Kapitel 25 - Kind der Nacht

  • Kind der Nacht


    Dunwolf hatte sich von Leopoldius getrennt. Sie mussten schnell und effektiv handeln. So lange ihr Vater nicht zugegen war, mussten sie dessen Brut finden und mit ihr kurzen Prozess machen. Dun fühlte für den Bruchteil einer Sekunde einen Stich, wenn er an Poldi dachte. Nicht den Stich eines Dolches im Rücken, sondern einen im Herzen, da er seinen Bruder vermisste. Nicht nur dessen Anwesenheit, sondern er vermisste ihn auf spezielle Art. Jener Art der brüderlichen Lieben die ihnen stets versagt bleiben würde. Dennoch hatten sie einen Teil davon wider aller Regeln gelebt, hatten von dem verbotenen Wein gekostet und befanden sich nun in einer außergewöhnlichen Lage, jedenfalls für Hohenfelde.


    Der Fuss des Turmes der das private Reich ihres Vaters markierte war in absoluter Finsternis gehalten. Dunwolf hatte ein ungutes Gefühl, als er sich wie eine Schlange in das Gewölbe schlich, darauf bedacht das Küken aus dem Nest zu rauben. Mit wachsamer Vorsicht suchte Dunwolf nach einem Aufstieg in die Etagen über ihm. Bis hierher war alles gut verlaufen, er durfte jetzt keinen Fehler machen. Leopoldius suchte auf seine Weise und einer von ihnen würde Erfolg haben, es musste so sein.


    Leise schloss er hinter sich die schwere Tür. Dies hier war Vaters reich und er fühlte tausend Augen auf sich ruhen. Die kleinen Haare an seinen Armen und im Nacken stellten sich auf. Gefahr. Die ganze Feste war ein Hort der Gefahr, aber hier war etwas, dass eine unmittelbare Bedrohung darstellte. Bereits hier? Nun wieso nicht? Wer bewachte nicht die Tür in seine Privatgemächer?


    Mit absoluter Lautlosigkeit zog Dun seinen schwarzen Dolch. Die Waffe reflektierte nicht das geringste Licht. Mehr noch, sie schien Licht das auf sie fiel zu absorbieren. Ein winziges Knirschen über ihm ließ Dunwolf reflexartig wie eine Viper zur Seite zucken und seinen Dolch nach vorne reißen. Keinen Sekundenbruchteil zu spät. Etwas Helles war derart schnell an ihm vorbeigeschossen, dass er sich sofort seiner Magie hingab. Was beim Weg der Ältesten war das für ein Ding?


    Dun konnte es nicht erfassen und drehte sich kampfbereit einmal um die eigene Achse. Ein brutaler Schlag traf ihn vor der Brust, schleuderte ihn rücklings zu Boden und schneeweiße Haare hüllten sein Gesicht ein. Er benötigte einen Wimpernschlag um seinen Dolch vor seine Kehle zu reißen. Vier Dolche knallten um die Klinge der Waffe zusammen. Dolche, Zähne, die ihm fast die Kehle aufgerissen hätten!


    Die Düsternis, die Kühle, die maßlose Gefahr und Angst die diese Kreatur alleine nur durch ihre Präsenz erzeugte war phänomenal. Was hatte ihr Vater da geschaffen? Dies ging weit über jeden Lebenden hinaus, dieses Ding war wirklich ein Humunkulus und er hatte ihn gefunden. Oder der Humunkulus ihn!


    Dunwolf blickte für einen Sekundenbruchteil in den Fangzahnstarrenden Rachen seines Widersachers. Fangzähne, Eckzähne messerscharf und so lang wie sein kleiner Finger! Der Rest des Gebisses seines Feindes nicht weniger bedrohlich. Einen Atemzug später trat er zu und katapultierte den jungen Mann hinter sich. Dieser rollte ab, sprang auf die Beine und war mit einer Bewegung der Dunwolf kaum mit Augen folgen konnte aus seinem Sichtfeld verschwunden. Dunwolf duckte sich tiefer und dankte seinen Vorfahren für den Dolch der Finsternis.


    Ein brutaler Schlag gegen seine Schulter, ließ ihn mit dem Dolch schlitzend herumwirbeln. Nichts. Leere. Schatten. Dunkelheit. Seine Magie war nutzlos gegen diese Kreatur, bis ihm einfiel wo er sich befand. Das hier was Ditzlins Reich!


    Sie beide umschlichen sich, vermutlich sah diese Kreatur ihn. Dun sah sie nicht. Doch was dieser Tropf von Sohn nicht wusste war, das ein Hohenfelde sein Opfer nicht sehen musste, um es zu töten. Dunwolf schloss bewusst die Augen und verließ sich auf sein Gehör. Ein minimales Geräusch und sein Dolch zuckte blitzartig in die Richtung. Die Klinge fraß sich in Fleisch und riss sich wieder frei, gefolgt von einem Knurrlaut den keine menschliche Kehle hervorbringen konnte.


    Dun konnte den Laut dennoch deuten.

    Schmerz....


    Erneut zuckte sein schwarzer Stahlzahn vor und forderte seinen Tribut in Blut. Der nächste Angriff landete weder in Fleisch, noch im Nichts, sondern wurde mit einem brutalen Schlag abgelenkt. Der Hieb der danach folgte war derart blitzartig, dass es an Abartigkeit grenzte. Dunwolf kassierte einen brachialen Fausthieb in das Sonnengeflecht und zeitgleich einen Tritt an eine unheilige Stelle. Beim Abgrund!


    Keuchend brach er in die Knie. Schlagartig schwand jegliche Kraft aus seinen Händen und Handgelenken, als sein Körper ihn im denkbar schlechtesten Moment im Stich ließ.Wer trat einem hinterrücks derart in die Eier?!? Und wieso hatte er keinen Schutz an? Gut er dachte es ging gegen ein Baby, dieses Baby war alles andere als ein Säugling. Es war ein verdammter Schrumpf-Erwachsener aus dem Abgrund!


    Gefühlt erschlaffte sein ganzer Körper, er stolperte rückwärts und starrte zu seinem bleichen Widersacher empor. Die Kreatur trug keine Waffen, der bleiche Kerl grinste zähnefletschend und öffnete mit einer zuckenden Geste seine prankenartigen Hände. Das waren keine langen Nägel, das waren messerscharfe Klauen die diese Kreatur trug. Zu lange gestarrt!


    Dunwolf spürte den Schlag mehr als das er ihn sah. Sein Oberkörper zuckte noch zurück, aber ganz konnte er dem Krallenhieb nicht mehr ausweichen. Er fühlte wie eine der Klauen durch sein Gesicht schnitt, Fleisch durchtrennte, aber sein Auge glücklicherweise verschonte. Dunkelheit bestürmte sein Sichtfeld, wie er es nie zuvor erlebt hatte, dicht und pulsierend um mit jeder Sekunde zuzunehmen.


    Blut.

    Sein Blut.


    Zum zweiten Mal in kürzester Zeit kam ihm das Unmögliche in den Sinn.... die Aussicht darauf, dass er tatsächlich sein Leben verlieren konnte. Eine Wandlung ging in dem Humunkulus vor und schlagartig stand keine Mordlust mehr in seinen Augen. Nein etwas Grausameres stand ihm ins Gesicht geschrieben.... Hunger.


    Dun wischte sich das Blut aus den Augen, riss seinen Körper herum und sich regelrecht auf die Beine. Wo gerade noch seine Kehle gewesen war, schlugen die Zähne seines Widersachers wie eine Schere zusammen. Dunwolf schmiss sich Richtung Tür, riss sie mit aller Brutalität auf und knallte sie hinter sich zu. Auf der anderen Seite donnerte ein Körper dagegen.


    "Ich finde Dich...", zischte eine viel zu tiefe Stimme.


    Aber da war Dunwolf schon fort, fluchend auf der Suche nach seinem Bruder.

  • Selten sah man einen Hohenfelde durch die Gänge und Hallen der Feste sprinten. Es sei denn, das große Schlachten war eröffnet. Keiner Bewohner der Feste wagte es, Dunwolf im Weg zu stehen, während dieser an ihnen mit blutüberströmten Gesicht vorbei hetzte. In den Leseräumen seines Vaters fand er seinen Bruder. Er suchte vermutlich von hier aus eine Aufstiegsmöglichkeit in den Turm. Dunwolf kam schlitternd vor Leopoldius zum Stehen.


    Für einen Moment musste er nach Luft schnappen und das er! Jeder Hohenfelde war trainiert, war er das nicht, lag er unten in der Leichenhalle.


    "Poldi...", keuchte Dunwolf und wischte sich mit dem Unterarm erneut über das stark blutende Gesicht. Sein schwarzes Haar klebte ihm am Schädel und im Gesicht, da er das Blut verschmiert hatte.


    "Poldi... ich habe unseren Bruder... gefunden. Beim Weg unserer Vorfahren, Nicodemus ist kein Säugling. Er ist ein Erwachsener! Kleiner als wir, wie eine Schrumpfausgabe eines Erwachsenen aber da hört es noch nicht auf. Dieses Ding ist schlimmer als jeder Lebende sein könnte. Es ist ein Verdreher Poldi. Er ist bleich, grau, wie die Asche die uns umgibt...


    Er ist schnell, verdammt schnell... seine Reflexe sind grauenvoll effektiv....

    Er hat mich im Fuße des Turmes gestellt... er hat mir aufgelauert!


    Dieser schwachsinnige Düsterling und sein Gefasel von seine Milch ist Blut! Wäre er nicht schon tot, wäre er es jetzt, das schwöre ich Dir!

    Du hast keine Ahnung was Vater geschaffen hat. Das ist kein Kind, das ist eine Waffe!

    Er hat Hände wie Bratpfannen und keine langen Nägel wie man sie zur Schau trägt. Er trägt Krallen, Klauen, rasiermesserscharf. Schau Dir mein Gesicht an....


    Er hat mich fast überrumpelt... fast. Er wollte mir in die Kehle beißen, dieses wahnsinnige Vieh. Nur mein Dolch bewahrte mich davor, seine Zähne in meinem Hals zu spüren. Sie knallten keine Handbreit vor mir zusammen. Ich hatte zum Schutz den Dolch nach vorne gerissen und sie schlugen auf ihm zusammen. Es brach nichts ab. Vier gewaltige Fangzähne. Die oberen viel länger, als die unteren. Scharf wie Klingen. Der Rest des Mauls gefüllt mir Zähnen die nur dazu gemacht sind Fleisch herauszureißen....


    Schau Dir an, was er mit meinem Gesicht gemacht hat....

    Ich bin ihm so gerade noch entkommen Poldi... er ist schnell... sehr schnell.... viel zu schnell und ich bin wirklich nicht langsam...


    Aber ich habe mein Fell teuer verkauft. Zweimal habe ich ihn meinen Dolch schmecken lassen. Einmal hat er sich tief in das Fleisch der Kreatur gefressen und sich freigerissen. Es hat geknurrt, es hatte Schmerzen... scheinbar eine ganz neue Erfahrung für dieses Ding....

    Wir müssen uns eine andere Strategie überlegen Poldi... einfach hin und es entfernen ist nicht....


    Vater ist nicht unser einziges Problem... Ditzlins Magie im Turm ist eine magische Mauer des Schutzes...

    Der Drecksack ist gut, sehr gut... zu gut...

    Dieses Balg... als ich blutete wandelte sich seine mörderische Miene in abgrundartigen Hunger....

    Ich bin vor ihm geflohen... vermutlich ist es noch im Turm oder treibt sich jetzt in der Feste herum...


    Kannst Du mein Gesicht untersuchen und vielleicht.... nähen?", bat Dunwolf sichtlich erschöpft und schaute seinen Bruder an.

  • Leopoldius ließ sich nicht anmerken, was in ihm vorging, als er das entstellte Gesicht seines kleinen Bruders sah. Wortlos winkte er ihm, mitzukommen und führte ihn in seine privaten Gemächer.


    Dort setzte er Dunwolf auf einen gepolsterten Stuhl und holte einen Erste-Hilfe-Koffer. Dies war keine Erfindung eines Hohenfeldes ... aus dem Heer des Festlands stammte der eigentümliche Brauch, sich um seine Verwundeten zu sorgen, statt sie magisch und physisch zu verwerten. Leopoldius´ Spione hatten sie mit dem Schiff mitgebracht, wie so manch anderes. Es war das erste Mal, dass er testete, was er einst gelernt hatte, um sich selbst versorgen zu können.


    "Es wird wehtun. Nicht zucken."


    Er tränkte einen Lappen mit einem Gemisch, dass nach scharfem Alkohol und Alchemie stank. Damit wusch er vorsichtig Dunwolfs schönes Gesicht. Von ihnen dreien hatte es die Natur mit ihm am besten gemeint. Am besten mit dem Äußeren und am besten mit der Magie. Kurzzeitig bluteten die Wunden noch stärker.


    Leopoldius zog einen festen Garn auf eine gekrümmte Nadel. Dann begann er vorsichtig zu nähen, so wie er es gelehrt bekommen hatte von jenen, die nach anderen Gesetzen lebten. Jenen, die einander halfen anstatt zu vernichten, was nicht mehr heil war. Asamura, das Festland, an das Leopoldius sein Herz verloren hatte, ohne es je betreten zu haben.


    Langsam richtete er sich auf und betrachtete sein Werk. Er lächelte, betrachtete Dunwolf mit all seinen Nähten. "Verwegen. Nun noch einmal langsam." Behutsam räumte er den Erste-Hilfe-Koffer wieder zusammen und verwahrte ihn in einem Schrank. Dann schenkte er ihnen beiden heißes Blut vom Kamin ein, wo eine Kanne bereitgestanden hatte. "Der vierte Sohn ist also dazu gemacht, als Sieger hervorzugehen, bedacht mit unfairen Vorteilen. Nicht nett von Vater, die Regeln zu beugen."

  • Dunwolf hielt still, während ihn sein Bruder versorgte. Das es schmerzte war gut, so war er eindeutig noch am Leben und nicht von dieser Brut aus dem Abgrund geholt worden. Das Poldi ihn wirklich versorgte, freute Dunwolf. Nun er versuchte es darauf zu schieben, dass sie Waffenbrüder waren. Warum sollte Poldi auch allein gegen so ein Ding antreten, wenn er ihn als Überlebenden an seiner Seite haben konnte? Ein Blick in Poldis Augen sagte ihm, dass ein ganz anderer Grund dahinter steckte.


    Und auch er war nicht bei Poldi aufgeschlagen, um sich seines Kampfbeistandes zu versichern. Er war hier, weil er ihm vertraute und weil er sich zu jemanden zurückziehen musste, der ihn nicht zum Fressen gerne hatte. Das Nähen war weit weniger schlimm als Poldi angekündigt hatte. Nur das mit dem Alkohol vorher trieb ihm die Tränen in die Augen.


    Dunwolf nahm das angebotene, warme Blut mit beiden Händen entgegen und trank genüsslich einige Schlucke, bevor er zu seinem Bruder aufschaute und durchatmete.


    "Verwegen? Danke Poldi. Du hast völlig Recht, Vater hat die Spielregeln geändert. Er hat ein Kind geschaffen, dass nicht sein dürfte. Er hat ihm alles gegeben und noch wesentlich mehr... Zähne, Klauen, Reflexe und ich weiß nicht ob dieser Bruder trainiert ist. Sollte er es nicht sein... Gnade uns der Älteste...


    Aber nichts ist vollkommen Poldi.... wir nicht... Vater nicht.... und sein "Meisterwerk" sicher auch nicht... auch Panzer haben eine Schwachstelle... wir müssen sie nur finden. Irgendeine Idee anhand meiner Schilderung?", fragte Dunwolf.

  • Dunwolf genoss die Fürsorge seines großen Bruders sichtlich, schloss sogar die Augen, als würde das Nähen ihn entspannen, obwohl es zweifelsohne schmerzhaft war, wie Nadel und Faden durch seine Schnittwunden glitten und sie zusammenzogen. Der Schmerz trat jedoch vor der behütenden und bewahrenden Geste in den Hintergrund.


    Als Leopoldius und Dunwolf gemeinsam am Tisch saßen, war Leopoldius nicht wirklich bei der Sache. Er stützte sich auf, sah Dunwolf nicht mehr in die Augen, rieb sich das kalte Gesicht. Der Kamin war nur kurz angeheizt worden, wie immer, die im Gestein gespeicherte Restwärme musste genügen.


    "Ja, ich habe die Schwachstelle identifiziert. Vater will, dass diese Kreatur uns drei überlebt. Nicodemus soll jener Sohn sein, der am Ende von uns übrig bleibt. Die Schwachstelle ist, dass Vater dieses Geschöpf liebt."

  • Dunwolf starrte seinen Bruder an, als hätte er das letzte Wort nicht richtig verstanden. Es schien eine Zeit zu dauern, bis die Information in seinen Verstand gesickert war. Dun strich sich nachdenklich über das Gesicht und bereute die Geste sofort.


    "Er liebt ihn.... das heißt, würden wir dieses Ding in unsere Gewalt bekommen, wäre er erpressbar. Aber... wenn unsere Vermutung stimmt... genau das wird sehr schwer Poldi. Denn Vater wird mit dieser Kreatur ab dato wie eine Einheit agieren...

    Die Macht die nun die Kreatur trägt... gepaart im Duett mit seinem uralten Wissen...


    Falsch!

    Falsch, falsch, falsch, ich habe eine geniale Idee wie wir an dieses Balg kommen!

    Ich habe es doch selbst gesehen... ich sah es in seinen Augen Poldi.... es hungert.... es hat gewaltigen Hunger....


    Wir locken das Ding mit einem passenden Köder aus seinem Versteck....

    Und haben wir das Ding, ist es der Köder für Vater....


    Unbekannte Varibale in dem Spiel ist Ditzlin.... aber so unbekannt ist die Variable nicht mehr... denn wen liebte Vater bis dato? Diesen lebenden Lauschangriff von einem Wigberg. Also ist dieses bleiche Grauen irgendwie mit ihm verbunden, vielleicht sogar von seinem Blut...

    Das kann ja heiter werden....


    Poldi wir müssen das Ding einfangen, Vater damit erpressen und Ditzlin töten... wir haben mal wieder die ganze Scheiße am Stiefel", lachte Dunwolf sein wölfisches Kläffen.

  • Blut und Blessuren


    Hatte ihn Indu nicht vor den anderen gewarnt? Schwere Beute war dennoch... Beute. Mürrisch hockte Nico oben im Turm, von dem sein Widersacher nicht den Zugang gefunden hatte. Wie auch? Die Magie von Indu und Ditzlin verbarg dass, was für fremde Augen nicht bestimmt war. Und jene von Ditzlin schuf eine Mauer. Mauern konnten schützen oder einschließen. Nun manche Mauern taten beides.


    Nico nahm vorsichtig den Stofflappen weg und betrachtete seinen rechten Unterarm, der vom Ellenbogen an der Länge nach aufgeschlitzt worden war. Schmerzen.... Eine klaffende Wunde verursachte grausame Schmerzen, etwas das seine Mahlzeiten kennengelernt hatten, bevor sie seinen Hunger stillten. Für ihn selbst war dies eine ganz neue Erfahrung. Eine auf die er gerne verzichtet hätte, aber sie war notwendig gewesen, um sein Weltbild gerade zu rücken.


    Erste Lehrregel die er nun vollständig begriff und nicht nur Worte aus dem Munde seines Vaters waren, ein Opfer das sich wie keines verhielt, war auch keines!


    Richtig, dieses Opfer hatte sich nicht wie eines verhalten, es hatte weder gezittert, noch gebettelt, noch war es irgendwie zu beeindrucken gewesen. Nun doch... für einen Sekundenbruchteil stand Unglauben in den Augen dieses Blutbeutels. Aber was nützte das? Er wusste er war schnell, schneller als die meisten die ihn umgaben und so taten als könnten sie ihm etwas beibringen. Er wusste er war ein Kind und hatte noch so viel zu lernen. All das was ihm sein Vater geschenkt hatte, war ein Buch... nein eine Bibliothek an Wissen... und er hatte nicht einmal das erste Buch aufgeschlagen um die erste Seite zu lesen!


    Er war ein kleiner, arroganter Schnösel, der sich in Papas Schutz sonnte und meinte die Welt zu kennen. Er kannte seine Welt mehr nicht und diese bestand auf Vaters Turm. Nicodemus war wütend, unsagbar wütend. Aber nicht auf seinen Bruder den er so gerne ausgetrunken und ausgeweidet hätte. Auch nicht auf seinen Vater, seine Wut galt allein ihm selbst. Warum war er ständig in letzter Zeit so jähzornig und bockig? Er konnte es sich selbst nicht erklären.


    Doch der Schnitt heute hatte wie eine Buchhalternase einen Schnitt unter diese Billanz gerissen. Der andere in seiner Schulter war nicht der Rede wert. Bestenfalls ein Schmiss der sich bereits wieder schloss.


    Die Tür ging und fiel scheppernd ins Schloss, so das Nico fast augenblicklich senkrecht im Bett saß. Indu war mit wenigen Schritten bei ihn, ergriff ihn am Arm und zerrte ihn auf die Füße. Ein Zischen versteckte sein Wimmern, so fest umfasste sein Vater den lädierten Arm.


    "Was beim Abgrund ist das?", fragte Indutiomarus mit einer Stimme schärfer als geschliffener Stahl.

    "Ein Schnitt...", antwortete Nicodemus kleinlaut.


    Die bleichen Augen seines Vaters verfinsterten sich und für einen Atemzug bekam Nico einen Eindruck davon, wie Indu wohl wütend aussehen musste. Aber so schnell wie das Unwetter über dieses Anlitz gezogen war, verschwand es wieder.


    "Das weiß ich Nico.... wer hat das getan? Besser gefragt... wo hat er es getan? Wo warst Du?", hakte Indu mit milder Miene nach. Er liebte dieses Kind, aber leicht war es nicht ein Kind zu erziehen. Insgeheim fragte er sich, wie das andere Väter hinbekamen, was er nun hinbekommen musste. Der Erzhexer ließ den Arm seines Sohnes los und untersuchte die Wunde behutsam.

    "Unten... ich habe unten im Fuße des Turmes Geräusche gehört... jemand war dort.... warm, Blut auf Beinen...

    Einer meiner Brüder dem Geruch nach. Er kämpfte besessen, mit einem Dolch und er war verdammt schnell... angstlos... mörderisch...


    Ich hatte solchen Hunger Indu... ", erklärte Nicodemus schuldbewusst.

    "Nico wir alle haben hier ständig Hunger.... es gibt nicht mehr genug für jeden von uns... deshalb die Kriege... Ich werde das Problem lösen... ich löse es...", antwortete der Erzhexer Indutiomarus seinem Sohn und küsste ihn auf die Stirn.


    Er rief mental nach einem der Heiler und der nächsten Mahlzeit, beides in einer Person.