Oberhain. Ein Spelunke nicht unweit des Hafens, in einem ärmlichen Viertel der Stadt.
Der faulige Gestank von Fisch stieg Bjorgä in die Nase. Der Berggipfler hasste Fisch. Schlimm genug, dass er als Koch hatte lernen müssen, wie man Fisch zubereitet und kocht. Doch diesen Geruch jeden Tag ertragen zu müssen, war für den Dicken nicht gerade angenehm. Ein echter Bergwychtl ließ sich von diesen Gedanken, aber nicht die Laune vermiesen. So zog der Dicke fröhlich summend seinen Handkarren hinter sich her, mit Einkäufen, die er so eben bei verschiedenen Marktständen erstanden hatte: 2 kg Fisch, frische Zwiebeln, Eier, mehrere Flaschen Milch, nen Sack Möhren und Kartoffeln, 5 Pfund Kohl, eingelegtes Obst, einen Zentner Linsen, sowie Brot, Käse und Speck für alle Fälle.
Sein Chef, Iosif Jewgenjewitsch ein Almane aus der kalten Stadt Nebreszko im Süden von Ghena, wartete bestimmt schon auf ihn. Aber Bjorgä war keine Person, die sich von irgendwem stressen ließ. Seine genügsame und träge Art, war eines seiner hervorstechensten Eigenschaften. Und so war es kein Wunder, dass Bjorgä nach etwa 30 m Halt machte und sich eine Pause gönnte.
"Oh mej, is dat' strässich heytä wiedä!", murmelte der Berggipfler mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Den Schweiß tropfte er sich mit den Ärmeln seiner Wolljacke ab, die er gerade trug.
"Erstmo a Päusche", sagte sich der Wychtl, setzte den Handkarren ab und griff in seine Jackentasche, wo er wie immer Käse drin versteckt hatte. Schmatzend saß er dort mehr als 10 Minuten am Wegesrand, erfreute sich am Geschmack des leckeren Käses, den er gerade gekauft hatte und spülte alles mit der frischen Milch herunter. Nur langsam sammelte er sich wieder, ging 50m weiter den Berg hoch und ruhte dort wieder für 2-3 Minuten. Als er endlich oben angekommen war, war der Käse in seiner Jackentasche fast schon leer. Zum Glück hatte der Dicke, aber immer etwas Käse für den Notfall versteckt, sodass er sich keine Sorgen machen musste.
Angestrengt von der körperlichen Ertüchtigung öffnete Bjorgä die Hintertür "Zum Ochsenbrecht", des Gasthauses, wo Bjorgä seit über einem Jahr lebte und arbeitete und brachte die Waren hinein.
Iosif saß dort geduldig auf einem alten Stuhl, spielte mit seinen Messern und wartete offensichtlich auf Bjorgä. Sein Chef war ein ehemaliger Söldner, welcher schon für die verschiedensten Auftraggeber gearbeitet hatte. Im Allgemeinen war er ein ruhiger Geselle. Wenn aber mal austickte, wurde er zum Tier und war nicht aufzuhalten. Mit seiner Körpergröße von 188 cm überragte er viele Leute. Zudem kam ihm seine kräftige und muskulöse Gestalt zu Gute, weshalb sich selten Leute mit ihm anlegten.
"Scheiße," sagte er bloß drohend, deutete auf die Uhr und verließ dann wieder den Raum. Denn die Gäste warteten und riefen schon nach einem neuen Bier. Für eine Maßregelung hatte Iosif jetzt keine Zeit.
Der Deal war: Iosif kümmerte sich um das Geschäftliche. Bjorgä machte das Essen und stellte gelegentlich auch eigenen Schnaps her. Denn Iosif war ein miserabler Koch und als Wirt war es seine Pflicht, auch Speisen anzubieten, um seine Gäste zu halten. Seitdem Bjorgä nämlich bei Iosif arbeitete, war der Umsatz des ehemaligen Söldners rasant in die Höhe gegangen, da die "leckeren Speisen" in ganz Oberhain bekannt geworden waren. Auch Bjorgäs Schnaps erfreute sich großer Beliebtheit, wenn es mal welchen gab, und so konnte Iosif nicht mehr auf den bequemen Berggipfler verzichten.
Immer noch leicht schwitzend von der körperlichen Ertüchtigung ging Bjorgä in die Küche und bereite alles für das Abendessen vor. Kurz gönnte er sich einen kurzen Schluck aus seinem Bierkrug und fing dann an ein vorzügliches Menü vorzubereiten: Zunächst bereitete er eine Würzpanade aus Knoblauch, Thymian, Basilikum, Salz, getrockneten Tomaten, geriebener Zitronenschale und frisch gepresstem Zitronensaft eine duftende Würzmischung her. Strich die Fische mit dieser Würzmischung ein, schnitt ihn auf und füllte diesen mit saftigen Fenchelknollen, leicht angebratenen Kartoffeln, sowie frischen Zwiebeln. Zum Schluss noch ein paar gekochte Linsen drüber und fertig war das Mahl.
Zufrieden mit seinem Ergebnis servierte er 6 Gerichte für insgesamt 12 Personen und gab den weniger zahlungskräftigen Gästen etwas von der Tomatensuppe ab, die er schon am Morgen vorbereitet hatte. Als Bjorgä kurz hinter der Theke verschwand, um seinen Schweiß von der Stirn abzuwischen, kam der etwas gestresste Iosif zu ihm und meinte: "Ich weiß nicht wie, aber du schaffst es immer, dass ich nicht lange auf dich böse sein kann...," murmelte er. Bjorgä nickte ihm zufrieden zu, nahm sich ein Bier und setzte sich zu einigen Gästen hinzu, die gerade kräftig in Bjorgäs Mahlzeit vertieft waren.
"Gutä Hungä", sagte der Bergwychtl bloß und trank sein Bier.