bereit genauso viel zu geben. Ihr habt Erzhexer Indutiomarus von Hohenfelde beigestanden. Ihr habt Duc Scoville Pierpont de Souvagne beigestanden, ich erbitte von Euch das Gleiche. Schützt die meinen, helft mir meinen übermächtigen Feind zu besiegen, bitte", bat Hector.


    `Eure Majestät, Eure Frau ist soeben von einer Wesenheit in Besitz genommen worden´, übermittelte Aurelien Tazio verstört.


    Die Aura die Verrill umgab wurde heller, gleißender und mit einem Schlag so hell, dass sie alle ihre Augen abschirmen mussten. Fast wäre sie erneut zu Boden gestürzt, hätte Linhard sie nicht aufgefangen. Vor Ciel schwebte ein Mann in einer Robe. Einen Stab und eine Laterne in der Hand. Beides leuchtete derart hell, dass jenes Licht bis auf die Seele hinab zu scheinen schien. Die scheinbar zerrissene Robe umflatterte einen dürren Leib in einem Sturm der nicht toste und verbarg die Augen jenes Mannes, er Ciel anstarrte. Seine Arme und vermutlich auch der Rest des Körpers war mit goldenen Bandagen versehen, die ebenfalls golden strahlen.


    "Du verlangst?", fragte Horatio und seine Mundwinkel zogen sich noch eine Spur tiefer.




  • "An meine Seite, Linhard, ich benötige deine Kampfkünste." Ciel empfand tiefe Verachtung vor Hector, der vor dem Urlich auf die Knie ging. "Ein kleiner Menschenfresser kriecht unter dem großen, nicht wahr? Ihr seid kein Deut besser als jene, von denen Ihr Euch abgewendet zu haben vorgebt, Hector. Und ihr!"


    Ciel richtete die Waffe auf den schwebenden Mann, während er versuchte, ihn mittels Blutmagie zunächst zu analysieren. "Seid Ihr der Ältese Horatio von Schwarzfels, residierend unter dem Palast von Beaufort und sich nährend von meinem Volk?", fragte Ciel fest, den Speer in der Hand.

  • 'Halte mich auf dem Laufenden', rief Tazio aufgebracht. 'Beende die Übertragung nicht! THABIT!', hörte Aurelien, da er noch in der Verbindung bleiben sollte. 'ARGENTOCOXOS, meine Frau und mein Sohn werden von einer Wesenheit bedroht! Öffne deine Luke und nimm meine Pretorianos und mich an Bord!'

  • Linhard legte Verrill vorsichtig ab und Chiara eilte sofort an ihre Seite. Lin stellte sich neben Ciel und starrte Hector an.


    "Steh auf! Stell Dich zu uns, jetzt. Du bist Teil der Familie, also kämpfe für Deine Familie", verlangte Linhard im scharfen Tonfall.

    "Betrachte es als Glaubenskrieg, innerhalb der Familie. Du dienst nach wie vor ihm, ich nicht. Und Ihr Prince? Ihr wollt ihn sogar in Euren Reihen aufnehmen. Ihr seid in bester Gesellschaft, zwei Anhänger Dunwolfs vereint", gab Hector zurück.


    "Steh auf und schütze meinen Schlüsselmeister", forderte Horatio Hector auf und reichte ihm sein Schwert.

    Dieser nickte knapp und war schneller auf den Beinen, als zuvor Verrill, zeitgleich nahm er die Waffe an sich.


    "Der Älteste Horatio Rochenoir, wohnhaft unter dem Hofe Souvagnes. So wie die Gargoyles über Euch des Nachts wachen, so wache ich auf einer anderen Ebene über Euch Sterblicher. Jener dem Ihr Statuen vor Euren Universitäten und Akademien errichtet. Jenem dem Ihr Bibliotheken weiht! Ich nähre mich nicht von meinem Volk, das ist lächerlich. Allerdings interessiert es mich, wie es dazu kommt, das ein de Souvagne der Trinität und nunmehr Dunwolf huldigt", antwortete der Älteste.


    `Ich halte die Übertragung aufrecht, aber die Magie die hier wirkt ist sehr stark´, übermittelte Aurelien und hielt die Verbindung mit aller Macht offen.


    Thabit tauchte vor dem Palast aus den eisigen Fluten auf und schob sich soweit an Land, dass Tazio mit seinen Mannen einsteigen konnte.


    "Wer bedroht Dich und Deine Familie?", fragte er mit donnernder Stimme Tazio.

  • "Ich weiß es nicht", rief Tazio. Während Thabit aufgetaucht war, hatte er sich umgezogen. Auf eine Rüstung hatte er verzichtet, da gegen eine magische Kreatur keine phsyische Waffe etwas anhaben konnte. Stattdessen trug er bequeme, leichte Kleidung die von der Hose abgesehen relativ eng war und in der er gut schwimmen konnte. Die Pretorianos trampelten an Bord, nachdem Tazio und Vianello eingestiegen waren.


    Irving empfing sie als Capitano mit erwählter Höflichkeit, begleitet von seinem Lieblingsruspante Amias. der im Wechsel mit anderen ganz ähnlich einem Diener für den Kaltenburger fungierte. Amias war aus bestimmten Grund sein Favorit. Das Interessanteste an ihm schien für die meisten Leute der Umstand zu sein, dass er ein Kastrat war, gefolgt von der bunten Tracht und seinen Gesangeskünsten, die denen Nachtigall glichen. Dass unter diesem Gewand einer der effektivsten Informanten des Spionagenetzwerks von Irving und Thabit verbarg, das sogar den Marquis Alexandre de la Grange geknackt hatte, kam den wenigsten in den Sinn.


    Irving bat Tazio, Vianello und Paladino Ambrogio di Caldera ins Cockpit, wo er sich mit einer eleganten Bewegung auf dem Sessel niederließ. Für seine Gäste stand eine bequeme Sitzbank entlang der geschwungenen Wand zur Verfügung. Nein, er teilte seinen Thron nicht. Nicht einmal mit dem Duca di Ledvico. Amias brachte ihnen derweil eine Erfrischung in Form eines grünen, säuerlichen Fruchtsafts.


    "Kannst du in meinen Gedanken lesen, Thabit?", sprach Tazio direkt an das Schiff gewandt, während er das Glas zur Hand nahm. "Erkennst du, was es ist?" Tazio war außer sich vor Angst, doch äußerlich blieb er ruhig.

  • Ciel wich keinen Fingerbreit zurück, noch immer stand er drohend vor der Kreatur, ganz gleich, ob das Herz ihm flatterte. "Dunwolf zehrt nur von Naridiern, warum sollte ich ihn als meinen Feind betrachten?", rief er. "Mich scheren naridische Seelen nicht. Wenn du ein Ältester bist, wie man sagt, wie kannst du dich dann nicht von jenen nähren, die dich umgeben? Dunwolf tut das ebenso wie Thabit! Von wem willst du dich sonst nähren und warum sollte ich dir die Mär vom Schutz des Palastes glauben? Auch Dunwolf erzählt diese Dinge! Nur scheint er mir ehrlicher zu sein, was seinen Hunger anbelangt.


    Gib mir einen Grund dir zu Glauben, Lich, und lass ab von meiner Schwester. In ihrem Leib trägt sie den Thronerben von Ledwick und dieser untersteht dem Schutz eines anderen Ältesten!"

  • Thabit wartete nicht bis sich alle gesetzt oder Platz gefunden hatten, sondern las die Gedanken von Tazio und eilte der Tordalk entgegen. Die Entfernung war für ihn nichts. Schwalbingen war für ihn nur einen Delfinsprung weit entfernt.Sein Nuklearer Fusions Kern fuhr hoch und beschleunigte ihn auf Höchstgeschwindigkeit. Mit 407 km/h raste der gewaltige Koloss durch die Meere, knapp unterhalb der Wasseroberfläche schoss er so schnell dahin, wie es keinem Schiff dieser Zeit möglich war. Die sechs Hydroturbinen liefen auf Höchstleistung. Normal wäre dies ein 12 Tagesritt, aber sie benötigten für die Strecke nur eine halbe Stunde, da sie sich mit 20facher Geschwindigkeit eines Reiters fortbewegten.


    "Das ist Horatio, eigentlich der Schutzpatron Eures Landes, so wie ich der Eure bin. Was geht da an Bord vor sich?", fragte Thabit Tazio.


    "Eine einseitige Sicht, denn sind Naridier nicht auch Almanen? Scheinbar für Dich nicht. Es soll Personen geben die essen außer Haus! Und manche sichern ihre Häuser dahingehend, dass sie anderen nicht schaden. Was weißt Du davon? Nichts. Du hast nicht mal die wahre Natur Deiner Schwester begriffen oder wo sie saß. Solche wie Dich habe ich kommen und gehen sehen, aber auch für die Verblendeten habe ich meist etwas übrig. Denn eigentlich sind sie unschuldige oder verführte Seelen. Aber Du scheinst mir eine der verdorbenen zu sein. Wo ist Dein Meister, wo Du ihn doch so dringend brauchst?", fragte Horatio.


    "Die Frage stellt sich jeder, der ihn braucht", murmelte Hector.


    Verrill kam langsam zu sich und hielt sich stöhnend den Kopf. Als Hector an ihre Seite treten wollte, versperrte Linhard ihm den Weg.


    "Bleib wo Du bist, sie ist meine Frau. Niemand fasst sie an", warnte Lin. Er fasste Verrill um die Hüfte und half ihr auf die Beine.

    "Was macht Ihr denn? Ciel, Linhard was soll das? Horatio gehört zu uns, wie Thabit zu Ledwick! Hört Ihr mir denn nicht zu?", fragte sie verzweifelt.


    "Dein Ehemann und Bruder gehören zu Dunwolf", warf Hector ein.

    "Er spricht die Wahrheit, sie beide huldigen den Namen des Menschenfresser, jeder an Deck hat es gehört. Die Seelen außerhalb Souvagnes sind Deinem Bruder gleich. Die Konsequenz der Worte mein Schlüsselmeister, auch Du bist es", sagte Horatio mitfühlend.


    "Ciel erkläre das, was hast Du nun schon wieder angestellt? Das glaube ich nicht, dass muss einer meiner Albträume sein", antwortete Verrill und befreite sich von Linhard.

    "Ich habe alles getan um Euch zu beschützen, ich habe Euch geliebt und Ihr? Ihr spuckt auf mich und meine Worte. Betet Dunwolf ruhig an, geht, verlasst dieses Schiff und geht zu Eurem Herrn. Er wird Euch mit offenen Armen empfangen", empörte sich Verrill und stellte sich vor Horatio und neben Hector.


    "Vergib ihnen heiliger Horatio, sie wissen nicht was sie tun. Sie wissen nicht, dass Du die erste unserer heiligen Waffen gefertigt hast, um uns gegen die Rakshaner zu schützen. Sie wissen - NICHTS!", fauchte Verrill wutentbrannt.

    "Soll ich sie von Bord "geleiten"?", bot Hector an.


    "Nein, sie wollten eh gerade gehen, nicht wahr?", fragte Verrill grimmig und zückte ihr eigenes Schwert.

    "Nein das ist nicht wahr, hör Dir wenigstens an, was Dein Bruder zu sagen hat. Beim wichtigsten Teil warst Du ohnmächtig", verlangte Linhard.








  • Ciel war erleichtert, dass Linhard Hector von seiner Frau fernhielt, so musste er sich nicht auch noch mit diesem Kerl rumschlagen. Ihn störte jedoch ganz gewaltig der Wigberg, den er fast übersehen hätte. Er stand im Hintergrund und wirkte harmlos, während hinter seinem Rücken das Meer zu kochen begann. Er drehte sich nicht einmal um, er wusste, was da kam. Der Tag der Abrechnung würde einst auch Vendelin treffen, das war gewiss, doch im Moment hatte Horatio Priorität.


    "Ich bete Dunwolf nicht an, garstiges Geschöpf, im Gegenteil, ich dachte daran, ihn mir nutzbar zu machen gleich einer lebenden Trophäe. Er sollte als magischer Kriegsgefangener meinem Befehl folgen und das wird er, wenn es so weit ist. Aber offenbar trachtest du danach, ihm Gesellschaft zu leisten, manipulative Kreatur!


    Es gibt keinen Weg, um das Zehren eines Lichs zu verhindern, er zehrt immer und überall von jedem. Um deine Haut zu retten, befehle ich dir, mich zunächst darüber zu informieren, wo genau dein Hort liegt und wie du glaubst, uns von deiner Widerwart abzuschirmen. Dass dies nicht gelang, zeigt das Beispiel meiner armen Schwester und meines bedauernswert verblendeten Vaters. Aber mich täuschst du nicht, Geschöpf der Nekrose! Das ist, was dich stört, dass du mich nicht zu deiner Marionette machen kannst, nicht wahr?


    Und außerdem", Ciel schaute schnippisch, "gehört dieses Schiff meinem Coutilier!" Er zeigte ohne hinzusehen auf Boldiszàr, der blöd aus der Wäsche glotzte.