Der Sucher - Wie ein Ork zum Spielball eines hinterhältigen Überfalls wurde



  • Zu der Zeit, als ich in Rakshanistan unterwegs war, konnte ich das Verhalten der Trolle beobachten. Ausgerechnet ein Ork wurde zum Spielball eines hinterhältigen Überfalls. Er trug sich während meiner Reise von Drakenstein nach Tamarant zu - mitten in der Wildnis der Tamjara.


    Der Sucher

    Wie ein Ork zum Spielball eines hinterhältigen Überfalls wurde


    Ich drückte mich zwischen die Felsen, als der Wind mir den unverwechselbaren Geruch von Trollen in die Nase trieb. Sie rochen nach Pfeffer, scharf und ein bisschen muffig. Kurz darauf kamen sie in Sicht, eine sogenannte Kette, eine Gruppe auf Wanderschaft. Ihre Haut und die Mähne hatten sie zum Schutz vor der Sonne mit weißer Asche eingerieben. Die schwarzen Punkte, die sie mit den Fingern darauf getupft hatten, verriet, dass sie dem Stamm der Sandpanther angehörten. Das wusste ich, weil es der Stamm meines Freundes und Söldnerkameraden Cherax war.


    Zwei Sammler führten ein Wesen mit sich. Die unregelmäßig verteilte Asche auf seiner Haut wirkte, als sei es unfreiwillig damit eingerieben worden. Stammespunkte trug es jedoch nicht. Es sah ihnen ähnlich, aber besaß weder Stoßzähne noch die typische Haarmähne der Trolle, die den halben Rücken hinab wuchs. Es ist mir unangenehm, davon zu berichten, doch es handelte sich um einen männlichen Ork. Darum blieb ich, um zu beobachten, was geschehen würde, auch wenn mich das Leben der Trolle nichts anging.


    Sie gingen sorgsam mit ihm um: Er war ihr Sucher. Er witterte und spürte die Knollen und Wurzeln im Sand auf, die sie sonst nicht finden würden. Ohne ihn hätten sie ihre Zeit und Kraft damit vergeudet, ziellos durch den endlosen Sand zu streifen um nach Nahrung und Wasser zu suchen. Ich wusste von mehreren Orks, die aufgrund ihrer guten Nase versklavt wurden, und der Anblick erfüllte mich mit einer wiedersprüchlichen Mischung aus Gehässigkeit und Scham.


    Der Anführer der Trolle blieb stehen. Etwas war nicht in Ordnung. Er stieß ein Wort aus und die Kette stoppte. Alle warfen sich hinter Felsen oder dorniges Gestrüpp, um sich mit der Landschaft zu tarnen, einschließlich des Orks. Aber die Staubwolke über ihren Köpfen hing wie eine Fahne in der heißen Luft und senkte sich nur langsam. Die Eindringlinge hatten sie bemerkt und die Tarnung war zwecklos. Als die zweite Gruppe von Trollen näher kamen, sprangen die Krieger aus ihren Verstecken und warfen sich auf die Eindringlinge. Die Sammler und ihre kostbare Ladung blieben im Hintergrund. Ein blutiger Kampf entbrannte, aber der Anführer der Sandpanther hielt sich zurück. Er war zu wertvoll, um sein Leben zu riskieren. Seine Krieger kämpften weiter, obwohl sie in der Minderheit waren. Als sie ihre Speere nicht mehr halten konnten, schlugen, würgten, kratzten und bissen sie, während sie zu einem wehrlosen Knäuel zusammengedrückt wurden. Der Anführer war der letzte Krieger, der fiel.


    Nach den verteidigenden Kriegern machten die Eindringlinge auch kurzen Prozess mit den Sammlern. Bald war von der ursprünglichen Kette nichts mehr übrig, außer dem Sucher, der das Blutbad gleichgültig hinnahm.


    Der Anführer der Eindringlinge wandte sich an den Ork. Unter großen Schwierigkeiten wechselten sie ein paar Worte. Schließlich willigte der Sucher ein, sie zum Dorf seiner Herren zu bringen. Er war schließlich ein Sucher und es war ihm egal, wem er diente. Der Anführer der Eindringlinge schickte zwei Krieger zurück in seine Heimat, um Sammler zu holen. Es gab viel Beute und Krieger schleppen nicht. Ein Drittel seiner Männer ließ er außerdem zurück, um die Knollen und Wurzeln der Besiegten zu bewachen. Daneben wälzten sich einige seiner Gefährten blutüberströmt im Sand. Keiner der Trolle, die sich in Richtung Heimat aufmachten, trug einen Verwundeten mit sich. Wie gesagt: Krieger schleppen nicht.


    Den Rest führte er mithilfe des Suchers zu einem Überfall. Sie kamen nur langsam voran, da Orks sich in der Hitze nicht so schnell bewegen können, so dass es mir nicht schwer fiel, ihnen zu folgen. Sie bewegten sich am felsigen Kamm eines Gebirgszuges entlang. In der flirrenden Mittagshitze erschien am Horizont das erste Zelt. Es stand im schützenden Schatten einer großen Höhle, dahinter standen weitere. Der Platz war gut gewählt, kühl und gut zu verteidigen, das erkannte auch der Anführer der Eindringlinge. Es gab nur einen Zugang. Nachdem er seine Krieger versteckt und sich so nah wie möglich herangepirscht hatte, lugte er vorsichtig über einen Felsen. Die Siedlung der Sandpanther war gut bewacht , wie die meisten Trollsiedlungen. Es würde schwierig werden.


    Leise ging er zurück zu seinen Kriegern und dem gefangenen Sucher. Mit viel Mühe und den wenigen Worten, die er mit dem Ork gemeinsam hatte, gab er ihm seine Anweisungen. Dabei klang er freundlich. Der Ork wirkte verwirrt. Schließlich schien er zu verstehen und machte sich auf den Weg zu seinem Heim.


    Die Wächter der Sandpanther richteten sich auf, als sie den einsamen Sucher den staubigen Abhang hinaufklettern sahen. Ich kam nah genug heran, um ihre Worte zu verstehen. Sie fragten ihn, was er dort machte und warum er mit seiner wertvollen Nase allein in der Wüste herumlief. Der Ork berichtete pflichtgemäß, dass die Kette nicht weit von hier überfallen worden war. Als sie ihn nach mehr Details fragten, wirkte er zunehmend überfordert. Je mehr Fragen die Wächter ihm stellten, desto unsicherer wurde er. Seine fremdsprachlichen Fähigkeiten waren kaum vorhanden und der Druck wurde ihm zu viel. Er schlug die Arme über den Kopf und sank auf den Boden.


    Bei dem Anblick verzog ich gequält das Gesicht. Es war schwer zu verstehen, was in dem Ork vorging. Die Wächter verstanden es auch nicht. Das Einzige, was sie aus ihm herausbekommen hatten, war, dass eine ihrer Ketten angegriffen worden war. Sie riefen die Krieger der Siedlung, bildeten einen Kampftrupp und rannten in die Richtung, die der Sucher ihnen genannt hatte.


    Kaum waren sie weg, führte der Anführer der Angreifer seine Krieger aus der anderen Richtung in die Siedlung hinein. Er hob den am Boden liegenden Sucher auf und schüttelte ihn durch, bis er bereit war, sie in die Höhle zu führen, in der die Zelte standen. Auch ich bahnte mir lautlos meinen Weg.


    Hinter dem Eingang waren noch ein paar zurückgelassene Krieger, aber sie wurden bald zum Schweigen gebracht, und die Eindringlinge drangen rasch weiter vor. Den unglücklichen Sucher vor sich schubsend, gelangten der Anführer und seine Krieger immer tiefer in die Höhle. Ich folgte ihnen in sicherer Entfernung. Die Luft wurde schwerer und stickiger. Der Sucher floh schließlich aus dem Gang in eine Seitenkammer, die von einem staubigen Lichtstrahl erleuchtet wurde, der durch ein Loch in der Außenwand fiel. Seine Besitzer begrüßten ihn, verstummten aber, als hinter ihm fremde Krieger erschienen. Der Tod brach über die Höhle herein. Die Eindringlinge töteten jeden, den sie fanden, ließen aber den wertvollen Sucher in Ruhe. Er war vor Entsetzen zusammengebrochen und würde vorläufig niemandem mehr nützen.


    Die Krieger streiften weiter durch die Höhle. Durch die Löcher in ihrer Decke fielen Säulen aus Licht, in denen Staub schwebte. Die Krieger und Kinder töteten sie sofort. Auch die Alten erfuhren keine Gnade. Diejenigen, die schnell genug waren, um zu fliehen, wurden ignoriert und hasteten an mir vorbei hinaus in die Wüste. Die Eindringlinge waren auf wichtigere Beute aus.


    Normalerweise schickte der Anführer der Eindringlinge nach einem erfolgreichen Überfall Boten in die Heimat zurück, die mit Sammlern zurückkamen, die den eroberten Ort plünderten. Alles gehörte dem Häuptling. Der Anführer hatte jedoch etwas anderes vor. Er schickte diesmal keine Boten in die Heimat und befahl, die Frauen zu verschonen. Das war ungewöhnlich, denn normaler Weise rottete man einen rivalisierenden Stamm aus.


    Der ganze Überfall war ungewöhnlich verlaufen mit einem naiven Ork als Werkzeug, der von den Trollen nichts anderes kannte, als dass sie Wurzeln wollten. Was der Anführer getan hatte, war anders als sonst. Er selbst war anders. Und so, wie er sich in der eroberten Siedlung umsah, ahnte ich, worauf er aus war.