Fäden des Schicksals

  • Nicht von ungefähr nannte man ihn "die Lotosspinne". Die Fäden, die seine Agenten woben, umspannten weite Teile der Welt. Ein unsichtbares, tödliches Netz. Im Zentrum von allem saß Vendelin von Wigberg und hielt die Fäden in der Hand. Weder der Tod seiner Eltern noch die Niederlage gegenüber dem Roten Hahn, der mithilfe der Bluthexer und Himmelsaugen seinen geplanten Putsch aufdeckte, hatte seine Machtposition langfristig geschwächt. Riss ein Faden, wob Vendelin einen neuen. Heute war ein solcher Tag, an dem er einen weiteren Schicksalsfaden spann.


    Die Vorbereitungen waren, wie immer, langfristig erfolgt. Vendelin hatte sich die zerstückelten Überreste des Veyd von Wigberg von Garlyn aushändigen lassen. Treu und brav hatte der Ghul getan, was er tun konnte, auch wenn sein Magen knurrte und er hier und da schon geknabbert hatte.


    Im Keller des Herrenhauses von Hohenfelde ruhte Veyds zerstörter Leib seither auf Eis.


    Der nächste Schritt war gewesen, Davard von Hohenfelde ruhig zu stellen, der Veyd hatte ermorden lassen. Nur mit großem Aufwand und unter aller Aufbietung seiner Schauspielkünste war es ihm gelungen, einen Frieden auf tönernen Füßen herauszuhandeln, doch besser als keiner. Der alternde Geistmagier war vorerst mit seinem Schützling Jerome beschäftigt, den Vendelin ihm organisiert hatte, und Vendelin war vorerst aus dem Fokus.


    Und so kam es, dass Vendelin zu gegebener Zeit ungestört und unbemerkt seinen Verwandten Osmund von Wigberg in Naridien auf ein Kaffeekränzchen besuchte.

  • Das Haus von Osmund von Wigberg war im Gegensatz zu seinem Besitzer derart unscheinbar, dass niemand auf dessen Besitzer geschlossen hätte. Jedenfalls keine Person außerhalb ihrer Familie. Das Haus war eine Fassade, es trug den Nerz nach innen, wie man so schön sagte. Von außen war es ein Haus, das bereits in die Jahre gekommen war. Wer hier wohnte, hatte einige Reparaturen vor sich. Hier und da war ein Stück Putz abgeblättert und wartete bereits seit Jahren darauf, erneuert zu werden.


    Das braun rote Backsteinhaus grenzte an einen kleinen gemauerten Schuppen, der zu dem Haus gehörte. Auf drei Seiten das Haus frei. Vorder-, Rückseite und die rechte Seite, wenn man frontal auf das Haus blickte. Diese Seiten grenzten an kein Nebengebäude. Mehr noch rechts außen führte eine kleine Treppe vorbei, die Besucher zusätzlich verlangsamte. Im Zweifelsfall kostete dies manche Besucher nur wenige Atemzüge, aber diese reichten dem Bewohner schon aus, um unpassende Gäste entsprechend zu empfangen.


    Die Fassade auf die Vendelin bei seiner Ankunft blickte, war die eines Hauses, das schon bessere Zeiten gesehen hatte. Die unteren Fenster waren nicht einsehbar, vor dem Haus war Efeu gepflanzt, das schon lange keinen Schnitt mehr gesehen hatte. Unkontrolliert wucherte es hoch bis in die dritte Etage und klammerte sich eisern an der Fassade fest. Doch ein Wigberg sah etwas anderes, als gewöhnlicher Passant. Er sah, dass das Efeu genau so wuchs, dass die Fenster des Hauses teilweise verdeckt waren. Es war niemandem möglich, in das Haus hinein zu schauen. Doch hinaus schauen konnte man problemlos.


    Auf der zweiten und dritten Etage befanden sich jeweils ein Erker, ein kleiner Balkon der wie ein nach außen gelagertes Zimmer wirkte. Und genau dies waren diese winzigen Räume auch. Auf die Entfernung hätte auch hier so mancher Passant sich gefragt, warum die schönen Buntglasfenster nur so verdreckt waren. Ein bisschen mehr Pflege und sie würden in ihrer alten Farbenpracht erstrahlen. Aber das, was wie Dreck anmutete war keiner. Auch die Fenster der Erker schützen vor neugierigen Blicken.


    Vendelin wusste, dass er das richtige Haus gefunden hatte. Osmunds Wahl seines neuen Hauses in Naridien, genauer gesagt in Shohiro war über jeden Zweifel erhaben. Ein Wigberg erkannte die Botschaft dieses Bollwerks, man würde es nicht oder nur unter größten Schwierigkeiten betreten können. Verlassen würde man es danach vermutlich nie wieder. War man in diesen Mauern jedoch willkommen, konnte man kaum sicherer sein.


    Gerade als Vendelin den schweren Klopfer der Tür betätigen wollte, schwang diese lautlos auf und gab den Weg in einen finsteren Flur preis. Ein altbekannter Geruch schlug ihm entgegen, der Duft von Kräutern, Staub, gutem Essen und Macht.

  • Vendelin sollte mit seiner Vermutung Recht behalten, denn kaum hatte er einige Schritte in das Haus hinein getan, ging die Tür hinter ihm zu. Schwer war sie, der Klang war dumpf als sie sich schloss und Vendelin konnte förmlich hören wie dick diese Tür sein musste. Ein Wigberg liebte es in seinem Hort sicher und abgeschieden. Hier bildete Osmund keine Ausnahme, was die Vorlieben seiner Familie anging.


    Der Duft von Kräutern, Speis und Trank wurde stärker als plötzlich ein Mann vor Vendelin stand. Gut gekleidet, hager und mit ernstem Gesicht deutete er dem Gast an, ihm zu folgen. Das Haus war in einer Art schummrigem Dämmerlicht gehalten, aber das was Vendelin zu sehen bekam, war eindeutig Osmunds Geschmack.


    Der Diener blieb vor einer offenen Tür stehen und deutete hinein. Vendelin sah in ein Zimmer das nicht nur repräsentativ war, sondern auch luxuriös.Das Mobiliar war in dunklem Holz gehalten und verströmte gediegene Gemütlichkeit. Bücher, sowie gutes Essen standen generell und im Moment im Mittelpunkt in diesem Raum.


    Insbesondere der Genuss unterschiedlicher Lebensmittel und das Fachsimpeln darüber, standen hier im Vordergrund. Das Zimmer war dafür selbstverständlich mit bequemen Sesseln und Sitzmöglichkeiten ausgestattet. Dekoriert war das Zimmer mit Gegenständen die mit Osmunds Leidenschaften in Verbindung standen, wie kostbare Mitbringsel von Reisen, teuere Dekorationen und erneut Bücher die ihren ureigenen Duft verströmten. Es gab kaum einen Wigberg, der diesem Duft widerstehen konnte, denn es war der Duft von Wissen.


    Osmund schaute auf und schmunzelte Vendelin an.

    "Willkommen in meinem gemütlichen Heim Vendelin. Setz Dich und erzähle mir, was Dich hierher verschlagen hat", grüßte Osmund seinen Gast.

  • Dieser Ort war mehr als ein Haus - er war ein zu Hause. Vendelin fühlte sich auf Anhieb wohl in dem dämmrigen Labyrinth, dessen Winkel manchen Schatz bargen. Verzückt strichen seine Blicke über all die Reize, die sie fanden.


    Das Lächeln seines Verwandten erwiderte er. „Osmund, mein Lieber. Zu lange ist es her. Danke für deinen Empfang. Bevor ich zum Wesentlichen komme, gestatte mir ein Kompliment. Dein zu Hause ist ein Traum, gewoben aus Sinnesreizen und Behaglichkeit. Wer ist die Person, die hier zu dienen scheint?“


    Mit diesen Worten ließ Vendelin sich in einem der bequemen Stühle nieder.

  • Osmund nickte erfreut über das Kompliment und machte eine einladende Geste, um seinen Willkommensgruß zu unterstreichen.


    "Vielen Dank für die freundlichen Worte Vendelin. Ein Mann in meinem Alter muss behaglich leben. Verlangt einem das Leben nicht schon genug ab? Umso mehr benötigt man ein Zuhause, dass den Namen verdient und der Bezeichnung gerecht wird. Jedenfalls ist das meine Auffassung und wenn ich ehrlich bin, habe ich nie anders gelebt. Ich bin ein Mann der Gemütlichkeit zu schätzen weiß, ebenso wie gute Küche und herrliche Bücher.


    Die Person die hier dient ist absolut vertrauensvoll, da es sich um meinen Ghul handelt. Er begleitet mich überall hin, hält sich aber stets im Hintergrund, solange ich seiner Dienste nicht bedarf. Hier jedoch verhält sich das freilich anders. Er kümmert sich um das Haus und alle anfallenden Arbeit. Selbstverständlich gehört ebenso der Empfang der Gäste dazu. Die willkommenen Gäste werden so herzlich empfangen wie Du mein Lieber.


    Aber nun setzt Dich doch", bat Osmund schmunzelnd und faltete die Hände über seinem stattlichen Bauch zusammen. Seine Finger waren wie eh und je mit langen Krallen und reichlich Ringen geschmückt. Ganz so wie es der alte Wigberg liebte.

  • "Ah, die unappetitlichen Ghule, ja. Ich habe ja selbst einen geerbt, der mich regelmäßig mit seinen kulinarischen Vorlieben behelligt. Womit wir über einen kleinen Umweg beim Thema wären. Es geht um unseren Verwandten, Veyd von Eibenberg. Einem mir teuren Verwandten, wie ich hinzufügen möchte. Dir ist vielleicht aufgefallen, dass man von ihm seit geraumer Zeit nichts mehr hört."


    Vendelin klang gefasst, doch ließ er zu, dass Osmund eine ehrliche Gefühlsregung in seinem Gesicht sah, das sonst einer beweglichen Maske glich, eine fassungslose Trauer. Seine Stimme behielt ihren sachlichen Ton bei, als er fortfuhr:


    "Er kann nicht mehr von sich hören lassen. Der Grund liegt in Veyds Ermordung. Täter war niemand anders als jener Unsicherheitsfaktor namens Davard von Hohenfelde, über dessen Gebaren sich einige von uns schon sehr lange ärgern. Das Konzil ist Geschichte, es war eine Idiotie von mir, anzunehmen, dem Wort eines Hohenfelde sei irgendein Wert beizumessen. Es sind keine Edelleute, nur Relikte der Vergangenheit, die durch eine unglückliche Fügung den Zusatz "von" im Namen tragen. Nichts an ihnen ist edel, nicht das inzestuöse Blut, noch das Verhalten."


    Er atmete durch, musste sich bewusst beruhigen, da ihn der Tod von Veyd innerlich zutiefest erschüttert hatte. Bislang war keine Zeit gewesen, Trauer zuzulassen. Sie war auch jetzt nicht und so fuhr er, wieder ruhig, fort:


    "Lassen wir meinen Schmerz außer Acht und konzentrieren uns auf die familienpolitischen Fakten. Im Prinzip haben wir eine Kriegserklärung des Hauses Hohenfelde gegenüber Eibenberg vorliegen. Die einzige Möglichkeit, die Blutfehde abzuwänden, wäre, wenn ein anderer Hohenfelde die Sache eigenhändig bereinigt. Es kommen spannende Zeiten auf uns zu. Den kleinen Linhard hatte ich hierbei im Sinn ... vielleicht sollte man ihn entsprechend kontaktieren. Weißt du, wer gegenwärtig Oberhaupt des Hauses Hohenfelde ist? Ich will eine Stellungnahme einfordern, bevor wir weitere Schritte erwägen."


    Vendelin schlug ein Bein vornehm über das andere und blickte Osmund in die Augen, deren obere Ränder von hängenden Lidfalten verdeckt wurden. Der alte Nekromant hatte viele Sommer und Winter verstreichen sehen, manch Familienoberhaupt kommen und gehen sehen.


    "Sollte die Blutfehde ausbrechen, stellt sich mir die Frage nach der Positionierung von Wigberg nicht, denn ich werde nicht mit Blutsverrätern paktieren. Zusammenhalt, das war stets unser Credo, daran wird sich nichts ändern. Wie siehst du die Angelegenheit?"

  • Der alte Nekromant schmunzelte nur, bei dem Kommentar über unappetitliche Ghule. Wer einen Ghul zu halten wusste, dem war bewusst, dass diese nur anfingen zu verwesen sobald sie hungerten. Bei Osmund jedoch kam kein Ghul in die Verlegenheit zu hungern und damit zu stinken.


    Anderen wiederum war ihre Gegenwart schlichtweg unheimlich. Wie ein kleines winziges Nagetier nagte die Angst an ihrem Verstand, sobald ein Ghul in ihrer Nähe war. War er ein Ghul nicht das Vanitas Bild schlechthin? Was verkörperte mehr die Vergänglichkeit des Lebens als eine Leiche? Eine wiederbelebte Leiche selbstverständlich.


    Ghule waren Kunst, die Stillleben eines Nekromanten. Ein gut genährter Ghul der nicht von einem Lebenden zu unterscheiden war, war das Symbol Ihrer Zunft, daran gab es für Osmund nichts zu rütteln.


    Mit dem üblichen, freundlichen, nichtssagenden Gesicht hörte Osmund seinem Verwandten zu. Das Veyd sich nicht mehr meldete, nachdem er verstorben war, war selbstverständlich. Nun für die meisten wäre es das gewesen. Osmund hingegen fragte sich, wie mächtig die Seele von Veyd wirklich war, wenn er nicht einmal versucht hatte mit jemanden Kontakt aufzunehmen.


    Allerdings entsann er sich einen Moment später, dass Veyd dies sehr wohl getan hatte. Der Mann war seinem Verwandten Wolfram sehr zugetan gewesen und die beide verband etwas. Was genau, dass wusste Osmund nicht zu benennen. Freundschaft vielleicht? Aber empfand ein Eibenberg Freundschaft? Oder begehrte Veyd Wolfram und dies war seine Forms des Ausdrucks. Ein Eibenberg konnte durchaus lieben, aber was sie liebten, wollten sie besitzen. Sie waren seit Anbeginn der Zeit Geschäftsleute, die ihre Schätze horteten.


    Osmund drehte das Weinglas zwischen seinen langen, fleischigen mit Krallen geschmückten Fingern, ehe er sich den Mund mit einer Seiden-Serviette abtupfte.


    "Mein lieber Vendelin, Deinen Worten und Deinem Auftreten nach zu urteilen, scheinst Du tief erschüttert über das Ableben von Veyd von Eibenberg zu sein. Wie nahe hast Du Veyd gestanden Vendelin? Eine derartige Gefühlsregung von Dir ist, nun sagen wir einmal außergewöhnlich. Jedenfalls bist Du sonst ebenso wie ich ein Meister darin Deine Gefühle zu verbergen.


    Du hast mich bewusst Deinen Schmerz sehen lassen. Was hat Euch verbunden?


    Deine Frage nach dem Familienoberhaupt kann ich Dir beantworten. Anwolf von Hohenfelde ist in Souvagne das Familienoberhaupt der Hohenfeldes. Linhard wurde des Landes verwiesen und sämtlicher Titel enthoben. Dies war mit eine der letzten Amtshandlungen von Duc Maximilien Rivenet de Souvagne, bevor er das Amt Dreux Gifford de Souvagne überreichte.


    Linhard kehrte nach Naridien zurück und da verliert sich seine Spur. Meiner Auffassung nach tauchte er unter, um völlig neu anzufangen. Er ist bedeutungslos Vendelin und nicht der Mühe wert.


    Eventuell solltest Du Dich mit Wolfram in Verbindung setzen. Es ist durchaus möglich, dass Euch beide mehr verbindet als Ihr vermutet. Jedenfalls scheint Euch Veyd nahegestanden zu haben.


    Davard hat also seinen Onkel Veyd von Eibenberg ermordet? Oder er hat ihn ermorden lassen. Eine wahrlich interessante Information.


    Wo befindet sich die Leiche von Veyd von Eibenberg? Was zu Veyds Ermordung geführt haben könnte, wird seine Untätigkeit gewesen sein. Macht man sich schuldig, indem man sich aus einem Familien internen Problem heraushält? Gibt es eine Verpflichtung zu handeln und zu helfen?


    Falls dem so ist, was bedeutet dies für uns? Im Grunde für uns alle?


    Der Zwist begann vor langer Zeit wie Dir bekannt ist Vendelin. Du hast geschickt und unerkannt in ganz ähnlichen Kreisen verkehrt. Du warst sogar tiefer involviert, als es Veyd jemals gewesen war. Nun Veyd verfügte auch nicht über Deine Fähigkeit oder Dein Können was Tarnung anbelangt. Sind wir ehrlich, Veyd betrieb im Grunde einen Waschsalon. Nur wusch er anstatt Kleider Geld.


    Die Traditionen im Hause Hohenfelde waren schon immer blutig. Schon weit vor unserer Zeit Vendelin. Sogar weit vor meiner Zeit. Das Haus verschlingt jeden Vendelin.


    Es ist Jahre her, dass Maghilia und ich Anwolf und Davard beigestanden haben im Disput mit Brandur und Linhard. Davard selbst hat sich größtenteils aus der Familie zurückgezogen, wie einst Wolfram. Nur waren die Gründe der beiden völlig unterschiedlich.


    Damit werte ich nichts, ich führe nur Fakten auf.


    Zwecks Ermittlung müssen wir von ganz vorne beginnen. Ist es sicher, dass Davard Veyd ermorden ließ? Was war der Grund dafür? Wie steht Anwolf als neues Familienoberhaupt zu der Sache? Weiß er davon? Noch wichtiger, wie steht Markward von Eibenberg zu dieser Sache, als Veyds Sohn?


    Auf der anderen Seite, was haben wir beiden persönlich davon oder unsere ganze Familie, eine Blutfehde loszutreten? Falls sich Eibenberg und Hohenfelde bekriegen wollen, können wir neutral bleiben. Sollen sie das unter sich ausmachen.


    Zumal, vielleicht möchten die beiden Familien gar keine Blutfehde eingehen. Auch dies wäre möglich. Weshalb sollten Markward und Anwolf sich die Fehde für Davards Mord aussprechen?


    Möglicherweise spricht Markward sie nur Davard aus?

    Oder er verlangt eine Wiedergutmachung?


    Bedenke er ist eine Eibe, sie denken in völlig anderen Bahnen als wir Vendelin. Nicht umsonst sind wir es, die die Trinität der Familie zusammenhalten. Weder die Eibenbergs noch die Hohenfelde sind dazu in der Lage. Falls jemand weiß, was Familienzusammenhalt bedeutet, dann wir.


    Dass sollten wir in Ruhe eruieren. Denn ebenso könnte das Wissen in unserer Hand mehr wert sein, als jede Offenlegung. Auch das muss bedacht werden.


    Und wieso interessierst Du Dich ausgerechnet jetzt für Davard und seine Tat? Weshalb geht Dir der Tod von Veyd so nahe? Was ist neben alledem noch geschehen Vendelin? Du bist sonst nicht so leicht zu erschüttern, kein Wigberg ist dies. Aber Du? Du bist aus noch härterem Holz geschnitzt, als die meisten von uns.


    Wo ist die Leiche von Veyd und in welchem Zustand befindet sie sich? Du wirst mich nicht umsonst aufgesucht haben. Dir ist bewusst, was dies bedeuten würde sollte ich helfen. Veyd wird zu einem Ghul", antwortete Osmund freundlich und widmete sich seinem Dessert.

  • "Das Konzil?", fragte Vendelin und öffnete in einer Geste der Hilflosigkeit die gepflegten Hände. War denn alles null und nichtig? In den Augen von Osmund sucht er ein Verstehen, welches er nicht fand. "Es gab entsprechende Vereinbarungen zur Ächtung von Gewalt innerhalb der Sippe", versuchte Vendelin zu erklären. "Das ist noch nicht lange her."


    Er ließ eine Pause, doch Osmund antwortete nicht. So fuhr Vendelin fort.


    "Ich habe ein natürliches Interesse an der Klärung dieser Angelegenheit, da meine Frau Isabella eine Eibenberg ist. Die Mutter meines Sohnes Moritz. Mein Zweig unterhält aus gutem Grund seit Generationen keine direkte Verwandtschaft zu Hohenfelde, wohl aber zu den sehr viel nützlicheren und zuverlässigeren Eibenbergs. Natürlich ist mir folglich daran gelegen, dass Eibenberg nicht der Willkür anderer ausgesetzt ist! Was scheren mich Hohenfeldes kriminelle Traditionen? Warum sollte ich Verständnis dafür haben, dass meine Verwandten ermordet werden?"


    Doch musste Vendelin erkennen, dass er bei Osmund vor verschlossenen Toren stand. Er ließ die Hände wieder sinken und wirkte unnahbar wie eh und je. Auch er hatte seine Tore verschlossen.


    "Nun, es ist wohl an der Zeit für mich, zu akzeptieren, dass das Konzil fehlgeschlagen ist", fasste Vendelin zusammen. "Es war das naive Konstrukt eines Träumers. Ich werde die Auflösung des Vertrages mangels Sinnhaftigkeit verkünden." Vendelin erhob sich. "Ich danke dir für deine Gastfreundschaft, Osmund.


    Was mich mit Veyd verband - ein wohlgehütetes Geheimnis, das ich ihm niemals mitteilte, so lange er lebte. Hätte es etwas geändert? Ich werde es nicht mehr erfahren. Veyd könnte dir all deine Fragen beantworten. Er ist der Kronzeuge in diesem Fall. Und darum wirst du ihn nicht zurückholen, so wenig wie jeder andere Nekromant dieser Sippschaft mir helfen wird. Es ist das erste Mal, dass ich bedaure, dass mein Zweig nicht selbst imstande ist, Magie zu wirken. Doch bekanntlich hat alles seinen Preis. Leb wohl, Osmund."


    Damit war die endgültige Spaltung der Sippe zementiert. Der zerissene Faden war nicht aufgegriffen worden, die losen Enden blieben frei schwebend im Gefüge aus Zeit und Raum. Vendelin konnte sie nicht mehr verbinden. Er tippte an seinen Hut, nickte Osmund zu und verließ das Haus. Für seinen Zweig war es erneut an der Zeit, unterzutauchen.


    Diesmal würde es keine Wiedervereinigung geben - nicht mit Hohenfelde.


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